TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/10 LVwG-2021/37/1373-1

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Veröffentlicht am 10.06.2021
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Entscheidungsdatum

10.06.2021

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
21/01 Handelsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWG 2002 §2
AWG 2002 §15
AWG 2002 §79
UGB §1
UGB §17
UGB §19
VStG §5
VStG §19
VStG §20
VStG §45
VwGVG 2014 §44
VwGVG 2014 §50
VwGVG 2014 §52

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y (= belangte Behörde) vom 03.05.2021,
Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses

bei der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z 2 VStG):

„§ 79 Abs 2 Z 3 iVm § 15 Abs 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002 idF BGBl I Nr 71/2019

und bei der Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG):

§ 79 Abs 2 AWG 2002, BGBl I Nr 102/2002 idF BGBl I Nr 71/2019

zu lauten hat.

2.       Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 120,00 zu leisten.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis vom 03.05.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y AA, Adresse 1, **** Z, zur Last gelegt, in der Zeit vor dem 17.02.2021 (Zeitpunkt der behördlichen Feststellung) auf dem Gst Nr **1,
GB *** Y, nicht gefährliche Abfälle in Form von Waschschlämmen (Abfall-Schlüsselnummer ***), aus dem Sickerschacht der Waschanlage seiner Betriebsanlage in **** Z, Adresse 1, gelagert zu haben, obwohl Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten unter anderem nicht gelagert werden dürften. Am Gst Nr **1, GB *** Y, befinde sich weder eine hiefür genehmigte Anlage, noch sei dieser Ort für die Sammlung oder Behandlung von Abfällen vorgesehen und geeignet. Dadurch habe er die Rechtsvorschrift des § 79 Abs 2 Z 3 iVm § 15 Abs 3 AWG 2002 verletzt, weswegen über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 600,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt wurde. Die Verfahrenskosten hat die belangte Behörde mit Euro 60,00 bestimmt.

Mit Schriftsatz vom 21.05.2021 hat AA, Adresse 1, **** Z, Beschwerde erhoben. Wörtlich heißt es in seinem Rechtsmittel:

„Sehr geehrter BB,

das Straferkenntnis wurde fälschlicherweise an AA zugestellt. Daher weise ich das Straferkenntnis auf Grund fehlender Zuständigkeit zurück.

Mit freundlichen Grüßen

AA

ehrenamtlicher Präsident

CC

(eigenhändige Unterschrift)“

Diesem Schriftsatz war die Proklamation vom 21.05.2021 beigefügt, in der es wörtlich heißt:

„Das Präsidium vom CC proklamiert mit heutigem Tag an die Bezirkshauptmannschaft Y, dass im Rahmen eines Forschungsprojekts die aktuellen Vorschriften und Verkehrsregeln im allgemeinen Verkehr nicht berücksichtigt werden.

Geforscht wird mit allen Verkehrs- und Beförderungsmittel.

Die Forschung erstreckt sich auf nationales und internationales Gebiet.

Forschungszeitraum Beginn 01.06.2021 Endet am 31.12.2069

Sollten sie einen Verbesserungsvorschlag haben räumen wir Ihnen 72 Stunden an Zustellung ein!

Hochachtung

AA

Ehrenamtlicher Präsident“

(eigenhändige Unterschrift)

Mit Schriftsatz vom 20.05.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y den Gegenstandakt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung über die Beschwerde des AA gegen das Straferkenntnis vom 03.05.2021, Zl ***, vorgelegt.

II.      Sachverhalt:

AA, geb am XX.XX.XXXX, Adresse 1, **** Z, ist unbescholten. Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen liegen nicht vor.

AA ist Inhaber des Einzelunternehmens „DD“, Firmenbuchnummer ***.

Der Beschwerdeführer hat im Absetzbecken der Waschanlage seiner Betriebsanlage anfallende Schlämme vor dem 17.02.2021 auf dem Gst Nr **1, GB *** Y, abgelagert. Der abgelagerte Waschschlamm ist der Abfall-Schlüsselnummer *** „Rückstände aus der Kanalreinigung“ zuzuordnen. Der Parameter „Kohlenwasserstoff-Index“ des abgelagerten Schlammes beträgt 894 mg/kg TS im Gesamtgehalt.

