TE Lvwg Erkenntnis 2021/4/23 VGW-102/067/881/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.04.2021

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z2
SPG §37

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Grois über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG der Frau A. B., Wien, C.-straße, betreffend die Auflösung der Versammlung am 10.12.2019 in der X. Wien,

zu Recht erkannt:

1. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die beschwerdegegenständliche Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt infolge Auflösung der Versammlung am 10.12.2019 in der X. Wien für rechtswidrig erklärt.

2. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2013, der Beschwerdeführerin 737,60 Euro für Schriftsatzaufwand und 922,00 Euro für Verhandlungsaufwand an Aufwandersatz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

3. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.

BEGRÜNDUNG

I.1. Mit dem am 21.01.2020 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin eine Maßnahmenbeschwerde und brachte darin vor:

Maßnahmenbeschwerden

Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 2 B-VG

Am 10.12.2019 wurde die Versammlung von 50-100 Studierenden aufgelöst. Diese Auflösung erfolgte nach § 37 SPG, somit rechtswidrig, da es sich um eine Versammlung iSd Versammlungsgesetzes 1953 handelte und um keine Besetzung iSd SPG. Diese Auflösung durch Verordnung des Wiener Landespolizeipräsidenten wurde durch einen Behördenvertreter der Landespolizeidirektion Wien verlesen und durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (zwangsweise) durchgesetzt. Durch diese Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde ich, als Teilnehmerin dieser Versammlung, in meinen Rechten verletzt.

Ich erhebe daher in offener Frist

Beschwerde

an das Verwaltungsgericht des Landes Wien und stelle die

Anträge,

das Verwaltungsgericht des Landes Wien möge

1.  Den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig erklären.

2.  Die bezeichnete Verordnung des Wiener Landespolizeipräsidenten, wodurch die Versammlung aufgelöst wurde, dem VfGH zur Überprüfung ihrer Gesetzmäßigkeit vorlegen.

Begründung

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Am Dienstag, den 10.12.2019 versammelten sich ca. 100-150 Studierende vor dem Hauptgebäude der X. Wien, um bei einer Kundgebung, ihren Unmut über die bestehenden Verhältnisse an ihren Hochschulen kundzutun. Nach Ende der angemeldeten Kundgebung beschlossen einige von ihnen, ihren Protest im Feststaal der X. Wien weiterzuführen und diesen zu „besetzen“.

Gegen 15:30 befanden sich schließlich die Versammlungsteilnehmer_innen im Festsaal der X. Wien und verharrten in diesem. Vom Balkon aus wurden Parolen gerufen und ein Transparent gehisst. Gegen 21:30 beschloss die Leitung der Universität schließlich, diese Versammlung aufzulösen und das Gebäude räumen zu lassen. Dies geschah letztendlich auch – ein Behördenvertreter der Landespolizeidirektion Wien verlas bezugnehmend auf § 37 SPG nachfolgende Verordnung und machte sie dadurch kund: „Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind durch Verordnung des Wiener Landespolizeipräsidenten ermächtigt, die Besetzer aus dem Gebäude der X. Wien zu weisen. Diese Räumung ist mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchzusetzen, sofern der Räumung nicht freiwillig binnen zehn Minuten nachgekommen wird.

Nach Ablauf der 10 Minuten räumten daraufhin die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes das Gebäude binnen ca 30 Minuten und setzten bei jenen, die der Räumung nicht freiwillig nachkamen, wie angekündigt unmittelbare Zwangsgewalt ein, um diese hinauszubefördern.

Meine Anträge begründe ich folgendermaßen:

1. Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären:

Da es sich bei oben beschriebener Zusammenkunft um keine Besetzung iSd des Sicherheitspolizeigesetzes, sondern um eine Versammlung iSd Versammlungsgesetzes handelte, ist diese Auflösung rechtswidrig, da sie nach dem SPG aufgelöst wurde und verletzt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gem. Art. 12 StGG, Z 3 Beschluss ProvNV, Art. 11 EMRK, Art 12 GRC; Versammlungsgesetz 1953).

Eine Versammlung ist jede vorübergehende Vereinigung mehrerer Menschen an einem bestimmten Ort, die von der Absicht getragen ist, durch ein kollektives Zusammenwirken, Meinungen zu bilden oder diese nach außen zu bekunden. Nach Rechtsprechung des VfGH weiters: Eine Zusammenkunft mehrerer Menschen ist nur dann als Versammlung zu werten, wenn sie „in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation, usw.) zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht.“

„Die Beurteilung, ob eine Zusammenkunft eine Versammlung ist, hat sich am Zweck und an den Elementen der äußeren Erscheinungsformen (wozu die näheren Modalitäten, die Dauer und die Zahl der Teilnehmer der Veranstaltung gehören) zu orientieren.“ (VfSlg 11.866/1988)

Auch sogenannte „Spontanversammlungen“ fallen in den Anwendungsbereich der Versammlungsfreiheit und sind somit durch dieses Grundrecht geschützt. Derartige Versammlungen dürfen daher nicht einzig aus dem Grund, dass eine entsprechende Anmeldung der Versammlung iSd Versammlungsgesetzes unterblieben ist, aufgelöst oder beschränkt werden. (siehe auch: VfSlg 14.366)

Die genannte Zusammenkunft war klar von einem gemeinsamen Interesse getragen, gewisse Anliegen und kollektiv eine Meinung zu artikulieren. Ebenso fand gemeinsames Wirken der Zusammengekommenen statt. Bei der genannten Versammlung ging es darum, auf den akuten Platzmangel an Österreichs Hochschulen, die schlechten Studienbedingungen, die Beschränkungen der Hochschulbildung und des Zugangs zu den Hochschulen aufmerksam zu machen.

