TE Vwgh Beschluss 1997/2/28 95/19/0872

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

20/09 Internationales Privatrecht;
29/02 Internationales Privatrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10;
Haager MinderjährigenschutzAbk 1975 Art3;
IPRG §24;
IPRG §25 Abs2;
ZustG §6;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des G in I, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesminister für Inneres vom 10. Juli 1995, Zl. 101.929/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem Schriftsatz vom 18. Jänner 1994 gab Rechtsanwalt Dr. K bekannt, daß Herr H (unehelicher Vater des Beschwerdeführers) und Frau D (leibliche Mutter des Beschwerdeführers) ihn mit der Vertretung des Beschwerdeführers beauftragt hätten. Der Beschwerdeführer entstamme der Lebensgemeinschaft zwischen H und D. Da die Kindeseltern nie geheiratet hätten, besitze der Beschwerdeführer, seiner Mutter folgend, früher die jugoslawische, jetzt die KROATISCHE Staatsbürgerschaft. Die Mutter des Beschwerdeführers sei mit dem beigeschlossenen Formular (Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz für den Beschwerdeführer) bei Dr. K erschienen und habe ihn gebeten, dieses Formular an die Bundespolizeidirektion Innsbruck, Fremdenpolizei, weiterzuleiten, was er, verbunden mit dem Antrag, dem minderjährigen Beschwerdeführer eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen, auch getan habe.

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck leitete den Antrag an die zuständige Behörde (Landeshauptmann von Tirol) weiter.

In der Folge stellte sowohl die Behörde erster Instanz als auch die Behörde zweiter Instanz sämtliche den Beschwerdeführer betreffenden Schriftstücke an den ausgewiesenen Vertreter Dr. K zu; dieser brachte mehrere Schriftsätze und das Rechtsmittel der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid unter jeweiligem Hinweis auf das bestehende Vertretungsverhältnis ein.

Die belangte Behörde setzte mit Bescheid vom 4. Jänner 1995 gemäß § 38 AVG das Verfahren aus, weil beim Bezirksgericht Innsbruck unter der "Zl. 2 Sw XY/94" bezüglich der Mutter des Beschwerdeführers ein Sachwalterverfahren anhängig war. In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Juli 1995. Sie wies die Berufung des Beschwerdeführers mangels korrekter Antragstellung zurück. Die belangte Behörde führte in der Begründung aus, daß für die Mutter des Beschwerdeführers vom Bezirksgericht Innsbruck "mittlerweile" ein Sachwalter bestellt worden sei, welcher unter anderem die Vertretung vor Ämtern zu übernehmen habe. Ein Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) sei gemäß § 6 Abs. 1 AufG an einen Antrag gebunden. Dazu seien jedoch lediglich geschäftsfähige Personen legitimiert. Es sei festgestellt worden, daß die Mutter des Beschwerdeführers nicht geschäftsfähig sei, weshalb keine korrekte Antragstellung vorliege.

Dieser Bescheid wurde dem ausgewiesenen Vertreter zugestellt und in seiner Kanzlei am 26. Juli 1995 übernommen. Rechtsanwalt Dr. K retournierte mit Schriftsatz vom 26. Juli 1995 den zugestellten Bescheid der belangten Behörde samt Beilagen im Original, wobei er folgendes ausführte:

"Nach dem Spruch des Bescheides wird die Berufung "mangels korrekter Antragstellung" zurückgewiesen und in der Begründung ausgeführt, daß eine korrekte Antragstellung nicht vorliege, da die Mutter des Berufungswerbers, D, nicht geschäftsfähig sei.

Wenn D zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht geschäftsfähig gewesen war, war sie dies auch nicht, als sie mich bevollmächtigt hat. Ich bin daher nicht der geeignete Adressat Ihres Schreibens, ich darf Sie daher ersuchen, um eine Ihrer Rechtsansicht nach rechtsgültige Zustellung des Bescheides besorgt zu sein und retourniere das Schreiben samt Beilagen im Orignal."

Die belangte Behörde führte in der Folge eine Zustellung an die für die Mutter des Beschwerdeführers bestellte Sachwalterin am 18. August 1995 durch.

