TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/22 W261 2223687-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.04.2021
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Entscheidungsdatum

22.04.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1
VOG §1 Abs1
VOG §10
VOG §2
VOG §3

Spruch


W261 2223687-1/45E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 22.08.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ersatz des Verdienstentganges sowie orthopädische Versorgung in Form von Zahnersatz und anderen Hilfsmitteln (Orthese) nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird, insoweit dies den Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verdienstentgangens betrifft, dem Grunde nach stattgegeben.

Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges werden - vorbehaltlich der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen – ab 01.08.2013 dem Grunde nach bewilligt.

Die Berechnung der Hilfeleistung und die Durchführung obliegen dem Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien.

II.     Die Beschwerde wird, insoweit dies den abgewiesenen Antrag auf orthopädische Versorgung in Form von Zahnersatz und anderen Hilfsmitteln (Orthese) betrifft, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe und Begründung:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer brachte am 19.07.2013 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Ersatz des Verdienstentganges sowie von orthopädischer Versorgung für Zahnersatz und andere Hilfsmittel (Orthese) ein. Dabei gab er an, von 1967 bis 1977 in fünf verschiedenen Heimen gewesen zu sein. Einen Bericht betreffend die dort an ihm verübten Misshandlungen und Straftaten würde er, ebenso wie seinen Pflegschaftsakt, Lohnbestätigungen und medizinische Unterlagen, nachreichen. Aufgrund der erlittenen Verbrechen leide der Beschwerdeführer unter anderem an einer gebrochenen Nase, einem kaputten rechten Knie, einer geschädigten Kopfhaut, Depressionen, phobischen Störungen, Flashbacks, starken Albträumen, Schlafentzug, Luftproblemen bei Flashbacks, Zahn- und Ohrenproblemen. Seit 20.07.2013 befinde er sich in psychotherapeutischer Behandlung. Der Beschwerdeführer sei Angestellter, könne aufgrund seines Gesundheitszustandes jedoch nur 20 Stunden arbeiten. Er habe einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt (Abl. 1-6).

2. In der Folge legte der Beschwerdeführer einen Internet Blog über das Erziehungsheim XXXX und eine von ihm verfasste „Niederschrift über 2312 Tage in Heimen, davon 1452 Tage im „Naziheim und Konzentrationslager XXXX “ vom 11.04.2013 vor. In der Niederschrift schilderte der Beschwerdeführer, er sei zunächst gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Halbbruder bei seiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Sie hätten in einem von der Baupolizei gesperrten Haus mit feuchten Wänden und vernagelten Fenstern und Türen gewohnt, die Mutter habe bei der Straßenbahn und nebenbei als Kellnerin arbeiten müssen. Tagsüber, wenn seine Mutter gearbeitet habe, sei der Beschwerdeführer bei verschiedenen Familien untergebracht gewesen. Die Mutter habe sich um ein trockenes und gemütliches Zuhause bemüht und schließlich auch eine Gemeindewohnung in XXXX bekommen. Die Probleme mit dem Beschwerdeführer hätten sich aufgrund der mangelnden Aufsicht aber gehäuft, weshalb er von 06.09.1967 bis 19.06.1968 ins Kinderheim XXXX in Maria XXXX gekommen sei. An diesen Heimaufenthalt könne sich der Beschwerdeführer nur dunkel erinnern. Seine Mutter habe ihn wieder nachhause geholt, sie habe immer mit ihren beiden Kindern zusammen sein wollen. Wegen mangelnder Aufsicht sei der Beschwerdeführer jedoch bereits nach vier Monaten wieder ins nächste Heim nach XXXX gekommen, wo er von 09.10.1968 bis 11.07.1969 untergebracht gewesen sei. Zur Strafe hätten die Kinder dort auf den Knien 20 Vater Unser oder ähnliche Gebete beten müssen und gelegentlich eine „Tachtel“ bekommen. Wieder zuhause sei die Aufsicht durch die Mutter trotz ihres Berufswechsels nicht ausreichend gewesen, der Beschwerdeführer habe auch Probleme in der Schule gehabt. Ihm habe damals emotional sehr zugesetzt, keinen Vater zu haben bzw., dass dieser kein Interesse an ihm gezeigt habe. Am 01.09.1972 sei der Beschwerdeführer in die Kinderübernahmestelle überstellt worden. Am 19.09.1972 sei die Überstellung nach XXXX erfolgt, wo der Beschwerdeführer bis 11.09.1976 untergebracht gewesen sei. In XXXX hätten die Kinder den Boden polieren und Toiletten ohne Handschuhe putzen müssen. Es habe geregelte Toilettenzeiten gegeben. Der Beschwerdeführer habe an permanentem Schlafmangel gelitten. Wenn er nach dem Niederlegen noch gesprochen habe, sei er an den Haaren aus dem Bett gezerrt und geschlagen worden. Danach habe er im Nachthemd und in Holzschlapfen ein bis zwei Stunden am Gang in der Zugluft stehen oder 100 Kniebeugen machen müssen, manchmal habe es auch noch beim Vorbeigehen von hinten eine Ohrfeige gegeben. Eine namentlich genannte Erzieherin habe die Kinder gerne geschlagen und malträtiert. Sie habe einen an den Haaren gepackt und mit Schwung gezogen, sodass die Haare büschelweise ausgerissen worden seien. Manchmal habe sie auch mit den Füßen getreten. Der namentlich genannte Lehrer habe den Beschwerdeführer mehrmals beim kleinsten Vergehen mit der geballten Faust auf den Kopf geschlagen, sodass er mit dem Sessel zwei bis drei Meter weggeflogen sei. Der Beschwerdeführer sei mehrmals am Heizkörper gelandet oder halb bewusstlos liegen geblieben. Der Lehrer habe ihn an den Koteletten genommen und in die Höhe gezogen, bis er den Boden unter den Füßen verloren habe. Das Essen im Heim sei oft schlecht gewesen. Wenn man versucht habe, sich bei der Essensausgabe vorbeizuschummeln, habe man eine extra große Portion bekommen und sei geschlagen worden. Dem Beschwerdeführer sei das Essen in den Mund gestopft worden, bis er sich übergeben habe. Weiter habe es einen Vorgang namens „Decke“ gegeben, bei dem einem eine Decke über den Kopf geworfen worden sei und man anschließend von mehreren verprügelt worden sei. Eine weitere namentlich genannte Erzieherin habe Naschereien, die die Kinder per Paket bekommen hätten, gegessen und die teuren Sachen für ihren eigenen Sohn mitgenommen. Weil der Beschwerdeführer sich dies nicht gefallen habe lassen, habe sie ihn verprügelt. Bei zwei weiteren namentlich genannten Erzieherinnen habe der Beschwerdeführer mit einem zweiten Zögling Zäune betonieren und aufstellen müssen und sei vom Ehemann einer der beiden Erzieherinnen geprügelt worden. Der Beschwerdeführer sei nach dem Duschen mit einem Lineal auf die Eichel geschlagen worden, wenn Unreinheiten festgestellt worden seien. Nachträglich habe der Beschwerdeführer erfahren, dass er während seines gesamten Aufenthaltes in XXXX verseuchtes Grundwasser getrunken habe. Einmal im Monat hätten sie übers Wochenende Ausgang gehabt. Für den Beschwerdeführer sei die Rückkehr ins Heim oft so schlimm gewesen, dass er geweint habe oder durchgedreht sei, woraufhin er von der Direktorin mit Valium vollgestopft worden sei. Er sei von der Direktorin auch mit einem Lineal auf die Finger geschlagen worden und neben der Kanzlei stundenlang eingesperrt worden. Im Alter von 13 Jahren habe sich ein namentlich genannter Mitzögling an ihm vergangen, was der Beschwerdeführer bis heute nicht verarbeitet habe. Er habe den Vorfall der Direktorin gemeldet, die das als Hirngespinst abgetan habe. Am nächsten Tag sei er von seinem Vergewaltiger dafür verprügelt worden, wobei ihm die Nase gebrochen und das rechte Knie ruiniert worden sei. Der Beschwerdeführer habe als Behandlung lediglich Kohletabletten bekommen, welche keine Wirkung gehabt hätten. Der Beschwerdeführer habe auch mehrmals eine Beinhautentzündung und eitrige Zähne gehabt. Nach einem nächtlichen Ausbruch aus dem Heim mit zwei anderen Zöglingen und einem viertägigen Aufenthalt in XXXX seien die Buben verhaftet und eingesperrt worden. Der Beschwerdeführer sei schließlich am 14.09.1976 in das Kinderheim XXXX verlegt worden, wo er bis 01.07.1977 untergebracht gewesen sei. Auch dort habe es ein paar „hinter die Löffel“ oder andere Strafen gegeben und jeder hätte einen Dienst verrichten müssen, aber verglichen mit dem „Konzentrationslager XXXX “ sei es ein Ort ohne andauernde Angst gewesen. Anschließend fasste der Beschwerdeführer in seinem Bericht nochmals sämtliche Personen und an ihm verübte Misshandlungen zusammen. Außerdem schloss er dem Schreiben einen Auszug seines Pflegschaftsaktes, eine Strafanzeige vom 13.04.1982 gegen die Heimleiterin wegen des Zufügens von körperlichen und seelischen Qualen an vier Heimzöglingen in den Jahren 1971 bis 1980, ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 14.12.1976 betreffend die Nichteignung des Trinkwassers im Kinderheim XXXX und weiterer Dokumente betreffend die NSDAP-Mitgliedschaft und die Lehrbefähigung der namentlich genannten Heimleiterin, und das Heim bzw. die Privatvolksschule XXXX an (Abl. 14-57).

