TE Vwgh Erkenntnis 1949/5/12 0031/47

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Veröffentlicht am 12.05.1949
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68 Abs2
AVG §69 Abs1
AVG §69 Abs1 lita
AVG §69 Abs1 litb
BAO §303 Abs1
BAO §303 Abs1 litb
VwGG §41 Abs1

Beachte

y17269; y17270; y17271; y17821; y17822;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Ehrhart und die Räte Dr. Wimmer, Dr. Guggenbichler, Dr. Werner und Dr. Borotha als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Lehne als Schriftführer, über die Beschwerde der U in B, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. November 1946 und vom 4. November 1946, Zl. Wi V - 14 - 01 - 46, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens und Aufhebung der Inanspruchnahme von Schnellnähmaschinen nach dem Reichsleistungsgesetz, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Emanuel Hilmar und des Vertreters der mitbelangten Partei, Rechtsanwalt Dr. Leonhard Kysela, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid vom 4. Dezember 1946 wird, soweit mit ihm die beschwerdeführende Firma zur Bezahlung einer Miete an die mitbelangte Partei verpflichtet wird, wegen Gesetzwidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. November 1945 hatte die belangte Behörde eine Anzahl von Schnellnähmaschinen, die bei verschiedenen oberösterreichischen Firmen in Verwendung gestanden waren, beschlagnahmt und zugleich zu Gunsten der heute beschwerdeführenden Firma in Anspruch genommen, die dafür den festzustellenden Schätzpreis zu bezahlen hatte (Inanspruchnahme „zur Verfügung“). Der Bescheid erging auf Grund der §§ 2a, 3b und 15, Abs. 1, Nr. 5 RLG; in der Begründung wurde ausgeführt, die im Spruche bezeichneten Maschinen, die für Zwecke der deutschen Rüstungsproduktion verwendet worden waren, seien derzeit nicht ausgenützt und werden für die Zwecks der Öffentlichen Wirtschaft, und zwar zur Erzeugung von Säuglings- und Kleinkinderwäsche und von Bekleidung dringend benötigt. Der Bescheid wurde U als Leistungsempfänger und den Firmen, bei welchen sich die Maschinen befanden, als Leistungsverpflichteten zugestellt. Unter den beschlagnahmten Objekten befanden sich 15 Stück Schnellnähmaschinen mit Motor aus dem Betrieb der Firma „I“, Heeresschneiderei in S (Pkt. 4 des Bescheides).

