TE Vwgh Erkenntnis 1983/5/31 83/05/0011

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Veröffentlicht am 31.05.1983
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
L82259 Garagen Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
BauO Wr §129 Abs10
BauO Wr §132
BauO Wr §138
BauRallg implizit
GaragenG Wr 1957 §3 Abs1 litb
GaragenG Wr 1957 §3 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der A Gesellschaft in W, vertreten durch Dr. Walter Adam, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. November 1982, Zl. MDR-B IX-4/82, betreffend die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer Augenscheinsverhandlung vom 25. Jänner 1982 stellte ein technischer Amtssachverständiger des Wiener Magistrates fest, daß auf dem gehsteigmäßig ausgestalteten, zur Liegenschaft Wien, R-gasse 6, gehörenden Grundteil ohne Bewilligung fünf Kraftfahrzeuge abgestellt worden seien. Die Erteilung einer nachträglichen Bewilligung sei deshalb nicht möglich, weil die Stellplätze direkt, ohne Einhaltung eines 2,5 m großen Abstandes, an Hauptfenster angrenzten.

Mit Bescheid vom 12. Februar 1982 erteilte der Wiener Magistrat den Eigentümern der genannten Liegenschaft, darunter der Beschwerdeführerin, den auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützten Auftrag, ab Rechtskraft des Bescheides das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem zur Liegenschaft gehörenden, zwischen Außenmauer und Gehsteig gelegenen Grundteil aufzulassen. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des festgestellten Sachverhaltes auf die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 lit. b des Wiener Garagengesetzes und des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien verwiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im eigenen Namen und im Namen anderer Wohnungseigentümer die Berufung. Darin wurde im wesentlichen darauf verwiesen, daß im Hinblick auf die gegebene Parkraumnot die Grundflächen bisher mit Wissen und Toleranz der Behörde zum Parken verwendet worden seien; allenfalls möge eine Ausnahme gestattet werden.

Auf Befragen der Berufungsbehörde führte der Amtssachverständige der Behörde erster Instanz in einer ergänzenden Stellungnahme vom 8. Juni 1982 aus, § 3 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes sei deswegen nicht anwendbar, weil ständig mehr als zwei Kraftfahrzeuge abgestellt würden und außerdem die zwingende Vorschrift des § 7 Abs. 5 des Gesetzes nicht eingehalten sei.

In ihrer Äußerung vom 8. Juni 1982 regte die Beschwerdeführerin an, den Gehsteig entlang der Baulinie des Hauses in Form eines öffentlichen Durchganges - entsprechend einer vorgelegten Skizze - vorzusehen und anschließend daran sechs Parkplätze zu situieren. Allenfalls wären die Miteigentümer bereit, von der Stadt Wien eine daran angrenzende Grundfläche im Ausmaß von ca. 27 m2 zu erwerben.

Mit Beschluß der Bauoberbehörde für Wien vom 25. November 1982, ausgefertigt mit Bescheid des Wiener Magistrates vom gleichen Tag, wurde der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß vorgeschrieben wurde, ab einem Monat nach Rechtskraft des Bescheides das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem zur Liegenschaft gehörenden, zwischen Außenmauer und Gehsteig gelegenen Grundteil aufzulassen. (Die Berufung einiger Wohnungseigentümer wurde gleichzeitig als unzulässig zurückgewiesen.) In der Begründung dieses Bescheides führte die Baubehörde zweiter Instanz aus, gemäß § 3 Abs. 1 lit. b des Wiener Garagengesetzes sei die Verwendung von Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bewilligungspflichtig; gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien seien Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben. Ob die Erteilung einer nachträglichen Bewilligung möglich sei, sei im baupolizeilichen Auftragsverfahren nicht zu prüfen. Gemäß § 3 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes (WGG) bedürfe keiner Bewilligung das Einstellen von höchstens zehn Krafträdern oder zwei Kraftwagen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von je 3.500 kg auf einer unbebauten Liegenschaft oder in einem nicht allseits durch Gebäudemauern umschlossenen Hof von mindestens 80 m2 Grundfläche. Die Bestimmungen der §§ 5 und 6 Abs. 1 WGG sowie die Vorschriften über den Betrieb von Einstellplätzen würden jedoch auch für solche Anlagen gelten. Das Einstellen von höchstens zwei Kraftwagen auf dem beschriebenen Grundteil wäre daher zwar ohne Bewilligung zulässig. Die Bestimmungen des § 7 (Abstand zu den Hauptfenstern) des Wiener Garagengesetzes würden hinsichtlich der bewilligungsfreien Abstellung gemäß § 3 Abs. 2 des Gesetzes nicht gelten. Da aber das Einstellen von mehr als zwei Kraftfahrzeugen bewilligungspflichtig sei und eine derartige Bewilligung nicht vorliege, sei der angefochtene Bescheid diesbezüglich zu bestätigen gewesen.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes (WGG) wird unter dem Einstellen von Kraftfahrzeugen im Sinne dieses Gesetzes jedes Abstellen betriebsbereiter Kraftfahrzeuge auf anderen als öffentlichen Verkehrsflächen über die zum Aus- und Einsteigen oder zum Be- und Entladen erforderliche Zeit hinaus verstanden. Ein Kraftfahrzeug gilt im Sinne dieses Gesetzes als nicht betriebsbereit, wenn die Treibstoffbehälter entleert und die Batterien ausgebaut sind.