3. Nach Ersuchen der belangten Behörde am 20.08.2013 um Übermittlung des Clearingsberichtes des Beschwerdeführers übermittelte der Weisse Ring den Clearingbericht. Der Clearingbericht deckt sich im Wesentlichen mit der Niederschrift des Beschwerdeführers vom 11.04.2013. Unter dem Punkt „Langzeitfolgen und Verdachtsdiagnosen“ wurde zusammengefasst festgehalten, dass der Beschwerdeführer als 13-jähriger von einem Mitzögling schwer am Knie verletzt und ihm die Nase gebrochen worden sei. Da sich das Heim nicht darum gekümmert habe, seien die Verletzungen nicht medizinisch behandelt worden. Die Nase sei schief zusammengewachsen, weshalb der Beschwerdeführer seither nicht mehr durch die Nase atmen könne. Das Knie bereite ihm seither auch immer wieder große Schmerzen und habe einmal operiert werden müssen. Derzeit sei der Beschwerdeführer wegen sehr starker Schmerzen im Knie in längerem Krankenstand und fürchte deswegen, seiner Arbeit in einer Baufirma nicht mehr nachkommen zu können und arbeitslos zu werden. In XXXX seien Kopfläuse mit einer ätzenden Flüssigkeit behandelt worden, weshalb der Beschwerdeführer seither immer wieder eine juckende Kopfhaut habe, die regelmäßig dermatologisch behandelt werden müsse. Laut Clearingbericht fänden sich in den Schilderungen des Beschwerdeführers viele Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung gemäß F 43.1, wie etwa die bis heute bestehenden sonntäglichen Angstzustände (da der Beschwerdeführer immer sonntags von seiner Mutter nach XXXX zurückkehren habe müssen, worauf er nicht nur mit Tränen, sondern auch mit massivem Angsttremor reagiert habe), seit Jahrzehnten bestehende Albträume und regelmäßige, mit großer Angst und Wut einhergehende Erinnerungen im Wachzustand an das Heim XXXX . Weiters berichte der Beschwerdeführer von langen Phasen der Niedergeschlagenheit, in denen er über seine gestohlene Kindheit grüble, was als ein Hinweis auf eine rezidivierende depressive Störung gemäß ICD-10: F 33.1 gewertet werden könne. Durch seine Sozialisation in XXXX habe der Beschwerdeführer als einziges Mittel zur Konfliktlösung und zum Selbstschutz Gewalt gekannt. Daraus hätten insgesamt 10 Verurteilungen wegen Körperverletzung resultiert, was ein Hinweis für eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung gemäß F 62.0 sei. Erst mit der Geburt seiner Tochter im Jahr 1986 sei es ihm gelungen, sich sozial und psychisch einigermaßen zu stabilisieren (Abl. 59-65).

4. Am 07.10.2013 teilte der Beschwerdeführer telefonisch mit, dass ihm seitens der PVA eine Invaliditätspension, befristet bis 2015, zugesprochen worden sei. (Abl. 79)

5. Der behandelnde Neurologe des Beschwerdeführers übermittelte zwei Arztbriefe, datiert mit 19.08.2013 (Abl. 89) und 23.09.2013 (Abl. 86) an die belangte Behörde.

6. Mit Schreiben vom 13.01.2014 übermittelte die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) den Pensionsakt und den chefärztlichen Teilakt zur Einsichtnahme (Abl. 116-148).

7. Mit Schreiben vom 20.01.2014 übermittelte die XXXX Gebietskrankenkasse ( XXXX ) die Krankenstandsbescheinigungen des Beschwerdeführers (Abl. 151-155).

8. Mit Schreiben vom 18.08.2014 gab der Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV) bekannt, den Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren vor der belangten Behörde zu vertreten und legte eine Vollmacht vor (Abl. 170-171).

9. Zur Überprüfung des Antrages holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.07.2014 erstatteten Gutachten vom selben Tag kam die Sachverständige zusammenfassend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer an einer anhaltenden Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung leide, welche mit Wahrscheinlichkeit auf die angeführten Verbrechen zurückzuführen sei. Es liege aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigungen Arbeitsunfähigkeit vor, bzw. hätte die kausale Gesundheitsschädigung den beruflichen Werdegang des Beschwerdeführers maßgeblich beeinflusst (Abl. 174-175).

10. Mit Aktenvermerk vom 16.09.2014 hielt die belangte Behörde fest, dass im Gutachten vom 18.07.2014 auf keinerlei anderweitige belastende Faktoren wie z.B. Familienverhältnisse, vorbestehende Auffälligkeiten, Straffälligkeit, etc. und ebenso nicht auf die Theorie der wesentlichen Bedingung eingegangen worden sei, weiters fehle auch eine Begründung der Fragebeantwortung, weshalb das Gutachten nicht nachvollziehbar und somit unschlüssig sei. Darüber hinaus ergebe sich aus der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes, dass vor der Einholung eines Sachverständigengutachtens genaue ergänzende Ermittlungen zum Sachverhalt durchzuführen seien (Abl. 176).

11. Die belangte Behörde ersuchte den Beschwerdeführer in der Folge mehrmals um eine ergänzende Sachverhaltsdarstellung (Abl. 181, 185, 186, 190 und 193).

12. Mit Schreiben vom 30.12.2014 teilte der KOBV mit, dass die Vertretungsvollmacht mit 31.12.2014 aufgekündigt werde (Abl. 195).

13. Mit Schreiben vom 03.02.2015 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer, weitere ergänzende Informationen zu übermitteln (Abl. 199-200).