Am 11. September 1995 erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde. Die Beschwerde wurde zur Behebung einer Reihe von Mängeln zurückgestellt. Mit Schriftsatz vom 26. September 1996 gab der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter Dr. K an, der angefochtene Bescheid sei am 8. September 1995 zugestellt worden und legte eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vor, auf welchem sich eine Telefax-Bestätigung einer Zustellung vom 8. September 1995 findet. Dr. K berief sich in der Beschwerde nunmehr auf die vom mittlerweile volljährigen Beschwerdeführer unmittelbar erteilte Vollmacht. In der Beschwerde wird ausgeführt:

"Unstrittig ist, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung am 10.2.1994 minderjährig und seine Mutter seine gesetzliche Vertreterin war. Nachdem sowohl die Mutter des Beschwerdeführers als auch er als deren uneheliches Kind dem ehemals jugoslawischen Personalstatut unterliegen, ist seine Mutter seine einzige gesetzliche Vertreterin, sein

- österreichischer - Vater ist Kraft Gesetzes zur Vertretung nicht berechtigt.

Unstrittig ist weiters, daß über die Mutter des Beschwerdeführers erst mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 9. Juni 1995, 2 SW XY/94-97 die Sachwalterschaft eröffnet und zur Sachwalterin Frau Dr. E, p.A. Verein für Sachwalterschaft, bestellt wurde und zwar auch mit dem Wirkungskreis "Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gericht".

Für die Mutter des Antragstellers war daher am 10.2.1994 noch kein Sachwalter bestellt, sodaß sie zum Zeitpunkt der Antragstellung de jure vollkommen geschäftsfähig war.

Es kann schon sein, daß die Mutter des Beschwerdeführers aufgrund ihres Geisteszustandes zum Zeitpunkt der Antragstellung de facto nicht geschäftsfähig gewesen ist. Feststellen könnte dies aber nur ein Gutachter, der ein Gutachten über den DAMALIGEN Geisteszustand der Mutter des Beschwerdeführers erstellt. Der Gutachter im Sachwalterschaftsverfahren hatte nur die Aufgabe, die Geschäftsfähigkeit der Mutter des Beschwerdeführers ZUM VERFAHRENSZEITPUNKT zu beurteilen, und eine Zukunftsprognose zu erstellen.

De Jure war, um es zu wiederholen, die Mutter des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung geschäftsfähig und antragsberechtigt.

Die Berufungsbehörde ist auf die Argumentation des Beschwerdeführers in seiner Berufung inhaltlich überhaupt nicht eingegangen, sie hat sich lediglich formalistisch auf den Standpunkt gestellt, die Tatsache, daß über seine Mutter die Sachwalterschaft eröffnet worden sei, habe sie daran gehindert, seinerzeit - also noch vor Eröffnung der Sachwalterschaft - einen rechtsgültigen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu stellen.

Mit dieser Entscheidung hat die belangte Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.

Festzuhalten ist weiters, daß auch Unmündige Anträge zu ihrem Vorteil nach dem Aufenthaltsgesetz rechtsgültig stellen können. Ein Antrag auf Erlangung der Aufenthaltsgenehmigung ist ein solcher Antrag. Eine geschäftsunfähige Person muß einer unmündigen Person gleichgestellt sein, sodaß allein aus diesem Grund die Antragstellung rechtsgültig gewesen wäre.

Zudem kann dem damals minderjährig gewesenen Beschwerdeführer kein Vorwurf aus der Tatsache gemacht werden, daß er nicht gewußt hat, daß seine Mutter zu einem späteren Zeitpunkt für geschäftsunfähig erklärt werden würde.

Es wird daher in der Sache selbst zu entscheiden sein."

Ausgehend von den Angaben in der Beschwerde zur Zustellung des angefochtenen Bescheides wurde das Vorverfahren eingeleitet. Im Verwaltungsakt liegen aber der Zustellschein betreffend die oben ausgeführte Zustellung des angefochtenen Bescheides an Rechtsanwalt Dr. K vom 26. Juli 1995 und dessen Rücksendeschriftsatz vom 26. Juli 1995 ein.

Gemäß § 10 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Schreitet ein Rechtsanwalt ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

Eine Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur Vertretung schließt auch die Zustellvollmacht ein. Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, eine im Inland wohnende Person, welche gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, als Empfänger zu bezeichnen. Gemäß § 6 Zustellgesetz ist die erste (rechtswirksame) Zustellung maßgebend, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wird.

