TE Vwgh Erkenntnis 1989/9/6 88/01/0076

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.1989
beobachten
merken

Index

Verwaltungsverfahren - AVG
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ABGB §863 Abs1
ABGB §869
AVG §10 Abs1
AVG §10 Abs2
AVG §13 Abs3
VStG §43 Abs1
VStG §46 Abs1
ZustG §13 Abs5
ZustG §20 Abs1
ZustG §20 Abs2
ZustG §24
ZustG §4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des HK in F, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Kirchstraße 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 31. August 1987, Zl. III-4033/87, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangten Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 10. Februar 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurück. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid war über den Beschwerdeführer gemäß § 6 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 FrPolG eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von sechs Tagen, verhängt worden, weil er sich seit dem 5. September 1986 trotz eines seither gegen ihn bestehenden (bis 31. Dezember 1991 befristeten) Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufgehalten hätte.

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid damit, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis dem Beschwerdeführer am 10. Februar 1987 im Sinne des § 43 VStG 1950 ausgehändigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch die Annahme dieses Straferkenntnisses verweigert. Gemäß § 24 Zustellgesetz könne ein bereits versandbereites Schriftstück dem Empfänger unmittelbar bei der Behörde gegen eine schriftliche Übernahmsbestätigung ausgefolgt werden. Gemäß § 13 Abs. 5 leg. cit. gelten die Bestimmungen dieses Paragraphen nicht für jene Fälle der Zustellung, wie dies im § 24 ZustG geregelt sei. Gemäß § 20 Abs. 2 leg. cit. gelten bei Verweigerung der Annahme eines Schriftstückes zurückgelassene Sendungen als zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht „auf Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (Nichtbestrafung nach dem FrPG) Aufenthaltsverbot verletzt. Darüber hinaus werde er in verschiedenen Verfahrensrechten verletzt, die weiter unten dargestellt werden“.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 43 Abs. 1 VStG 1950 bestimmt: Wird der Beschuldigte zur Vernehmung vor die erkennende Behörde geladen oder ihr vorgeführt, so ist das Strafverfahren in mündlicher Verhandlung durchzuführen und nach Aufnahme der erforderlichen Beweise womöglich sogleich der Bescheid (Straferkenntnis oder Einstellung) zu verkünden.

Gemäß § 46 Abs. 1 leg. cit. ist den Parteien, denen gegen den Bescheid Berufung zusteht, von Amts wegen eine Ausfertigung des Bescheides mitzuteilen, wenn ihnen der Bescheid nicht mündlich verkündet worden ist. Sonst ist eine schriftliche Ausfertigung nur auf Verlangen einer Partei zuzustellen.

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG 1950 können die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Gemäß § 4 ZustG ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Gemäß § 13 Abs. 5 leg. cit. kann außerhalb der Abgabestelle vorbehaltlich des § 24 rechtswirksam nur gestellt werden, wenn die Annahme der Sendung nicht verweigert wird.

Nach § 20 Abs. 1 und 2 ZustG ist die Sendung, wenn der Empfänger oder ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Empfänger lebender Ersatzempfänger die Annahme ohne Vorliegen des im § 13 Abs. 5 genannten oder eines anderen gesetzlichen Grundes verweigert, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen. Zurückgelassene Sendungen gelten damit als zugestellt.

Nach § 24 des genannten Gesetzes kann ein bereits versandbereites Schriftstück dem Empfänger unmittelbar bei der Behörde gegen eine schriftliche Übernahmsbestätigung ausgefolgt werden.

Kern der weitwendigen - und teilweise in unnötig drastischen Worten gehaltenen - Beschwerdeausführungen ist, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers zuzustellen gewesen wäre, woraus sich die Rechtzeitigkeit der Berufung vom 15. April 1987 ergeben hätte.

Der Beschwerdeführer übersieht dabei grundlegend, daß er - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ohne jeden Zweifel ergibt - im Zuge der Niederschrift vom 10. Februar 1987 keineswegs seinen nunmehrigen Rechtsfreund im Sinne des § 10 Abs. 1 AVG 1950 vor der Verwaltungsbehörde erster Instanz wirksam mündlich bevollmächtigt hat (das Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht wird nicht einmal vom Beschwerdeführer behauptet). Dazu wäre nämlich im Sinne der hier gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. anwendbaren Vorschriften des bürgerlichen Rechts (vgl. dazu insbesondere Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, Anm. 6 und 7 zu § 10 AVG) erforderlich gewesen, daß der „Bevollmächtigte“ mit einer jeden Zweifel ausschließenden (§ 863 Abs. 1 ABGB) Deutlichkeit, die insbesondere auch dem Bestimmtheitsgebot des § 869 ABGB entsprechen hätte müssen, individualisiert worden wäre (vgl. dazu z.B. die bei Ringhofer, a.a.O., E. 27 referierte hg. Judikatur), wovon aber angesichts des Wortlautes der mündlichen Rechtfertigung des Beschwerdeführers in der obgenannten Niederschrift („... weil mir mein Rechtsanwalt den Rat gegeben hat...“) keine Rede sein kann.

Damit fällt aber bereits das Hauptargument der Beschwerde weg, es hätte nur an den Rechtsfreund des Beschwerdeführers und nicht mehr an den Beschwerdeführer selbst eine Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vorgenommen werden dürfen.

Da gemäß § 4 ZustG im vorliegenden Fall der Ort der Amtshandlung (nämlich der Ort der Aufnahme der Niederschrift vom 10. Februar 1987) Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes war (vgl. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Anm. 13 zu § 4 leg. cit), sowie unter Bedachtnahme auf die aktenkundige Verweigerung der Annahme des im Sinne des § 24 ZustG versandbereiten Schriftstückes, nämlich des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 10. Februar 1987, durch den Beschwerdeführer gemäß § 20 ZustG ist - wie es auch die belangte Behörde zu Recht getan hat - davon auszugehen, daß die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 2 ZustG bereits am 10. Februar 1987 rechtswirksam erfolgte, weshalb auch die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Berufung vom 15. April 1987 als verspätet frei von Rechtswidrigkeit war.

Von einer Zustellung „außerhalb der Abgabestelle“ kann im vorliegenden Fall aus den oben dargelegten Gründen von vornherein keine Rede sein, weshalb auch § 13 Abs. 5 und § 20 ZustG hier eine wirksame Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer nicht verhindern konnten und weitere Überlegungen, wie sie die belangte Behörde über das Verhältnis von § 13 Abs. 5 und § 24 ZustG zueinander anstellte, entbehrlich waren.

Auf die übrigen Beschwerdeausführungen, die einerseits rein spekulative und am Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten vorbeigehende Argumente enthalten und die sich andererseits gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit des erstinstanzlichen Straferkenntnisses richten, brauchte bei dieser Rechtslage nicht mehr eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 6. September 1989

Schlagworte

Formgebrechen behebbare Bevollmächtigung Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1988010076.X00

Im RIS seit

29.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten