TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/1 405-7/923/1/6-2021

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein

Norm

AuslBG §18 Abs12 Z1
AuslBG §18 Abs2
AuslBG §28 Abs1 Z4 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Mag. Walter Oberascher über die Beschwerde des AB AA, AE x, AD, Italien, vertreten durch Rechtsanwalt AG, AJ, AH AI, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (belangte Behörde) vom 22.4.2020, Zahl xxx,

z u R e c h t e r k a n n t :

I.     Gemäß §§ 38 und 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG eingestellt.

II.    Für den Beschwerdeführer fallen gemäß § 52 Abs 8 VwGVG für das Beschwerdeverfahren keine Kosten an.

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 22.4.2020 wurden dem Beschuldigten folgende Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetztes zur Last gelegt:

"Angaben zu den Taten:

Zeit der Begehung:        21.05.2019, 10:15 Uhr

Ort der Begehung:      Baustelle Bauvorhaben AV (AW GmbH), AO AP

                          AX mit Sitz in AE Nr. x, AD
ITALIEN

1.

Sie haben als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma AX mit Sitz in AE Nr. x, AD, Italien, zu verantworten, dass der von diesem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandte, am 21.05.2019 auf der Baustelle Bauvorhaben AV in AP angetroffene BB Arbeitnehmer AY AZ, geb. yy seit 21.05.2019 auf dieser Baustelle beschäftigt wurde, obwohl für diesen Arbeitnehmer keine gültige Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung vorliegt. Die ausgestellte EU-Entsendebestätigung mit Gültigkeit 18.03.2019 bis 31.12.2019 ist NICHT GÜLTIG, da der örtliche Geltungsbereich für AP fehlt.

2.

Sie haben als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma AX mit Sitz in AE Nr. x AD, Italien, zu verantworten, dass der von diesem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandte, am 21.05.2019 auf der Baustelle Bauvorhaben AV in AP angetroffene BB Arbeitnehmer BE BF, geb. zz seit 21.05.2019 auf dieser Baustelle beschäftigt wurde, obwohl für diesen Arbeitnehmer keine gültige Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung vorliegt. Die ausgestellte EU-Entsendebestätigung mit Gültigkeit 18.03.2019 bis 31.12.2019 ist NICHT GÜLTIG, da der örtliche Geltungsbereich für AP fehlt.

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

1.

Übertretung gemäß - Violazione(i) amministrativa(e) ai sensi del

§ 9 Abs 1 VStG iVm § 18 Abs 12 und 13 iVm § 28 Abs 1 Z 4 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 idgF

2.

Übertretung gemäß - Violazione(i) amministrativa(e) ai sensi del

§ 9 Abs 1 VStG iVm § 18 Abs 12 und 13 iVm § 28 Abs 1 Z 4 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 idgF

Deshalb werden gegen Sie folgende Verwaltungsstrafen verhängt:

1.

Strafe gemäß:

§ 28 Abs 1 Z 4 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 idgF

500,00

 

Ersatzfreiheitsstrafe:

36 Stunden

 

 

2.

Strafe gemäß:

§ 28 Abs 1 Z 4 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 idgF

500,00

 

Ersatzfreiheitsstrafe:

36 Stunden

 

 

Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64(2)
des Verwaltungsstrafgesetzes, das sind 10% der Strafe, mindestens
jedoch je € 10,- (je ein Tag Arrest wird gleich € 100,- angerechnet)

100,00

 

Gesamtbetrag:

1.100,00"

Dagegen brachte der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde ein, beantragte das Verfahren in Stattgebung der Beschwerde einzustellen und führte als Begründung aus wie folgt:

"Der/die Beschuldigte hat die Tat nicht begangen. Entgegen der Ansicht der Behörde macht die Tatsache dass die Entsendebestätigung nicht auf den örtlichen Geltungsbereich AP ausgestellt wurde, macht sie noch nicht ungültig.

Zudem hätte iSd. im Urteil Maksimovic/Österreich festgelegten Grundsätze im Fall einer Bestrafung eine Gesamtstrafe gebildet werden müssen."

Die Beschwerde wurde dem Amt für Betrugsbekämpfung zur Kenntnis gebracht und teilte dieses mit, dass der Strafantrag der Finanzpolizei vollinhaltlich aufrechterhalten werde. Alle Verfahrensparteien verzichteten auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat hiezu in einer gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu treffenden Entscheidung Folgendes festgestellt und erwogen:

Der Beschuldigte ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der AX mit Sitz in AE Nr x, AD, Italien. Aufgrund eines Werkvertrages mit der österreichischen DD GmbH mit Sitz in EE, FF, entsandte die AX am 21.5.2019 ua die BB Staatsangehörigen AZ AY, geb. yy, und BF BE, geb. zz, als Eisenverleger auf die Baustelle "Bauvorhaben AV (AW GmbH)" in AO AP. Die Arbeitnehmer befanden sich an diesem Tag zum ersten Mal auf dieser Baustelle, zuvor waren sie auf Baustellen in GG und in HH im Einsatz. Im Zuge einer Beschäftigungskontrolle durch Organe der Finanzpolizei St. Johann Tamsweg Zell am See am 21.5.2019 um 10:15 Uhr wurden die beiden BB Staatsangehörigen arbeitend auf dieser Baustelle in AP angetroffen. Für sie waren vom Arbeitsmarktservice auf Grund der am 14.3.2019 eingelangten Meldungen EU-Entsendebestätigungen für den Zeitraum von 18.3.2019 bis 31.12.2019 ausgestellt worden, wobei darin als örtlicher Geltungsbereich JJ, KK und GG aufscheint.

Dieser Sachverhalt war als erwiesen anzusehen und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde zu legen. Die Feststellungen stützen sich auf die im Akt der belangten Behörde befindlichen und insoferne unbedenklichen Unterlagen (insbesondere Strafantrag der Finanzpolizei vom 19.12.2019 samt Beilagen). Der Sachverhalt wurde von den Verfahrensparteien nicht bestritten.

Rechtlich ist dazu Folgendes auszuführen:

Die Bestimmung des § 18 Abs 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG, BGBl Nr 218/1975 idF BGBl I Nr 66/2017, hat folgenden Wortlaut:

"Für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt oder überlassen werden, ist keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn

1.

sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung oder Überlassung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind,

2.

die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Abs 3 bis 6, § 4 Abs 2 bis 5 und § 5 des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG), BGBl Nr 44/2016, im Fall der Überlassung gemäß § 10 AÜG, § 3 Abs 4, § 4 Abs 2 und 5 und § 6 LSD-BG sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden und

3.

im Fall der Überlassung kein Untersagungsgrund gemäß § 18 Abs 1 AÜG vorliegt.

Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen (Zentrale Koordinationsstelle) hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter oder überlassener Ausländer gemäß § 19 Abs 2 bis 4 LSD-BG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber oder Beschäftiger, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung oder Überlassung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 19 Abs 2 bis 4 LSD-BG sowie sonstiger Pflichten nach dem AÜG, darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung begonnen werden."

Gemäß § 28 Abs 1 Z 4 leg cit begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 28c), eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer

a)   entgegen § 18 Abs 12 oder 13 als Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes einen Ausländer im Inland beschäftigt oder

b)   entgegen § 18 Abs 12 oder 13 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt, überlassen oder im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers vorübergehend abgestellt wird, in Anspruch nimmt,

obwohl § 18 Abs 12 Z 1 oder 2, im Fall der Überlassung zusätzlich Z 3, nicht erfüllt ist und – im Fall der lit b – auch keine EU-Entsendebestätigung oder EU-Überlassungsbestätigung ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von € 1.000 bis € 10.000, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von € 2.000 bis € 20.000, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von € 2.000 bis € 20.000, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von € 4.000 bis € 50.000.

Eine Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers im Rahmen einer Entsendung zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung in Österreich durch ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums gemäß § 18 Abs 12 AuslBG ist somit nur dann ohne Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung zulässig, wenn die in Z 1 und 2 leg cit genannten Kriterien erfüllt sind; andernfalls ist der Straftatbestand des § 28 Abs 1 Z 4 lit a AuslBG erfüllt (vgl VwGH vom 24.2.2016, Ra 2015/09/0071, VwSlg 19304 A/2016; 24.5.2016, Ra 2016/09/0045; 25.11.2015, Ra 2015/09/0100; 8.5.2020, Ra 2019/09/0025). Auf einen Untersagungsbescheid kommt es für die Erfüllung des Straftatbestands nicht an (VwGH vom 24.5.2016, Ra 2016/09/0045).

Voraussetzung für die Erlangung einer EU-Entsendebestätigung ist, dass die Ausländer zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung in Erfüllung eines dem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR erteilten Auftrages entsandt werden. Dies entspricht der Entsendung im Sinne des Art 1 Abs 3 lit a der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (VwGH vom 19.3.2014, 2013/09/0159).

Entsprechend dem Einleitungssatz des § 18 Abs 12 AuslBG ist für die darin erfassten Betriebsentsendungen keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich und nach § 18 Abs 12 letzter Absatz AuslBG darf die Beschäftigung bei Vorliegen der in dessen Z 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden (vgl dazu VwGH vom 23.5.2013, 2013/09/0009 und 2013/09/0025).

Im verfahrensgegenständlichen Fall lagen für die entsandten Ausländer EU-Entsendebestätigungen für den Zeitraum 18.3.2019 bis 31.3.2019 vor. Da die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 18 Abs 12 AuslBG dem Unternehmen das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung zu untersagen hat (vgl auch VwGH vom 5.11.2010, 2010/09/0118), ist ohne Zweifel davon auszugehen, dass für die gegenständlichen ausländischen Arbeitnehmer die in § 18 Abs 12 Z 1 und 2 AuslBG normierten Voraussetzungen erfüllt gewesen sind. Im Übrigen durfte die Beschäftigung – unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 19 Abs 2 bis 4 LSD-BG – bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden. Darüber hinaus spricht die Strafnorm des § 28 Abs 1 Z 4 lit a AuslBG ausdrücklich von einer Beschäftigung entgegen § 18 Abs 12, obwohl § 18 Abs 12 Z 1 oder 2 nicht erfüllt ist. Da diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall erfüllt gewesen sind, bildet die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG zur Einstellung zu bringen.

Da der Beschwerde des Beschuldigten Folge gegeben wurde, waren diesem gemäß § 52 Abs 8 VwGVG keine Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren aufzuerlegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht hatte – bezogen auf den Einzelfall – zu beurteilen, ob der angefochtene Bescheid materiell- und verfahrensrechtlich rechtmäßig war. Mit seiner Entscheidung weicht das Landesverwaltungsgericht Salzburg weder von der dargestellten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die zu den maßgebenden Bestimmungen vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht als uneinheitlich zu beurteilen und liegen auch keine sonstigen Hinweise für eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beschäftigungsrecht, Ausländerbeschäftigungsrecht, EU-Entsendebestätigung, örtlicher Geltungsbereich, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2021:405.7.923.1.6.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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