Die fälschliche Bezeichnung der Teilnehmer_innen und Veranstalter_innen als „Besetzung“ ist für die Qualifikation der Zusammenkunft unerheblich (vgl VfSlg 14.367, wo die Demonstrant_innen davon sprachen, dass die Baustelle „besetzt“ wäre. Der VfGH qualifizierte das Zusammenkommen trotzdem als Versammlung.).

Da es sich somit eindeutig um eine Versammlung handelte, sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit der Teilnehmer_innen, wie etwa eine Auflösung, die eine besonders gravierende Beschränkung darstellt, nur dann verfassungsgemäß, wenn sie einem in Art. 11 EMRK bezeichneten Zweck entsprechen und überdies nach einer vorherigen Verhältnismäßigkeitsprüfung, für die Erreichung dieses Zweckes zwingend notwendig ist (ultima ratio).

Bei der Auflösung im konkreten Fall allerdings, (nach § 37 SPG; fälschlicherweise als Besetzung) wurde keine derartige Beurteilung vorgenommen, weshalb die Auflösung somit rechtswidrig war.

Siehe auch ähnliches Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Steiermark: LVwG 20.3-2251/2017-19

Siehe auch: VfGH Erkenntnis vom 28.09.2018 V1/2018 betreffend die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung betreffend die Auflösung einer Besetzung nach dem Sicherheitspolizeigesetz mangels gesetzlicher Grundlage.“

2. Das Verwaltungsgericht Wien übermittelte die Beschwerde der belangten Behörde mit dem Ersuchen um Aktenvorlage und der Möglichkeit zur Erstattung einer Gegenschrift. Unter einem wurde um Bekanntgabe der an der Amtshandlung beteiligten bzw. anwesenden Beamten samt deren konkreten Aufgaben bzw. Funktionen im Zuge der Amtshandlung ersucht.

Die belangte Behörde erstattete nach Ablauf der gesetzten Frist eine Gegenschrift und legte den vom Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung geführten Akt (bestehend aus der Verordnung vom 10.12.2019 und der Meldung des SPK D. vom selben Tag) in Ablichtung vor. Die Gegenschrift ist wie folgt ausgeführt:

GEGENSCHRIFT

I.     SACHVERHALT

Der Sachverhalt ergibt sich aus der im vorgelegten Akt enthaltenen Meldung.

Die belangte Behörde hat hinishctlich der von der Auflösung betroffenen Personengruppe keine Identitätsfeststellungen durchgeführt.

Bei der in Beschwerde gezogenen Amtshandlung waren als Journalbamter des LVT Rat Mag. E. F. und als Einsatzkommandant Obst. G. H. federführend tätig.

Beweis: vorgelegter Verwaltungsakt

II.    RECHTSLAGE

Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: „BF“) erachtet die Auflösung einer behaupteten Versammlung, an der sie teilgenommen habe, für rechtswidrig.

Wie sich schon aus der Beschwerde ergibt, geschah die – den Gegenstand der Beschwerde bildende – Auflösung der Versammlung durch die Erlassung einer Verordnung. Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, da eine Verordnung nicht gegen einen individuell bestimmten Adressaten gerichtet ist. Vielmehr stellt sie einen generellen normativen Akt dar (vgl. etwa eine Verordnung, mit der allen Verkehrsteilnehmern geboten wird, an einer bestimmten Stelle anderen Verkehrsteilnehmen den Vorrang zu gewähren).

Die belangte Behörde stellt daher den

ANTRAG,

die Beschwerde kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen.

(…)“

In der zum Sachverhaltsvorbringen erhobenen Meldung ist ausgeführt:

„Betreff:       Versammlung unangemeldet (OZ …)

                 bzw. in weiterer Folge Besetzung des Festsaales der X. Wien in Wien, I.-platz

Vorfallszeit:  10.12.2019, 15:30 Uhr (OZ …, Vorfallszeit)

Vorfallsort: Wien, I.-platz/X. Wien (OZ …, Vorfallsort)

Sachverhaltsdarstellung:

Am 10.12.2019 in der Zeit von 14:30 bis 15:00 wurde von Studenten der X.-Wien vor der X.-Wien am I.-platz eine von Herrn J. angemeldete Versammlung zum Thema Hochschulpolitik abgehalten. Teilgenommen hatten ca. 60 Personen. Es wurden einige „harmlose“ Reden gehalten. Die Versammlung wurde durch Kräfte der PI K.-gasse(E/...1 und E/...2) überwacht. Vor Ort konnte kein konkreter Versammlungsleiter in Erfahrung gebracht werden. Es kam im Zuge der Versammlung zu keinen Vorfällen. Die Teilnehmer verließen den Versammlungsort in verschiedene Richtungen. Nach Beendigung der Versammlung um 15.10 Uhr wurde noch bis 15:20 Uhr nachgesichert, dann rückten die Überwachungskräfte ein.

Um 15:30 erfolgte dann von der LLZ ein Einsatz an E/...2, … nach Wien, I.-platz.

Einsatzgrund: Studenten stürmen die X.. Umgehend meldete sich E/...1 ebenfalls dazu und übernahm vorerst die Einsatzleitung.

