TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/31 W156 2233451-1

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Veröffentlicht am 31.03.2021
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Entscheidungsdatum

31.03.2021

Norm

ASGG §71
ASGG §72
ASVG §8 Abs1
B-KUVG §56
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch


W156 2233451-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , gegen den Bescheid der BVAEB, vom 22.04.2020, GZ: XXXX , betreffend Anspruch der Leistungen der Krankenversicherung nach § 56 B-KUVG, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.02.2019, GZ: XXXX , wurde der Antrag der XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin – BF) vom 04.09.2018 auf Waisenpension nach dem am 06.09.2017 verstorbenen Vater XXXX ab 04.09.2018 zuerkannt.

2. Gegen diesen Bescheid brachte die BF eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht, GZ: XXXX ein. Begründend wurde darin ausgeführt, dass die BF aufgrund ihrer Grunderkrankungen und der damit einhergehenden Einschränkungen an einer Antragstellung innerhalb der 6-Monatsfrist gehindert gewesen wäre, weshalb die Ausnahmeregelung des
§ 86 Abs. 3 Z 1 Satz 3 ASVG (zumindest analog) anzuwenden gewesen wäre, sodass der BF der Anspruch auf Gewährung einer Waisenpension bereits ab dem 07.09.2017 hätte anerkannt werden müssen.

3. In der Tagsatzung vom 06.12.2019 zog die vertretene BF die bei Gericht anhängige Klage gegen den Bescheid vom 27.02.2019 zurück.

4. Am 10.12.2019 stellte die BF durch ihren Rechtsvertreter bei der BVAEB, Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (in weiterer Folge: belangte Behörde) einen Antrag auf Feststellung der Anspruchsberechtigung als Angehörige auf Leistungen der Krankenversicherung. Darin wurde ausgeführt, dass mit der Gewährung des Anspruchs einer Waisenpension durch den Bescheid vom 27.02.2019 gleichzeitig der Anspruch der BF auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung bei der NÖ GKK verbunden sei, weshalb gemäß § 56 B-KUVG die Anspruchsvoraussetzungen für eine Mitversicherung (bei ihrer Mutter) bei der belangen Behörde nicht mehr gegeben wäre. Zwischenzeitig hätte die BF den Bescheid vom 27.02.2019 mittels Klage beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten, weshalb dieser gemäß § 71 ASGG (im angefochtenen Umfang) außer Kraft getreten wäre. Auf Grund der Klagsrücknahme würden jedoch auch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung bei der NÖGKK nicht mehr vorliegen. Aus diesen Grund wären die Voraussetzungen des § 56 B-KUVG erneut gegeben und werde um Wiederaufnahme der Mitversicherung des BF bei ihrer Mutter ersucht.

5. Nach Zurücknahme der Klage wurde mit Wiederholungsbescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, vom 24.03.2020, jene Leistung festgestellt, die der BF auch nach dem Zeitpunkt der Zurücknahme der Klage zu gewähren wäre, wenn die Klage nicht zurückgenommen worden wäre.

6. Mit gegenständlichem Bescheid der belangten Behörde vom 22.04.2020, GZ: XXXX , wurde der Antrag der BF vom 10.12.2019 (siehe Pkt. 4) auf Feststellung der Anspruchsberechtigung als Angehörige auf Leistungen der Krankenversicherung abgewiesen. Als Rechtsgrundlage wurde § 56 Abs. 1 und Abs. 3 Z 2 lit. a B-KUVG angeführt. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, dass der BF mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.02.2019, rückwirkend per 04.09.2018 die Gewährung einer Waisenpension zuerkannt worden wäre und seien Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 ASVG teilversichert, weshalb ab dem Zeitpunkt des festgestellten Waisenpensionsanspruchs (04.09.2018), eine eigene Krankenversicherung vorliege, welche eine Anspruchsberechtigung nach dem B-KUVG ausschließe und sohin spruchgemäß zu entscheiden war.

