TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/11 Ra 2020/02/0158

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Index

L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten Wien
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §5 Abs1
VStG §9 Abs2
VStG §9 Abs3
VStG §9 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
WettenG Wr 2016 §19 Abs2
WettenG Wr 2016 §19 Abs3
WettenG Wr 2016 §24 Abs1 Z12
WettenG Wr 2016 §24 Abs5

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/02/0159 E 11.05.2021
Ra 2020/02/0160 E 11.05.2021
Ra 2020/02/0161 E 11.05.2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 11. Mai 2020, 1. VGW-002/053/11536/2019-1 und 2. VGW-002/V/053/11538/2019, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. B in S und 2. C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis des revisionswerbenden Magistrats vom 2. Mai 2019 wurden dem Erstmitbeteiligten als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlichen Beauftragten der zweitmitbeteiligten Partei zwei Übertretungen des Wiener Wettengesetzes zur Last gelegt, wodurch er § 19 Abs. 2 1. Satz und § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz verletzt habe, weshalb über den Erstmitbeteiligten gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 20 Stunden) und eine Geldstrafe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 13 Stunden) verhängt wurden. Die zweitmitbeteiligte Partei wurde zur Haftung für die Geldstrafen und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG herangezogen.

2        Das Verwaltungsgericht Wien gab der gegen dieses Straferkenntnis von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3        Nach Wiedergabe des Spruchs des bekämpften Straferkenntnisses führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Bestellung des Erstmitbeteiligten zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG sei unwirksam, weil die angelasteten Übertretungen nicht am Sitz, in einer Filiale oder in einer sonstigen Betriebsstätte der zweitmitbeteiligten Partei, sondern in einem näher bezeichneten Café erfolgt seien und es unerheblich sei, ob der Betreiber des Cafés der zweitmitbeteiligten Partei dort das Betreiben eines Wettterminals und eines Wettannahmeschalters erlaubt habe. Der Aufgabenbereich des Erstmitbeteiligten erstrecke sich ex lege nur auf das Unternehmen der zweitmitbeteiligten Partei, nicht jedoch auf andere Unternehmen. Weiters seien auf der Bestellungsurkunde nach § 9 Abs. 2 VStG die Unterschriften unleserlich und scheine der Name des für die zweitmitbeteiligte Partei vertretungsbefugten Organs nicht auf. Die in dieser Urkunde enthaltene Anordnungsbefugnis des Erstmitbeteiligten sei inhaltsleer, weil sie sich auf im Café offenkundig nicht existierende „Filialmitarbeiter“ beziehe. Schließlich könne die den Geschäftsführer gemäß § 4 Abs. 2 lit. b Wiener Wettengesetz treffende und nach der Ausübungsbewilligung an ihn gebundene Verantwortung nicht an einen verantwortlichen Beauftragten delegiert werden, weil dessen Bestellung der Behörde nicht gemeldet werden müsse und dieser nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 2 lit. b leg. cit. unterliege. Eine solche Bestellung wäre eine den strengen Anforderungen des Wiener Wettengesetzes zuwiderlaufende Umgehungshandlung. Eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Erstmitbeteiligten für die angelasteten Übertretungen sei daher nicht zu sehen.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

5        Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit den Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Zurück- oder Abweisung der Revision, oder Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und Zurückverweisung der Sache zur Verfahrensergänzung an das Verwaltungsgericht und Zuspruch des Aufwandersatzes.

6        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7        Als zulässig erachtet der revisionswerbende Magistrat die Revision, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche und die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 24 Wiener Wettengesetz und die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG nicht von den in § 4 Abs. 2 Wiener Wettengesetz genannten Voraussetzungen für die Erteilung einer wettenrechtlichen Bewilligung abhänge.

8        Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

9        Vorweg ist an die Anforderungen an Form und Inhalt eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses zu erinnern, zu denen der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, grundlegend Stellung genommen hat. Demnach erfordert die Begründung der Entscheidung in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund.

10       Das angefochtene Erkenntnis genügt diesen Anforderungen nicht, weil jegliche Sachverhaltsfeststellungen und auch eine Beweiswürdigung fehlen. Für eine Überprüfung der Wirksamkeit der Bestellung des Erstmitbeteiligten zum verantwortlichen Beauftragten der zweitmitbeteiligten Partei wären zumindest wesentliche Teile der Vereinbarung oder das Fehlen eines derartigen Übereinkommens festzustellen gewesen.