Am EO eingetroffen zeigte sich folgendes Bild: Ca. 60 Personen, ganz offensichtlich diese, welche zuvor an der Versammlung teilgenommen hatten, waren in den Festsaal der X. im ersten Stock eingedrungen und besetzten diesen. Dabei erlitt ein Sicherheitsmitarbeiter der X. bei dem Versuch, die Eindringenden aufzuhalten, Schürfverletzungen an der linken Hand (Körperverletzungsanzeige wird unter gesonderter OZ) erstattet.

Der Gesamtprojektleiter der X. und somit auch Sicherheitsverantwortlicher Herr L. erklärte, dass die Studenten den Saal ohne seine Einwilligung besetzt hielten und dort nun forderten, für zwei Stunden ein Plenum abhalten zu dürfen und dann der Rektorin ihre Bedingungen für ihren Abzug vortragen zu dürfen.

E/...1 begleitete Herrn L. daraufhin in das Rektorat, wo sich Entscheidungsträger der X. zur Beratung versammelt hatten. Diese entschieden, dass den Studenten vorerst die gewünschten zwei Stunden gewährt würden und nach Ablauf dieser Frist neu zu beraten sei.

Inzwischen war auch E/...3 (Obst. H.) eingetroffen und übernahm die Funktion des Einsatzkommandanten. Er wurde umgehend über die Sachlage in Kenntnis gesetzt.

Vorerst wurde entschieden, dass die Polizeikräfte, sofern keine strafrechtlichen Tatbestände verwirklicht würden, nicht eingreifen sollten und diese sich im unmittelbaren Nahbereich des Festsaales sowie außerhalb der X. bereithalten sollten. Die Sektor- und Tasso-Kräfte wurden zumindest bis Ablauf der Zweistundenfrist abgezogen.

Um 16:20 Uhr trafen Mitarbeiter des LVT ein, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen.

Ein weiterer Zulauf von Studenten in den Saal wurde von den Sicherheitsmitarbeitern der X. unterbunden. Aus diesem Grund begannen sechs Personen, welchen der Zutritt zum Saal verweigert worden war um 16:30 Uhr mit einer Sitzblockade vor dem Saaleingang.

Auch am Balkon vor dem Saal zum M.-park hin skandierten mehrere Personen ihre Forderungen und entfalteten ein Transparent mit der Aufschrift: „BESETZT DIE UNIS! #WIEDERBRENNEN FÜR FREIE BILDUNG“.

Das Gesamtbild war jedoch friedlich und wurde von Vertretern der Studenten versichert, dass es nicht in ihrer Absicht stehe, Schaden anzurichten.

Um 16:40 Uhr trafen das Doku-Team ... ein und kurz darauf auch der LVT Journal in Person Rat Mag. F. ein.

Um 17:00 begaben sich E/...3 und LVT-J zu weiteren Beratungen in das Rektorat, wobei ein aktives polizeiliches Einschreiten zumindest bis Überbringung der Forderungen ausgeschlossen wurde.

Um 17:30 Uhr zeigte sich erstes mediales Interesse in Form eines Kamerateams von N., welches jedoch nach weniger als zehn Minuten wieder abzog.

Um 17:55 Uhr wurden dem Rektorat von zwei Studentenvertretern unter Beisein von E/...3, LVT-J und E/...1 die Forderungen für einen Abzug der Studenten überbracht. Diese beinhalteten vor Allem, dass sich Vertreter der angehenden Regierung vor Ort Gesprächen zur weiteren Bildungspolitik stellen sollten.

Von der Rektorin konnte dies nicht zugesichert werden, erklärte sie sich aber bereit, den Festsaal für solche Gespräche jederzeit zur Verfügung stellen zu können. Anschließend begaben sich die Studenten wieder in den besetzten Saal um im Plenum neuerlich ihre weiter Vorgehensweise zu beraten.

Inzwischen wurden nach Ablauf der Zweistundenfrist weitere Tosca-Kräfte hinzugezogen (TOSCA/…4/…5/…6/…7/…8/…9) sowie ein weiterer Zug der BE im Bereich der O. in Bereitschaft gehalten. Da die Lage immer noch ruhig war, auch die Sitzblockade war inzwischen beendet worden, wurde von E/...3 angeordnet, dass sich auch diese Kräfte im Hintergrund bereithalten sollten. Auf eine neuerliche Beiziehung von Sektor- und Tasso-Kräften wurde verzichtet.

Um 18:40 Uhr gab ein Vertreter der Pressestelle auf Begehren der Studenten eine kurze Erklärung der LPD Wien ab, worin er die vorerst nichteingreifende Position der Polizei erläuterte.

Um 18:52 Uhr traf ein Kamerateam des P. im Festsaal ein, welches für ca. 20 Minuten Filmaufnahmen und Interviews durchführte.

Um 19:15 Uhr gaben Studentenvertreter bei einer neuerlichen Besprechung mit dem Rektorat bekannt, dass sie unter den gegebenen Bedingungen den Saal nicht Räumen würden. Vom Rektorat wurde ihnen eine weiter Stunde Bedenkzeit eingeräumt.

Um 19:55 Uhr wurde von E/...3 das restliche TOSCA-Kontingent unter Führung TOSCA/...10 angefordert und vorerst im Nahbereich in Bereitschaft gehalten.

Um 20:30 Uhr beteuerten die Studenten neuerlich, auf ihren Forderungen zu beharren und nicht abzuziehen. Die Vertreter der Studenten begaben sich daraufhin wieder in den Festsaal und erfolgte zugleich eine Besprechung zwischen E/...3, TOSCA/...10 und den Verantwortlichen der X. Wien einschließlich der Rektorin, im Zuge derer seitens der Rektorin mitgeteilt wurde, dass ein Verbleib der Studenten im Festsaal nicht geduldet wird.