7. Gegen diesen Bescheid erhob die BF rechtzeitig Beschwerde und führte darin aus, dass das Verfahren mangelhaft durchgeführt worden wäre, da der BF keine Möglichkeit gegeben worden wäre, zu den Beweisergebnissen der belangten Behörde Stellung zu nehmen. Es sei zwar richtig, dass die BF bis zum 03.09.2018 als anspruchsberechtigte Angehörige in Folge ihrer Erwerbsunfähigkeit einen Leistungsanspruch der Krankenversicherung nach den B-KUVG gehabt hätte, der Umstand, dass die weitere Leistungsverpflichtung aus dieser Krankenversicherung abgelehnt worden wäre, sei jedoch keinesfalls nachvollziehbar begründet. Der seinerzeit gestellte Antrag auf Zuerkennung einer Waisenpension wäre bereits mehrfach durch die BF zurückgezogen worden, zumal auch eine Leistung aus der Waisenpension nicht in Anspruch genommen worden wäre. Zudem seien Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung auch nach dem ASVG in der Krankenversicherung bloß teilversichert, sodass eine völlige Ablehnung der Versicherungsverpflichtung durch die belangte Behörde unrichtig sei. Daran ändere auch der § 56 Abs. 1 B-KUVG nicht, der die Subsidiarität des Leistungsanspruchs feststelle. Da nur eine Teilversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 ASVG vorliege, hätte auch der verfahrensgegenständliche Anspruch bei der Feststellung der Leistungsverpflichtung der belangten Behörde mitberücksichtigt werden müssen. Festzuhalten sei auch ein entsprechender Umfang der Leistungsverpflichtung, da die Leistung der ASVG-Krankenversicherung weit geringer ausfalle, als die der belangten Behörde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass hier eine massive Schlechterstellung in der Leistungsverpflichtung zu Lasten der BF ausgeübt werde. Zusammenfassend ist darzulegen, dass der Antrag der BF auf Waisenpension längst zurückgezogen worden wäre und in weiterer Folge auch keine Leistung aus dieser Waisenpension der BF zugeflossen bzw. von ihr angenommen worden wäre. Auch die Zurückziehung der Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht sei unschädlich, da auch der erlassene Wiederholungsbescheid nicht rechtswirksam sei. Der Anspruch auf Erlassung eines Wiederholungsbescheides stehe ausschließlich der BF zu, diese hätte allerdings keine Anträge gestellt. Es sei in diesem Zusammenhang äußerst unverständlich, wieso die BF hier in ein Krankenversicherungskorsett gepresst werde, zumal der Antrag vom 10.12.2019 jedenfalls schneller hätte bearbeitet werden können. Es werde daher beantragt, den gegenständlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben und dem Antrag der BF vom 10.12.2019 stattzugeben; in eventu den Bescheid zu beheben und der belangten Behörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

8. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 29.07.2020 vorgelegt.

9. Mit Parteiengehör vom 02.10.2020 wurde die BF aufgefordert, Ausführungen vorzubringen, aus welchen Erwägungen sie von der Rechtsunwirksamkeit des Wiederholungsbescheides vom 24.03.2020 ausgehe und ob sie diesen bekämpft hätte.

10. Mit erneutem Parteigengehör vom 02.02.2021 wurde der BF mitgeteilt, dass aufgrund der Aktenlage davon auszugehen sei, dass der Wiederholungsbescheid vom 24.03.2020 rechtswirksam zugestellt worden und mangels Erhebung einer Klage an das Arbeits- und Sozialgericht in Rechtskraft erwachsen wäre. Des Weiteren wäre in der Beschwerde vom 27.05.2020 vorgebracht worden, dass der Antrag auf Zuerkennung einer Waisenrente des Öfteren zurückgezogen worden wäre. Es wurde daher ersucht, binnen zwei Wochen die Zurückziehung des Antrages bei der Pensionsversicherungsanstalt nachweislich dem erkennenden Gericht zu übermitteln. Ebenso wurde die BF um Bekanntgabe ersucht, welche Personen und zu welchen Beweisthemen vernommen werden sollten.

11. Mit Schreiben vom 16.02.2021 wurde durch den Rechtsvertreter der BF beantragt, die aufgetragene Frist um weitere acht Tage, sohin bis zum 24.02.2021 zu erstrecken.

12. Eine Stellungnahme wurde seitens der BF bis zum Entscheidungsdatum durch das erkennende Gericht nicht übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die BF ist am XXXX geboren und hat das 18. Lebensjahr am XXXX vollendet.

Nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres hatte die BF auf Grund ihrer Erwerbsunfähigkeit als Angehörige ihrer bei der belangten Behörde versicherten Mutter, Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung nach dem B-KUVG.

Am 06.09.2017 verstarb ihr Vater. Die BF beantragte am 04.09.2018 die Zuerkennung einer Waisenpension nach ihrem verstorbenen Vater. Diese wurde ihr mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.02.2019 ab 04.09.2018 zuerkannt. Die Annahme der Pensionszahlungen wurde in weiterer Folge durch die BF verweigert.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF Klage an das Arbeits- und Sozialgericht und begehrte die Zuerkennung der Waisenpension bereits ab dem 07.09.2017. Diese Klage wurde in der Tagsatzung vom 06.12.2019 zurückgezogen. Dass der Antrag auf Waisenpension ab dem 07.09.2017 durch die BF zurückgezogen wurde, wurde nicht nachgewiesen.