14. Mit Schreiben vom 03.04.2015 übermittelte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen, darunter ein Zeitungsbericht über das Heim XXXX und diverse medizinische Befunde. Weiters fügte er dem Schreiben die dritte überarbeitete Version seiner Niederschrift über seine Erlebnisse in den Kinderheimen, datiert mit 22.03.2015 an. Ergänzend zu den bisherigen Schilderungen wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Unterbringung im Heim XXXX bei Regelüberschreitungen auf den Kopf geschlagen, geohrfeigt oder übers Knie der Klosterschwester gelegt und auf den nackten Hintern geschlagen worden sei, wobei er deren nach Urin riechenden Kittel inhalieren habe müssen. Darüber hinaus habe er stundenlang in der Ecke am Boden liegend und zur Wand blickend beten müssen. Es habe häufig Spielverbot geherrscht und man habe als Strafe lange stehen oder knien müssen. Wenn die Kinder den Hausarbeiter gehänselt hätten, habe dieser die Kinder an den Intimstellen „abgegrabscht“. Von 03.01. bis 26.01.1972 sei der Beschwerdeführer in der „Klinik Dr. XXXX “ aufgrund von Verhaltensschwierigkeiten im XXXX untersucht worden. Dabei sei zusammenfassend diagnostiziert worden, dass der Beschwerdeführer ein intellektuell überdurchschnittlich gut begabter Knabe mit relativ geringer sozialer Reife, lebhaften Kontaktwünschen und schwerer emotionaler Frustration sei. Der Beschwerdeführer zitierte in der Folge Berichte ehemaliger Patientinnen der genannten Klinik, die von Malaria-Therapien berichtet hätten. Der Beschwerdeführer gibt an, nach dem Klinikaufenthalt bis zu einem 40. Lebensjahr mindestens drei bis vier Mal in der Woche zwischen 2 und 3 Uhr schweißgebadet aufgewacht zu sein. Er könne nicht sagen, ob es Albträume oder der „Erfolg“ der „Klinik Dr. XXXX “ gewesen sei. Im Heim XXXX , wo der Beschwerdeführer ab 19.09.1972 untergebracht gewesen sei, sei man als Neuankömmling von den „Alteingesessenen“ getestet worden. Sei man nicht stark genug gewesen, sei man zu deren Sexsklave oder Kammerdiener geworden, wobei es zwischen den zwei „Kapos“ zu einem Kampf gekommen sei. Vom Verlierer sei man für seine Schmach mit Hieben, Faustschlägen und Tritten traktiert worden. Den Gewinner habe man oral befriedigen müssen, oder er habe sich anal an einem befriedigt, man sei ab da sein Eigentum gewesen. Habe man sich geweigert, den Stärkeren zu befriedigen, habe man täglich über Jahre Schläge von den zwei Kapos bekommen. Man habe 24 Stunden am Tag Stress und Angst verspürt. Ein Fachlehrer habe mit dem Schlüsselbund nach Kindern geworfen, wenn sie geredet oder nicht aufgepasst hätten, er habe den Beschwerdeführer zigmal geschlagen. Wenn man Durchfall gehabt und in die Unterhose gemacht habe, sei man von allen gedemütigt worden, indem man die Unterhose am Kopf tragen habe müssen. Eine weitere Strafe sei gewesen, dass man auf Schotter knien oder mit vorgehaltenen Händen, die mit Büchern beschwert worden seien, in der Hocke stehen habe müssen. Alle zwei Monate habe der Beschwerdeführer zur Beichte gehen müssen, wobei er sich auf den Schoß des Pfarrers habe legen müssen, der ihn im Intimbereich angegriffen habe. Der Beschwerdeführer sei Ministrant gewesen und habe dem Pfarrer den Rock über den Kopf ziehen müssen, wobei er immer die Hand des Pfarrers zwischen seinen Füßen und auf seiner Brust gespürt habe. Nach seinem Ausbruch aus dem Heim XXXX sei der Beschwerdeführer in das Erziehungsheim XXXX gebracht worden. Dort sei er von der Religionslehrerin immer mit Büchern und Schultaschen geschlagen worden, vom Mathematiklehrer mit dem Tafelzirkel (Abl. 211-223).

14. In der Folge legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an medizinischen Befunden und weiteren Unterlagen vor (Abl. 224-293). Darunter:

Ärztlicher Entlassungsbericht – Zentrum für seelische Gesundheit XXXX 13.02.2014 (Rehab von 07.01.-14.02.2014) (Abl. 276-277) Diagnosen: F62.0 andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung, F33.1 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, M19.9 Arthrose, H91.9 Hörverlust

Vorläufiger ambulanter Patientenbrief XXXX vom 25.03.2015 (Abl. 273-275) Diagnosen: anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung F 62.0, Langzeitfolgeerkrankung einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung F43.1, rezidivierende depressive Störung, derzeit schwere depressive Episode, diff. Dysthymie/Double Depression F 33.3. In absehbarer Zeit keine Arbeitsfähigkeit zu erwarten.

Von der Stadt XXXX , welche den XXXX mit der Aufgabe der Abwicklung von Entschädigungsleistungen beauftragte, wurden dem Beschwerdeführer im November 2013 eine Entschädigung in der Höhe von 25.000 Euro und die Kostenübernahme für 80 Therapiestunden zugesprochen (Abl. 253).

Die XXXX Opferschutz der XXXX sprach dem Beschwerdeführer am 16.03.2015 eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro (inkl. 5.000 Euro Therapiekostenersatz) und die Kostenübernahme für insgesamt 50 Therapiestunden zu (Abl. 290).

15. Mit Schreiben vom 23.06.2015 (Abl. 299) gab der Beschwerdeführer an, dass ihm mit 19 Jahren bereits mindestens 12 Zähne gefehlt hätten, jetzt mit 53 Jahren habe er nur mehr sechs Zähne. Vor 25 Jahren habe er in Ungarn Kronen machen lassen, die bis Februar 2015 gehalten hätten. Aufgrund des langen Zahnmangels liege beim Beschwerdeführer ein starker Knochenverlust vor. Er legte dem Schreiben medizinische Unterlagen und Röntgenaufnahmen betreffend seine Zähne bei. (Abl. 300-302).

16. Mit Schreiben vom 25.06.2015 übermittelte der Beschwerdeführer Unterlagen des Bundesministeriums für Justiz aus dem Jahr 1967, aus denen hervorgehe, dass Heimleitern und Erziehern kein Züchtigungsrecht der Zöglinge zustehe (Abl. 306-310).

17. Mit Faxnachricht vom 02.07.2015 übermittelte die XXXX Begutachtungen betreffend die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers und eine Krankenstandsbescheinigung wegen eines Unfalls, welche am 31.10.2013 wegen Pensionszuerkennung geendet habe. Bei diesem Arbeitsunfall im Mai 2013 habe sich der Beschwerdeführer eine Verstauchung und Zerrung sonstiger und nicht näher bezeichneter Teile des rechten Knies, Lig. Patellae, Tibiofibular(-Gelenk) (-Band), proxinal zugezogen (Abl. 312-316).

18. Am 14.07.2015 übermittelte die XXXX eine Auflistung der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Beschwerdeführers (Abl. 317).

19. Auf Ersuchen der belangten Behörde teilte die XXXX der Stadt XXXX mit Schreiben vom 22.07.2015 mit, dass zwei namentlich genannte Brüder gemeinsam in der Zeit von 24.07.1973 bis 25.09.1975 im Kinderheim XXXX untergebracht gewesen seien. Aus den Unterlagen sei kein Hinweis ersichtlich, dass beide oder einer der beiden als Täter von sexuellem Missbrauch in Frage gekommen wären (Abl. 322).

20. Mit Emailnachricht vom 07.08.2015 wurde seitens der XXXX ergänzend angegeben, dass zwei der vom Beschwerdeführer namentlich genannten ehemaligen Lehrer des Erziehungsheimes XXXX , im Besonderen der Mathematiklehrer und die Religionslehrerin, nicht aktenkundig seien, eventuell gebe es beim Stadtschulrat für XXXX Aufzeichnungen, da die Lehrer von dort entsendet worden seien (Ab. 324).

21. Der Stadtschulrat für XXXX teilte mit Schreiben vom 04.09.2015 mit, dass keine Aktenvorgänge bezüglich etwaiger körperlicher Übergriffe durch diese zwei namentlich genannten Lehrer im Erziehungsheim XXXX aufliegen würden (Abl. 329).

22. Mit Emailnachricht vom 02.12.2015 legte ein Psychotherapeut der belangten Behörde eine Vertretungsvollmacht für den Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nach dem VOG vor (Abl. 362-363).

23. Am 13.01.2016 übermittelte die PVA (Abl. 367-381) eine Bescheiddurchschrift betreffend die Gewährung einer unbefristeten Invaliditätspension des Beschwerdeführers vom 21.08.2015 sowie die das der Entscheidung zugrundeliegende psychiatrische Gutachten vom 08.07.2015 (Abl. 374-377). Darin werden als Hauptursachen der Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Persönlichkeitsänderung nach Extremsituation F62.0, eine mittel- bis schwergradige Depressio F32.1 und eine posttraumatische Belastungsstörung F43.1 diagnostiziert. Weiters werde ausgeführt, dass mit einer Besserung nur bei engmaschiger Therapie zu rechnen wäre, wobei das vom Beschwerdeführer abgelehnt werde. Eine stationäre langfristige Therapie würde der Beschwerdeführer aufgrund von Retraumatisierung nicht durchhalten, weshalb eine unbefristete Pensionierung empfohlen werde.