Im Zuge einer weiteren Besprechung zwischen E/...3, TOSCA/...10, LVT-J, E/...1 und dem Sicherheitsverantwortlichen der X. Wien wurde durch Rat Mag. F. nach einer aktuellen Einschätzung der Lage um 20.55 Uhr die ggst. Situation als Besetzung im Sinne des § 37 SPG eingestuft. Weiters wurde durch die X. Wien beschlossen, von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und die Entfernung aller Personen auch aus den Gang- und Foyerbereichen erreichen zu wollen.

Im Sinne der Gesetzmäßigkeit wurde der durch Mag. F. vorgefasste Verordnungstext den Besetzern vorgelesen und zwar von 21.38 Uhr bis 21.39 Uhr im Festsaal und von 21.43 Uhr bis 21.44 Uhr im Gang. Eine Verlesung im Foyer der X. konnte unterbleiben, da sich hier keinerlei Betroffene mehr aufhielten.

Im Zuge der Verlesung der Verordnung wurde den Personen eine Frist von zehn Minuten eingeräumt, in denen sie die Möglichkeit hatten, das Gebäude freiwillig zu verlassen. Diesem Angebot kamen nur 2-3 Personen nach.

Nach Ablauf der Frist wurde die Verordnung durch Mag. F. um 21.54 Uhr am Gang ein weiteres Mal formlos mitgeteilt und die Erfolglosigkeit zur Kenntnis genommen. Die drei am Gang verbliebenen Personen wurden daraufhin durch Kräfte BE aus dem Gebäude getragen.

Um 21.57 Uhr wurde mit der Räumung des Festsaales begonnen, welche insgesamt ohne Vorfälle verlief. Es wurden 48 Personen, welche sich zu diesem Zeitpunkt am Boden sitzend im Saal befanden, ins Freie getragen und weitere 25 Personen, welche selbstständig gehend den Saal verließen, wurden ins Freie eskortiert.

Die Aktion war mit 22.12 Uhr ohne Vorfälle beendet. Die ins Freie verbrachten Personen verharrten noch unmittelbar vor den Toren der X., um ca. 22.40 Uhr verließen die Letzten den Ort des Geschehens. Nachsicherung erfolgte durch E/...11 bis 23.00 Uhr.

Mail an HLPP, HLPVP GB A, OVD, Rat Mag. F., LLZ Dfg, LVT Journal, SPK …, PK … und HR Mag. Q. wurde gesendet.“

3.1. Die Gegenschrift wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme übermittelt. Die Beschwerdeführerin machte von der ihr eingeräumten Möglichkeit Gebrauch und nahm wie folgt Stellung:

Stellungnahme zur Gegenschrift

I.        Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde

Die von mir am 20.01.2020 eingebrachte Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen die Räumung der X. Wien nach erfolgter Auflösung der Versammlung fälschlicherweise als Besetzung nach §36 SPG. Beschwerdegegenstand ist somit die erfolgte Wegweisung, die eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, und nicht gegen die von der Landespolizeidirektion Wien erlassenen Verordnung zur Auflösung der (fälschlicherweise) Besetzung auf Grundlage des §36 SPG. §3 der besagten Verordnung der LPD Wien bezeichnet sogar explizit die Wegweisung als Zwangsmittel zur Durchsetzung der Verordnung. Somit richtet sich die Beschwerde gegen den AuVbZ gem. §3 der Verordnung der LPD Wien iVm. §50 SPG.

Der in §3 der Verordnung der LPD Wien bezeichnete AuVbZ stellt deshalb eine solche Maßnahme dar, da immer dann eine Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, wenn die Anwendung von Körperkraft gegen Personen gegeben ist (siehe: VfSlg 12.432/1990).

Rechtswidrig war dieser Zwangsakt aus dem Grund, dass er sich auf eine rechtswidrige Verordnung, nämlich die von der LPD Wien zur Auflösung der „Besetzung“ erlassenen Verordnung stützt, die meines Erachtens in dieser Form nicht hätte erlassen werden dürfen, aus dem Grund, dass es sich bei besagter Zusammenkunft vom 10.12.2019 nicht um eine Besetzung im Sinne des SPG, sondern um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes 1953 gehandelt hat, wie bereits in der Beschwerdeschrift ausgeführt.

Zudem bildet die Maßnahmenbeschwerde gem. § Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG den einzigen möglichen Rechtsschutz, sowohl gegen diese auf einer rechtwidrigen Grundlage erfolgten Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, als auch gegen die rechtswidrige Verordnung der LPD Wien vom 10.12.2019, da die einzige andere Möglichkeit, diese Verordnung zu bekämpfen, der Individualantrag vor dem VfGH gem. Art. 140 Abs. 1 Z. 1 lit c B-VG wäre. Dieser ist allerdings dann unzulässig, wenn ein anderer Umweg, diese Verordnung zu bekämpfen, zumutbar wäre. Da im vorliegenden Fall keine solche Umwegsunzumutbarkeit vorliegt, nachdem der rechtswidrige AuVbZ und die zugrundeliegende Verordnung zuerst über ein verwaltungsgerichtliches Verfahren bekämpft werden muss, handelt es sich bei der von mir eingebrachten Maßnahmenbeschwerde um ein zulässiges Rechtsmittel.

Außerdem wurde meinerseits bereits in der Beschwerdeschrift die allfällige Anregung der Überprüfung der Verordnung der LPD Wien vom 10.12.2019 durch den VfGH durch das VwG Wien angeregt.

