TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/18 Ra 2019/11/0124

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Veröffentlicht am 18.05.2021
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Index

L94409 Krankenanstalt Spital Wien
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §76 Abs1
AVG §8
KAG Wr 1987 §1 Abs3 Z5
KAG Wr 1987 §5
KAG Wr 1987 §5 Abs8
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Österreichischen Zahnärztekammer in Wien, vertreten durch die Tschurtschenthaler Walder Fister Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mahlerstraße 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. Mai 2019, Zl. VGW-101/078/6085/2017-78, betreffend Errichtungsbewilligung für ein selbstständiges Zahnambulatorium (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: H UG [haftungsbeschränkt] in B [Deutschland], vertreten durch die Joklik, Katary Richter Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1070 Wien, Neubaugasse 64-66/1/12),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. richtet, zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionswerberin auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis (Spruchpunkt I.) wurde, durch Bestätigung des Bescheides der Wiener Landesregierung vom 24. Februar 2017, über Antrag der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums („Zahnambulatorium X.“) an näher bezeichneter Adresse in Wien gemäß § 5 Wiener Krankenanstaltengesetz 1987 (Wr. KAG) erteilt (dies unter Vorschreibung von Auflagen und mit der Maßgabe, dass die Pläne samt Bau- und Betriebsbeschreibungen Bestandteile der gegenständlichen Bewilligung sind).

Unter Spruchpunkt II. wurde der mitbeteiligten Partei der Ersatz näher genannter Barauslagen auferlegt und unter Spruchpunkt III. ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Rahmen der Darstellung des Verfahrensganges aus, die Mitbeteiligte habe bei der belangten Behörde im August 2010 um die Erteilung der Errichtungsbewilligung für eine Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Wien angesucht. Nach dem Antrag sei beabsichtigt, dafür Räumlichkeiten der bestehenden Ordination der niedergelassenen Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde DDr. B.R. und Dr. O.R. zu mieten. Der bestehende Ordinationsbetrieb habe (nach dem ursprünglichen Antrag) organisatorisch unabhängig und räumlich getrennt vom Ambulatorium fortgeführt werden sollen.

3        Im Rahmen der (wiederholten) Einschränkung bzw. Präzisierung des Antrages u.a. vom 31. Mai 2012 (Einschränkung des geplanten Leistungsspektrums ausschließlich auf kieferorthopädische Leistungen, die aus der Einzelordination vollständig übernommen, aber gegenüber dieser - durch organisatorische Verbesserungen - in „einem größeren Umfang als bisher“ angeboten werden sollten; DDr. B.R. und Dr. O.R. würden in führender medizinischer Position im zu errichtenden Ambulatorium tätig sein) habe die Mitbeteiligte die Ansicht vertreten, der Bedarf des geplanten Leistungsangebotes sei ohne weitere Ermittlungen schon alleine deshalb zu bejahen, weil die kieferorthopädischen Leistungen schon bislang im Rahmen der bestehenden Ordination erbracht und von dieser vollständig in das Ambulatorium übernommen würden. Kieferorthopädische Leistungen würden daher in der genannten Ordination künftig nicht mehr angeboten werden.

4        Die belangte Behörde habe mit Bescheid vom 23. Jänner 2014 die beantragte Bewilligung erteilt. Dieser Bescheid sei jedoch vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Jänner 2015 behoben und die Sache an die belangte Behörde zurückverwiesen worden, weil ungeklärt gewesen sei, ob es durch das Ambulatorium zu einer qualitativen oder quantitativen Erweiterung des Leistungsangebotes gegenüber jenem der bestehenden Ordination komme.

5        In dem vor der belangten Behörde fortgesetzten Verfahren sei neuerlich eine Antragspräzisierung (u.a. betreffend das geplante Personal- und Raumangebot des Ambulatoriums, das nach den Ausführungen der Mitbeteiligten der Annahme der Erweiterung des Leistungsangebots entgegen stehe) erfolgt. Bei der mitbeteiligten Antragstellerin handle es sich aus organisatorischen Gründen um eine deutsche Unternehmergesellschaft, die als Treuhänderin agiere. Die Mitbeteiligte sei aber „wirtschaftlich und rechtlich alleine DDr. B.R. und Dr. O.R. zuzuordnen“.