24. Mit Schreiben vom 18.09.2017 teilte der Rechtsanwalt Mag. XXXX mit, dass ihn der Beschwerdeführer mit seiner weiteren Vertretung beauftragt habe und berief sich auf die erteilte Vollmacht. Es sei davon auszugehen, dass bei normalem Lebensverlauf ein Einkommen in Höhe eines durchschnittlichen Facharbeiterlohnes von zumindest EUR 1.500,00 (14 Mal jährlich) erzielt hätte werden können. Dem würden meist nur Teilzeit ausgeübte Hilfsarbeitertätigkeiten gegenüberstehen, sodass beim Beschwerdeführer von einem Verdienstentgang von monatlich jedenfalls EUR 750,00 auszugehen sei. Dem Schreiben werde weiters ein Schreiben mit dem handschriftlich beigefügten Titel „Schreiben Hr. XXXX für SMS“ vom 20.05.2017 angeschlossen, in welchem ausgeführt werde, dass sich der psychische Zustand des Beschwerdeführers als direkte Folge der Gewalt in den Heimen derart verschlechtert habe, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, eine Schule und Berufsausbildung zu absolvieren. Die erlittene schwere Gewalt sei damit die entscheidende Ursache dafür, dass der Beschwerdeführer über die berufliche Stellung eines Hilfsarbeiters nie hinausgekommen sei und ihm eine bessere Entlohnung verwehrt geblieben sei. Im klinischen Befundbericht der Kinder- und Jugendpsychiatrie des XXXX vom 21.02.1972 sei ihm ein IQ von 127 attestiert worden, womit ausgeschlossen werde, dass die Ursache für sein schlechtes berufliches Abschneiden in seiner Intelligenz zu finden sei. Aus dem beigelegten Versicherungsdatenauszug gehe hervor, dass der Beschwerdeführer bei insgesamt 40 Firmen beschäftigt gewesen sei, wobei die Arbeitsverhältnisse meist nur von recht kurzer Dauer gewesen seien. Dies sei mit den schweren komplexen und chronifizierten psychischen Störungen und damit einhergehenden Angstzuständen und physiologischen Begleiterscheinungen zu erklären, wegen derer der Beschwerdeführer ein Leben lang nicht in der Lage gewesen sei, sich über längere Zeit hinweg mit Vorgesetzten und Kollegen zu konfrontieren. Er habe aufgrund panischer Angst Arbeitsstellen verlassen, bzw. sie nicht mehr aufgesucht. Der Beschwerdeführer habe im Kinderheim XXXX nicht als Trinkwasser geeignetes Wasser trinken müssen, was zu Magen- und Darmbeschwerden geführt habe, welche wiederum seiner beruflichen Entwicklung äußerst abträglich gewesen seien. Noch als Minderjähriger habe er sich einer Darmoperation unterziehen müssen, als Erwachsener auch einer Darmteilresektion. (Schreiben mit Anlagen Abl. 413-446).

25. Mit Schreiben vom 19.09.2017 übermittelte die PVA eine Zweitschrift des Bescheides vom 19.09.2017, in welchem dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf eine Heimopferrente in der Höhe von EUR 300,00 ab 01.07.2017 zuerkannt worden sei. (Abl. 447-450).

26. Mit Schreiben vom 21.11.2017 übermittelte der Beschwerdeführer zwei Pakete mit einem Konvolut an Unterlagen, Nachschlagewerken, persönlichen Niederschriften und eine CD-Rom an die belangte Behörde (Abl. 461 und Unterlagen in Mappen „Diverse Unterlagen I-III“).

27. Zur Überprüfung des Antrages holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 24.11.2017 erstatteten Gutachten vom 12.12.2017 kam der Sachverständige zusammenfassend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (F 60.0) leide. Ein Kausalzusammenhang dieses Leidens mit dem Verbrechen könne nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Aus fachärztlicher Sicht seien die negativen Sozialisierungsbedingungen für die Entwicklung der paranoiden Persönlichkeitsstörung zu verantworten, welche den weiteren Lebenslauf maßgeblich beeinflusst hätten. Die Misshandlungen hätten zwar möglicherweise einen Einfluss auf den derzeitigen psychischen Leidenszustand, seien jedoch nicht als wesentliche Ursache anzusehen. Es gebe keinen Hinweis, dass das erlittene Trauma die festgestellte Gesundheitsschädigung vorzeitig ausgelöst oder verschlimmert habe. Unter den bekannten Sozialisierungsbedingungen sei anzunehmen, dass auch ohne die angeschuldigten Ereignisse ein ähnliches Zustandsbild vorliegen würde. Es gebe keinen Hinweis, dass der Beschwerdeführer aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigung an einem kontinuierlichen Berufsverlauf oder an einer besseren Ausbildung gehindert gewesen wäre. Als wesentlichen Einfluss auf die berufliche Entwicklung bzw. Erwerbsmöglichkeiten seien die negativen Sozialisierungsbedingungen und die Störung der Persönlichkeit anzusehen. (Abl. S 462-467)

28. Mit Parteiengehör vom 11.01.2018 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten und teilte mit, dass die Anträge des Beschwerdeführers abgewiesen werden würden. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Schreibens eingeräumt (Abl. 480-481).

29. Mit Schreiben vom 30.01.2018 gab der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab, in welcher er zunächst um eine Fristverlängerung ersuchte und vorbrachte, dass das Sachverständigengutachten vom 12.12.2017 nicht logisch und nachvollziehbar sei. Es sei insbesondere unklar und nicht überprüfbar, welche Verhaltensauffälligkeit der Gutachter meine, und was er unter sonstigen negativen Sozialisierungsbedingungen verstehe, die er für primär kausal halte. Es werde daher beantragt, zur Frage der Kausalität der Verbrechen für die festgestellte Persönlichkeitsstörung ein Gutachten lege artis eines Sachverständigen für Psychiatrie einzuholen (Abl. 483-484). Die belangte Behörde gewährte die Fristerstreckung bis zum 27.03.2018 (Abl. 485).

30. Mit Schreiben vom 19.02.2018 kritisierte der Beschwerdeführer die Fragestellungen des Sachverständigen während der Untersuchung und legte ein Schreiben eines Psychotherapeuten vom 11.05.2017 sowie einen Auszug der Sachverständigenrichtlinien vor (Abl. 489-494).

31. Mit Schreiben vom 08.03.2018 teilte der Rechtsanwalt mit, dass das Vollmachtsverhältnis zwischen ihm und dem Beschwerdeführer aufgelöst worden sei (Abl. 496).

32. Am 09.03.2018 langte bei der belangten Behörde eine als „Beschwerde“ bezeichnete 150 Seiten lange Stellungnahme zum Parteiengehör ein, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen allgemeine Rechtsausführungen, unter anderem betreffend Aufbau und Inhalt von Sachverständigengutachten sowie Beweiswürdigung in Verwaltungsverfahren, tätigte und auf diverse Studien und Handbücher verwies. Das Sachverständigengutachten vom 12.12.2017 sei unschlüssig. Der Beschwerdeführer beantragte weitere fachärztliche Untersuchungen und legte ein Konvolut an zum Großteil bereits im Akt enthaltenen Unterlagen vor (Abl. 497-706).

33. Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers ersuchte die belangte Behörde den befassten psychiatrischen Sachverständigen um eine ergänzende Stellungnahme (Abl. 707-708).

Im nervenfachärztlichen Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 20.04.2018 führte dieser zusammengefasst aus, die vorgebrachten Einwände bzw. vorgelegten Befunde würden zu keiner Neubewertung des Gutachtens vom 12.12.2017 führen (Abl. 710).

34. Mit Schreiben vom 25.06.2018 brachte der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein, wo diese am 28.06.2018 einlangte. Darin wiederholt der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bereits zuvor erstattetes Vorbringen (Abl. 715-719). Mit Schreiben vom 01.07.2018 leitete das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde an die belangte Behörde weiter (Abl. 714).