Zudem lagen alle sonstigen erforderlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie etwa die Rechtzeitigkeit der Beschwerde (siehe §20 erster Satz, §7 Abs. 4 Z. 3 VwGvG) für die Einbringung meiner Maßnahmenbeschwerde im Zeitpunkt der Einbringung vor.

II.    Bedenken zur Rechtmäßigkeit der bezeichneten Verordnung der LPD Wien

Wie bereits in meiner Beschwerdeschrift vom 20.01.2020 ausführlich ausgeführt, handelt es sich meiner Ansicht nach bei der Zusammenkunft vom 10.12.2019 nicht, wie fälschlicherweise behauptet, um eine Besetzung iSd. §36 SPG, sondern klar um eine Versammlung iSd. Versammlungsgesetzes. Auch folgender Absatz des von der LPD Wien im Zuge der Gegenschrift angeführten Einsatzberichtes deutet klar auf diese Qualifizierung als Versammlung hin, der wie folgt lautet:

„Auch am Balkon vor dem Saal zum M.-park skandierten mehrere Personen ihre Forderungen und entfalteten ein Transparent mit der Aufschrift „BESETZT DIE UNIS! #WIEDERBRENNEN FÜR FREIE BILDUNG“.

Die Einschätzung dieser Zusammenkunft als Besetzung statt als Versammlung iSd Versammlungsgesetzes stellt daher eine Fehleinschätzung dar. Lediglich die Bezeichnung der Veranstalter_innen, wie der Teilnehmer_innen schadet der Qualifikation als Versammlung jedenfalls nicht.

Eine Versammlung iSd Versammlungsgesetzes darf erst nach durchgeführter Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgelöst werden, wenn gewichtige Interessen der Durchführung bzw. Weiterführung der Versammlung entgegenstehen. Da die Auflösung einer Versammlung iSd Versammlungsgesetzes den Kernbereich dieses Grundrechts berührt, ist eine solche Verhältnismäßigkeitsabwägung stets durchzuführen und erfolgt bei Unterbleiben einer solchen Abwägung eine Verletzung dieses Grundrechts.

Zudem wurde argumentiert, dass in Ausübung des Hausrechts der X. Wien, die Zusammenkunft aufgelöst und das Gebäude geräumt wurde. Allerdings hat auch das Hausrecht sich an die Schranken der Grundrechtskonformität zu halten und es darf nicht durch Ausübung dieses Hausrechts in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechtspositionen von Personen unverhältnismäßig eingegriffen werden.

Wie sich auch aus der Gegenschrift der LPD Wien ergibt, wurde keine solche Verhältnismäßigkeitsabwägung durchgeführt.

III.  Antrag auf Kostenersatz

Zudem stelle ich nachträglich den Antrag auf vollen Kostenersatz der entstandenen Aufwendungen gem. §35 VwGVG und gem. §1 VwG-Aufwandersatzverordnung.“

3.2. Die belangte Behörde wurde ersucht den auf die in Ablichtung vorgelegte Verordnung des Wiener Landespolizeipräsidenten vom 10.12.2019 Bezug habenden Verordnungserlassungsakt dem Verwaltungsgericht Wien im Original zur Einsichtnahme zu übermitteln. Mit Eingabe von 09.03.2020 wurde im Original der Verordnungserlassungsakt dem Verwaltungsgericht Wien zugeleitet. Dabei wurde auch angemerkt, dass es sich um eine Journalangelegenheit, somit eine außerhalb der planmäßigen Dienstzeit und als dringend einzustufende Angelegenheit gehandelt habe. Daher sei der Verordnungserlassung kein umfangreiches Verfahren voraus gegangen. Der vorgelegte Verordnungserlassungsakt umfasst einen Aktenvermerk vom 10.12.2019 sowie die genannte Verordnung vom 10.12.2019 jeweils mit eigenhändigen Unterschriften.

Dabei hat die Verordnung folgenden Wortlaut:

VERORDNUNG

der Landespolizeidirektion Wien vom 10.12.2019

Gemäß § 37 des Sicherheitspolizeigesetzes 1991, BGBl 1991/566, in der derzeit geltenden Fassung wird verordnet:

§ 1. Die X. Wien, I.-platz,  Wien, wurde am 10.12.2019 um 15:30 Uhr im dortigen Festsaal von mehreren Personen (ca 75) unrechtmäßig ohne Duldung des Verfügungsberechtigten besetzt.

§ 2. Es wird das Verlassen der X. Wien, I.-platz,  Wien, angeordnet. Des Weiteren wird ein Betreten des Gebäudes untersagt, nachdem die Besetzung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Verfügungsberechtigten darstellt und diese die Auflösung verlangen.

§ 3. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, die Besetzer aus dem Gebäude der X. Wien zu weisen. Die Räumung ist gemäß § 50 SPG mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchzusetzen.

§ 4. Die Verordnung ist in geeigneter Weise durch den Behördenvertreter vor Ort kundzumachen und tritt unmittelbar nach Verlautbarung in Kraft.

§ 5. Wer diesem angeordneten Betretungsverbot zuwiderhandelt begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 2300 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu be[s]trafen.

§ 6. Das Betretungsverbot endet mit Außerkrafttreten der Verordnung.

§ 7. Diese Verordnung tritt am 10.12.2019 um 21:39 Uhr in Kraft und am 11.12.2019 um 03:39 Uhr außer Kraft.

