TE Vwgh Beschluss 2021/7/23 Ra 2021/06/0090

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Veröffentlicht am 23.07.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
91/01 Fernmeldewesen

Norm

AVG §8
B-VG Art133 Abs4
TKG 2003 §2 Abs3
TKG 2003 §74
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des M R in N, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/2/28, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 16. März 2021, 405-3/809/1/2-2021, betreffend Versagung der Parteistellung in einer Bausache (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bau- und Raumplanungsausschuss der Gemeindevertretung Anif; weitere Partei Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Die Bürgermeisterin der Gemeinde A. wies mit Bescheid vom 21. August 2020 die Anträge des Revisionswerbers auf Erlassung baupolizeilicher Maßnahmen gemäß § 16 Abs. 6 iVm § 20 Abs. 7 Salzburger Baupolizeigesetz (BauPolG) betreffend die Aufrüstung einer bereits bestehenden Mobilfunksendeanlage durch zusätzliche Antennen auf dem Dach eines näher bezeichneten Gebäudes mangels Parteistellung zurück, weil der Revisionswerber nicht die Einhaltung von Abstandsvorschriften nach den baupolizeilichen Bestimmungen, sondern die Einhaltung nach strahlenschutzrechtlichen Richtlinien eingefordert habe; diese seien jedoch von der Bundeskompetenz „Fernmeldewesen“ umfasst, sodass daraus keine Parteistellung gemäß § 20 BauPolG abgeleitet werden könne.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bau- und Raumplanungsausschusses der Gemeinde A. (Behörde) vom 5. Jänner 2021, mit welchem die Berufung gegen den oben genannten Bescheid abgewiesen worden war, als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision dagegen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.

Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde begründete das LVwG mit Hinweis auf § 2 Abs. 1 Gemeinde-Instanzen-Verordnung Salzburg iVm § 38 Abs. 3 Gemeindeordnung 2019.

Eine Parteistellung sei nur für Nachbarn vorgesehen, deren Grundstücke im engeren örtlichen Umfeld der baulichen Maßnahme gelegen seien. Das Grundstück des Revisionswerbers befinde sich ca. 295 m Luftlinie von der gegenständlichen Mobilfunksendeanlage entfernt, sodass ihm bereits aufgrund dieser großen Entfernung eine Parteistellung weder im baupolizeilichen Verfahren gemäß § 16 BauPolG noch im Baubewilligungsverfahren gemäß § 2 Abs. 1 BauPolG zukomme. Die Rechtsansicht, dass eine Nachbarparteistellung so weit reiche wie die schädliche Strahlung der Mobilfunksendeanlage, werde mit Hinweis auf die eindeutige Rechtslage nach § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 5 BauPolG verneint.

6        Bei dem Vorbringen zu „III. Ausführungen zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision“ [Redaktionsversehen im Original, weil das LVwG eine ordentliche Revision nicht für zulässig erklärte] handelt es sich dem Inhalt nach um Revisionsausführungen. Welche konkrete, entscheidungsrelevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof beantworten sollte, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht gesondert dargelegt.

7        Der Revisionswerber rügt ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung, ohne jedoch konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleiche, das LVwG im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wobei die Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl nicht ausreicht (vgl. VwGH 24.1.2017, Ra 2016/05/0117, Rz 5, mwN).

Im Übrigen sind diese Entscheidungen hinsichtlich des zu beurteilenden Sachverhaltes und der zu beurteilenden Rechtslage mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar (beispielsweise VwGH 14.2.1978, 1518/77, ergangen zur NÖ BauO 1976; VwGH 28.6.1990, 90/06/0075, betreffend einen unmittelbaren Nachbar des Bauplatzes, der sich gegen die Abstände wendet; VwGH 4.11.2016, Ro 2014/05/0029, zur Frage der Parteistellung in einem Bauanzeigeverfahren gemäß § 62 Bauordnung für Wien).

8        Soweit der Revisionswerber das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend macht (mangelndes Parteiengehör, keine Auseinandersetzung mit der Einwendung betreffend Strahlengefährdung bzw. Einholung eines betriebstypologischen Gutachtens und keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem LVwG), fehlt es schon an der für die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erforderlichen Relevanzdarstellung (vgl. etwa VwGH 26.3.2021, Ra 2021/06/0049).

9        Die Revision bringt weiter vor, eine „Funkanlage“ sei gleich zu behandeln wie eine Betriebsanlage gemäß § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO), und verneint damit die Zuständigkeit der Behörden.

Dem ist zu entgegnen, dass die Errichtung und der Betrieb von Funkanlagen in § 74 Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG) geregelt ist und die GewO gemäß § 2 Abs. 3 TKG auf das Betreiben von Kommunikationsnetzen keine Anwendung findet. Somit liegen die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft gemäß § 3 Abs. 1 Bau-Delegierungsverordnung 1998 für den Bezirk Salzburg-Umgebung - Flachgau nicht vor. Die Baubehörden sind im vorliegenden Bauverfahren somit zuständig.

10       Gegenstand des mit dem angefochtenen Erkenntnis abgeschlossenen Verfahrens ist ein Antrag gemäß § 16 Abs. 6 iVm § 20 Abs. 7 BauPolG; auf das Vorbringen betreffend die Bewilligungspflicht nach § 2 BauPolG war daher nicht einzugehen.

11       Im Übrigen ist der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Nachbarn gegenüber den von einer Fernmeldeanlage typischerweise ausgehenden Gefahren von der Bundeskompetenz „Fernmeldewesen“ umfasst und darf in baurechtlichen Verfahren betreffend Fernmeldeanlagen nicht herangezogen werden (vgl. VwGH 24.2.2021, Ra 2021/06/0032, Rn 6). Darauf geht der Revisionswerber überhaupt nicht ein.

12       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Juli 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060090.L00

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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