Nach § 3 Abs. 1 lit. b WGG bedarf einer behördlichen Bewilligung im Sinne der §§ 60 und 70 oder 71 der Bauordnung für Wien die Verwendung von Flächen oder Räumen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen, ohne daß eine Bauführung erfolgt, soweit hiefür eine behördliche Bewilligung noch nicht vorliegt. Nach § 3 Abs. 2 WGG bedarf keiner Bewilligung nach Abs. 1 lit. b das Einstellen von höchstens zehn Krafträdern oder zwei Kraftwagen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von je 3.500 kg auf einer unbebauten Liegenschaft oder in einem nicht allseits durch Gebäudemauern umschlossenen Hof von mindestens 80 m2 Grundfläche, weiters im Seitenabstand gegen Nachbarliegenschaften, wenn dieser Seitenabstand mindestens 3 m breit ist.

Nach § 3 Abs. 5, letzter Satz, WGG kann die Behörde in den Fällen der Abs. 2 und 3 jederzeit jene Aufträge erteilen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der §§ 5 und 6 Abs. 1 zu gewährleisten; erforderlichenfalls ist das Einstellen zu untersagen. Nach § 7 Abs. 5 WGG müssen schließlich Einstellplätze für Kraftfahrzeuge von Hauptfenstern allseitig einen Abstand von mindestens 2,5 m aufweisen.

Auf Grund dieser Rechtslage ergibt sich zunächst, daß die Verwendung von Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen ohne baubehördliche Bewilligung, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand vorliegt, vorschriftswidrig ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Baubehörde im Falle einer bewilligungspflichtigen Verwendung von Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen auch zu einer Auftragserteilung nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien berechtigt. Nach der genannten Gesetzesstelle sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftwidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Auch bei einer Verletzung der Bestimmungen über die baubehördliche Bewilligungspflicht nach dem Wiener Garagengesetz sind die Bestimmungen des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien über die Beseitigung vorschriftswidriger Zustände anzuwenden, weil nach § 1 Abs. 2 WGG die Bestimmungen der Bauordnung für Wien gelten, soweit das Wiener Garagengesetz keine abweichenden Vorschriften enthält. Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 30. März 1971, Zl. 1483/70, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, vertreten. Der Hinweis in der Beschwerde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend den Begriff „vorschriftswidriger Bau“ verkennt, daß hier für die Frage der Bewilligungspflicht nicht § 60 der Bauordnung für Wien maßgeblich ist, sondern die Norm des § 3 WGG (als „lex specialis“).