Wien, am 10.12.2019                                                   Der Landespolizeipräsident:

                                                                         i.A. Mag. R., Hofrat

                                                                         Präsidialjournaldienst“

Der vorgelegte Aktenvermerk lautet wie folgt:

Betreff: Besetzung des Festsaales der X. Wien

Wien, am 10.12.2019

Aktenvermerk

Im Zuge meines Präsidialjournaldienstes am 10.12.2019 wurde ich um ca 16:30 Uhr davon in Kenntnis gesetzt, dass in der X. Wien am I.-platz mehrere Personen (mehr als 50 TeilnehmerInnen) unrechtmäßig ohne Duldung der Verfügungsberechtigten in das Gebäude eingedrungen und in weiterer Folge der Festsaal besetzt worden sein soll.

Zum Ort des Geschehens haben sich der Journalbeamte des LVT Wien, Rat Mag. F. (EL), sowie der Stadtpolizeikommandant von D., Oberst H. (EKdt) begeben, mit welchen ich während der Amtshandlung in telefonischem Kontakt stand. Der Landespolizeipräsident wurde von mir unverzüglich telefonisch vom Vorfall informiert.

Im Zuge der Verhandlungen mit den TeilnehmerInnen (wechselnde Ansprechpartner) sei klar geworden, dass diese den Festsaal nicht freiwillig verlassen werden. Laut Einschätzung des LVT-Leiters und des Journalbeamten vor Ort handelt es sich um eine Besetzung im Sinne des § 37 SPG.

Nachdem der Verfügungsberechtigte die Auflösung verlangte und ausreichend Kräfte der Polizei vor Ort waren, wurde nach Rücksprache mit dem Herrn Landespolizeipräsidenten und dessen Genehmigung die Auflösung im Sinne des § 37 SPG und nötigen falls die Räumung gemäß § 50 SPG angeordnet. Es wurde von mir eine Verordnung erlassen und diese vom EL in geeigneter Weise vor Ort kundgemacht.

Laut Auskunft des EL, Rat Mag. F., verlief die Räumung ohne Vorfälle und war um ca. 22:15 Uhr beendet. Der Landespolizeipräsident und der EKC-Journal wurden von mir in Kenntnis gesetzt.“

4. Beim Verwaltungsgericht Wien fand am 06.05.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung in der Beschwerdesache zur Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie der Zeugen Rat Mag. F., Hofrat Mag. R. und Oberst H. statt.

Aufgrund der Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung, der Parteieneinvernahme, der Einvernahme der genannten Zeugen, der von den Parteien vorgelegten Schriftsätzen und der unbedenklichen und unbestritten gebliebenen Aktenlage hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden – im Wesentlichen unstrittigen – Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Am 10.12.2019 fand im Zeitraum zwischen 14:30 Uhr bis 15:00 Uhr vor der X.-Wien am I.-platz eine angemeldete Versammlung statt, um Unmut über die bestehende Hochschulpolitik kundzutun. Daran nahmen zahlreiche Personen teil.

Nach Beendigung der angemeldeten Versammlung beschlossen einige Versammlungsteilnehmer ihren Protest im Festsaal der X.-Wien weiterzuführen und diesen zu besetzen. Gegen 15:30 Uhr befanden sich schließlich rund 80 der Versammlungsteilnehmer im Festsaal der X.-Wien und verharrten in diesem. Die Beschwerdeführerin traf etwas später hinzu, um an der Besetzung teilzunehmen, doch wurde ihr der Eintritt in den Festsaal von Securitymitarbeitern, an welchen sie sich nicht vorbeidrängeln bzw. „keinen Körperkontakt“ wollte, verwehrt, sodass sie am Boden vor dem Festsaal sitzend an der Besetzung teilnahm.

Vom Balkon des Festsaals aus wurden Parolen gerufen und ein Transparent gehisst. Auch am Balkon vor dem Saal zum M.-park hin, skandierten mehrere Personen ihre Forderungen und entfalteten ein Transparent mit der Aufschrift: „BESETZT DIE UNIS! #WIEDERBRENNEN FÜR FREIE BILDUNG“. Im Festsaal wurde ein Plenum abgehalten, um die zu erhebenden Forderungen weiter zu besprechen, thematisch beispielsweise Platzmangel, Anwesenheitspflicht bei bestimmten Studien, Studiengebühren. Das Interesse der Versammlungsteilnehmer war darauf gerichtet auf den aktuellen Platzmangel an Österreichs Hochschulen, die schlechten Studienbedingungen, die Beschränkung der Hochschulbindung und des Zugangs zu den Hochschulen aufmerksam zu machen. Auch sollte Druck auf Vertreter der X.-Wien ausgeübt werden, damit diese in Verhandlungen treten sollten, die zuvor verweigert worden waren.

Einsatzkräfte der belangten Behörde wurden im Wege der Landesleitzentrale um 15:30 Uhr von der Besetzung des Festsaales verständigt und begaben sich vor Ort. Der Gesamtprojektleiter der X. und Sicherheitsverantwortliche erklärte, dass die Studenten den Saal ohne dessen Einwilligung besetzt hielten und dort forderten, für zwei Stunden ein Plenum abhalten zu dürfen und dann der Rektorin ihre Bedienungen für ihren Abzug vortragen zu dürfen. Einsatzkommandant vor Ort war Oberst H.. Um ca. 16:20 Uhr traf ein Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) ein, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen und in weiterer Folge auch Mag. F. (LVT-Journal). Um ca. 17:00 Uhr begaben sich Oberst H. und Mag. F. zur weiteren Beratung in das Rektorat, wobei ein aktives polizeiliches Einschreiten zumindest bis zur Überbringung der Forderungen ausgeschlossen wurde.