Die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, erließ am 24.03.2020 einen gemäß § 72 Z 2 lit. c ASGG verspäteten Wiederholungsbescheid, mit dem der BF erneut eine Waisenpension ab 04.09.2018 in der Höhe von EUR 148,66 und ab 01.01.2019 in der Höhe von EUR 152,53 zuerkannt wurde. Dieser Bescheid wurde der BF rechtswirksam zugestellt. Die BF erhob dagegen keine Klage und erwuchs dieser in Rechtskraft.

Am 22.04.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der BF vom 10.12.2019 Feststellung der Anspruchsberechtigung als Angehörige auf Leistungen der Krankenversicherung ab.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde. Der Sachverhalt ist soweit hier wesentlich unbestritten.

Dass der Wiederholungsbescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 24.03.2020 der BF rechtswirksam zugestellt ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass seitens der BF im Beschwerdeschriftsatz vom 27.05.2020 auf diesen Bezug genommen wird. Ebenso erfolgte seitens der BF – trotz zweimaligen Ersuchen durch das erkennende Gericht – keine Angaben dazu, aus welchen Erwägungen sie von der Rechtswirksamkeit des Bescheides ausgehe. Die BF hat ebenso – trotz Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht – keine Beweismittel hinsichtlich einer Zurückziehung ihres Antrages auf Waisenpension vorgelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anwendbares Recht

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

§ 8 Abs. 1 Z 1 ASVG:

(1) Nur in den nachstehend angeführten Versicherungen sind überdies auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (teilversichert):

1. in der Krankenversicherung

a) die Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz und die Bezieher von Übergangsgeld gemäß § 306, wenn die Pension gemäß § 86 Abs. 3 Z 2 letzter Satz nicht angefallen ist und sie nicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 8 versichert sind, mit Ausnahme

aa) der im § 1 Abs. 1 Z 18 B-KUVG genannten Personen und

bb) der nach § 4 B-KUVG versicherten Personen, soweit ihre Pension nach diesem Bundesgesetz einen Bestandteil des Ruhe(Versorgungs)bezuges bildet, der von einer im § 4 zweiter Satz B-KUVG genannten Einrichtung gewährt wird.

b) die Bezieher einer laufenden Geldleistung aus der zusätzlichen Pensionsversicherung bei den im § 479 genannten Instituten, sofern sie nicht bereits nach lit. a versichert sind,

c) Personen, die aufgrund der Bestimmungen des Wehrgesetzes 1990 Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten – ausgenommen die in lit. e und Z 5 genannten Zeitsoldaten – soweit sie nicht nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversichert sind,

d) Aufgehoben.

e) Zeitsoldaten – ausgenommen die in Z 5 genannten Zeitsoldaten – , die sich zu einem Wehrdienst als Zeitsoldat in der Dauer von mindestens einem Jahr verpflichtet haben, für die Dauer dieses Wehrdienstes,

f) BezieherInnen von Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, wenn nach § 28 KBGG ein Krankenversicherungsträger nach diesem Bundesgesetz zuständig ist,

die unter lit. a, b und d genannten Personen jedoch nur, wenn und solange sie sich ständig im Inland aufhalten

§ 56 Abs. 1 und 3 Z 2 B-KUVG:

(1) Angehörige haben Anspruch auf die Leistungen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und weder nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und für sie auch seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers, Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ist auch dann anzunehmen, wenn sich der (die) Angehörige

1. im Zusammenhang mit einem auf einem Dienstauftrag beruhenden Auslandsaufenthalt des Versicherten im Ausland oder

2. an dem in einem Grenzort (§ 1 Abs. 4) befindlichen Wohnsitz des Versicherten aufhält.

(…)

(3) Kinder und Enkel (Abs. 2 Z 2 bis 6) gelten als Angehörige bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Nach diesem Zeitpunkt gelten sie als Angehörige, wenn und solange sie

(…)

2. seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des in Z 1 genannten Zeitraumes

a) infolge Krankheit oder Gebrechen erwerbsunfähig sind oder

b.) erwerbslos sind;

§ 71 Abs. 1 und 2. ASGG

(1) Wird in einer Leistungssache nach § 65 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 bis 8 die Klage rechtzeitig erhoben, so tritt der Bescheid des Versicherungsträgers im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft; Bescheide, die durch den außer Kraft getretenen Bescheid abgeändert worden sind, werden insoweit aber nicht wieder wirksam.