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides allerdings davon ausgegangen, daß der ihr vorliegende Sachverhalt an sich der Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 WGG unterliege, daß also das Einstellen von zwei Kraftwagen keiner Bewilligung bedurft hätte. Da jedoch mehr als zwei Kraftwagen eingestellt worden seien, so hätte der auf das Auflassen des Abstellens von Kraftfahrzeugen zielende Auftrag hinsichtlich der gesamten Anlage aufrecht erhalten werden müssen. Mit der damit aufgeworfenen Frage, ob in einem solchen Fall jegliches Einstellen mehrspuriger Kraftfahrzeuge zu untersagen ist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem genannten Erkenntnis vom 30. März 1971, Zl. 1483/70, auseinandergesetzt. Er hat damals die Auffassung vertreten, die Behörde hätte bei ihrer Auftragserteilung nicht außer acht lassen dürfen, daß das Einstellen von höchstens zwei Kraftwagen unter den weiteren im Gesetz genannten Voraussetzungen keiner Bewilligung bedürfe, sei doch das Einstellen von Kraftwagen ohne Bewilligung erst dann vorschriftswidrig, wenn durch das Einstellen von Kraftwagen die Zahl „2“ überschritten werde. Ausdrücklich hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß die Behörde von einer irrigen Rechtsauffassung ausgegangen sei, wenn sie die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 WGG schon deswegen völlig ausgeschlossen habe, weil mehr als zwei Kraftwagen eingestellt gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Rechtsauffassung fest, ergibt sich doch eindeutig, daß im Falle der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 WGG ein vorschriftswidriger Zustand dann noch nicht gegeben ist, wenn zwei Kraftwagen auf den in dieser Gesetzesstelle genannten Grundflächen abgestellt werden. Die belangte Behörde hat weder in der Begründung des angefochtenen Bescheides noch in der Gegenschrift ihren gegenteiligen Standpunkt ausreichend begründet, geschweige denn sich mit der dargelegten Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auseinandergesetzt. Wenn in der Gegenschrift die Behauptung aufgestellt wird eine allfällige Vollstreckung eines Bauauftrages sei nicht möglich, wenn nicht ausreichend determiniert werden könne, auf welchen Flächen das Abstellen aufzulassen sei, bzw. welche zwei Pkw belassen werden könnten, dann vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen, weil diese Frage eine Frage der Formulierung des Bescheides darstellt. Es trifft auch die in der Gegenschrift geäußerte Ansicht nicht zu, es wäre ein unzulässiger Übergriff der Behörde, würde sie in das Gestaltungsrecht der Beschwerdeführerin eingreifen, auf welchem Teil der Fläche sie künftig zwei Pkw abstelle.

Trotz der zuletzt dargelegten Rechtsansicht der belangten Behörde, welche sich als rechtsirrig erweist, konnte dennoch der Beschwerde ein Erfolg nicht zuteil werden. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid nämlich zu Unrecht davon aus, die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 WGG könnte im Beschwerdefall Platz greifen. Der ermittelte Sachverhalt zeigt vielmehr deutlich, daß keiner der Anwendungsfälle des § 3 Abs. 2 WGG in Betracht kommt. Die zum Einstellen von Kraftfahrzeugen verwendete Fläche erweist sich nämlich nach der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung weder als eine unbebaute Liegenschaft noch als ein Hof noch als eine Seitenabstandsfläche gegen eine Nachbarliegenschaft, sondern als eine von drei Verkehrsflächen begrenzte Grundfläche, welche dem auf der Liegenschaft errichteten Gebäude vorgelagert ist. Unterlag aber die belangte Behörde in der Frage der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 WGG einem Rechtsirrtum, dann hat sie im Ergebnis die Bewilligungspflicht nach § 3 Abs. 1 lit. b WGG zu Recht bejaht und hat dementsprechend zutreffend das Einstellen von Kraftfahrzeugen schlechthin untersagt.

Soweit in der Beschwerde die Meinung vertreten wird, einem Antrag um Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung stünde der gegenständliche baupolizeiliche Auftrag entgegen, übersieht die Beschwerdeführerin, daß nach der rechtlichen Konstruktion des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien die Frage der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung im Rahmen des baupolizeilichen Auftragsverfahrens nicht zu erörtern ist und durch die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung die Vollstreckung des Beseitigungsauftrages unzulässig würde (§ 10 Abs. 2 lit. a VVG 1950). Es trifft daher die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu, daß die Rechtskraft des baupolizeilichen Auftrages der Erteilung einer Baubewilligung entgegenstünde.

Soweit in der Beschwerde gerügt wird, die Intimierung des Bescheides durch die Magistratsdirektion der Stadt Wien lasse nicht erkennen, wie die Bauoberbehörde für Wien bei Erlassung des Bescheides zusammengesetzt gewesen sei, und aus diesem Grund sei der Bescheid mit einem Formmangel behaftet, ist darauf hinzuweisen, daß weder die hier maßgeblichen Bestimmungen der Bauordnung für Wien noch die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 eine Verpflichtung der aufgezeigten Art kennen und daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Intimationsbescheid für den Anwendungsbereich des AVG 1950 zulässig ist, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1952, Slg. N.F. Nr. 2472/A, u.a.). Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin übrigens nicht erhoben.

Somit konnte die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht dartun, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 31. Mai 1983

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1983:1983050011.X00

Im RIS seit

10.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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