Um 17:55 Uhr übergaben zwei männliche Vertreter der Studierenden die Forderung für einen Abzug der Studenten, welche darin bestanden, dass sich Vertreter der Regierung vor Ort zu Gesprächen zur weiteren Bildungspolitik stellen sollten. Gefordert wurde auch mehr Geld für Studierende. Die Rektorin konnte dies nicht zusichern, erklärte sich aber bereit, den Festsaal für solche Gespräche nach vorheriger Terminvereinbarung zur Verfügung zu stellen. Die Vertreter der Studierenden begaben sich zur weiteren Beratung in den besetzten Festsaal zurück. Dabei berichteten die beiden Verhandler von den Gesprächen mit der Rektorin und es wurde in weiterer Folge länger darüber diskutiert, ob man der Rektorin vertrauen könne, und anschließend wurde im Plenum abgestimmt.

Um 19:15 Uhr begaben sich Vertreter der Studierenden zu einer erneuten Besprechung in das Rektorat und gaben bekannt, sie würden unter den gegebenen Bedienungen den Saal nicht räumen. Seitens des Rektorats wurde ihnen eine weitere Stunde an Bedenkzeit eingeräumt. Um 20:30 Uhr beteuerten die Vertreter der Studierenden neuerlich auf ihren Forderungen zu beharren und nicht abzuziehen und begaben sich sodann erneut in den Festsaal.

Zur selben Zeit erfolgte eine weitere Besprechung unter anderem seitens Mag. F. im Beisein von Oberst H. und der Rektorin der X.-Wien und deren Vertreter, in welcher seitens der Rektorin bzw. ihrem Stellvertreter zum Ausdruck gebracht wurde, dass ein Verbleib der Studierenden im Festsaal über Nacht nicht geduldet werden würde, weil „geordnete Verhältnisse“ gewünscht waren.

Mag. F. stufte um 20:55 Uhr die Situation aktuell vor Ort als eine Besetzung im Sinne des § 37 des Sicherheitspolizeigesetzes ein.

Mag. R. erließ aufgrund der Einschätzung des vor Ort anwesenden Mag. F. sowie nach Rücksprache und im Auftrag des Wiener Landespolizeipräsidenten die Verordnung des Wiener Polizeipräsidenten vom 10.12.2019.

Mag. F. verlas sodann von 21:38 Uhr bis 21:39 Uhr im Festsaal sowie von 21:43 Uhr bis 21:44 Uhr im Gang vor dem Festsaal die Verordnung mit dem Wortlaut „Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind durch Verordnung des Wiener Landespolizeipräsidenten ermächtigt, die Besetzer aus dem Gebäude der X. Wien zu weisen. Diese Räumung ist mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchzusetzen, sofern der Räumung nicht freiwillig binnen zehn Minuten nachgekommen wird.“.

Den anwesenden Studierenden wurde eine Frist von 10 Minuten eingeräumt und ihnen die Möglichkeit gegeben, das Gebäude freiwillig zu verlassen. Dieses Angebot nahmen nur 2-3 Personen war, die Beschwerdeführerin blieb weiterhin am Boden vor dem Festsaal sitzen.

Nach Ablauf von 10 Minuten wurden die Studierenden, die der Räumung nicht freiwillig nachkamen, unter Anwendung von Zwangsgewalt aus den besetzten Räumlichkeiten der X.-Wien hinaus befördert (48 am Boden sitzende Personen wurden ins Freie getragen und weitere 25 Personen, die selbständig gehend den Saal verließen, wurden ins Freie eskortiert).

Die Organe der belangten Behörde versuchten die Beschwerdeführerin zu überreden innerhalb der gesetzten zehn Minuten freiwillig zu gehen, was die Beschwerdeführerin verneinte; sie blieb weiterhin am Boden sitzen. Nach Ablauf der zehn Minuten wurde die Beschwerdeführerin unter Anwendung von Zwangsgewalt (Hochheben und Tragen vor das Gebäude der X.-Wien) aus den Räumlichkeiten der X. Wien hinaus befördert.

5. Beim Verwaltungsgericht Wien bestanden Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der auf Grundlage des § 37 Sicherheitspolizeigesetzes erlassenen Verordnung der belangten Behörde. Aufgrund dieser Bedenken wurde am 12.05.2020 gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 135 Abs. 4 und Art. 89 Abs. 2 B-VG der Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit dieser Verordnung gestellt. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 09.03.2020, V 433/2020-9, stellte der Gerichtshof fest, dass die auf § 37 SPG gestützte Verordnung der belangten Behörde vom 10.12.2019, kundgemacht durch Verlesen im Festsaal der X. Wen von 21:38 Uhr bis 21:39 Uhr und am Gang beim Festsaal der X. Wien von 21:43 Uhr bis 21:44 Uhr, gesetzwidrig war.

II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen (§ 28 Abs. 6 VwGVG).

2.1. Die im Beschwerdeverfahren relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/2019 und in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 113/2019, lauten auszugsweise:

Platzverbot

§ 36. (1) bis (3) (…)

(4) Verordnungen gemäß Abs. 2 sind in geeigneter Weise, wie etwa mittels Megaphon kundzumachen und treten unmittelbar nach ihrer Verlautbarung in Kraft. Die Sicherheitsbehörde hat dafür zu sorgen, daß die Untersagung des Betretens möglichen Betroffenen zur Kenntnis gelangt. Die Verordnung ist aufzuheben, sobald keine Gefahr mehr besteht, und tritt jedenfalls sechs Stunden nach ihrer Erlassung außer Kraft.!

