TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/24 95/19/1463

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Veröffentlicht am 24.03.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der V, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1995, Zl. 303.287/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1995 wurde der am 13. Februar 1995 bei der österreichischen Botschaft in Belgrad gestellte Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes" (AufG) abgewiesen.

Nach dieser Gesetzesstelle sei der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach der auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin beruhenden Aktenlage habe sie ihren Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung am 13. Februar 1995 bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Belgrad eingebracht. Sie sei jedoch "laut Aktenlage" seit 7. Juli 1992 in Österreich aufrecht gemeldet und habe daher ihren Antrag nicht vor der Einreise, mit der ihr derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Diese Beurteilung werde auch dadurch gestützt, daß dem Reisedokument der Beschwerdeführerin weder ein Einreise- noch ein Ausreisevermerk für den Zeitraum der Antragstellung zu entnehmen sei. Aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Bewilligung ausgeschlossen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) sei ein Sichtvermerk zu versagen, wenn durch den Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet werde. Die Beschwerdeführerin habe über einen Sichtvermerk mit Geltungsdauer bis 30. Juli 1994 verfügt. Sie habe nach dessen Ablauf Österreich nicht verlassen. Damit zeige sie, daß sie nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung, insbesondere in einem Bereich, der für den geordneten Ablauf eines geregelten Fremdenwesens vorgesehen sei, zu respektieren. Die öffentlichen Interessen an der Versagung einer Bewilligung überwögen die durch die Anwesenheit ihres Ehegatten begründeten privaten Interessen der Beschwerdeführerin in Österreich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (28. September 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle 1995, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG in der Fassung dieser Novelle lautet auszugsweise:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden ..."

Die belangte Behörde hat erstmals vom Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG Gebrauch gemacht. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies der Partei vorzuhalten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221).

Dieses Gebot, der Beschwerdeführerin Parteiengehör zu gewähren, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall mißachtet.

Das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Ausland aufgehalten, ihre polizeiliche Meldung an einer Adresse in Österreich sei auf die versehentliche Unterlassung einer Abmeldung zurückzuführen, verstößt daher nicht gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Dieses Vorbringen zeigt die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels in tauglicher Weise auf, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf dieses Vorbringen auch unter Berücksichtigung des Fehlens eines Ausreisevermerkes im Reisedokument der Beschwerdeführerin, bei welchem es sich bloß um ein im Zusammenhang mit den übrigen Beweisergebnissen zu würdigendes Indiz handelt, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

In diesem Zusammenhang kann es dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde, die die Bestimmung des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG im Spruch des Bescheides nicht erwähnte, ihre Entscheidung auch auf den dort umschriebenen Versagungsgrund stützen wollte. Die Beschwerdeführerin tritt der Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe sich nach Ablauf ihres Sichtvermerkes (zumindestens eine Zeit lang) unberechtigt im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen. Der angefochtene Bescheid enthält jedoch keine Feststellung darüber, um welche Art von Sichtvermerk es sich bei der am 30. Juli 1994 abgelaufenen Berechtigung handelte. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsauffassung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907, mit weiteren Hinweisen), der Umstand, daß ein Fremder Österreich nicht bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer eines gewöhnlichen Sichtvermerkes verläßt, rechtfertige für sich allein noch nicht die Annahme, sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit, insbesondere, wenn nach dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine subjektiv darauf gerichtete Verhaltensweise des Fremden erkennbar sind. Dies gilt umsomehr für den Fall, daß der Fremde im Zeitpunkt der Erlassung des auf den genannten Versagungsgrund gestützten Bescheides das Bundesgebiet bereits verlassen hat, sich also nunmehr wohlverhält.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des insgesamt geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191463.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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