TE Bvwg Beschluss 2021/5/26 W246 2234289-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.05.2021

Norm

AVG §52
AVG §7
BDG 1979 §14
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W246 2234289-1/16Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Heinz VERDINO über die Anträge der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Peterpaul SUNTINGER, vom 06.05.2021 und 25.05.2021 im Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid des Personalamtes XXXX der Österreichischen Post AG vom 02.07.2020, Zl. PAK-015163/18-A07, den Beschluss:

Die Anträge vom 06.05.2021 und 25.05.2021 werden abgewiesen.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Nach der – auf Grundlage des ärztlichen Gutachtens einer Fachärztin für Orthopädie (Dr. XXXX ) vom 25.10.2018 erstellten – Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt (in der Folge: PVA) vom 06.11.2018 (Dr. XXXX ) lagen bei der Beschwerdeführerin, einer Beamtin der Österreichischen Post AG mit dem zuletzt zugewiesenen Arbeitsplatz des „Universalschalterdienstes“ (Code 5050), zu diesem Zeitpunkt ein Zustand nach XXXX links bei XXXX rechts, ein XXXX bei deutlichen XXXX und XXXX vor, wobei eine leistungskalkülsrelevante Besserung dieser Hauptursachen der Minderung ihrer Dienstfähigkeit nicht möglich gewesen sei.

2. Das in der Folge von der Behörde eingeholte Gutachten eines Facharztes für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (Dr. XXXX ) vom 27.06.2019 führt im Ergebnis aus, dass der Beschwerdeführerin die auf ihrem Arbeitsplatz bestehenden Anforderungen, abgesehen vom Heben und Tragen von Lasten über 25kg, zumutbar seien.

3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wurde die Beschwerdeführerin vom Personalamt XXXX der Österreichischen Post AG (in der Folge: die Behörde) gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 wegen dauernder Dienstunfähigkeit von Amts wegen in den Ruhestand versetzt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihres Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde.

5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.04.2021 wurde die bereits in erster Instanz tätig gewordene Fachärztin für Orthopädie (Dr. XXXX ) dem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach § 14 BVwGG iVm § 14 Abs. 3 BDG 1979 als Amtssachverständige beigezogen und beauftragt, ausgehend von ihrem Gutachten vom 25.10.2018 nach neuerlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung (in Auseinandersetzung mit) der (den) nunmehr vorliegenden ärztlichen Befunde(n) und (den) sonstigen Ermittlungsergebnisse(n) (s. insbesondere den aktuellsten Arztbrief von Dr. XXXX vom 27.01.2021 und die Anfragebeantwortungen der Behörde vom 07.04.2020 sowie 25.03.2021, wonach am Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin ca. 10 Pakete über 25kg/Monat zu heben seien) ein aktuelles Gutachten zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zu erstellen und hierbei insbesondere zu prüfen, ob sie aktuell (und in Zukunft) dazu in der Lage ist (sein wird), die ihr nach dem Anforderungsprofil für ihren Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Hierfür wurde die Amtssachverständige darum ersucht, eine direkte Vorladung der Beschwerdeführerin für die Durchführung ihrer Untersuchung zu veranlassen.

6. Mit Schreiben vom 06.05.2021 führte die Beschwerdeführerin im Wege ihres Rechtsvertreters aus, dass sie mit der Bestellung der o.a. Amtssachverständigen nicht einverstanden sei. Es würden Einwendungen erhoben, weil die Ausführungen der Amtssachversständigen in ihrem Gutachten vom 25.10.2018 nicht richtig sowie nicht nachvollziehbar und mit den sonstigen Arztbriefen (u.a. jenen von Dr. XXXX vom 18.03.2019 und 27.01.2021) nicht in Einklang zu bringen seien. Nach dem Arztbrief von Dr. XXXX vom 27.01.2021 sei die Beschwerdeführerin komplett beschwerdefrei und lägen bei ihr keine Bewegungseinschränkungen vor, weshalb sie auch Gewichte bis 35/40kg ohne Weiteres heben dürfe. Sie sei daher auf ihrem Arbeitsplatz im „Universalschalterdienst“ voll einsatzfähig. Die beigezogene Amtssachverständige habe bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides insofern mitgewirkt, als dass ihre Ausführungen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden seien. Es werde daher sowohl die Unbefangenheit als auch die Fachkunde der beigezogenen Amtssachverständigen von der Beschwerdeführerin in Zweifel gezogen.

Es werde daher beantragt, dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht Dr. XXXX , sondern eine andere Amtssachverständige/einen anderen Amtssachverständigen beizuziehen.