Im Jahre 1946 setzt sich die mitbelangte Firma AV mit dem Amt der oberösterreichischen Landesregierung (Wirtschaftsamt) wegen Rückgängigmachung der Inanspruchnahme der letztgenannten Maschinen in Verbindung. In ihrem vom 14. September 1946 datierten Schreiben, das in den Akten erliegt, berief sie sich auf eine im Gegenstand unternommene Vorsprache die ihr - offenbar damals - abverlangten Unterlagen vor. Diese Unterlagen, die von der belangten Behörde dem Gerichtshof vorgelegt wurden, enthalten im wesentlichen 1.) einen Mietvertrag de dato Wien, 24. August 1944, auf Grund dessen die Firma S, Wien, N-gasse 6, für die Dauer ihrer Stillegung (Bescheid des Reichsstatthalters in Wien, Landeswirtschaftsamt für den Wehrwirtschaftsbezirk XVII vom 5. Mai 1944) u.a. 16 Nahmaschinen mit elektrischem Betrieb, damals im Lokale Wien VI., C-gasse 8 befindlich, der Firma I in S vermietet; 2.) den Kaufvertrag de dato Wien, 18. Jänner 1945, laut welche Ing. AV die Gesellschaftsanteile der Eheleute K und JS an der offenen Handelsgesellschaft „Uniformfabrik KS“ erwirbt. (Die Firmenbezeichnung ist später, wie unwidersprochen, in AV“ geändert worden.) Es ist unbestritten, dass sich unter den im Mietvertrag angeführten die heute umstrittenen 15 Schnellnähmaschinen befinden. Unter dem 1. Oktober 1956 legten AV eine vom 23. September 1946 datierte Bescheinigung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vor, mit welcher der dringende Bedarf der genannten Firma nach den fraglichen Maschinen zur Erzeugung von Arbeitskleidern bestätigt und die Landeshauptmannschaft Oberösterreich ersucht wird, die Maschinen für den Transport nach Wien freizugeben. Die belangte Behörde fasste das Einschreiten von AV als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf und gab dem Antrag mit Bescheid vom 30. November 1946 gemäss § 69, Abs. 1, lit. b AVG Folge. Mit Bescheid vom 4. Dezember 1946 hat die belangte Behörde dann ihren Inanspruchnahmebescheid vom 16. November 1945 auf Grund des § 68, Abs. 2 und 4, lit. b durch Aufhebung des Punktes 4.) abgeändert und die Beschwerdeführerin zur umgehenden Ausfolgung der von der Firma I übernommenen Maschinen an AV verpflichtet. Ausgesprochen wurde ferner, dass die für die Maschinen bezahlten Beträge an die Beschwerdeführerin zurückzuzahlen sind und dass diese für die Benützung der Maschinen an AV eine entsprechende Miete zu bezahlen habe; diesbezüglich wurden die Parteien auf den Rechtsweg verwiesen.

Gegen die Bescheide vom 30. November 1946 und vom 4. Dezember 1946 richtet sich die Beschwerde der Firma U. Die belangte Behörde sowohl wie die mitbelangte Firma AV haben Gegenschriften erstattet.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Nach der Anführung im ersten Satz des Bescheides vom 4. Dezember 1946 hat die belangte Behörde ihre Entscheidung im Grunde des § 68 Abs. 2 und Abs. 4 lit. b AVG getroffen. Wäre eine der genannten Normen anwendbar, dann wäre nicht erst zu prüfen, ob die Aufhebung des Inanspruchnahmebescheides im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach den besonderen Voraussetzungen des § 69 AVG zulässig war, denn eine Verfügung nach § 68 ist nicht an diese Voraussetzungen gebunden. Nach der Sachlage war aber keine der berufenen Bestimmungen anwendbar, § 68 (2) nicht, weil infolge des Bescheides vom 16. November 1945 ein Recht, nämlich Eigentum der Beschwerdeführerin an den Maschinen, erwachsen war, § 68 (4) lit. b nicht, weil durchaus nicht einzusehen ist, inwiefern der Verbleib der Maschinen im Eigentum der Beschwerdeführerin einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen sollte.

Der Bescheid vom 4. Dezember 1946 stellt sich indessen ungeachtet der Angabe der genannten Gesetzesstellen im Spruch seinem Inhalte nach unverkennbar als auf der Grundlage des § 69 AVG ergangen war. Die Begründung lässt in dieser Beziehung keinen Zweifel offen, denn in ihr wird nicht nur auf die Bewilligung der Wiederaufnahme durch den Bescheid vom 30. November 1946 Bezug genommen, sondern auch ausdrücklich das Eigentum von AV an den Maschinen als neuhervorgekommene, bisher ohne Verschulden der Partei unbekannt gebliebene und für die Sachentscheidung massgebende Tatsache behandelt, - Momente, die für einen Bescheid auf der Grundlage des § 69 AVG ebenso kennzeichnend sind, als sie für einen Bescheid nach § 68 AVG belanglos wären. Ungeachtet der offenbaren Gesetzwidrigkeit, die in der Unterstellung des Tatbestandes unter Bestimmungen des § 68 AVG gelegen ist, kann eine gesetzwidrige Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin nur dann festgestellt werden, wenn sich die Aufhebung der Inanspruchnahme auf Grund einer Wiederaufnahme des Verfahrens, die das wirkliche Wesen des gegenständlichen Verwaltungsaktes ausmacht, als gesetzwidrig erweist. Der Gerichtshof musste daher die Gesetzmässigkeit des Bescheides unter Zugrundelegung der Bestimmung des § 69 Abs. 1 lit. b AVG prüfen. Es ergeben sich dabei zwei getrennte Fragen: erstens, ob das Verfahren wieder aufgenommen werden durfte und, wenn dies bejaht wird, zweitens, ob die getroffene Sachentscheidung dem Gesetze entspricht.