35. Mit angefochtenem Bescheid vom 22.08.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 19.07.2013 auf Ersatz des Verdienstentganges sowie orthopädische Versorgung in Form von Zahnersatz und anderen Hilfsmitteln gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 5 Abs. 1 sowie § 10 Abs. 1 VOG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Wahrscheinlichkeit als wahr angenommen werde, dass der Beschwerdeführer während seiner Unterbringung im Kinderheim XXXX psychisch, physisch und sexuell missbraucht worden sei, und er einmal von zwei Mitzöglingen vergewaltigt worden sei. Weiters könne, aufgrund ähnlicher Schilderungen anderer Zöglinge mit für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Heim XXXX regelmäßig von Erziehern geschlagen worden sei. Dass ein Mitzögling seine Nase und sein rechtes Knie „ruiniert“ habe, könne nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Mangels Annahme eines Verbrechens sei das Knieleiden jedenfalls als akausale Gesundheitsschädigung anzusehen. Die angegebenen körperlichen Misshandlungen im Kinderheim XXXX würden nur auf den persönlichen Aussagen des Beschwerdeführers beruhen. Es könnten daher diesbezüglich keine gesicherten Feststellungen mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit getroffen werden. Betreffend das verunreinigte Trinkwasser im Heim XXXX werde ausgeführt, dass aus einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheid vom 23.02.1966 hervorgehe, dass das Trinkwasser jährlich überprüft und als geeignet befunden worden sei. Am 14.12.1976 sei eine Verunreinigung durch coliforme Keime festgestellt worden, weshalb im Februar 1977 eine Entkeimungsanlage zugeschaltet worden sei. Der Beschwerdeführer sei von 19.09.1972 bis 14.09.1977 in XXXX untergebracht gewesen. Es würden somit keine Unterlagen vorliegen, aus denen sich ergebe, dass das Wasser bei der Unterbringung des Beschwerdeführers verunreinigt gewesen sei, dieser Umstand der Heimleitung bewusst gewesen wäre, und sie dem Beschwerdeführer vorsätzlich verunreinigtes Trinkwasser verabreicht hätte und damit eine Gesundheitsschädigung in Kauf genommen hätte. Es könne somit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit eine rechtswidrige, vorsätzliche und mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte Handlung angenommen werden, weshalb auch dem Antrag auf Untersuchung einer daraus abzuleitenden Reizdarmstörung nicht Folge gegeben werde. Es fehle auch an objektiven Beweisen, dass eitrige Zähne des Beschwerdeführers im Heim XXXX nur mangelhaft behandelt worden seien, weshalb der Beschwerdeführer in weiterer Folge an Zahnmangel und Knochenverlust gelitten habe. Auch in diesem Fall könne darüber hinaus auch keine rechtswidrige, vorsätzliche und mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte Handlung angenommen werden. Ohne Vorlage von Beweismitteln könne auch die beantragte orthopädische Versorgung in Form einer Orthese nicht bewilligt werden. Betreffend das psychische Leiden des Beschwerdeführers werde der Entscheidung das psychiatrische Sachverständigengutachten vom 12.12.2017 zugrunde gelegt, wonach der Beschwerdeführer an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leide, die jedoch nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit verbrechenskausal sei. Die Misshandlungen in den Heimen hätten zwar möglicherweise einen Einfluss auf den derzeitigen psychischen Leidenszustand gehabt, könnten jedoch nicht als wesentliche Ursache angesehen werden. Vielmehr sei anzunehmen, dass unter den bekannten Sozialisierungsbedingungen ein ähnliches Zustandsbild auch ohne die angeschuldigten Ereignisse vorliegen würde. Mangels kausaler Gesundheitsschädigung könne daher auch kein Kausalzusammenhang zwischen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit und dem festgestellten Verbrechen sowie keine Hinderung eines kontinuierlichen Berufsverlaufes angenommen werden, weshalb der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges abzuweisen sei (Abl. 721-738).

36. Mit Schreiben vom 10.09.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 12.09.2019, erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin führte er allgemeine Bestimmungen zum Verwaltungsverfahren, insbesondere dem Sachverständigengutachten im Ermittlungsverfahren, an und zitierte die Ausführungen von Univ. Prof. Dr. XXXX im Rahmen der Vorstellung seines Buches „Der Kindheit beraubt. Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt XXXX (1950er bis 1980er Jahre)“. Der Beschwerdeführer führt weiters aus, weder die belangte Behörde noch der psychiatrische Sachverständige hätten den kompletten Sachverhalt der „historischen Katastrophe“ der Kinderheime wiedergegeben. Es müssten nicht nur die Zustände in den Kinderheimen, sondern auch die Umstände, die zur Einweisung in Kinderheime geführt hätten, beurteilt werden. Es sei wegen unterschiedlichster Gründe von der XXXX Fürsorge der Begriff der „Verwahrlosung“ verwendet worden, und den Kindern dafür die Schuld gegeben worden. Der amtliche Gefahrenbogen, welcher Voraussetzung für die Überstellung in ein Kinderheim und verpflichtend vom Jugendamt auszufüllen gewesen sei, sei im Pflegschaftsakt des Beschwerdeführers nicht vorhanden. Obwohl der Beschwerdeführer diesen Umstand bereits in der „Bescheidbeschwerde“ vom 06.03.2018 vorgebracht habe, sei dies von der belangten Behörde nicht erwähnt worden. Der Beschwerdeführer beantrage die Überprüfung und Offenlegung der fachlichen Qualifikation des befassten psychiatrischen Sachverständigen. Aus dem angefochtenen Bescheid gehe hervor, dass der psychiatrische Sachverständige am 20.04.2018 ein Ergänzungsgutachten erstellt habe, das dem Beschwerdeführer nicht übermittelt worden sei und auch nicht dem angefochtenen Bescheid angeschlossen worden sei. Das von der belangten Behörde als nicht schlüssig befundene Sachverständigengutachten vom 18.07.2014 sei dem Beschwerdeführer erst nach dessen Antrag auf Aktenkopie im Jahr 2018 ausgehändigt worden, davor habe er keine Kenntnis davon gehabt. Es werde um Auskunft ersucht, welche fachspezifisch amtlich qualifizierte Person dieses Gutachten für nicht schlüssig erklärt habe. Der Beschwerdeführer beantrage die Ladung mehrerer namentlich genannter Personen als Zeugen vor der „Staatsanwaltschaft“, darunter einen namentlich genannten Psychotherapeuten, dessen Stellungnahme vom 26.12.2018 der Beschwerdeführer in der Beschwerde zitierte. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, es sei nicht ausreichend erklärt, wie der psychiatrische Sachverständige zum Ergebnis komme, dass die angeblichen Sozialisierungsbedingungen im Elternhaus kausal für die Leiden des Beschwerdeführers seien. Es habe keine Ereignisse im Elternhaus gegeben, die eine derartige schwere Traumatisierung herbeiführen hätten können. Die Auswirkungen eines totalitären Systems, eines „Kinder-KZ“, seien in den Feststellungen der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden. Die schulischen Leistungen des Beschwerdeführers würden nichts über seinen weiteren Lebensverlauf aussagen, jedoch würden derartig manifestierte Traumatisierungen, wie sie in den Kinderheimen stattgefunden haben, nach sechsjähriger Internierung und unterlassender Hilfeleistung den Lebenslauf nachweislich negativ beeinflussen. Die Äußerungen des psychiatrischen Sachverständigen seien teilweise fachlich unqualifiziert, etwa, wenn er ausführe, dass eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F 62.0) und eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) einander ausschließen würden und fälschlicherweise behaupte, es gebe keine chronische posttraumatische Belastungsstörung. Dass der Sachverständige den im Gutachten der PVA zur Weitergewährung der Invaliditätspension vom 08.07.2015 getroffenen Diagnosen nicht folge, sei daher ebenfalls substanzlos, unbegründet und fachlich unqualifiziert. Der Sachverständige berufe sich auf ein NS-ideologisches Gutachten, den klinischen Befundbericht der Kinder- und Jugendpsychiatrie von 1972 und begründe damit, warum er den aktuellen, vorgelegten Befunden, wie dem vorläufigen ambulanten Patientenbrief des Univ. Prof. Dr. XXXX vom 01.10.2014 nicht folgen könne. Für den ungünstigen Verlauf und die Chronifizierung des Leidens sei nicht der Beschwerdeführer verantwortlich, sondern die jeweiligen Ämter und Institutionen. Der Beschwerdeführer beantragte unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Zudem stellte er den Antrag, diese Bescheidbeschwerde samt dem Gesamtakt an die Korruptionsstaatsanwaltschaft weiterzuleiten (Abl. 742-767).

37. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 16.09.2019 zur Entscheidung vor, wo dieser am 23.09.2019 einlangte (OZ 1).

38. Das Bundesverwaltungsgericht holte zur Überprüfung der Leidenszustände des Beschwerdeführers ein medizinisches Sachverständigengutachten einer gerichtlich beeideten Sachverständigen unter anderem aus den Fachbereichen Neurologie und Psychiatrie ein (OZ 3).

Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste in weiterer Folge, dass über Ersuchen des Beschwerdeführers ein neuer Untersuchungstermin am 21.01.2020 bei einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie in XXXX festgesetzt wurde (OZ 4).

39. Mit Eingabe vom 25.12.2019 zeigte sich der Beschwerdeführer verwundert und beschwerte sich darüber, dass er für die Untersuchung nach St. XXXX anreisen müsse (OZ 5).

40. Das Bundesverwaltungsgericht informierte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.01.2020 über die ihm im Beschwerdeverfahren nach dem VOG treffende Mitwirkungsverpflichtung und empfahl ihm in seinem eigenen Interesse, den Untersuchungstermin wahrzunehmen. Weiters wies das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer darauf hin, dass ihm sämtliche Reisekosten ersetzt werden würden.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte dem Beschwerdeführer auch mit, dass nicht - wie in der Beschwerde beantragt - beabsichtigt sei, die gegenständliche Beschwerde samt dem Gesamtakt an die Korruptionsstaatsanwaltschaft weiterzuleiten, es ihm jedoch selbst jederzeit freistünde, dies von sich aus vorzunehmen. (OZ 6).

41. Mit Eingabe vom 13.01.2020 (eingelangt am 15.01.2020) verwies der Beschwerdeführer auf Bestimmungen im AVG und bezichtigte das Bundesverwaltungsgericht der Willkür, dass er zu einer neuerlichen Untersuchung im Beschwerdeverfahren in St. XXXX zu erscheinen habe, wo er doch bereits drei Mal amtswegig untersucht worden sei. Jede Untersuchung stelle für ihn eine Retraumatisierung dar. Er beantrage die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. In eventu stelle er einen Befangenheitsantrag gegen die vorsitzende Richterin. Er beantrage die Übermittlung des zweiten Ergänzungsgutachtens, welches die belangte Behörde ihm bis dato vorenthalten habe. Er ersuche um Rechtsberatung und Manuduktion, da der Beschwerdeführer nicht rechtsfreundlich vertreten sei. Er verweise auch darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht nach § 6 AVG verpflichtet sei, seinem Antrag auf Weiterleitung der Beschwerde samt dem Gesamtakt an die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu entsprechen, bzw. hierüber „bescheidmäßig“ zu entscheiden (OZ 8).

42. Der Beschwerdeführer übermittelte der medizinischen Sachverständigen am 15.01.2020 postalisch ein Konvolut an Unterlagen aus seinem Verfahren (siehe dazu die Beilagen zu OZ 12).

43. Das Bundesverwaltungsgericht sagte den Untersuchungstermin vom 21.01.2020 aufgrund der Eingabe des Beschwerdeführers vom 13.01.2020 mit Schreiben vom 16.01.2020 ab (OZ 10).

44. Nachdem der Beschwerdeführer persönlich bei der medizinischen Sachverständigen telefonisch um die Durchführung der Untersuchung ersuchte, fand – trotz der formalen Absage, jedoch im Einvernehmen mit dem Bundesverwaltungsgericht - am 21.01.2020 dessen Untersuchung durch die Amtssachverständige für Psychiatrie und Neurologie in XXXX statt.

In deren medizinischen Sachverständigengutachten vom 20.03.2020 kommt die medizinische Sachverständige zusammenfassend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ F60.30 und an einer posttraumatischen Verbitterungsstörung F43.2, welche dem Cluster der Anpassungsstörungen zuzuordnen sei, leide. Die Frage der Kausalität lasse sich nicht einfach beantworten, weil beim Beschwerdeführer eine Reihe von Ereignissen in früher Kindheit eingetreten seien, welche für diesen belastend und schädigend gewesen seien. Es seien dies die wechselnden Unterbringungen in der frühesten Kindheit, welche die Ausbildung für ein Kind unabdingbar erforderlicher emotionaler Sicherheit störe und lebenslang seine Bindungsfähigkeit schwäche. Hinzu kämen die erlebte Gewalttätigkeit des Stiefvaters und die gefühlte Vernachlässigung durch die Mutter. Diese habe dem älteren Bruder, nicht zuletzt wegen dessen schwerer Erkrankung, mehr Zuwendung entgegengebracht. Dieser habe daheimbleiben dürfen und sei einer Unterbringung im Heim entgangen. Auch die Misshandlungen in den Heimen hätten dazu beigetragen. Nachdem der Beschwerdeführer viele Jahre seiner Kindheit und Jugend in Kinderheimen verbracht habe und den als Verbrechen klassifizierten „Erziehungsmethoden“ ohne Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, ausgesetzt gewesen sei, könne angenommen werden, dass diese dramatischen Ereignisse, seine in der Zeit vor der Heimunterbringung entstandene Vulnerabilität im wesentlichen Maße verstärkt hätten. Die Verlaufsdynamik der Verbitterungsstörung lasse sich ab dem Jahr 2013 mit beginnender Beschäftigung mit dem Schicksal der Heimkinder als Reaktion auf Erlebnisse von Kränkung und empfundener Ungerechtigkeit im Umgang mit Behörde, verfolgen. Diese mit großer Intensität erlebte Störung habe durch geminderten Selbstwert, reduzierte Selbstwirksamkeit mit fehlender Verfolgung individueller Lebensziele und verminderter Lebensqualität, schwere Beeinträchtigungen im Funktionsniveau des Beschwerdeführers bedingt. Dieser verschlechterte psychische Lebenszustand lasse sich ab dem Jahr 2013 verfolgen und zeichne sich – zusätzlich zum orthopädischen Leiden – für die festgestellte Arbeitsunfähigkeit verantwortlich. Der Nachweis dieser überwiegend kausal bedingten Verursachung der Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers lasse sich erst ab 2013 mit der für die gutachterliche Einschätzung notwendigen Wahrscheinlichkeit belegen. Der Traumberuf des Beschwerdeführers sei Pilot gewesen. Es könne nicht bewertet werden, ob es ohne teilkausale Gesundheitsschädigung, eine realistische Berufsperspektive gewesen sei. Die medizinische Sachverständige begründete in weiterer Folge ausführlich, weswegen die bisher für den Beschwerdeführer erstellten Diagnosen diverser Gutachter und Therapeuten aus ihrer Sicht nicht zutreffend seien. Es sei aufgrund der besonderen psychischen Vulnerabilität des Beschwerdeführers aber auch menschlich nachvollziehbar, dass er die Fachausdrücke „paranoid“ und „querulatorisch“ als kränkend empfinde, wiewohl diese aus medizinischer Sicht richtig verwendet worden seien. Die vom Beschwerdeführer unverständliche Nichtbeachtung der von seinen Psychotherapeuten, seinen Vertrauenspersonen und Helferorganisationen erstellten Diagnosen und der daraus abgeleiteten Kausalität durch die belangte Behörde habe bei ihm die Ausprägung der chronischen Erkrankung verschlimmert. Hinzu komme das fehlende Wissen des Beschwerdeführers um die Vorgaben zur Kausalitätsbewertung nach dem VOG, welche dessen Krankheitsbild weiter verschlechtert habe (OZ 12).

45. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte das genannte Gutachten den Parteien des Verfahrens im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesen die Möglichkeit ein, sich bis längstens 15.05.2020 zu diesem Sachverständigengutachten zu äußern (OZ 14).

