TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/18 96/04/0231

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Veröffentlicht am 18.03.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §8;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der M in T und weiterer 22 Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. September 1996, Zl. VwSen-420115/2/Wei/Bk, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit dem Bescheid vom 10. September 1996 die Beschwerde der Beschwerdeführer wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Verweigerung des Zutrittes zu einer am 1. Juli 1996 von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am Betriebsgelände der L-AG durchgeführten Augenscheinsverhandlung betreffend Änderungen einer gewerberechtlichen Betriebsanlage mangels tauglichen Beschwerdegegenstandes gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG in Verbindung mit § 67a Abs. 1 Z. 2, § 67c Abs. 4 und § 79a AVG als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Unabhängige Verwaltungssenat aus, nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Kundmachung vom 4. Juni 1996 aus Anlaß einer von der X-Ges.m.b.H. in L beantragten Änderung der mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 genehmigten Betriebsanlage zur Erzeugung von Xylose eine Augenscheinsverhandlung für den 1. Juli 1996, Treffpunkt Besprechungszimmer der L-AG, anberaumt. Die Beschwerdeführer hätten nach ihrem Vorbringen diese Augenscheinsverhandlung besuchen und Einwendungen zum Schutz ihrer subjektiven Rechte erheben wollen. Da sich der Verhandlungsort am Werksgelände der L-AG befunden habe, seien die Beschwerdeführer der Zutrittskontrolle durch den Werksschutz der L-AG unterworfen gewesen. Als sie sich bei Beginn der Augenscheinsverhandlung Zutritt verschaffen wollten, hätten ihnen Organe des Werksschutzes mitgeteilt, daß sie gemäß einer Anweisung des Verhandlungsleiters nicht zutrittsberechtigt wären, weil nur persönlich geladene Parteien Zutritt hätten. Da die Beschwerdeführer auf dem Zutritt bestanden hätten, sei in der Folge der Verhandlungsleiter am Ort der Zutrittskontrolle erschienen. Er habe den versammelten Beschwerdeführern erklärt, sie hätten kein Recht auf Zutritt und Teilnahme an der Augenscheinsverhandlung, weil ihnen keine Parteistellung zukäme. Obwohl der Verhandlungsleiter auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hingewiesen worden sei, habe er auf seinem Standpunkt beharrt. Er habe daher als das handelnde Organ der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck unter Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ohne gesetzliche Ermächtigung den Beschwerdeführern den Zutritt zur Augenscheinsverhandlung verwehrt. Die Erstbeschwerdeführerin habe den Verhandlungsleiter ersucht, über seine Weigerung eine schriftliche "Ausfertigung" herzustellen. Das sei in der nachstehenden Form geschehen:

"Sehr geehrte Frau M

Zunächst wird festgehalten, daß am heutigen Tage eine gewerbebehördliche Verhandlung betreffend die beantragten Änderungen der genehmigten Xylose-Anlage stattfindet. Aus diesem Anlaß sind Sie und 15 weitere Personen zum Haupteingang der L-Aktiengesellschaft gekommen und haben die Zulassung zu der für heute anberaumten gewerbebehördlichen Verhandlung beantragt.

Seitens des Unterzeichneten als verantwortlicher Verhandlungsleiter wurden Sie darauf aufmerksam gemacht, daß Sie und die miterschienenen Personen keine Parteistellung im gegenständlichen Verfahren besitzen. Beim gegenständlichen gewerbebehördlichen Verfahren handelt es sich um ein Parteienverfahren und nicht um ein Ediktalverfahren. Aus diesem Grunde wurde die erschienene Personengruppe nicht zur Verhandlung zugelassen.

Aufgrund dieser behördlichen Entscheidung wurde seitens der Eigentümervertreter der L-Aktiengesellschaft dieser Personengruppe das Betreten des Betriebsgeländes ausdrücklich untersagt. Sie erklärten gegenüber dem Unterzeichneten, daß Sie bzw. die Personengruppe keinesfalls freiwillig das Betriebsgelände verlassen werden, sondern nur unter behördlichem Zwang.

Hiezu wird festgestellt, daß das Betreten des Betriebsgeländes zunächst in der Kompetenz des Eigentümers gelegen ist. Bei zwangsweiser Besetzung wären die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes anzuwenden.

Für den Bezirkshauptmann:

Dr. O"

Von den Beschwerdeführern werde in ihrer Beschwerde beantragt, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären und der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck aufzutragen, den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand wiederherzustellen, also die Augenscheinsverhandlung neuerlich kundzumachen und durchzuführen, um den Beschwerdeführern den uneingeschränkten Zutritt zur Erhebung von Einwendungen zu gewähren. Der Unabhängige Verwaltungssenat habe nach Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheine. Da die gemeinsame Beschwerde schon nach der Aktenlage zurückzuweisen gewesen sei, habe von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden können. Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage wird im angefochtenen Bescheid sodann weiter ausgeführt, den Beschwerdeführern sei entgegenzuhalten, daß selbst nach ihrem eigenen Vorbringen keine verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt worden sei. Auch wenn sie nur unter Protest zur Kenntnis genommen hätten, daß sie an der Augenscheinsverhandlung nicht teilnehmen durften, hätten sie sich nach einiger Zeit vom Ort der Zutrittskontrolle entfernt, ohne daß es zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen wäre. Außerdem sei es zunächst Sache des Liegenschaftseigentümers, also der L-AG, gewesen, das Betreten des Betriebsgeländes zu erlauben oder zu verbieten und in weiterer Folge durch private Organe des Werksschutzes gewaltsam zu verhindern. Auf dieses Verhalten des Eigentümers habe der behördliche Verhandlungsleiter nur indirekt Einfluß gehabt, indem er über die Parteistellung und das davon abgeleitete Teilnahmerecht an der Augenscheinsverhandlung entschieden habe. Von unmittelbarer Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt könne dabei keine Rede sein. Im übrigen verkannten die Beschwerdeführer, daß eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG in Verbindung mit § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG nur einen subsidiären Rechtsbehelf darstelle. Im gegebenen Fall könnten die Beschwerdeführer die strittige Frage ihrer Parteistellung im Verwaltungsverfahren austragen. Sie könnten grundsätzlich auch als (bewußt) übergangene Parteien die Zustellung des Bescheides der Gewerbebehörde über die Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage begehren und dagegen Berufung mit der Begründung einbringen, daß ihnen die Parteistellung sowie die Teilnahme an der Augenscheinsverhandlung zu Unrecht verweigert worden wäre. Auch ein über Antrag ergehender Feststellungsbescheid über die Parteistellung erscheine zulässig. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer bestehe nur für Parteien, nicht aber für Beteiligte ein Teilnahmerecht an einer gewerbebehördlichen Augenscheinsverhandlung. Die Stellung als bloß Beteiligter sei ohne rechtliche Bedeutung. Verfahrensrechte kämen nur Parteien zu. Nur über die strittige Parteistellung habe die Behörde auch förmlich abzusprechen. Die Beschwerdeführer übersähen auch, daß der Verhandlungsleiter bei Vornahme eines Augenscheines verpflichtet sei, Kunst-, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren und Verletzungen zu verhindern. Nach der Sondervorschrift des § 356 Abs. 2 GewO 1994 könnten sogar Nachbarn und damit Parteien von der Besichtigung der Anlage ausgeschlossen werden, wenn es der Genehmigungswerber nicht gestatte und die Gefahr der Verletzung eines Kunst-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im Sinne des § 40 AVG gegeben sei. Schon diese Überlegungen zeigten, daß Beteiligte, denen nicht einmal Parteistellung zukomme, an einer gewerbebehördlichen Augenscheinsverhandlung nicht teilnehmen dürften. Es handle sich dabei auch nicht um ein volksöffentliches Verfahren. Zwar stelle die Sondervorschrift des § 356 Abs. 3 GewO 1994 für die Parteistellung auf die Erhebung von Einwendungen spätestens bei der Augenscheinsverhandlung ab. Das schließe aber nicht aus, daß schon vor der Augenscheinsverhandlung auf Grund der öffentlich aufgelegten Pläne und Projektsunterlagen schriftliche Einwendungen zur Wahrung der Parteistellung erhoben werden könnten. Außerdem dürfe nach § 356 Abs. 3 Satz 2 GewO 1994 jener Nachbar, der ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, seine Einwendungen gegen die Anlage auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen, wobei solche Einwendungen binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses einzubringen seien. Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates wäre auch die Nichtzulassung zu einer Augenscheinsverhandlung ein solches unverschuldetes Hindernis. Diese Ausführungen zeigten, daß die Beschwerdeführer in der Lage seien, die im gegenständlichen Fall strittigen Umstände im gewerbebehördlichen Verwaltungsverfahren auszutragen. Daraus folge jedenfalls die Unzulässigkeit einer Maßnahmenbeschwerde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Zutritt zur mündlichen Verhandlung und dadurch weiters im Recht verletzt, nach der Bestimmung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 rechtzeitig rechtserhebliche Einwendungen gegen das verfahrensgegenständliche Vorhaben zum Schutz ihrer subjektiven Rechte im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu erheben und dadurch Parteistellung zu erlangen. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringen sie vor, es bilde zunächst eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde über ihre Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entschieden habe. Denn gemäß § 67d AVG könne die Zurückweisung nur bei Fehlen formeller Voraussetzungen der Beschwerde erfolgen. Die belangte Behörde habe aber, wie sich (aus näher dargestellten Gründen) aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergebe, in der Sache selbst entschieden. Das gerügte Verhalten des Verhandlungsleiters stelle auch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, denn mit der Verweigerung des Zutritts zur Augenscheinsverhandlung durch die gewerberechtliche Bewilligungsbehörde liege ein Befehl mit unmittelbarem Befolgungsanspruch wie auch ein "positives und schlüssiges Tun in Sache des § 863 ABGB" vor, denn den Beschwerdeführern sei es auf Grund dieses Befehles und positiven und schlüssigen Tuns der Organe der gewerberechtlichen Bewilligungsbehörde nicht möglich gewesen, entgegen der ausdrücklichen Bestimmung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 die Augenscheinsverhandlung am 1. Juli 1996 zu besuchen und dort zum Schutz ihrer im § 74 Abs. 2 leg. cit. angeführten subjektiven Rechte Einwendungen zu erheben und die Parteistellung zu erlangen. Dieses Verhalten des Behördenvertreters sei auch (aus näher dargestellten Gründen) rechtswidrig gewesen. Die Beschwerdeführer seien durch die in Rede stehende Maßnahme auch auf eine Weise in ihren Rechten verletzt worden, die "eigentlich dem Grunde nach" keiner Beschwerde zugänglich sei. Ihre Beschwerde an die belangte Behörde diene dem Zweck, eine Rechtsschutzlücke gegen die rechtswidrige Verweigerung des Zutrittes zur Augenscheinsverhandlung zu schließen, weil dieser rechtswidrige Ausschluß von der Augenscheinsverhandlung in keinem sonstigen Verwaltungsverfahren ausgetragen werden könne. Denn dieser Ausschluß sei endgültig und somit dauerhaft und es könne mit keiner sonstigen Verwaltungsverfahrensentscheidung der Zustand wiederhergestellt werden, der vor der Verweigerung des Zutrittes zur Augenscheinsverhandlung gegeben gewesen sei. Der Verweis der belangten Behörde auf die Bestimmung des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 versage, weil es sich bei der Verweigerung des Zutrittes zur Verhandlung keineswegs um ein unverschuldetes Hindernis handle. Im Gegenteil liege das Verschulden am rechtswidrigen Verhalten der gewerberechtlichen Bewilligungsbehörde. Dazu komme noch, daß nachträgliche Einwendungen bei jener Behörde eingebracht werden müßten, die den Beschwerdeführern rechtswidrig den Zutritt zur Augenscheinsverhandlung verwehrt habe. Selbst bei rechtzeitiger Erhebung solcher nachträglicher Einwendungen habe die Behörde darüber zu befinden und es sei nicht auszuschließen, daß die Behörde zum Ergebnis gelange, die nachträglichen Einwendungen seien deshalb zurückzuweisen, da die Beschwerdeführer tatsächlich nicht im Sinne der Bestimmung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 die Augenscheinsverhandlung durch ihr "Unverschulden" versäumt hätten. Die verletzten Rechte der Verweigerung des Zutrittes zur Augenscheinsverhandlung könnten durch die nachträgliche Erhebung von Einwendungen nie behoben werden, denn die nachträglichen Einwendungen könnten von der Behörde zunächst völlig unbeachtet bleiben oder zurückgewiesen werden. Die Beschwerdeführer müßten dann "faktisch die von der Behörde den Beschwerdeführern bewußt entzogenen Rechte der Verweigerung des Zutrittes zur Augenscheinsverhandlung mit Rechtsmittel durch die Instanzen erkämpfen". Abgesehen davon, daß nicht erkennbar sei, warum die Beschwerdeführer diese rechtliche Schlechterstellung hinnehmen sollten, würde es selbst dadurch nicht zu einer Wiederholung der Augenscheinsverhandlung kommen, zu der den Beschwerdeführern der Zutritt verweigert worden sei. Das Recht auf Wiederholung der Augenscheinsverhandlung sei deshalb für die Beschwerdeführer unabdingbar, weil sie sich nur dabei über eine mögliche Betroffenheit ihrer subjektiven Rechte ein umfassendes Bild verschaffen könnten. Denn nur bei der Augenscheinsverhandlung sei es den Beschwerdeführern möglich, Fragen an die mitbeteiligte Partei, an die Behörde und an die von ihr zugezogenen Sachverständigen zu richten und an einem Lokalaugenschein teilzunehmen. Nur durch die so bei der Augenscheinsverhandlung gewonnenen Erkenntnisse seien die Beschwerdeführer in der Lage, bei einem so komplexen Vorhaben, wie dem gegenständlichen, hinreichende rechtserhebliche Einwendungen zu erheben und ein damit verbundenes Vorbringen zu erstatten. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, daß die Erhebung von nachträglichen Einwendungen nur bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens möglich sei. Wenn jedoch die Nachbarn, wie im gegenständlichen Fall die Beschwerdeführer, vom Besuch der Augenscheinsverhandlung durch die gewerberechtliche Bewilligungsbehörde ausgeschlossen würden, komme es zur Durchführung einer Augenscheinsverhandlung nur mit dem Antragsteller. Da der Bescheid unmittelbar nach Schluß der Verhandlung erlassen werden könne und der Antragsteller einen Rechtsmittelverzicht aussprechen könne, könne dieser Bescheid rechtskräftig werden und es könne so zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens am unmittelbaren Schluß der Augenscheinsverhandlung kommen. Selbst wenn die von der Augenscheinsverhandlung durch die Bewilligungsbehörde ausgeschlossenen Nachbarn noch am selben Tag nachträgliche Einwendungen erheben würden, wären diese nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes als verspätet erhoben anzusehen. Die Möglichkeit der nachträglichen Einwendungen ermöglichten es den Beschwerdeführern auch nicht, zu ihrer Rechtsverletzung durch Verweigerung des Zutritts zur Augenscheinsverhandlung ein Vorbringen zu erstatten, denn in solchen Einwendungen könne nur ein solches Vorbringen erstattet werden, das dem Schutz der subjektiven Rechte des § 74 Abs. 2 GewO 1994 diene. Im konkreten Fall habe die Bewilligungsbehörde den Bewilligungsbescheid bereits am 4. Juli 1996 erlassen und diesen den Beschwerdeführern bis heute nicht zugestellt.