Im Zusammenhang der ersten Frage bestreitet die Beschwerde die Berichtigung der mitbelangten Partei zur Stellung des Wiederaufnahmsantrages, denn der Firma AV sei im Inanspruchnahmeverfahren Parteistellung nicht zugekommen, da sie Eigentum an den Maschinen laut Kaufvertrag erst später, nämlich mit 18. Jänner 1946 erworben habe. Dieses von der Beschwerde angeführte Datum geht auf einen Schreibfehler im Bescheid vom 4. Dezember 1946 zurück, der später mit Bescheid vom 11. März 1947 berichtigt wurde. Tatsächlich ist der Kaufvertrag vom 18. Jänner 1945 geschlossen worden und die Annahme, von der die Beschwerde hier ausgeht, daher irrig, indessen wäre der Einwand auch schon deshalb nicht schlagkräftig, weil dem Rechtsnachfolger grundsätzlich die Wiederaufnahmsgründe zu Gebote stehen, die bei unverändert gebliebener Rechtslage dem Rechtsvorgänger zustünden. Die Legitimation der mitbelangten Partei zur Antragsteller war daher gegeben.

Nach der anzuwendenden Norm ist weiters gefordert, dass die neuhervorgekommene Tatsache ohne Verschulden der Partei im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnte. Die belangte Behörde hat dies als gegeben angenommen und dabei auf die nach Kriegsende bestandenen Störungen der Kommunikationen in Österreich hingewiesen. Die Beschwerdeführerin führt dagegen aus, dass, wie sie aus eigener Erfahrung wisse, die Herstellung einer Verbindung zwischen Wien und Oberösterreich auch schon im Sommer 1945 keinen unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnet sei. Dass bedeutende und nicht immer zu bewältigende Schwierigkeiten damals bestanden, ist notorisch, indessen liegt der eigentlich entscheidende Punkt gar nicht hier. Es steht fest, dass die mitbelangte Partei dem Inanspruchnahmeverfahren nicht beigezogen war. Es ist nicht widerlegt worden, dass sie von den weiteren Schicksalen der Maschinen, die sie an die Firma I vermietet hatte und in deren Händen glaubte, erst erfahren habe, als sie im Jahre 1946 aus Anlass der Wiedereröffnung ihres Betriebes das Mietverhältnis zu lösen unternahm. Der Ansicht der Behörde, dass die mitbeteiligte Partei unverschuldeterweise ausser Stand war, ihr Eigentum an den Maschinen im Inanspruchnahmeverfahren geltend zu machen, kann daher nicht entgegengetreten werden.

Die Frage endlich, ob die neuhervorgekommene Tatsache „allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches andere lautenden Bescheid“ herbeigeführt hätte, ob also auch das letzte Erfordernis nach § 69 Abs. 1 lit. b erfüllt war, kann nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit es Wiederaufnahmeantrages beurteilt werden, wenn diese Voraussicht einmal durch die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene meritorische Entscheidung ihre Bestätigung gefunden hat. Die rechtliche Bedeutung der Tatsache ist damit bereits zum entscheidenden Element der Sachentscheidung selbst geworden und kann nur mehr im Hinblick auf die inhaltliche Gesetzmässigkeit dieser letzteren betrachtet werden.