Auflösung von Besetzungen

§ 37. (1) Kommen mehrere Menschen ohne Duldung des Besitzers auf einem Grundstück oder in einem Raum in gemeinsamer Absicht zusammen, ohne daß diese Ansammlung den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes 1953 unterliegt, so hat die Sicherheitsbehörde mit Verordnung das Verlassen des Grundstückes oder Raumes anzuordnen und zugleich dessen Betreten zu untersagen, wenn

      1. die Auflösung der Besetzung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notwendig ist oder

      2. die Besetzung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Besitzers darstellt und dieser die Auflösung verlangt.

Die Sicherheitsbehörde hat in diesen Fällen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu ermächtigen, die Besetzer vom Grundstück oder aus dem Raum zu weisen. Für solche Verordnungen gilt § 36 Abs. 4.

(2) Sobald eine Besetzung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Ort der Besetzung sofort zu verlassen und auseinanderzugehen.“

Unmittelbare Zwangsgewalt

§ 50. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind, sofern nicht anderes bestimmt ist, ermächtigt, die ihnen von diesem Bundesgesetz oder von einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung eingeräumten Befugnisse mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchzusetzen.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben anwesenden Betroffenen die Ausübung von unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und anzukündigen. Hievon kann in den Fällen der Notwehr oder der Beendigung gefährlicher Angriffe (§ 33) soweit abgesehen werden, als dies für die Verteidigung des angegriffenen Rechtsgutes unerläßlich erscheint.

(3) Für die Anwendung von unmittelbarer Zwangsgewalt gegen Menschen gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969.

(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen physische Gewalt gegen Sachen anwenden, wenn dies für die Ausübung einer Befugnis unerläßlich ist. Hiebei haben sie alles daranzusetzen, daß eine Gefährdung von Menschen unterbleibt.“

Sonstige Verwaltungsübertretungen

§ 84. (1) Wer

      1. bis 5. (…)

      6. einem mit Verordnung gemäß § 37 Abs. 1 angeordneten Betretungsverbot zuwiderhandelt oder

      7. (…)

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 2 300 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen. Waffen und Gegenstände einer Verwaltungsübertretung gemäß Z 4a sind nach Maßgabe des § 17 VStG für verfallen zu erklären.

(1a) und (2) (…)“

2.2. Die auf Grundlage des § 37 SPG erlassene und durch Verlesung im Festsaal und am Gang der X. Wien am 10.12.2019 kundgemachte Verordnung des Landespolizeipräsidenten lautete wie unter Punkt I.4. wiedergegeben.

3.1. Die Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt regelt § 35 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, welcher lautet:

„§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

      1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

      2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

      3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

3.2. Die Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, lautet auszugsweise:

„§ 1. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:

      1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei   737,60 Euro

      2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei   922,00 Euro

      3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei              57,40 Euro

      4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei   368,80 Euro

      5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei   461,00 Euro

      6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)            553,20 Euro

      7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)          276,60 Euro“

III.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, erkennen Verwaltungsgerichte (ebenso wie bisher die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG in der Fassung vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Aus den parlamentarischen Erläuterungen zur genannten Novelle (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 13) erschließen sich keine Anhaltspunkte, dass durch diese Novelle der Beschwerdegegenstand eine Änderung erfahren hat, weshalb die bisher ergangene Rechtsprechung zur Vorgängerbestimmung weiterhin einschlägig ist (vgl. etwa auch Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 VwGVG (Stand 15.2.2017, rdb.at) Rz 68, 71).

Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht es bei einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt nicht darum, die abstrakte Zulässigkeit einer Maßnahme zu prüfen, sondern darum, ob der ganz konkret vorgenommene Zwangsakt rechtmäßig war oder nicht. Es ist nicht zulässig, dann, wenn sich der tatsächlich für die Zwangsmaßnahme maßgebend gewesene Grund als unzureichend erweisen sollte, nachträglich den Rechtsgrund auszuwechseln und eine andere, besser geeignete gesetzliche Grundlage heranzuziehen (VwGH vom 22.10.2002, Zl 2000/01/0527, oder vom 12.09.2006, Zl 2005/03/0068).

1.2. In der Beschwerdesache steht fest, dass gegenüber der Beschwerdeführerin am 10.12.2019 auf Grundlage der vom Landespolizeipräsidenten am selben Tag, gestützt auf § 37 SPG erlassenen Verordnung Zwangsgewalt dergestalt geübt wurde, dass sie hochgehoben und aus dem bzw. vor das Gebäude der X.-Wien getragen wurde.

Weil der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 09.03.2020, V 433/2020-9, festgestellt hat, dass die dieser zur Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt in Anspruch genommene und ermächtigenden Verordnung gesetzwidrig war, fehlt es in der Beschwerdesache an einer die ausgeübte Zwangsgewalt deckende Rechtsgrundlage, weshalb sich die beschwerdegegenständliche Zwangsgewalt als rechtswidrig erweist und spruchgemäß zu entscheiden war.

2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 35 Abs. 1, 2 und 4 Z 3 VwGVG iVm § 1 Z 1 und 2 VwG-AufwErsV.

3. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen klar aus dem Gesetz lösbar sind (vgl. Köhler, Der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 589 ff, mwN).

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Versammlung; Auflösung; Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.102.067.881.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten