TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/10 VGW-002/024/5501/2020

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §9 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien e r k e n n t durch seine Richterin Dr. Fekete-Wimmer über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Landeskriminalamt - Referat 2 Wirtschaftspolizeiliche Angelegenheiten und Vermögenssicherung, vom 13. Februar 2020, Zl. …, betreffend Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 3. Fall iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG),

zu Recht:

I.   Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II.  Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

1. Mit Straferkenntnis vom 13. Februar 2020 legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last:

„1.     Datum/Zeit:   15.03.2019, 18:10 Uhr

Ort:                      Wien, C.-straße; Lokalbetreiber: D. GmbH

Sie wurden vom handelsrechtlichen Geschäftsführer der Firma D. GmbH Herrn E. bevollmächtigt und sind somit als zur Vertretung nach außen Berufener für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass die Firma D. GmbH am 15.03.2019 um 18.10 in Wien, C.-straße im Lokal zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich machte, indem die Firma D. GmbH es als Unternehmerin entgegen den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes gegen Entgelt duldete, dass in den Räumlichkeiten die funktionsfähigen und in betriebsbereitem Zustand aufgestellten Glücksspielgeräte

1.) ACT Memory Skill    mit der Seriennummer …   (FA Nr. 1)

2.) ACT Memory Skill    mit der Seriennummer …   (FA Nr. 2)

3.) World Games Memory Skill   mit der Seriennummer …   (FA Nr. 3)

4.) World Games Memory Skill   mit der Seriennummer …   (FA Nr. 4)

und dem dazugehörenden Ein- und Auszahlungsgerät mit der Seriennummer … (FA. Nr. 5) aufgestellt waren, an denen Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glücksspielen im Inland ermöglicht wurde.

An diesen Geräten wurden Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Walzenspielen geboten, bei denen Spielern nach Leistung eines Einsatzes, ein Gewinn für das Erzielen eines bestimmten Spielergebnisses, dass ausschließlich vom Zufall abhing, in Aussicht gestellt wurde.

Für den Betrieb dieser Geräte lag keine Bewilligung oder Konzession vor.

Durch Kontrollorgane der Finanzpolizei … wurde am 15.03.2019 im Zeitraum von 18.10 Uhr bis 19.15 Uhr festgestellt, dass mit den Glücksspielgeräten mehrere Glücksspiele vor allem virtuelle Walzenspiele in unterschiedlichen Einsatzhöhen gespielt werden konnten.

Die D. GmbH haftet gem. § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe, sonstige in Geld bemessenen Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 52 Abs. 1 Z 1 (3. Fall) i.V.m. § 2 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 4 GSpG BGBl. Nr. 620/1989 i.d.g.F. i.V.m. §9 Abs. 1 VStG

2. § 52 Abs. 1 Z 1 (3. Fall) i.V.m. § 2 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 4 GSpG BGBl. Nr. 620/1989 i.d.g.F. i.V.m. §9 Abs. 1 VStG

3. § 52 Abs. 1 Z 1 (3. Fall) i.V.m. § 2 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 4 GSpG BGBl. Nr. 620/1989 i.d.g.F. i.V.m. §9 Abs. 1 VStG

4. § 52 Abs. 1 Z 1 (3. Fall) i.V.m. § 2 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 4 GSpG BGBl. Nr. 620/1989 i.d.g.F. i.V.m. §9 Abs. 1 VStG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von      falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von von

1.  € 5.000,00              2 Tage             § 52 Abs. 2 3. Strafsatz

                                                              Glücksspielgesetz (GSpG)

2.  € 5.000,00              2 Tage             § 52 Abs. 2 3. Strafsatz

                                                              Glücksspielgesetz (GSpG)

3.  € 5.000,00              2 Tage             § 52 Abs. 2 3. Strafsatz

                                                              Glücksspielgesetz (GSpG)

4.  € 5.000,00              2 Tage             § 52 Abs. 2 3. Strafsatz

                                                              Glücksspielgesetz (GSpG)

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

keine

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 2.000,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 22.000,00

In der Begründung wird angeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Rechtfertigung angegeben, er habe die Tat nicht zu verantworten, da er nicht Geschäftsführer der Firma D. GmbH sei. Dazu bemerkte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer sei am 12. Mai 2017 bevollmächtigt und beauftragt worden, den Geschäftsführer, F. E., in jeglicher Art zu vertreten, weswegen spruchgemäß zu entscheiden sei.

2. In der rechtzeitig gegen das Straferkenntnis eingebrachten Beschwerde wird zusammengefasst vorgebracht, der Beschwerdeführer sei nicht handelsrechtlicher Geschäftsführer der D. GmbH und insofern nicht für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich verantwortlich. Ferner seien keine Ausspielungen iSd GSpG zugänglich gemacht worden und verstoße das angefochtene Straferkenntnis gegen Unionsrecht.

3. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde samt dem zugehörigen Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien, eingelangt am 14. Mai 2020, zur Entscheidung vor.

4. Mit Stellungnahme vom 29. Juli 2020 erklärte die Finanzpolizei zur Beschwerde unter anderem, dem Beschwerdeführer werde nicht vorgeworfen, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der D. GmbH verantwortlich für die strafbare Handlung zu sein. Er sei vom handelsrechtlichen Geschäftsführer bevollmächtigt worden, umfassende Handlungen im Rahmen der D. GmbH zu tätigen und sei somit als verantwortlich Beauftragter anzusehen.

II.      Sachverhalt

1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Herr F. E. ist alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der D. GmbH mit Sitz in Wien.

Die Vollmacht vom 12. Mai 2017, mit welcher F. E. den Beschwerdeführer bevollmächtigte, hat folgenden Inhalt:

Vollmacht

mit welcher ich, F. E., geboren am … 1981 (neunzehnhuntereinundachtzig), G., Herrn A. B., geboren am … 1964 (neunzehnhundertvierundzechzig), Wien, J.-straße, bevollmächtige und beauftrage

1)   Mich bei Gesellschafterbeschlüssen und Gesellschafterversammlungen der D. GmbH, oder welchen Firmawortlaut diese Firma auch künftig führen wird, mit dem Sitz in Wien (FN …), in jeglicher Art zu vertreten und für mich das Stimmrecht auszuüben, einschließlich Geschäftsführerbestellungen und –abberufung, Sitzverlegung, Änderung des Bilanzstichtages, der Geschäftsanschrift, Liquidation und Löschung der Gesellschaft, Bestellung eines Liquidators, sowie

2)   mich in meiner Eigenschaft als Gesellschafter und Geschäftsführer der D. GmbH mit dem Sitz in Wien in allen Belangen, insbesondere betreffend des Punktes 1) zu vertreten, und für mich Erklärungen, welcher Art immer, auch in Form von Firmenbucheingaben abzugeben und für mich Nachträge zu errichten,

3)   für mich einen Abtretungsvertrag abzugeben, mit dem ich meinen Geschäftsanteil an der D. GmbH, welcher einer Stammeinlage von EUR 35.000,-- (Euro fünfunddreißigtausend) und mit einem Betrag von EUR 5.000,-- (Euro fünftausend) geleistet, entspricht, ganz oder in Teilen – auch in Form von Anbot und Annahmeerklärung, abtrete, den oder die übernehmenden Gesellschafter auszuwählen, und alle Vertragsbedingungen, einschließlich der Festsetzungen des Abtretungspreises und der Art seiner Bezahlung […]“

2. Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und Würdigung des Beschwerdevorbringens.

Die Feststellung, dass F. E. alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der D. GmbH ist, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Auszug des Firmenbuchs.

Die Vollmacht liegt dem Verwaltungsakt inne. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest und waren von hier ausgehend allein rechtliche Fragen zu beantworten.

III.     Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortlich Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Umfang des übertragenen Verantwortlichkeitsbereiches ausschließlich aus dem Inhalt der Bestellungsurkunde ohne weitere Ermittlungstätigkeit und Zuhilfenahme weiterer Beweis zu ermitteln. Bei der Auslegung der Bestellungsurkunde ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Diese Grundsätze gelten sowohl für den Umfang des Verantwortlichkeitsbereichs als auch für die Zustimmungserklärung (vgl. zB VwGH 13.7.2020, Ra 2020/02/0115; VwGH 17.2.2015, Ro 2014/02/0124, mwN)

Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 VStG ist klar ersichtlich, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne dieser Bestimmung vor (VwGH 23.4.2013, 2013/09/0026). Gemäß § 9 Abs. 2 iVm Abs. 4 VStG ist eine nachweisliche Zustimmung des zum verantwortlichen Beauftragten bestellten erforderlich. Die Wichtigkeit der Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit erfordert es, dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und die damit übereinstimmende Zustimmung so erklärt werden, dass kein Zweifel an deren Inhalt entsteht (VwGH 22.10.2012, 2010/03/0065; 27.6.2007, 2005/03/0140). Die Bestellung muss sich zudem erkennbar (auch) auf eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit beziehen, also auch auf die Begründung einer Verantwortlichkeit im Außenverhältnis gerichtet sein (Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg), Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz2 (2016) zu § 9 VStG, Rz 11).

2. Aus der gegenständlich vorliegenden Vollmacht geht nicht hervor, dass der Beschwerdeführer zum verantwortlichen Beauftragten der D. GmbH bestellt wurde: Im Lichte der oben angeführten Judikatur müsste die Zustimmung so erklärt werden, dass kein Zweifel an deren Inhalt entsteht und der Verantwortlichkeitsbereich zudem klar abgegrenzt sein. Aus dem objektiven Erklärungswert der Vollmacht ist aber eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten des Beschwerdeführers entgegen der Ansicht der belangten Behörde und der Finanzpolizei nicht ableitbar. Insbesondere Punkt 2) der Vollmacht – worin Beschwerdeführer zu einer Vertretung in allen Belangen bevollmächtigt wird – kann eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nicht konstituieren. Daraus geht nicht zweifelsfrei hervor, dass der Beschwerdeführer auch zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden oder eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Außenverhältnis begründet werden soll. Des Weiteren würde es diesfalls auch an der Abgrenzung eines Bereichs fehlen.

Das Verwaltungsgericht Wien verkennt nicht, dass vermieden werden soll, dass als Folge von Zweifeln am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleiben (VwGH 20.2.219, Ra 2018/03/0121, uva). Diese Gefahr besteht hier jedoch nicht, da keine Gründe ersichtlich sind, warum der handelsrechtliche Geschäftsführer nicht als Verantwortlicher iSd § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich belangt werden hätte können.

Der objektive Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist daher nicht erfüllt und das Verfahren somit gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

4. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Speziell die Auslegung der Bestellungsurkunde ist nach der Rechtsprechung des VwGH stellt Allgemeinen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar und ist nicht revisibel (VwGH 17.2.2015, Ro 2014/02/0124). Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit; Bevollmächtigung; Verantwortlicher Beauftragter; Bestellung; Bestellungsurkunde; Verantwortlichkeitsbereich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.002.024.5501.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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