Die Einwendungen der Beschwerde gegen die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens erweisen sich auf Grund der vorstehenden Erwägungen als unberechtigt.

Bei Prüfung der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachentscheidung hat sich der Gerichtshof folgendes vor Augen gehalten:

Die Ermächtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Reichsleistungsgesetz ist an die in dieser Verwaltungsvorschrift festgelegten Voraussetzungen gebunden, dagegen bleibt es bei gegebener Voraussetzung dem Ermessen der Bedarfstelle anheimgegeben, ob und zu Lasten wie zu Gunsten welcher Personen sie von der Ermächtigung Gebrauch machen und nach welchen Gesichtspunkten sie dabei vorgehen will. Hat sie aber einmal einem bestimmten Masstab für ihre Beurteilung festgelegt und darauf ihren Bescheid aufgebaut, dann darf sie sich im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens bei der Bewertung der neuhervorgekommenen Tatsache nicht mit den Gesichtspunkten in Widerspruch setzen, nach denen sie ihr Verhalten im ersten Verfahren eingereicht hatte, da sonst nicht die nachträglich erwiesene Beschaffenheit des Sachverhaltes, sondern die Aenderung einer Auffassung der Behörde zum massgebenden Faktor gemacht wird, was den Grundsätzen der Wiederaufnahme des Verfahrens widerspricht. Die Gesetzmässigkeit des zweitangefochtenen Bescheides lässt sich also nicht von der Frage trennen, ob die belangte Behörde dieser Forderung entsprochen hat.

Die belangte Behörde behauptet dies. Sie führt in ihrer Gegenschrift aus, bei der Erlassung des Bescheides vom 30. Oktober 1946 sei ihre Absicht ausschliesslich auf die Inanspruchnahme von Nähmaschinen gerichtet gewesen, die entweder herrenlos waren - was diesem Ausdruck gemeint ist, wird nicht näher erläutert - oder aus Beständen der deutschen Wehrmacht stammten und von der amerikanischen Militärregierung freigegeben worden waren; nicht sollten dagegen im Privateigentum stehende Maschinen betroffen werden, am wenigsten solche, deren Eigentümer selbst in der Lage waren, sie im Dienste der Bekleidungsindustrie einzusetzen; die im Streit stehenden Maschinen seien als vormals der deutschen Wehrmacht gehörig und von dieser der Heeresschneiderei I zur Verwendung zugewiesen betrachtet worden; dieser Irrtum habe angesichts der verworrenen Verhältnisse des Sommers 1945 nicht rechtzeitig aufgeklärt werden können.