Da die erste ausgewiesene Zustellung des angefochtenen Bescheides an Rechtsanwalt Dr. K vom 26. Juli 1995 datiert und - gerechnet ab diesem Datum - die Beschwerdefrist mit Ablauf des 6. September 1995 endete, die Beschwerde jedoch erst am 11. September 1995 zur Post gegeben wurde, ist die Frage, ob die genannte Zustellung vom 26. Juli 1995 rechtsgültig erfolgte, entscheidend für die Beurteilung, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde.

Rechtsanwalt Dr. K berief sich im Schriftsatz vom 18. Jänner 1994 in einer dem § 10 AVG entsprechenden Weise sowohl auf die ihm vom (unehelichen) Vater als auch von der Mutter des Beschwerdeführers erteilte Vollmacht zur Vertretung des Beschwerdeführers. Damit wäre die Zustellung an ihn vom 26. Juli 1995 nur dann nicht rechtsgültig, wenn die Bevollmächtigung nicht rechtsgültig zustandegekommen wäre, also Dr. K von allem Anfang an nicht Vertreter des Beschwerdeführers gewesen wäre.

Gemäß §§ 24, 25 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978 (in der Folge: IPRG) unterliegt die gesetzliche Vertretung der Eltern dem Kindschaftsstatut. Ein gesetzliches Gewaltverhältnis, das nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, dem der Minderjährige angehört, kraft Gesetzes besteht (wie kraft Gesetzes bestehende elterliche Obsorge oder gesetzliche Vormundschaft), ist gemäß Art. 3 des "Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen", BGBl. Nr. 446/1975, in allen Vertragsstaaten anzuerkennen.

Der Beschwerdeführer berief sich im Verwaltungsverfahren darauf, kroatischer Staatsbürger zu sein. Daher ist das kroatische Gesetz über die Ehe und Familienbeziehungen vom 10. März 1978 anzuwenden. Dieses Gesetz (in deutscher Übersetzung abgedruckt in Bergmann - Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, V, 63) unterscheidet in seinen Art. 67 ff weder zwischen ehelichen und unehelichen Kindern noch hinsichtlich der Staatsbürgerschaft der Eltern. Nach Art. 73 Abs. 1 leg. cit. haben "die Eltern das Recht und die Pflicht, ihre Kinder zu vertreten und für sie Rechtsgeschäfte zu schließen". Gemäß Art. 75 Abs. 1 leg. cit. üben die Eltern das Elternrecht "gleichberechtigt und einvernehmlich aus". Art. 77 Abs. 1 leg. cit. besagt, daß der andere Elternteil das Elternrecht ausübt, wenn ein Elternteil an der Ausübung des Elternrechtes verhindert oder ihm die Geschäftsfähigkeit entzogen ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Mutter des Beschwerdeführers bei Erteilung der Vollmacht an Rechtsanwalt Dr. K geschäftsfähig war oder nicht. Im Falle ihrer Geschäftsfähigkeit wäre die von ihr erteilte Vollmacht zur Vertretung des damals minderjährigen Beschwerdeführers rechtsgültig. Im Falle ihrer Geschäftsunfähigkeit blieb das Vertretungsrecht des Vaters - gleichgültig, ob die Eltern des Beschwerdeführers zusammenlebten bzw. bei welchem Elternteil sich der Beschwerdeführer befand - gemäß Art. 73 Abs. 1 iVm Art. 77 Abs. 1 des zitierten kroatischen Gesetzes jedenfalls aufrecht. Daher erteilte der Vater des Beschwerdeführers im Falle der Geschäftsunfähigkeit der Mutter des Beschwerdeführers rechtsgültig die Vollmacht zur Vertretung des Beschwerdeführers, auf die sich Rechtsanwalt Dr. K im Schriftsatz vom 18. Jänner 1994 berief.

Die an diesen Bevollmächtigten gerichtete Zustellung des angefochtenen Bescheides am 26. Juli 1995 erfolgte daher rechtsgültig. Die sechswöchige Beschwerdefrist begann mit diesem Tag zu laufen und endete mit Ablauf des 6. September 1995.

Damit erweist sich die am 11. September 1995 erhobene Beschwerde als verspätet, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190872.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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