(2) Nach der Einbringung der Klage in einer Sozialrechtssache nach § 65 Abs. 1 Z 1, 6 oder 8 ist die Leistungsverpflichtung, die dem außer Kraft getretenen Bescheid entspricht, als vom Versicherungsträger unwiderruflich anerkannt anzusehen; der Versicherungsträger hat gegenüber dem Kläger – trotz des Außerkrafttretens des Bescheides – seine als unwiderruflich anerkannt anzusehende Leistungsverpflichtung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vorläufig weiter zu erfüllen. Als unwiderruflich anerkannt sind auch das Vorliegen eines Arbeits(Dienst)unfalls oder einer Berufskrankheit anzusehen, soweit dies dem durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid entspricht.

§ 72 Z 1 und Z 2 ASGG

Für die Zurücknahme der Klage gelten folgende Besonderheiten:

1. Der durch die Klage außer Kraft getretene Bescheid tritt durch die Zurücknahme der Klage nicht wieder in Kraft;

2. nimmt ein Versicherter seine Klage zurück, so

a) bedarf er hiezu in keinem Fall der Zustimmung des Versicherungsträgers;

b) gilt sein Antrag soweit als zurückgezogen, als der darüber ergangene Bescheid durch die Klage außer Kraft getreten ist;

c) hat der Versicherungsträger binnen vier Wochen ab Kenntnis von der Klagsrücknahme mit Bescheid jene Leistung festzustellen, die er dem Versicherten auch nach dem Zeitpunkt der Zurücknahme der Klage nach dem § 71 Abs. 2 zu gewähren hätte, wenn die Klage nicht zurückgenommen worden wäre; auch sonst hat der Versicherungsträger in Rechtsstreitigkeiten, in denen das Vorliegen eines Arbeits(Dienst)unfalls strittig ist, einen Bescheid zu erlassen, der dem durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid entspricht;

d) darf er in einer Leistungssache nach § 65 Abs. 1 Z 1, 6 oder 8 eine Klage auf Leistung beziehungsweise Feststellung erheben, wenn der Versicherungsträger seiner Verpflichtung nach lit. c nicht nachkommt;

Das Ziel dieser Regelungen des § 72 ASGG liegt nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH 10ObS10/11k9) darin, einerseits die Wirkungen der Klagsrücknahme auf die zugrundeliegende Leistungspflicht und das Bescheidverfahren als Folge der sukzessiven Zuständigkeit in Einklang zu bringen, andererseits sicherzustellen, dass der Versicherte den an sich unstrittig gebliebenen Teil - die ursprünglich zuerkannten Leistungen - weiterhin zugesprochen erhält. Danach tritt als Konsequenz der sukzessiven Kompetenz der durch die Klagserhebung außer Kraft getretene Bescheid nach der Klagsrückziehung nicht wieder in Kraft (Z 1). Damit dann nicht der ursprüngliche Antrag als "offen" gilt, gilt auch dieser als zurückgezogen (Z 2 lit b). Der Versicherte hat nur mehr Anspruch auf Wiedererlassung (genau) des früheren Bescheids nach Z 2 lit c ("Wiederholungsbescheid"). Der Versicherungsträger hat daher binnen vier Wochen ab Kenntnis von der Klagsrücknahme mit "Wiederholungsbescheid" jene Leistung festzustellen, die er dem Versicherten auch nach dem Zeitpunkt der Zurücknahme der Klage nach dem § 71 Abs. 2 ASGG zu gewähren hätte, wenn die Klage nicht zurückgenommen worden wäre

Klagezurücknahmen sind – auch hinsichtlich ihrer Wirkung – grds nach § 237 ZPO zu beurteilen, bedürfen aber in sozialgerichtlichen Verfahren, die durch Klage eines Versicherten eingeleitet wurden (s aber Z 3), in keinem Fall einer Zustimmung des Versicherungsträgers (Z 2 lit a). Konsequenterweise tritt nach Klagezurücknahme der durch die Klageerhebung außer Kraft getretene Bescheid nicht wieder in Kraft (Z 1). Damit dann nicht der ursprüngliche Antrag als „offen“ gilt, gilt auch dieser als zurückgezogen (Z 2 lit b). Der Versicherte hat nur mehr Anspruch auf Wiedererlassung (genau) des früheren bescheidmäßigen Zuspruchs nach Z 2 lit c („Wiederholungsbescheid“); geschieht dies nicht (etwa auch, weil der „neue“ Bescheid vom früheren abweicht) kann in Leistungssachen nach § 65 Abs. 1 Z 1, 6 und 8 – ohne zeitliche Begrenzung (ErläutRV 7 BlgNR 16. GP 55; s § 67 Rz 17) – Klage auf das im seinerzeitigen Bescheid Zuerkannte erhoben werden (Z 2 lit d; OGH 10 ObS 90/92, SSV-NF 6/55; RIS-Justiz RS0085776). (Neumayr aaO § 72 ASGG Rz 1 ff. mwN).