7. In der Folge führte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25.05.2021 im Wege ihres Rechtsvertreters aus, dass nicht nur ein Amtssachverständiger/eine Amtssachverständige dem Beschwerdeverfahren beigezogen werden könne, sondern dass auch, wie dies immer wieder von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes gemacht werde, ein Facharzt/eine Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie bestellt werden könne (gemeint wohl: ein nichtamtlicher Sachverständiger/eine nichtamtliche Sachverständige), was hiermit ausdrücklich beantragt werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Die für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen des AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018, lauten wie folgt:

„Befangenheit von Verwaltungsorganen

§ 7. (1) Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen:

1.

in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (§ 36a) oder eine von ihnen vertretene schutzberechtigte Person beteiligt sind;

2.

in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind;

3.

wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen;

4.

im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung (§ 64a) mitgewirkt haben.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat, wenn die Vertretung durch ein anderes Verwaltungsorgan nicht sogleich bewirkt werden kann, auch das befangene Organ die unaufschiebbaren Amtshandlungen selbst vorzunehmen.

[…]

Sachverständige

§ 52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.

(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so kann die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.

(4) Der Bestellung zum nichtamtlichen Sachverständigen hat Folge zu leisten, wer zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wer die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis die Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist. Nichtamtliche Sachverständige sind zu beeiden, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im Allgemeinen beeidet sind. Die §§ 49 und 50 gelten auch für nichtamtliche Sachverständige.“

2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann aus der bloßen Zugehörigkeit eines Amtssachverständigen zu einer bestimmten Behörde und aus der Weisungsgebundenheit des Amtssachverständigen eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht abgeleitet werden. Die Einbindung eines Amtssachverständigen in die Amtshierarchie ist ein wesentliches Kennzeichen des Amtssachverständigen und vermag für sich allein eine Befangenheit nicht zu begründen, gleichgültig, welche Stellung der Amtssachverständige in der Hierarchie einnimmt (vgl. etwa VwGH 03.05.2012, 2010/06/0171; 27.09.2011, 2009/12/0112; 20.05.2008, 2005/12/0012, u.v.a.).

Der Verfassungsgerichtshof erkannte keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Beiziehung von Amtssachverständigen durch die Verwaltungsgerichte: Der Verfassungsgerichtshof führte aus, dass zwar Amtssachverständige grundsätzlich gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG in dienstlicher Hinsicht weisungsgebunden sind, jedoch allein darin aber kein Grund für eine Befangenheit oder den Anschein der Befangenheit gesehen werden kann. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten an keine Weisungen gebunden, weil Gutachten den sie erstellenden Amtssachverständigen persönlich zurechenbar sind. Aus der fachlichen Weisungsfreiheit des Amtssachverständigen bei Erstattung seines Gutachtens kann jedoch nicht gefolgert werden, dass das Verwaltungsgericht in jedem Fall Amtssachverständige heranziehen darf. Das Verwaltungsgericht muss vielmehr stets prüfen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, u.a. also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Ob dies der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen. Dies setzt auch voraus, dass das Verwaltungsgericht selbst die Auswahl des Amtssachverständigen vornimmt (und nicht etwa einer anderen Stelle überlässt) und dabei dessen Qualifikation und das Vorliegen etwaiger Befangenheitsgründe bzw. Gründe für den Anschein der Befangenheit dieses Amtssachverständigen prüft (s. VfGH 07.10.2014, E 707/2014).

3. Zunächst ist festzuhalten, dass an der fachlichen Qualifikation der dem Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Zweifel bestehen: Es handelt sich bei der beigezogenen Amtssachverständigen um eine Fachärztin für Orthopädie mit mehrjähriger Erfahrung in der Erstellung von Gutachten im Rahmen von Ruhestandsversetzungsverfahren, die bereits am 25.10.2018 nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin ein Gutachten betreffend ihre Fähigkeit zur Verrichtung der auf ihrem Arbeitsplatz erforderlichen Tätigkeiten erstellt hat und somit mit dem vorliegenden Fall bereits vertraut ist. Mögliche Befangenheitsgründe wurden von der Beschwerdeführerin mit den in ihren Schreiben vom 06.05.2021 und 25.05.2021 getätigten Ausführungen nicht aufgezeigt. Eine etwaige Befangenheit wäre nach der oben dargelegten höchstgerichtlichen Judikatur jedenfalls nicht schon allein in dem Umstand gelegen, dass die beigezogene Amtssachverständige bereits in erster Instanz ein orthopädisches Gutachten (vom 25.10.2018) als einen von mehreren medizinischen Befunden (s. auch das Gutachten von Dr. XXXX vom 27.06.2019 und die chefärztliche Stellungnahme von Dr. XXXX vom 06.11.2018) als Grundlage für den durch die Behörde erlassenen Ruhestandsversetzungsbescheid erstellt hat.

Die von der Beschwerdeführerin gestellten Anträge vom 06.05.2021 und 25.05.2021 sind daher mittels verfahrensleitenden Beschlusses abzuweisen (§ 9 Abs. 1 erster und zweiter Satz BVwGG und § 25 Abs. 5 letzter Satz VwGVG).

Schlagworte

Ablehnungsantrag Amtssachverständiger Beamter Dienstunfähigkeit Ruhestandsversetzung Sachverständigenbestellung Unbefangenheit verfahrensleitender Beschluss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W246.2234289.1.00

Im RIS seit

06.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten