TE Vwgh Beschluss 2021/6/1 Ra 2019/09/0163

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VStG §5 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Johannes Olischar, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Museumstraße 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. September 2019, VGW-172/092/7029/2019-7, betreffend Disziplinarstrafe des Verweises nach dem Apothekerkammergesetz 2001 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Apothekerkammer), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Österreichischen Apothekerkammer Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23. September 2019 wurde der Revisionswerber eines Disziplinarvergehens nach § 39 Abs. 1 Z 2 Apothekerkammergesetz 2001 für schuldig erkannt, weil er von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 27. November 2018 entgegen § 18 Abs. 3 Z 5 Berufsordnung in dem unter einer näher bezeichneten Internetadresse betriebenen Webshop näher genannte Arzneimittel mit Stattpreisen beworben habe. Über den Revisionswerber wurde deshalb gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 Apothekerkammergesetz 2001 die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt sowie er gemäß § 54 Abs. 3 leg. cit. verpflichtet, die Kosten des Disziplinarverfahrens in der Höhe von € 800,-- zu tragen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2        Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

4        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision darin gelegen, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Apotheker Berufspflichten verletze, wenn er seine Produkte so bewerbe, wie ihm dies die Apothekerkammer durch die Überlassung von Werbematerial vorgebe. Die Lösung dieser Rechtsfrage gehe über den Einzelfall hinaus, weil den Apothekern laufend Werbematerial der eigenen Kammer zur Verfügung gestellt werde. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen nicht auseinandergesetzt und zu Unrecht das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums verneint. Es habe übersehen, dass sich der Revisionswerber an den Vorgaben seiner eigenen Standesvertretung orientiert habe. Einer Nachfrage habe es nicht bedurft, weil sein Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Vorgaben an die Standesmitglieder geschützt sei.

6        Vorweg ist festzuhalten, dass der Revisionswerber mit diesem Vorbringen die objektive Übertretung der einschlägigen Bestimmung in der Berufsordnung nicht bestreitet, sondern einen ihm zugute zu haltenden schuldausschließenden Rechtsirrtum geltend macht.

7        Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen. Ein Rechtsirrtum ist vorwerfbar, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf nach dazu verpflichtet gewesen wäre. Die irrige Gesetzesauslegung oder die Unkenntnis von Bestimmungen müssen somit unverschuldet sein. Im Zweifelsfall sind geeignete Erkundigungen einzuholen. Im Vertrauen auf unrichtige Rechtsauskünfte erfolgte Gesetzesverstöße können nach der Rechtsprechung dann nicht als Verschulden angerechnet werden, wenn diese auf Basis einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilt worden sind. Die Rechtunkenntnis und der Rechtsirrtum sind demgemäß nur dann nicht vorwerfbar, wenn die (richtige) Gesetzeslage einem Betroffenen trotz zumutbarer Aufmerksamkeit nicht erkennbar war (vgl. zum Ganzen aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 29.3.2021, Ra 2021/02/0046; 19.12.2017, Ro 2015/17/0031; 3.10.2013, 2013/09/0010; 14.12.2012, 2010/09/0173; 15.10.2009, 2007/09/0170; 20.5.2010, 2008/07/0162; 5.9.2013, 2011/09/0156).

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob die Rechtsunkenntnis oder der Rechtsirrtum vorwerfbar ist, anhand der konkreten Umstände im Einzelfall zu klären. Eine solche Einzelfallbeurteilung wirft jedoch nur dann eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichts in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 27.10.2017, Ra 2015/17/0015, mwN).

Eine derartige Fehlbeurteilung ist im Revisionsfall nicht zu sehen. Mit dem Zulässigkeitsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass die ausschließliche Orientierung an bestehendem Werbematerial der Apothekerkammer und von Berufskollegen, ohne sich mit den einschlägigen Rechtsvorschriften zu beschäftigen oder konkrete Auskünfte einzuholen, nicht ausreichend war und dem Revisionswerber bei zumutbarer Aufmerksamkeit die richtige Gesetzeslage erkennbar gewesen wäre, unvertretbar wäre. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem ins Treffen geführten Werbematerial auch nicht um Informationsbroschüren der Apothekerkammer betreffend die Gestaltung von Websites gehandelt hat (vgl. VwGH 7.5.2020, Ra 2018/04/0146, wonach die Kenntnisnahme eines sich nicht auf den konkreten Sachverhalt beziehenden Informationsblatts einer Interessensvertretung nicht der ein Verschulden an einer irrigen Gesetzesauslegung ausschließenden Erkundigungspflicht entspricht). Dass ihm eine explizite Nachfrage unzumutbar gewesen wäre, wird vom Revisionswerber nicht behauptet.

9        Überdies ist im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Berufsordnung betreffend das Verbot einer Preiswerbung für Arzneimittel darauf hinzuweisen, dass selbst bei Vorliegen einer falschen Auskunft einer geeigneten Stelle ein schuldausschließender Irrtum dann nicht vorliegt, wenn begründete Zweifel an der erteilten Auskunft bestehen mussten bzw. die Auskunft die Annahme der Gesetzeskonformität für den konkreten Sachverhalt nicht begründen konnte (vgl. VwGH 19.12.2017, Ro 2015/17/0031, mwN).

10       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

11       Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 1. Juni 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019090163.L00

Im RIS seit

21.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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