3.2 Auf den Beschwerdefall bezogen:

Im vorliegenden Fall hat die BF Klage gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 27.02.2019 erhoben, womit der Bescheid gem. § 71 Abs. 1 ASGG außer Kraft getreten ist.

Durch die Klagsrückziehung in der Tagsatzung vom 06.12.2019 ist der durch die Klage (zur Gänze) außer Kraft getretene Bescheid nicht mehr wieder in Kraft getreten. Soweit die BF im Beschwerdeschriftsatz vom 27.05.2020 dazu vorbringt, dass der Anspruch auf Erlassung eines Wiederholungsbescheides ausschließlich der BF zustehe, diese jedoch dahingehend keine Anträge gestellt hätte, ist diesen Ausführungen nicht zu folgen. Vielmehr hat die Pensionsversicherungsanstalt zu Recht am 24.03.2020 einen Wiederholungsbescheid gemäß § 72 Z 2 lit. c ASGG erlassen, der dem durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid entspricht. Da die belangte Behörde den Wiederholungsbescheid jedoch nicht innerhalb der 4-Wochen-Frist des § 72 Z 2 lit. c ASGG (Kenntnis der Klagsrücknahme: Tagsatzung vom 06.12.2019) erlassen hat, ist festzuhalten, dass die BF dazu berechtigt wäre, diesen mittels Klage zu bekämpfen (vgl. OGH vom 28.04.1992, GZ 10ObS90/92, wonach auch nach der Regelung des § 72 ASGG die Zurücknahme der Klage eine neue Klagseinbringung dann nicht hindert, wenn der Versicherungsträger nicht innerhalb von vier Wochen ab Kenntnis der Klagsrücknahme mit Bescheid jene Leistung festgestellt hat, die dem außer Kraft getretenen Bescheid entspricht).

Da sie jedoch ihr Klagerecht gegen den Wiederholungsbescheid (aufgrund der Überschreitung der Frist des § 72 Z lit. c ASGG durch die Behörde) nicht in Anspruch genommen hat und dieser – wie bereits beweiswürdigend ausgeführt – der BF rechtswirksam zugestellt wurde, erwuchs der Wiederholungsbescheid somit in Rechtskraft erwachsen.

Zur Beurteilung des Antrages der BF vom 10.12.2019:

Die BF hatte gemäß § 56 B-KUVG als Angehörige ihrer Mutter bei der belangten Behörde bis zum 03.09.2018 Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung nach dem B-KUVG. Seit dem 04.09.2018 hat sie BF Anspruch auf eine gesetzliche Waisenpension nach dem ASVG. Mit der gewährten Waisenpension ist – wie die BF selbst ausführt – gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 ASVG eine gesetzliche Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG verbunden.

Unbeachtlich dabei ist, dass die BF dabei – wie sie selbst vorbringt – lediglich in der Krankenversicherung teilversichert sei, zumal verfahrensgegenständlich lediglich der Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung ist.

Eine Anspruchsberechtigung als Angehörige auf die Leistungen der Krankenversicherung nach dem B-KUVG ist sohin ab dem 04.09.2018 ausgeschlossen.

Abschließend wird angemerkt, dass dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 B-KUVG eine Ausnahmeregelung im Falle einer durch die andere gesetzliche Krankenversicherung bedingte Schlechterstellung nicht zu entnehmen ist, weshalb dieses Vorbringen ins Leere geht..

Es kommt ebenso nicht darauf an, ob die BF die Leistungen der Waisenpension tatsächlich angenommen hatte, da das mit Wiederholungsbescheid festgestellte Recht auf Leistungen aus der Waisenpension sie jedenfalls zum Bezug derselben berechtigt.

Somit erfolge die Abweisung des Anspruchs im Ergebnis zu Recht, weswegen die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Die BF hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nicht erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und daher durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war. Da somit auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. Beschluss des VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausschlusstatbestände Klagsrückziehung Krankenversicherung Mitversicherung Rechtskraft Waisenrente

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2233451.1.00

Im RIS seit

09.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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