Die Behauptung, die Inanspruchnahme habe sich nach dem Willen der Bedarfsstelle auf nachweislich im Privateigentum stehende Nähmaschinen überhaupt nicht bezogen, lässt sich, allerdings gegenüber dem Wortlaut des Bescheides vom 30. November 1945 nicht aufrecht erhalten, denn der Spruch enthalt die ausdrückliche Bestimmung, dass jene Maschinen, „die nachweisbar Eigentum der bisherigen Besitzer sind“, diesen von der Firma U gegen den Schätzpreis abgelöst werden sollen, im Gegensatz zu den „aus Heeresbekleidungsbeständen ... den leistungspflichtigen Firmen zugewiesenen Maschinen“, für die der Schätzbetrag auf das „Schlepperkonto Nr. 61.448“ der o.ö. Landeshypothekenanstalt einzuzahlen ist. Allein die Kategorie, welcher die im Streit stehenden Maschinen angehören, Maschinen nämlich, die bei einer Firma in Verwendung standen, aber weder deren Eigentum noch ihr aus Beständen der deutschen Heeresverwaltung zugewiesen, sondern ihr aus fremden Eigentum durch privatrechtliche Vereinbarung zur Benützung überlassen waren, wird in der die Modalitäten der die Ablösung regelnden Disposition nicht erwähnt. Daraus lässt sich freilich ein sicherer Schluss darauf nicht ziehen, dass diese Kategorie von der Inanspruchnahme grundsätzlich nicht erfasst werden sollte, zumal die belangte Behörde ja geklärt hat, dass ihr die Möglichkeit dieser besonderen Situation gar nicht vor Augen gestanden war. Jedenfalls aber lässt sich aus dem Wortlaut des Bescheides eher eine Stütze und keinesfalls eine Widerlegung der Behauptung gewinnen, dass die Bedarfsstelle die Inanspruchnahme auf die Maschinen der mitbelangten Firma nicht erstreckt hätte, wenn ihr die Eigentumsverhältnisse damals bekannt gewesen wären. An innerer Schlüssigkeit fehlt es dieser Behauptung nicht. Es ist durchaus sachgemäss, wenn die Bedarfsstelle bei ihrer Entschliessung sich darüber Rechenschaft gibt, welchen Nutzen vom Standpunkt des öffentlichen Interesses die Sache nach den gegebenen Umständen auch in der Hand des Eigentümers zu bieten vermag, was erst beurteilt werden kann, wenn der Eigentümer bekannt ist, und dass sie daher, soweit die konkrete Verwaltungsaufgabe es zulässt, Objekte, deren Eigentümer sie nicht kennt, gegenüber anderen zurückstellt, in Sonderheit dann, wenn es sich um den radikalen Eingriff einer mit Eigentumswechsel verbundenen Inanspruchnahme „zur Verfügung“ handelt. Dass es dann weiters sehr wesentlich darauf ankommen kann, ob das Objekt einem Unternehmen zu eigen ist, welches derselben Sphäre des gewerblichen Lebens angehört, der das Objekt durch die Inanspruchnahme zugeführt werden soll, ist einleuchtend. Nicht zuletzt wäre vom Standpunkte der örtlichen Zuständigkeit der Bedarfsstelle sachgemässerweise nach Kenntnis der Eigentumsverhältnisse auch die Frage zu erwägen gewesen, ob Maschinen in Anspruch genommen werden sollten, die sich nur auf Grund eines kündbaren privatrechtlichen Verhältnisses vorübergehend in Oberösterreich befanden, aber zur Einrichtung eines Unternehmens gehören, dessen Sitz in einem anderen Bundesland liegt.

Auf Grund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Tatsache des Eigentums der Firma AV an sich den in Streit stehenden Maschinen, ein „novum repertum“ im Sinne des § 69 (2) AVG war. Diese Tatsache war seinerzeit ohne Verschulden der mitbelangten Partei unbekannt geblieben und ist an sich geeignet, die Entscheidung in der Ermessensfrage der Auswahl unter den in Betracht kommenden Maschinen zu beeinflussen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens war daher zulässig. Ob die umstrittenen Maschinen von vorneherein aus der mit Hilfe des Reichsleistungsgesetzes unternommenen Aktion ausgeschlossen bleiben sollten aber war in dem zulässigerweise wieder aufgenommenen Verfahren ebenso eine Angelegenheit der freien Entschliessung der Behörde, wie sie es im ursprünglichen Verfahren gewesen war. Die gesetzliche Verpflichtung zu einer Verfügung nach dem Reichsleistungsgesetz besteht unter keinen Umständen, daher kommt bei der Unterlassung einer Inanspruchnahme eine gegen den Sinn des Gesetzes verstossende Ermessensübung niemals in Betracht. Es lag aber auch keine von der Behörde freiwillig übernommene Bindung ihrer damaligen Entschliessung vor, denn es kann auch nicht gesagt werden, dass die neuhervorgekommene Tatsache, wenn sie bereits im ursprünglichen Verfahren vorgelegen wäre, nach den erkennbaren Gesichtspunkten der damals vorgenommenen Ermessensübung von der Behörde als unbeachtlich betrachtet worden wäre.

