TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/24 95/19/1302

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Veröffentlicht am 24.03.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VwRallg;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §17 Abs4;
ZustG §21 Abs2;
ZustG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Kl, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1995, Zl. 302.946/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 2. Juni 1995 als verspätet zurückgewiesen. Die Begründung der belangten Behörde lautet:

"Berufungen sind gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 09.06.1995 erfolgte und Ihre Berufung erst am 26.06.1995 und daher verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Laut dem im Akt erliegenden Rückschein wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt mit RSa-Brief zugestellt. Der erste Zustellversuch erfolgte am 8. Juni 1995, die Ankündigung eines Zustellversuches wurde an der Abgabestelle zurückgelassen. Der angekündigte zweite Zustellversuch erfolgte am 9. Juni 1995. Die Verständigung über die Hinterlegung beim Postamt in E mit Beginn der Abholfrist 9. Juni 1995 wurde an der Abgabestelle zurückgelassen.

Der Beschwerdeführer tritt der Richtigkeit der im Rückschein vom Zusteller beurkundeten Angaben nicht entgegen. Er bringt jedoch vor, daß der 9. Juni 1995 ein Freitag gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei damals damit beschäftigt gewesen, "seine Wohnung in der B-Straße 2 in E aufzulösen, um zu seinem Sohn B nach K umzuziehen". Er habe "diverse Gegenstände bereits vor dem 9. Juni 1995 von E nach K verbracht" und habe sich "sowohl am 9.6.1995, als auch am darauffolgenden Wochenende durchgehend in K aufgehalten, um dort sein Zimmer einzurichten". Er sei am Montag, dem 12. Juni 1995 nach E zurückgekehrt, "um die Wohnung in E endgültig zu räumen". Dort habe er die Hinterlegungsanzeige vorgefunden und den Bescheid noch am 12. Juni 1995 beim Postamt E behoben. "Danach ist er endgültig nach K verzogen, wo er sich am 16.6.1995 auch polizeilich anmeldete."

Der Beschwerdeführer rügt, daß ihm im Berufungsverfahren kein Verspätungsvorhalt gemacht worden sei. Hätte ihm die belangte Behörde diesen Vorhalt gemacht, hätte er die oben angeführten Angaben gemacht und zum Beweis für sein Vorbringen, daß "der Beschwerdeführer damit beschäftigt ist, die Wohnung in E endgültig zu räumen", die Vermieterin als Zeugin genannt. Auch der Zusteller hätte durch Befragung der Nachbarn zum Ergebnis gelangen können, daß der Beschwerdeführer "die Wohnung aufgibt" bzw. "sich der Beschwerdeführer nicht mehr regelmäßig an der Abgabestelle in E aufhält". Der Beschwerdeführer leitet daraus ab, daß sein nunmehriges Beschwerdevorbringen zulässig sei und sich daraus ergebe, daß die Wohnung in E nicht mehr den Charakter einer Abgabestelle gehabt habe bzw. sich der Beschwerdeführer dort nicht mehr regelmäßig aufgehalten habe, weshalb die Hinterlegung beim Postamt nicht zulässig gewesen sei.

Zwar ist dem Beschwerdeführer dahingehend beizupflichten, daß die Behörde das Risiko der Aufhebung ihres Bescheides trägt, wenn sie die vermeintliche Verspätung eines Rechtsmittels dem Rechtsmittelwerber nicht vorhält und dieser in der Folge einen Sachverhalt vorbringt, welcher geeignet ist darzutun, daß die belangte Behörde bei Gewährung von Parteiengehör zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Dennoch kann das Beschwerdevorbringen die Beschwerde nicht zum Erfolg führen:

Unter Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz ist unter anderem die Wohnung des Empfängers zu verstehen. Unter einer Wohnung im Sinne des § 4 Zustellgesetz ist jene Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0109). Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben, die Wohnung in E vor dem fraglichen Zustellvorgang als Hauptwohnsitz bewohnt zu haben. Der Umstand, daß er im Begriff war, die Wohnung aufzugeben, um zu seinem Sohn zu ziehen, nimmt angesichts des Vorbringens, daß der Beschwerdeführer sich am Tag der Hinterlegung und an dem der Hinterlegung folgenden Wochenende in K aufgehalten habe, "um dort sein Zimmer einzurichten" und erst am 12. Juni 1995 seine Wohnung in E "endgültig zu räumen", der Wohnung in E vor dem 12. Juni 1995 nicht den Charakter einer Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz, weil der Beschwerdeführer diese Wohnung erst am 12. Juni 1995 aufgegeben hat.

Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist die Sendung, wenn sie an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle vor, wenn der Empfänger, von kurzfristigen - in vielen Fällen auch periodischen - Abwesenheiten abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt. Der Beschwerdeführer hat keine Ortsabwesenheit bis zum Ablauf des 8. Juni 1995 behauptet, welche die Hinterlegung unzulässig machen würde. Er ist auch am darauffolgenden Montag in die Wohnung in E zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer hat damit keinen Sachverhalt geltend gemacht, der daran zweifeln ließe, daß der Zusteller Grund zur Annahme haben durfte, der Beschwerdeführer halte sich zur Zeit der gegenständlichen Zustellung regelmäßig an der Abgabestelle auf.

§ 17 Abs. 3 und § 21 ZustellG lauten:

"§ 17. (1) ...

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

§ 21. (1) Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.

(2) Kann die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden, so ist der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen."

Bei einer Zustellung zu eigenen Handen kann der Empfänger bereits durch die Verständigung vom erfolglosen ersten Zustellversuch und die Aufforderung, an der für die Vornahme des zweiten Versuches bestimmten Zeit zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, Kenntnis davon erlangen, daß ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden soll. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an. Die Hinterlegung hat die Wirkung der Zustellung, wenn der Empfänger auch nur am Tag des ersten Zustellversuches, nicht jedoch auch am Tag des zweiten Zustellversuches ortsanwesend war (vgl. z.B das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1993, Zl. 92/17/0239).

Da der Beschwerdeführer keine Abwesenheit von der Wohnung in E für den 8. Juni 1995 (erster Zustellversuch samt Zurücklassung der Ankündigung eines zweiten Zustellversuches am 9. Juni 1995 an der Abgabestelle) behauptet hat, konnte er bereits am 8. Juni 1995 Kenntnis davon erlangen, daß ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden solle.

Daraus ergibt sich, daß die Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 9. Juni 1995 beim Postamt in E rechtsgültig im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz erfolgte. Damit hätte die belangte Behörde aber auch bei Einhaltung des Parteiengehörs zu keinem anderen Bescheid kommen können, denn ausgehend vom 9. Juni 1995 endete die Rechtsmittelfrist mit Ablauf des 23. Juni 1995, sodaß die am 26. Juni 1995 zur Post gegebene Berufung verspätet eingebracht wurde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191302.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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