TE Bvwg Beschluss 2021/2/10 W192 1407038-4

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Veröffentlicht am 10.02.2021
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Entscheidungsdatum

10.02.2021

Norm

AVG §71
BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4
VwGVG §7 Abs4 Z1

Spruch


W192 1407038-4/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vom 16.09.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 16.09.2020, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird gemäß § 33 Absatz 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020 wurde gegen den Antragsteller, einen Staatsangehörigen des Kosovo, gemäß § 67 Abs.1 und 2 FPG ein für die Dauer von 7 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs.3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und nach § 18 Abs. 3 BFA-VG einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides wird u.a. darauf hingewiesen, dass eine Beschwerde innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einzubringen ist.

Der Bescheid wurde laut Übernahmebestätigung am 17.07.2020 vom Antragsteller persönlich übernommen; der Bericht der ausfolgenden Justizanstalt über die erfolgte Zustellung des Bescheids samt der vom Antragsteller unterfertigten Übernahmebestätigung wurde mit am 17.07.2020 dort eingelangter Nachricht dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rückübermittelt.

1.2. Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz seines nunmehrigen Rechtsanwalts vom 12.08.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Beschwerde gegen den dargestellten Bescheid. Die Beschwerde jedoch laut Postaufgabestempel erst am 17.08.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht. Die entsprechende Beschwerdevorlage langte am 31.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.3. Mit nach Ergehen eines Verspätungsvorhalts erfolgtem Schriftsatz seines Rechtsanwalts vom 16.09.2020 brachte der Antragsteller an diesem Tag beim Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag ein. Er führte zur Begründung aus, dass die Beschwerde wegen Unklarheiten über die Begleichung des Kostenvorschusses nicht rechtzeitig abgefertigt worden sei und räumte aber auch ein, dass die Kanzlei des Rechtsvertreters keine genaue Kenntnis vom tatsächlichen Zustellzeitpunkt des angefochtenen Bescheids hatte, da diesbezüglich eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller wegen der räumlichen Distanz zwischen dem Strafvollzugsort und dem Sitz der Kanzlei nur schwer möglich gewesen sei.

2. Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsakts und des Gerichtsakts.

Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags:

3.1.1. Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086; 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

§ 33 VwGVG („Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“) lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. … Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

3.1.2. Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Anders als das Tatbestandsmerkmal des „unabwendbaren“ erfasst jenes des „unvorhergesehenen“ Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass den Antragsteller die Obliegenheit trifft, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/12/0026).

3.2. Die Anwendung dieser Grundsätze und der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und – insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren – Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Dem Rechtsvertreter des Antragstellers ist bereits nach dem maßgeblichen Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vorzuwerfen, nicht selbst eine ausreichende Klärung jenes Zeitpunktes, in dem die gesetzlichen Zustellwirkungen eingetreten sind, vorgenommen zu haben. Damit hat er die im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und zumutbare Sorgfalt grob schuldhaft außer Acht gelassen.

Wünscht ein Klient nämlich von einem Rechtsanwalt die Einbringung eines Rechtsmittels, dann gehört es zu dessen selbstverständlichen Pflichten, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist, somit grundsätzlich den exakten und richtigen Zeitpunkt der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung, durch Befragung der Partei oder - wenn dies wie im vorliegenden Fall, untunlich war - durch Ermittlungen bei der Post und/oder bei der Behörde (also dem BFA) festzustellen. Das ist einem Rechtsanwalt auch ohne weiteres zuzumuten. Unterlässt er diese naheliegenden Schritte und gibt er sich - wie hier - mit nicht eindeutigen Angaben einer nicht rechtskundigen Partei zufrieden, dann stellt dies eine auffallende Sorglosigkeit dar, die der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegensteht (VwGH Ra 2020/21/0214 vom 29.09.2020 mit Hinweis auf VwGH 26.6.2002, 2000/21/0086, und VwGH 30.8.2007, 2007/21/0242, 0243).

Der Antragsteller hat somit keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Beschwerdefrist Durchsetzungsaufschub Fahrlässigkeit Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung persönliche Übernahme Rechtsmittelfrist rechtswirksame Zustellung Rechtzeitigkeit Sorgfaltspflicht unabwendbares Ereignis unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verschulden Verspätungsvorhalt Wiedereinsetzungsantrag zumutbare Sorgfalt Zustellung Zustellwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W192.1407038.4.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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