TE Vwgh Beschluss 2021/6/8 Ra 2020/17/0096

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Veröffentlicht am 08.06.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
24/01 Strafgesetzbuch
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §58 Abs2
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
StGB §19
VStG §16 Abs2
VStG §19
VStG §25 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M R, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, MBA, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. Oktober 2019, VGW-002/094/7158/2019-19, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 5. April 2019 stellte die belangte Behörde das mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. Februar 2019 eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber wegen vierfacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall Glücksspielgesetz - GSpG ein.

2        Das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der gegen den genannten Bescheid erhobenen Beschwerde des Finanzamtes 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (FA03) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt. Es änderte den Spruch des genannten Bescheides insoweit ab, als es der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der J GmbH und somit als zur Vertretung nach außen Berufener gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft ein näher bezeichnetes Lokal an die I Kft untervermietet habe, wodurch es der I Kft ermöglicht worden sei, an diesem Ort vier näher bezeichnete Glücksspielgeräte in Verbindung mit einem dazugehörenden Ein- und Auszahlungsgerät als Unternehmerin auf eigene Rechnung und eigenes Risiko zu betreiben. Über den Revisionswerber wurden gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz vier Geldstrafen in der Höhe von je EUR 6.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Ferner sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich vorliegende außerordentliche Revision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vorliege. Das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.

8        Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Darüber hinaus wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht näher dargelegt (vgl. VwGH 15.7.2020, Ra 2020/17/0049).

9        Der Revisionswerber bringt weiters vor, das Verwaltungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG abgewichen, weil es zwar von der Kenntnis des Revisionswerbers von der Veranstaltung verbotener Ausspielungen durch die I Kft in dem an diese untervermieteten Lokal ausgegangen sei, begründend aber keine Feststellungen dahingehend getroffen habe, dass der Revisionswerber das Lokal jemals betreten habe, an den Umsätzen der Geräte beteiligt gewesen sei bzw. er gewusst habe, dass in dem Lokal vier „Geräte“ aufgestellt gewesen seien.

10       Ob das Verwaltungsgericht in jeder Hinsicht seiner Begründungs- und Ermittlungspflicht gerecht wurde, insbesondere ob es seiner Begründungspflicht in Ansehung der Tatfrage genügt hat, stellt eine einzelfallbezogene Frage des Verfahrensrechtes dar, welcher nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt wurden bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa VwGH 23.11.2018, Ra 2017/17/0715, mwN).

11       Das Verwaltungsgericht hat im Revisionsfall unter Bezugnahme auf näher genannte Verfahren und Dokumente (Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Leoben, Anordnung der Hausdurchsuchung am Wohnsitz des Revisionswerbers, sechs beim Verwaltungsgericht hinsichtlich des Revisionswerbers und der J GmbH anhängig gewesene einschlägige Beschwerdeverfahren) die Feststellung getroffen, dass sowohl die J GmbH als auch die I Kft Teil eines Netzwerks von in- und ausländischen (Schein-)firmen zur Verschiebung illegal erwirtschafteter Erlöse aus dem Glücksspiel auf in- und ausländische Konten seien, sodass der Revisionswerber Kenntnis davon gehabt habe, was in dem untervermieteten Lokal „vor sich geht“.

12       Die Revision bestreitet weder die Richtigkeit dieser Feststellungen noch tritt sie dem daraus gezogenen beweiswürdigenden Schluss auf die Kenntnis des Revisionswerbers von den verbotenen Ausspielungen in dem genannten Lokal entgegen. Dass im Revisionsfall die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt. Auf die von der Revision vermissten Feststellungen kommt es hingegen bei Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht festgestellten Umstände nicht an.

13       Zuletzt bringt der Revisionswerber vor, es bestehe ein auffallendes Missverhältnis zwischen der verhängten Geldstrafe (20 % der Höchststrafe) und der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe („45,71 % der höchstmöglichen Strafe“; richtig wohl: 35,71 %), wofür im angefochtenen Erkenntnis eine Begründung erforderlich gewesen wäre, die aber unterblieben sei.

14       Nach dem VStG gibt es keinen festen Umrechnungsschlüssel von Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen. Eine analoge Anwendung des § 19 StGB ist ausgeschlossen (vgl. VwGH 14.12.2020, Ra 2019/02/0248, 0249, mwN).

15       Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Verwaltungsgericht ausgehend von einem Strafrahmen von EUR 3.000,-- bis EUR 30.000,-- pro Glücksspielgerät vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 6.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 5 Tagen. Daraus ergibt sich, dass im Revisionsfall die Höchststrafe in Bezug auf die Geldstrafen mit je 20 % und in Bezug auf die Ersatzfreiheitsstrafen mit je 35,71 % ausgeschöpft wurde. Dass sich daraus ein auffallendes Missverhältnis zwischen der verhängten Geldstrafen und den festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen ergäbe, ist im Revisionsfall nicht ersichtlich (vgl. dazu wieder VwGH 14.12.2020, Ra 2019/02/0248, mwN), zumal das Verwaltungsgericht die (im Verhältnis) niedrige Geldstrafe mit einer schlechten Einkommenslage und mit Vermögenslosigkeit des Revisionswerbers begründet hat.

16       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 8. Juni 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170096.L00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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