46. Der Beschwerdeführer gab mit Eingabe vom 01.05.2020 eine 126-seitige Stellungnahme ab, wonach er zu Beginn auf ein Urteil des OGH verwies, wonach dieses Gericht bei einer Entscheidung im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall im Gleinalmtunnel zum Ergebnis gekommen sei, dass die erstinstanzlichen Feststellungen mit der Verneinung der Kausalität keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage (unrichtig) beurteilt habe. Der Beschwerdeführer erhob in eventu eine Säumnisbeschwerde zu nachfolgenden zitierten 19 Anträgen laut seiner Beschwerde vom 10.09.2019. In seiner Stellungnahme zum medizinischen Sachverständigengutachten führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er nicht nachvollziehen könne, weswegen diese das medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie, welches bereits die belangte Behörde als unschlüssig erachtet habe, ebenfalls als nicht schlüssig ansehe. Auch dieses wörtlich vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zitierte Gutachten müsse Grundlage der Entscheidung sein. Es werde beantragt, dass die in diesem Gutachten aufgestellten Diagnosen, welche auch von der PVA, und von Prof. XXXX , usw. bestätigt worden seien, vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt werden würde. Sollte das Bundesverwaltungsgericht in Erwägung ziehen, die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen, welche das Bundesverwaltungsgericht bestellt habe, der Entscheidung zu Grunde zu legen, so mache der Beschwerdeführer von seinem Recht Gebrauch, einen nichtamtlichen Sachverständigen ablehnen zu dürfen. Die medizinische Sachverständige sei nicht mehr am letzten Stand der Wissenschaft und sei nicht in der Lage, den Sachverhalt zu beurteilen. Er beantragte, dass die medizinische Sachverständige eine Auflistung der fachspezifischen Fortbildungsmaßnahmen vorlege. In weiterer Folge setzte sich der Beschwerdeführer im Einzelnen mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin auseinander und begründete, weswegen er diesen nicht folgen könne. Unter Zitierung von Literatur zur NS-Zeit in Kinderheimen und zur Entnazifizierung von Professorenschaft an der Uni XXXX verwies der Beschwerdeführer auf den historischen Hintergrund im Zusammenhang mit Überlebenden der NS ideologischen Kinderheime in der Republik Österreich. Es folgen seitenlange Ausführungen zur Psychiatrie im Zeitalter der Gentechnologie. Es folgen seitenweise Zitate aus dem Pflegschaftsakt des Beschwerdeführers, welche die medizinische Sachverständige nicht berücksichtigt haben soll. Er könne nicht nachvollziehen, dass jahrelang bestätigte psychische und physische Gewalt und sexueller Missbrauch keine Auswirkungen auf den Beschwerdeführer gehabt haben sollen, und dass wechselnde Bezugspersonen mehr Auswirkungen auf ihn gehabt haben sollen, als diese Misshandlungen. Es werde unter Hinweis auf einen zitierten Rechtssatz des OGH ein Befangenheitsantrag gegen die befasste medizinische Sachverständige gestellt. In weiterer Folge zitiert der Beschwerdeführer aus einer Transkription seiner Audioaufzeichnung des Gesprächs mit der befassten medizinischen Sachverständigen. Er verwies darauf, dass er in einem zitierten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Grad der Behinderung von 50% wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung zugesprochen erhalten habe. Die medizinische Sachverständige sei massiv an seiner Retraumatisierung beteiligt. Es folgen seitenlange Zitate aus dem Internet über Querulantentum. Er sehe sich durch seine Leiden massiv in der Wahl seines Berufes eingeschränkt und begründete dies detailreich. Er begründet ausführlich, weswegen sich die medizinische Sachverständige bei der Auseinandersetzung mit den ihm von anderen Therapeuten und Sachverständigen diagnostizierten Leiden widersprochen und geirrt habe. Es folgen Internetauszüge aus dem Artikel aus einem Blog „Gegen den Strich denken“ aus dem Jahr 2018, welcher sich mit der Allmacht der Gutachter auseinandersetzt. Der Beschwerdeführer wies neuerlich darauf hin, dass er nicht rechtsfreundlich vertreten werde und ersuchte um Manuduktion (OZ 15).

47. Die belangte Behörde gab mit Eingabe vom 08.05.2020 (eingelangt am 13.05.2020) eine schriftliche Stellungnahme zu medizinischen Sachverständigengutachten ab. Darin kritisierte diese, dass im medizinischen Sachverständigengutachten widersprüchliche bzw. klärungsbedürftige Angaben gemacht worden seien und ersuchte, dass die befasste medizinische Sachverständige diese Widersprüche, insbesondere, welche Gesundheitsschädigungen ohne die Verbrechen vorliegen würden, bzw. ob der Beschwerdeführer auch ohne die festgestellten Verbrechen ebenfalls arbeitsunfähig oder eingeschränkt arbeitsfähig in dem Sinne, dass die Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ohne die festgestellten Verbrechen in annährend gleichem Ausmaß bestünden, aufkläre (OZ 17).

48. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer diese Stellungnahme mit Schreiben vom 14.05.2020 zur Kenntnis (OZ 18).

49. Das Bundesverwaltungsgericht holte am 14.05.2020 einen Auszug aus dem AJ-Web ein, woraus die Versicherungszeiten des Beschwerdeführers seit dem 01.01.1978 zu ersehen sind.

50. Der Beschwerdeführer gab mit Eingabe vom 26.05.2020 eine weitere schriftliche Stellungnahme ab, worin er einen Antrag auf vorübergehendes Ruhen seines Verfahrens und Aussetzen der anberaumten Untersuchung beantragte. Die Behörde bzw. das Gericht mögen die von ihm gestellten diversen Anträge rechtskonform bescheidmäßig beantworten bzw. einen rechtskonformen Zustand herstellen. Es seien sämtliche Gutachten, die die Ursache der Schädigung des Antragstellers durch die Kinderheime manifestieren würden, über Jahre negiert worden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die medizinische Sachverständige zu deren Diagnosen gekommen sei, sie habe bei der Untersuchung keine Tests durchgeführt und auch keinen Fragebogen gehabt. Die medizinisches Sachverständige sei nicht unvoreingenommen und weise nicht die erforderliche Expertise auf. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen jenes medizinische Sachverständigengutachten, welches die belangte Behörde eingeholt und dann verheimlicht habe, und welches einen Kausalzusammenhang mit seinen Leiden und den Aufenthalten in den Kinderheimen anerkannt habe, nicht zur Entscheidung herangezogen werde. Es sei auch das Personal der belangten Behörde nicht qualifiziert, wie sich dies aus der Stellungnahme vom 08.05.2020 ergebe (OZ 19).

51. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte diese Stellungnahme mit Schreiben vom 27.05.2020 an die belangte Behörde (OZ 20).

52. Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte die befasste medizinische Sachverständige mit Schreiben vom 10.06.2020 um Gutachtensergänzung, insbesondere zu den Fragen, ob die diagnostizierten Leidenszustände des Beschwerdeführers in einem Kausalzusammenhang mit den erlittenen Misshandlungen in den Kinderheimen stünden, ob die Krankheitsverläufe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ohne diese Misshandlungen in den Kinderheimen milder verlaufen wären, ob die vermehrte Berichterstattung über das Schicksal der Heimkinder ab dem Jahr 2013 dazu geführt habe, dass sich das psychische Leiden des Beschwerdeführers verschlechtert, bzw. gar erst manifestiert habe und ob eine posttraumatische Verbitterungsstörung auch unabhängig von einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung auftreten könne (OZ 21).

53. Die medizinische Sachverständige erstattete am 01.09.2020 (eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2020) ein psychiatrisches Ergänzungsgutachten, wonach es nach der aktuellen wissenschaftlichen Meinung bei emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen eindeutige Hinweise auf eine starke genetische Mitverursachung und neurobiologischer Pathologie gebe. Die dramatischen Ereignisse in den Heimen hätten beim Beschwerdeführer zweifelsohne seine in der Zeit vor der Heimunterbringung entstandene Vulnerabilität verstärkt und dadurch möglicherweise die Ausprägung der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung negativ beeinflusst. Die posttraumatische Verbitterungsstörung sei eine kausale Komorbidität zur emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen. Diese lasse sich ab dem Jahr 2013 verfolgen.

Die posttraumatische Verbitterungsstörung hätte ohne die Misshandlungen in den Heimen einen milderen Verlauf genommen. Die vermehrte Beschäftigung des Beschwerdeführers ab dem Jahr 2013 mit seinem eigenen Schicksal als Heimkind, im Zuge der Auseinandersetzung mit subjektiven Kränkungen, Ungerechtigkeiten und Vertrauensbruch als ereignisgebunden und zeitlichen Parameter hätten maßgeblich zum schweren Verlauf der posttraumatischen Verbitterungsstörung beigetragen. Eine posttraumatische Verbitterungsstörung könne auch unabhängig von einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ auftreten (OZ 25).

54. Die medizinische Sachverständige gab am 01.09.2020 eine Äußerung ab, wonach der Beschwerdeführer in seiner letzten Stellungnahme sich dazu verstiegen habe, der Sachverständigen und auch einem namentlichen gennannten Professor die Absolvierung des Studiums beeinflusst durch NS-Ideologie unterstellt zu haben. Derartige Äußerungen würden als Werturteile in die Ehre der Sachverständigen eingreifen (OZ 23). Über Rückfrage durch das Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2020 mit, dass sie sich im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht als befangen erachte (OZ 26).

55. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dieses psychiatrische Ergänzungsgutachten den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 23.09.2020 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein (OZ 28).

56. Das Bundesverwaltungsgericht mahnte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.10.2020 gemäß § 34 AVG wegen beleidigender Schreibweise ab und drohte die Verhängung einer Ordnungsstrafe nach § 34 Abs. 2 und 3 AVG an (OZ 29).

57. Der Beschwerdeführer gab am 12.10.2020 (eingelangt am 15.10.2020) eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin führte dieser im Wesentlichen aus, dass er nicht nachvollziehen könne, weswegen das Verfahren trotz seines Antrages auf Ruhen fortgesetzt worden sei, und weswegen seine zahlreichen Anträge bisher von der Behörde und dem Gericht nicht behandelt worden seien. Es sei bezeichnend, dass der Gefahrenbogen der XXXX (ab 1965 verpflichtend vom Jugendamt auszufüllen) nicht bei der Gutachtenserstellung berücksichtigt worden sei. Durch die nachweisliche Nichtexistenz eines derartigen Fragebogens im Jugendamtsakt des Beschwerdeführers sei unmissverständlich die Tatsache bewiesen, dass derartig schwerwiegende Traumatisierungen im Elternhaus auszuschließen seien. Es habe weder Gewalt noch sexuellen Missbrauch im Elternhaus gegeben. Der Beschwerdeführer habe nachweislich fachspezifische Literatur zitiert und sei der medizinischen Sachverständigen auf gleicher fachlichen Ebene entgegengetreten. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen seinen Ausführungen nicht gefolgt werde. Es mute auch seltsam an, wenn die medizinische Sachverständige eine genetische Mitursache annehme, obwohl sie beim Beschwerdeführer keine Tests durchgeführt habe. Der Beschwerdeführer habe mehrfach um Rechtsmittelbelehrung ersucht, weswegen seinen Anträgen nicht entsprochen werde, was bisher ohne Grund unterblieben sei. Es bestehe keine Waffengleichheit, das Verfahren stelle offensichtlich eine Hinrichtung dar und habe nach den gesetzlichen Grundlagen mit einem objektiven und fairen Verfahren nichts zu tun. Er zweifle daher an, dass der Verfahren rechtsstaatlich geführt werde. Die Diagnose der Verbitterungsstörung sei nicht legitim. Es schließen sich seitenweise aus dem Internet kopierte Zitate unter anderem zu ehemaligen NS-DAP-Medizinern und deren Entnazifizierung, zur genetischen Vererbung und den Theorien in der Nazizeit, zur Vernichtung „defekter“ und „unheilbarer“ Menschen, zur Psychiatrie im Zeitalter der Gentechnologie, zur pränatalen Diagnostik als eugenische Selektion, zur Vulnerabilität als rettendes Konstrukt an. Der Beschwerdeführer fordere, dass sein Antrag im historischen Kontext gesehen werden müsse. Er ersuche auch um Mitteilung, ob er gegen die Abmahnung ein Rechtsmittel ergreifen könne. Er stelle den Antrag, die Abmahnung seitens des Gerichtes aufzuheben. Das Verfahren werde seitens der Vorsitzenden einseitig geführt (OZ 30).

58. Die belangte Behörde gab am 20.10.2020 eine schriftliche Stellungnahme ab, wonach weiterhin ungeklärt bleibe, ob, wie in der Stellungnahme vom 08.05.2020 angemerkt, der Beschwerdeführer ohne die festgestellten Verbrechen ebenfalls arbeitsfähig oder eingeschränkt arbeitsfähig in dem Sinne wäre, dass die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ohne die festgestellten Verbrechen in annähernd gleichem Ausmaß bestünde. Zusammengefasst lasse sich aus dem Ergänzungsgutachten für die belangte Behörde ableiten, dass der Beschwerdeführer auch ohne die vorgebrachten Verbrechen an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ sowie einer posttraumatischen Verbitterungsstörung, jedoch mit milderen Auswirkungen, leiden würde. Es werde die ergänzende Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Sollte die medizinische Sachverständige eine kausale Arbeitsunfähigkeit bejahen, werde der Antrag auf Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens aufrechterhalten (OZ 31).

59. Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte die befasste medizinische Sachverständige mit Schreiben vom 03.11.2020 um die Erstattung eines weiteren psychiatrischen Ergänzungsgutachtens zur Frage, ob der Beschwerdeführer ohne die festgestellten Verbrechen ebenfalls arbeitsunfähig oder eingeschränkt arbeitsfähig in dem Sinne wäre, dass die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in annähernd gleichem Ausmaß bestünde, bzw. ob der Beschwerdeführer bei einem milderen Verlauf der posttraumatischen Verbitterungsstörung mit schweren chronischen Verlauf, ab dem Jahr 2013 arbeitsfähig gewesen wäre, oder nicht (OZ 32).

60. In deren psychiatrischen Ergänzungsgutachten vom 11.01.2021 (eingelangt am 14.01.2021) führt die medizinische Sachverständige im Wesentlichen aus, dass die Hauptursache der befristeten Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers laut PVA die Diagnosen mittelgradige depressive Episode und posttraumatische Persönlichkeitsänderung seien. Beide Diagnosen seien weder anamnetisch noch im psychopathologischem Status abgebildet. Der Leidenszustand der posttraumatischen Verbitterungsstörung hat sich beim Beschwerdeführer auf Basis der „Hauptstörung“ – einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung als Komorbidität entwickelt. Der Beschwerdeführer sei aufgrund der posttraumatischen Verbitterungsstörung mit schwerem chronischen Verlauf in Verbindung mit der lebensüberdauernden Persönlichkeitsstörung seit dem Jahr 2013 arbeitsunfähig. Aus gutachterlicher Sicht lasse sich weder ein isolierter, noch ein überwiegender für die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers verantwortlicher kausaler Faktor erkennen, die Kausalität zu den erlebten Misshandlungen in den Heimen sei sohin aus medizinischer Sicht zu verneinen (OZ 33).

61. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dieses ergänzende psychiatrische Gutachten den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 14.01.2021 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein (OZ 34).

62. Der Beschwerdeführer monierte mit Schreiben vom 20.01.2021, dass dem oben genannten Schreiben das Gutachten nicht angeschlossen gewesen sei. Er beantragte neuerlich, dass das Verfahren ruhend gestellt werde, bis seine Anträge vom 01.05.2020 rechtskonform erledigt werden würden. Sollte dies nicht erfolgen, so werde als letzte Konsequenz eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt werden. Dieser Antrag sei bereits gestellt worden, und habe die Vorsitzende diesem Antrag nicht entsprochen. Das Verfahren sei eines Rechtsstaates nicht würdig, und es bestehe Waffenungleichheit. Es bedeute die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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