Beim Gst Nr **1, GB *** Y, handelt es sich um eine überwiegend mit Gras bewachsene, unbefestigte Fläche. An diesem Standort befindet sich keine behördlich genehmigte Abfallanlage, insbesondere keine behördlich genehmigte Deponie.

III.     Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem behördlichen Akt und wird vom Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel nicht bestritten.

IV.      Rechtslage:

1.       Abfallwirtschaftsgesetz 2002:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002
(AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 71/2019, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Begriffsbestimmungen

§ 2.

(1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1.  deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.  deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

[…]

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1.  ist ‚Abfallbesitzer‘

a) der Abfallerzeuger oder

b) jede Person, welche die Abfälle innehat

2.  ist ‚Abfallerzeuger‘

a) jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger), oder

b)  jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Abfallbehandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;

[…]“

„Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. […]

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1.  hiefür genehmigten Anlagen oder

2.  für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

[…]“

„Strafhöhe

§ 79. […]

(2) Wer

[…]

3.   nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

[…]

begeht ? sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist ? eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8.400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, mit einer Mindeststrafe von 2.100 € bedroht.

[…]“

2.       Unternehmensgesetzbuch:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuches (UGB), dRGBl S 219/1897 idF BGBl I Nr 120/2005, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Unternehmer und Unternehmen

§ 1. (1) Unternehmer ist, wer ein Unternehmen betreibt.

(2) Ein Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

[…]“

„Firma.

Begriff

§ 17. (1) Die Firma ist der in das Firmenbuch eingetragene Name eines Unternehmers, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt.

(2) Ein Unternehmer kann in Verfahren vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden seine Firma als Parteibezeichnung führen und mit seiner Firma als Partei bezeichnet werden. Für Einzelunternehmer gilt dies nicht in Strafverfahren.“

„Zwingende Rechtsformzusätze

§ 19. (1) Bei in das Firmenbuch eingetragenen Unternehmern muss die Firma, auch wenn sie nach den §§ 21, 22, 24 oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, enthalten:

1.       bei Einzelunternehmern die Bezeichnung ‚eingetragener Unternehmer‘ oder ‚eingetragene Unternehmerin‘ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung, insbesondere ‚e.U.‘;

[…]“

3.       Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), in der Stammfassung BGBl Nr 52/1991 (§ 20) sowie in den Fassungen BGBl I Nr 33/2013 (§§ 19 und 45) und BGBl I Nr 57/2018 (§ 5), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Schuld

§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder der Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(1a) Abs. 1 zweiter Satz gilt nicht, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50 000 Euro bedroht ist.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.“

„Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

[…].“

„Außerordentliche Milderung der Strafe

§ 20. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.“

„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.“

4.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in den Fassungen BGBl I Nr 24/2017 (§ 44) und BGBl I Nr 57/2018 (§§ 50 und 52), lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Verhandlung

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn

1.       in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

         […]

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. […]“

„Erkenntnisse

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…]“

„Kosten

§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

(2) Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.

[…]“

V.       Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 05.05.2021 zugestellt. Die Beschwerde des AA ist am 20.05.2021 und daher innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt. AA hat somit sein Rechtsmittel rechtzeitig erhoben.

2.       In der Sache:

2.1.    Zum Tatvorwurf:

Der subjektive Abfallbegriff ist dann erfüllt, wenn jemand eine Sache loswerden will und somit insoweit eine Entledigungsabsicht besteht (VwGH 23.04.2015, 2013/07/0043). Ob eine Entledigungsabsicht gemäß § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 und somit Abfall im subjektiven Sinn vorliegt, hat das Verwaltungsgericht aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen (vgl VwGH 16.03.2016, Ra 2016/05/0012).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung, ob eine Entledigungsabsicht vorliegt, nicht nach dem tatsächlichen Willen des Besitzers oder auf Grundlage seiner Aussage hinsichtlich seiner Absichten zu treffen, sondern anhand sämtlicher Umstände zu prüfen ist. Der Abfallbesitzer kann den Anwendungsbereich des Abfallrechtes nicht dadurch einschränken, dass er den Begriff der Entledigungsabsicht nach seinen eigenen Erfordernissen definiert (Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002, K11 zu § 2 AWG 2002).