11       Soweit im angefochtenen Erkenntnis argumentiert wird, der Betreiber des Cafés erlaube der zweitmitbeteiligten Partei lediglich das Aufstellen der Geräte und deshalb sei dort keine Betriebsstätte der zweitmitbeteiligten Partei, ist das allein nicht ausreichend um einen von der zweitmitbeteiligten Partei an den Erstmitbeteiligten übertragenen Aufgabenbereich für einen bestimmten räumlich abgegrenzten Unternehmensbereich auszuschließen.

12       Gemäß § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung von juristischen Personen nach außen Berufenen berechtigt, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen. Der insofern räumlich abgegrenzte Unternehmensbereich ist - entgegen den Darlegungen im angefochtenen Erkenntnis - nicht auf den Unternehmenssitz oder dessen Filialen beschränkt, er kann vielmehr auch eine Baustelle (vgl. VwGH 21.3.1995, 94/09/0184), eine Betriebsstätte (vgl. VwGH 16.12.1991, 91/19/0345) oder für Wettunternehmer nach dem Wiener Wettengesetz auch in einem Tankstellenshop gelegen sein (vgl. VwGH 25.6.2020, Ra 2020/02/0046 bis 0047). Ohne Sachverhaltsfeststellungen kann freilich nicht beurteilt werden, ob an dem vom Magistrat im bekämpften Straferkenntnis angelasteten Tatort eine Betriebsstätte der zweitmitbeteiligten Partei etabliert war.

13       Das Verwaltungsgericht beanstandete weiter, die Bestellungsurkunde nach § 9 Abs. 2 VStG sei nicht rechtswirksam, weil die darauf enthaltenen Unterschriften unleserlich seien und der Name des für die zweitmitbeteiligte Partei vertretungsbefugten Organs nicht aufscheine.

14       Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten muss nicht durch eine Urkunde nachgewiesen werden, die von dem zur Vertretung nach außen Berufenen gefertigt ist. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und die Zustimmung des zum verantwortlichen Beauftragten Bestellten können grundsätzlich formfrei erfolgen. Erforderlich ist nur, dass die Zustimmung gemäß § 9 Abs. 4 VStG nachweislich erfolgt ist, was nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet, dass nur ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis aus der Zeit vor der Begehung der strafbaren Handlung zur Erbringung des Nachweises geeignet ist (vgl. VwGH 23.3.2016, Ra 2016/02/0002, mwN). Demnach hätten Zweifel an der Echtheit der Unterschriften weitere Ermittlungen und entsprechende Feststellungen über die jeweils abgegebenen Erklärungen erfordert.

15       Das Verwaltungsgericht erachtet die in der Bestellungsurkunde geregelte Anordnungsbefugnis des Erstmitbeteiligten als inhaltsleer, weil sie sich „auf im Café offenkundig nicht existente ‚Filialmitarbeiter‘ bezieht.“

16       Auch dazu - vor allem zur angeblichen Einschränkung der Anordnungsbefugnis des Erstmitbeteiligten auf Filialmitarbeiter - gibt es keine Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, sodass schon deshalb die vom Verwaltungsgericht gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen einer Überprüfung nicht zugänglich sind.

17       Schließlich sieht das Verwaltungsgericht in der Bestellung des Erstmitbeteiligten zum verantwortlichen Beauftragten, die der Behörde nicht gemeldet werden müsse, eine Umgehungshandlung, um eine Verantwortlichkeit zu schaffen, die den strengen Anforderungen des Wiener Wettengesetzes nicht gerecht würde. Die Zulässigkeit einer solchen Vorgangsweise könne dem Wiener Wettengesetz nicht entnommen werden.

18       Damit brachte das Verwaltungsgericht zum Ausdruck, dass eine solche Bestellung nur dann in Frage käme, wenn der Erstmitbeteiligte ebenfalls die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Wettunternehmer gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. b Wiener Wettengesetz erfüllte.

19       Dazu ist vorweg an die Bestimmung des § 24 Abs. 5 Wiener Wettengesetz zu erinnern, nach der die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung dieses Gesetzes erst rechtswirksam wird, nachdem bei der Behörde eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung der oder des Bestellten eingelangt ist.

20       Darüber hinaus ist die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG in § 24 Abs. 5 Wiener Wettengesetz ausdrücklich vorgesehen und sind dort keine weiteren Voraussetzungen formeller oder materieller Natur für die Bestellung festgelegt (vgl. VwGH 22.7.2020, Ra 2020/02/0085).

21       Nach dem Gesagten erweisen sich auch die vom Verwaltungsgericht getroffenen Rechtsausführungen als unzutreffend.

22       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

23       Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abzusehen.

Wien, am 11. Mai 2021

Schlagworte

Allgemein Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020158.L00

Im RIS seit

07.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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