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommenen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur diesbezüglich vergleichbaren Bestimmung des Art. 131a B-VG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 685/1988 wiederholt ausgesprochen hat, dient der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt lediglich dem Zweck, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen, nicht aber sollten mit dieser Beschwerde Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes geschaffen werden. Es kann daher, was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, nicht Gegenstand einer derartigen Maßnahmebeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 22. November 1988, Zl. 88/04/0227, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall stützen die Beschwerdeführer ihre an die belangte Behörde gerichtete Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG auf die Verweigerung ihres Zutrittes zu einer Augenscheinsverhandlung in einem gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren nach § 356 Abs. 1 GewO 1994 durch ein Organ der gewerberechtlichen Bewilligungsbehörde und meinen, dadurch in ihrem Recht verletzt worden zu sein, in diesem Verfahren gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 rechtzeitig rechtserhebliche Einwendungen gegen das dem Bewilligungsverfahren zugrunde liegende Projekt zu erheben und dadurch Parteistellung zu erlangen. Im Lichte der oben dargestellten Rechtslage ist daher, wie schon die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, zu prüfen, ob die gegenständliche Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG für die Beschwerdeführer der einzige Weg war, dieses Rechtsschutzziel zu erlangen. Auszugehen ist hiebei von der Bestimmung des § 356 Abs. 3 GewO 1994.

Nach dieser Gesetzesstelle sind im Verfahren zur Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage unbeschadet des folgenden Satzes nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle kommt es, entgegen dem Beschwerdevorbringen, für die Zulässigkeit nachträglicher Einwendungen innerhalb der im zweiten Satz dieser Gesetzesstelle genannten Frist allein darauf an, daß den Nachbarn kein Verschulden an der Versäumung der Erhebung von Einwendungen bis zum Schluß der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz getroffen hat. Ein allfälliges Verschulden anderer Personen oder Behörden ist hingegen bedeutungslos. Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß in einer rechtswidrigen Verweigerung des Zutrittes zur Augenscheinsverhandlung ein Umstand liegt, der den Nachbarn an der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen gehindert hat. Es wäre - sollte dies der Fall gewesen sein - den Beschwerdeführern daher in der gegebenen Situation möglich gewesen, durch die fristgerechte Erhebung schriftlicher Einwendungen Parteistellung in dem in Rede stehenden Genehmigungsverfahren zu erlangen. Eine Kenntnis der Vorgänge in der Augenscheinsverhandlung, insbesondere allfälliger von Sachverständigen erstatteter Gutachten, war zur Erhebung solcher Einwendungen nicht erforderlich, weil es zur wirksamen Erhebung von Einwendungen keiner näheren Begründung dafür bedarf, warum die Verletzung des behaupteten subjektiven Rechtes befürchtet wird (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N. F. Nr. 11.745/A). Sobald die Beschwerdeführer aber solcherart Parteistellung erworben hätten, wäre es ihnen auch offengestanden, spätestens in der Berufung gegen den erstbehördlichen Genehmigungsbescheid die Verweigerung ihres Zutrittes zur Verhandlung und allfällige Beeinträchtigungen ihrer prozessualen Rechte geltend zu machen, die ihnen aus der Unkenntnis der Vorgänge in der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz erwuchsen. Daß die Beschwerdeführer aber ihr Rechtsschutzziel solcherart möglicherweise erst im Berufungsverfahren erreichen, steht, wie oben bereits dargestellt, dem Ausschluß der Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG als bloß subsidiärem Rechtsbehelf nicht entgegen.

Soweit die Beschwerdeführer schließlich meinen, es hätte in der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 1. Juli 1996 bereits zur mündlichen Verkündung des Genehmigungsbescheides und zu einem Rechtsmittelverzicht der Genehmigungswerberin kommen können, wodurch ihnen die Möglichkeit zur Erhebung nachträglicher Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 abgeschnitten worden wäre, braucht im gegebenen Zusammenhang nicht darauf eingegangen zu werden, weil ein solcher Sachverhalt, wie auch die Beschwerdeführer einräumen, im hier zu beurteilenden Fall nicht vorliegt.

Zusammenfassend wäre den Beschwerdeführern somit die Möglichkeit offengestanden, das mit ihrer Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG angestrebte Rechtsschutzziel auch im Verwaltungsverfahren anzustreben. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher schon aus diesem Grund in der Rechtsansicht der belangten Behörde, den Beschwerdeführern sei zur Bekämpfung des in Rede stehenden behördlichen Verhaltens die Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG nicht offengestanden, weshalb die dennoch erhobene Beschwerde zurückzuweisen gewesen sei, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Damit erübrigt es sich, die weiteren von der belangten Behörde für die Unzulässigkeit dieser Beschwerde herangezogenen Argumente zu prüfen und auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen.

Hat aber solcherart die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde frei von Rechtsirrtum zurückgewiesen, so bildet auch die Unterlassung einer mündlichen Berufungsverhandlung keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtsverletzung, weil gemäß § 67d AVG eine öffentliche mündliche Verhandlung u.a. nur dann anzuberaumen ist, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen ist.

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar übergangener

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996040231.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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