Der Beschwerdeführer hat den im Absetzbecken der Waschanlage seiner Betriebsanlage angefallenen Waschschlamm auf dem Gst Nr **1, GB *** Y, abgelagert. Bei diesem Waschschlamm handelt es sich daher um Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002. Diese Abfälle sind unter Berücksichtigung der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr 570/2003 idF BGBl II Nr 498/2008, der Abfallart mit der Abfall-Schlüsselnummer *** „Rückstände aus der Kanalreinigung“ zuzuordnen. Dieser Schlamm gilt daher als nicht gefährlicher Abfall.

Der Begriff „lagern“ im AWG 2002 bedeutet etwas Vorübergehendes, der Begriff „ablagern“ hingegen etwas Langfristiges. Unter der Lagerung von Abfällen im Sinn des § 15 Abs 3 AWG 2002 ist daher (auch) die vorübergehende Lagerung von Abfällen zu verstehen
(vgl VwGH 15.09.2011, 2009/07/0154, mit weiteren Hinweisen).

Das AWG 2002 unterwirft jede Lagerung von Abfällen den Vorschriften des § 15 Abs 3 AWG 2002.

Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Ablagerung des beschriebenen Waschschlammes auf dem Gst Nr **1, GB *** Y, ist daher als „Lagerung“ im Sinne des
§ 15 Abs 3 AWG 2002 zu qualifizieren. Gemäß dem Wortlaut des § 15 Abs 3 AWG 2002 ist aber nicht von vornherein auszuschließen, dass eine Lagerung von Abfällen keiner behördlichen Bewilligung bedarf. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 15 Abs 3 Z 2 AWG 2002
(vgl VwGH 21.04.2014, 2013/07/0269).

Die Qualität des abgelagerten Waschschlammes, insbesondere unter Berücksichtigung des Parameters „Kohlenwasserstoff-Index“ ist dahingehend zu qualifizieren, dass eine Ablagerung weder auf einer Bodenaushubdeponie, noch auf einer Inertabfalldeponie zulässig ist. Eine Ablagerung derartiger Abfälle hat zumindest auf einer Baurestmassendeponie zu erfolgen.

Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Ablagerung des im Absatzbeckens der Waschanlage seiner Betriebsanlage anfallenden Schlammes auf dem Gst Nr **1, GB *** Y, widerspricht daher klar der Vorschrift des § 15 Abs 3 Z 1 und 2 AWG 2002. Die § 15 Abs 3 Z 1 und 2 AWG 2002 widersprechende Lagerung ist als Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 3 AWG 2002 zu qualifizieren.

Bei der Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 3 AWG 2002 handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, bei dem gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG das Verschulden des Täters vermutet wird, sofern er nicht glaubhaft macht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei (VwGH 25.02.2009, 2008/07/0182).

Der Beschwerdeführer hat jedenfalls fahrlässig gehandelt. Er hat keine Umstände glaubhaft gemacht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen wäre. Die vom Beschwerdeführer zu vertretene Verwaltungsübertretung nach
§ 79 Abs 2 Z 3 AWG 2002 ist diesem folglich auch subjektiv vorwerfbar.

2.2.    Zur Strafbemessung:

Der Beschwerdeführer hat als Abfall zu qualifizierenden Waschschlamm nicht auf eine Baurestmassendeponie und damit entgegen der Vorschrift des § 15 Abs 3 Z 1 AWG 2002 abgelagert. Die Bedeutung des durch § 15 Abs 3 AWG 2002 geschützten Rechtsgutes ist hoch. Der verfahrensgegenständliche Waschschlamm hätte zumindest auf einer Baurestmassendeponie abgelagert werden müssen. Auch ist beim Beschwerdeführer von keinem geringfügigen Verschulden auszugehen, da ihm die ordnungsgemäße Entsorgung dieser Waschschlämme bekannt ist.

Es liegen somit keinesfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG vor.

Mit der verhängten Geldstrafe von Euro 600,00 hat die belangte Behörde das maximale Strafausmaß in Höhe von Euro 8.400,00 zu 7,1 % ausgeschöpft. Diese Strafe ist unter Berücksichtigung der Bedeutung des geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung jedenfalls schuld- und tatangemessen und erforderlich, um den Beschwerdeführer von weiteren vergleichbaren Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Die Ausführungen der belangten Behörde zur Strafbemessung treffen somit zu. Folglich scheidet die Anwendung des § 20 VStG aus.

Die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Stunden entspricht den Vorgaben des § 16 iVm § 19 VStG.

2.3.    Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

In der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.05.2021, Zl ***, heißt es ausdrücklich:

„[…] Sie haben das Recht, in der Beschwerde zu beantragen, dass eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt wird. Bitte beachten Sie, dass Sie, falls die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, auf Ihr Recht auf Durchführung einer Verhandlung verzichten, wenn Sie in der Beschwerde keinen solchen Antrag stellen.“

Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel vom 21.05.2021 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Die belangte Behörde hat in ihrem Vorlageschreiben vom 20.05.2021, Zl ***, ebenfalls keinen derartigen Antrag gestellt.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel die ihm zur Last gelegte gesetzeswidrige Ablagerung des in seiner Betriebsanlage angefallenen Waschschlammes nicht bestritten und lediglich vorgebracht, das Straferkenntnis sei „fälschlicherweise an AA zugestellt“ worden. Der Beschwerdeführer hat somit in seinem Rechtsmittel im Hinblick auf den Bescheidadressaten und damit im Hinblick auf die Zustellung eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet. Gemäß § 44 Abs 3 Z 1 VwGVG konnte das Landesverwaltungsgericht Tirol daher von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen.

3.       Ergebnis:

Der Beschwerdeführer hat vor dem 17.02.2021 als Abfall zu qualifizierenden Waschschlamm entgegen der Vorschrift des § 15 Abs 3 Z 1 und 2 AWG 2002 abgelagert und damit eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 3 AWG 2002 begangen. Die verhängte Geldstrafe ist schuld- und tatangemessen. Dies gilt auch für die festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis zu Recht an AA an der Adresse 1, **** Z, zugestellt. Der Beschwerdeführer ist Inhaber der „DD“ und damit eines Einzelunternehmens (vgl § 19 Abs 1 Z 1 UGB). Zwar kann ein Unternehmer gemäß § 17 Abs 2 UGB in Verfahren vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden seine Firma als Parteibezeichnung führen und mit seiner Firma als Partei bezeichnet werden. Für Einzelunternehmer gilt dies allerdings nicht in Strafverfahren. Die Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer als Inhaber des genannten Einzelunternehmens ist daher zu Recht erfolgt.

Die Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen, allerdings waren den im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zitierten Rechtsvorschriften ? verletzte Rechtsvorschrift und Strafnorm ? § 44a Z 2 und 3 VStG entsprechend die „Fundstellen“ hinzuzufügen (vgl VwGH 25.04.2019, Ra 2018/09/0113, VwGH 06.08.2020, Ra 2020/09/0013). Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch Euro 10,00 zu leisten. Ausgehend von der verhängten Geldstrafe in Höhe von Euro 600,00 beträgt der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens
Euro 120,00. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die Auslegung der entscheidungswesentlichen Bestimmungen des AWG 2002 erfolgte anhand des klaren Wortlautes. Die Entscheidung weicht auch nicht von der zu den abfallrechtlichen Bestimmungen ergangenen einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die korrekte Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses durch die belangte Behörde ergibt sich aus der eindeutigen Bestimmung des § 17 Abs 2 UGB. Diesbezüglich ergaben sich keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung (VwGH 13.12.2018, Ro 2018/37/0048, mit weiteren Nachweisen). Die Strafzumessung stützt sich auf den klaren Wortlaut des
§ 79 Abs 3 AWG 2002. Zudem handelt es sich bei der Strafbemessung um eine Ermessensentscheidung für den Einzelfall, die ebenfalls keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt (vgl VwGH 19.12.2019, Ra 2019/03/0123; VwGH 14.12.2020, Ra 2019/02/0232). Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung waren daher nicht zu lösen. Dementsprechend erklärt das Landesverwaltungsgericht Tirol in Spruchpunkt 3. des gegenständlichen Erkenntnisses die ordentliche Revision für nicht zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Abfalllagerung;
Unternehmer;
Rechtsformzusätze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.37.1373.1

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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