TE Vwgh Beschluss 2021/6/1 Ra 2021/09/0043

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs6
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §1
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §1 idF 2020/II/351
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §2 idF 2020/II/108
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §2 idF 2020/II/351
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §4 idF 2020/II/107
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §4 idF 2020/II/351
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §6 idF 2020/II/107
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §6 idF 2020/II/351
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §2
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §43 Abs4a idF 2020/I/043
EpidemieG 1950 §43 idF 2020/I/023
EpidemieG 1950 §43a Abs1 idF 2020/I/104
EpidemieG 1950 §46
EpidemieG 1950 §7
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2021/09/0116 B 22.06.2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch die Kuhn Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 10. Dezember 2020, LVwG-751087/2/MB/MAH, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den auf § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) gestützten Antrag der Revisionswerberin, die ein Unternehmen betreibt, welches vorwiegend Krankenanstalten und Gesundheitsbetriebe mit Speisen beliefert, auf Vergütung des von ihr im Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 dadurch erlittenen Verdienstententgangs, dass infolge der mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, BGBl. II Nr. 98/2020, verfügten Betretungsverbote nur mehr eine eingeschränkte Nachfrage bestanden habe, als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

2        Rechtlich begründete es sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass keine individuellen Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 gegen die Revisionswerberin gesetzt worden seien. § 4 Abs. 3 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) in der anzuwendenden Fassung habe angeordnet, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt blieben. § 4 Abs. 2 COVID-19-MG schränke dies jedoch insofern ein, als die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs einer aufgrund von § 1 COVID-19-MG erlassenen Verordnung nicht zur Anwendung gelangten. In einem derartigen Fall werde keine Betriebsschließung nach § 20 EpiG angeordnet, weshalb Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG per se schon ausgeschlossen seien. Die mangelnde Differenzierung zwischen einer Beschränkung und einer Schließung sei dabei nicht von Relevanz. Insofern sei nämlich ausdrücklich intendiert und normativ festgehalten, dass durch die ins Treffen geführten Bestimmungen keine Betriebsschließung nach § 20 EpiG angeordnet habe werden sollen.

3        Auch komme kein Anspruch auf Verdienstentgang iSd § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG in Betracht, weil sich aus dem Wortlaut des § 24 EpiG in der hier maßgebenden Fassung ergebe, dass die Bezirksverwaltungsbehörde zur Ergreifung der darin vorgesehenen Maßnahmen berufen sei. Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Verordnungen seien jedoch vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erlassen worden.

4        Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der klaren und eindeutigen sowie durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a. klargestellten Rechtslage.

5        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2019/09/0108; 21.2.2020, Ra 2019/09/0116).

9        Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit ihrer Revision damit, dass es zur Frage der Vergütung für den Verdienstentgang im Zusammenhang mit COVID-19 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes seien die in Betracht kommenden Fragen weder klar noch eindeutig. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, befasse sich nicht mit der Frage, ob Betretungsverbote gemäß § 2 COVID-19-MG idF BGBl. I Nr. 12/2020 auch Verkehrsbeschränkungen im Sinn des § 24 EpiG darstellen würden.

10       Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt:

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt, dass durch § 4 Abs. 3 COVID-19-MG, wonach die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 „unberührt“ bleiben, weder die Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen nach dem Epidemiegesetz 1950 noch jene für den Ersatz von Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 EpiG geändert wurden. § 4 Abs. 3 COVID-19-MG bilde daher weder für sich noch im Zusammenhalt mit den auf das COVID-19-MG gestützten Verordnungen eine Grundlage für den Ersatzanspruch. Vielmehr erfasst die Vergütungsregelung für Verdienstentgang nach § 32 EpiG lediglich die dort in Abs. 1 genannten, ausdrücklich nach dem EpiG geregelten Fälle (vgl. auch VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017, mwN).

12       Eine von § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG vorausgesetzte Verkehrsbeschränkung nach § 24 EpiG lag nicht vor, erfolgten die ins Treffen geführten Maßnahmen doch auf § 2 COVID-19-MG gestützte Betretungsverbote. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, V 411/2020, kundgemacht vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 31. Juli 2020, BGBl. II Nr. 351/2020, feststellte, dass die §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-MG, BGBl. II Nr. 98/2020, § 2 in der Fassung BGBl. II Nr. 108/2020, §§ 4 und 6 in der Fassung BGBl. II Nr. 107/2020, gesetzwidrig waren und aussprach, dass die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Auf diese Bestimmungen lässt sich auch schon deshalb ein Ersatzanspruch im Verwaltungsweg nicht mehr stützen. Zudem fehlte es jedenfalls für den hier gegenständlichen Zeitraum an einer Kompetenz des die Verordnungen erlassenden Gesundheitsministers für die Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz (vgl. VwGH 7.4.2021, Ra 2021/09/0051; 13.4.2021, Ra 2021/09/0020; jeweils mit Verweis auf VfGH 10.12.2020, V 535/2020, zum Ausschluss der Umdeutung einer auf § 2 COVID-19-MG gestützten Verordnung in eine solche nach dem Epidemiegesetz 1950 bei Fehlen einer Verordnungsermächtigung).

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juni 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090043.L00

Im RIS seit

17.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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