Die Aufhebung der mit Bescheid vom 16. November 1945 verfügten Inanspruchnahme der fraglichen Maschinen verstösst daher nicht gegen das Gesetz. Die aus Erwägungen privatrechtlicher Natur erhobenen Einwendungen der Beschwerde versagen. § 367 ABGB kann nicht herangezogen werden, weil der Eigentumsübergang an die Beschwerdeführerin nicht auf einem Rechtsgeschäft, sondern auf dem öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt einer Inanspruchnahme „zur Verfügung“ nach dem Reichsleistungsgesetz beruht. In der öffentlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beschwerdeführerin zwar erklärt, es sei offenbar zum Abschluss eines mündlichen Kaufvertrages zwischen der Beschwerdeführerin und der Firma I gekommen, ohne aber auch nur anzudeuten, worauf diese Behauptung gestützt werden könnte. Der Bescheid vom 16. November 1945 lässt durchaus nicht erkennen, dass der Fa. I nicht die Übergabe von „zur Verfügung“ in Anspruch genommenen Sachen, sondern der Abschluss eines privatrechtlichen Rechtsgeschäftes als Leistung auferlegt worden wäre. Die Berufung auf den durch den Einbau der Maschinen eingetretenen Eigentumserwerb nach § 297 a, (richtig wohl: § 297) ABGB enthält die Geltendmachung eines Erwerbstitels, der durchaus ausserhalb der durch die Inanspruchnahme geschaffenen Rechtslage liegt und daher bei der Aufhebung des Bescheides nicht als Vorfrage gemäss § 38 AVG zu beantworten war. Diese Frage kann von der Beschwerdeführerin nur im Zivilrechtswege zur Austragung gebracht, aber nicht im Rahmen dieses Beschwerdefalles aufgeworfen werden.

Was die Verfahrensrügen in der Beschwerde betrifft, so stellt die Vernachlässigung des Parteiengehörs gegenüber der Beschwerdeführerin allerdings einen Verfahrensmangel dar. Aus der Erörterung der sonstigen Beschwerdeeinwendungen in diesem Erkenntnis ergibt sich jedoch, dass die Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu keinem anderen Ergebnis hatte kommen können (§ 42 Abs. 2 lit. c Pkt. 3 VwGG).

Soweit sich die Beschwerde gegen die Aufhebung des Bescheides vom 16. November 1945 richtet, erweist sie sich daher als unbegründet.

Gesetzwidrig ist der angefochtene Bescheid dagegen, insoferne er die Beschwerdeführerin verpflichtet, der mitbelangten Partei „für die Benützung der Maschinen eine entsprechende Miete zu bezahlen“. Eine verpflichtende Anordnung dieeses Inhaltes stünde, wenn man dem hier nicht passenden Ausdruck „Miete“ die offenbar beabsichtigte Bedeutung von „Vergütung“ unterlegt, der Verwaltungsbehörde zu, wenn sie im wiederaufgenommenen Verfahren die ursprüngliche Inanspruchnahme „zur Verfügung“ in eine solche „zur Benützung“ abgeändert hätte. Das ist aber nicht geschehen, die Inanspruchnahme wurde vielmehr aufgehoben und zwar, wie das im Wesen jeder Aufhebung auf Grund einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG liegt, mit Wirkung „ex tunc“. Damit war der Benützung der Maschinen durch die U die öffentlich-rechtliche Grundlage von Anfang an entzogen und irgendwelche von AV diesbezüglich zu erhebenden Ersatzansprüche nicht nur, wie es nach der Fassung des Spruches die Meinung der belangten Behörde ist, die Höhe, sondern auch dem Grunde nach ausschliesslich eine Angelegenheit privatrechtlicher Auseinandersetzung. In diesem Punkte war der angefochtene Bescheid vom 4. Dezember 1946 gemäss § 42 Abs. 2 lit. a VwGG wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 12. Mai 1949

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1949:1947000031.X00

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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