6        Die Wiener Gebietskrankenkasse habe in ihrer Stellungnahme vom 5. August 2015 die Absicht, für das gegenständliche Ambulatorium einen Kassenvertrag für kieferorthopädische Leistungen zu vergeben, mitgeteilt.

7        Nach Erstattung des Gutachtens der Gesundheit Österreich GmbH vom 6. Juni 2016 (nach diesem werde sich das Leistungsangebot durch die gegenständliche Umwandlung der Ordination in ein Ambulatorium jedenfalls qualitativ, aber „wahrscheinlich“ auch quantitativ erhöhen; deshalb sei nach dem Gutachten eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebotes im Einzugsgebiet zu erwarten) wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Februar 2017 die beantragte Bewilligung neuerlich erteilt. Nach der zum Bestandteil dieses Bescheides erklärten Leistungsbeschreibung würden im geplanten Ambulatorium ausschließlich näher angeführte kieferorthopädische Leistungen (mit näher beschriebener personeller Ausstattung und genannten Öffnungszeiten) erbracht; nach dem ebenfalls zum Bestandteil dieses Bescheides erklärten Betriebsanlagenplan stünden dafür sieben Behandlungsstühle zur Verfügung.

8        Dagegen habe die Revisionswerberin Beschwerde erhoben und das Fehlen von Ermittlungen betreffend den Bedarf anhand von Erhebungen zu den Wartezeiten im Einzugsgebiet ins Treffen geführt. Das Verwaltungsgericht habe ein Ergänzungsgutachten (betreffend „Wartezeiten im Bereich der Gratiszahnspange“) eingeholt und eine Verhandlung u.a. im Jänner 2019 durchgeführt.

9        Als maßgebenden Sachverhalt stellte das Verwaltungsgericht fest, die beiden Fachärzte DDr. B.R. und Dr. O.R. betrieben „derzeit ... jeweils eigene zahnärztliche Ordinationen“. Die Ordination der DDr. B.R. verfüge über vier Behandlungsstühle und einen „Arbeitsstuhl für Fotos“ und biete ausschließlich kieferorthopädische Leistungen an, die den Leistungsgegenstand des geplanten Ambulatoriums bildeten. Bei Bedarf könne die Ordination der DDr. B.R. (zu der u.a. detaillierte Feststellungen zur Personalausstattung bzw. zum Einsatz gelangender Vertretungszahnärzte getroffen wurden) auf die beiden Behandlungsstühle der Ordination des Dr. O.R. (die insgesamt nur über diese zwei Behandlungsstühle verfüge) zurückgreifen.

10       Das beantragte selbständige Ambulatorium solle die Ordination der DDr. B.R. „ersetzen und an deren Stelle treten“, welche mit Betriebsbeginn des Ambulatoriums die Kassenverträge ihrer Ordination zurücklegen und den Betrieb derselben einstellen werde. Die bisher von DDr. B.R. im Rahmen ihrer Ordination angebotenen und erbrachten Leistungen würden (im Ambulatorium) „weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht erweitert“.

11       Hingegen werde Dr. O.R. seine Ordination aus den Räumlichkeiten des künftigen Ambulatoriums „absiedeln“.

12       Weiters führte das Verwaltungsgericht (im Rahmen der Beweiswürdigung) zur genannten Annahme, das Leistungsangebot werde sich durch das Ambulatorium nicht erweitern, zusammengefasst aus, dass das Ambulatorium gegenüber der Ordination DDr. B.R. „nicht über mehr Personalressourcen“ verfügen solle, sodass eine „Leistungsausweitung in quantitativer Hinsicht ... schon deshalb nicht möglich“ sei. Da somit im Ambulatorium nicht mehr Arztstunden, die „den limitierenden Faktor“ darstellten, zur Verfügung stünden, sei nach Meinung des Verwaltungsgerichts gegenständlich eine Erweiterung des Leistungsangebotes selbst „durch zusätzliche Behandlungsstühle und ausgeweitete Öffnungszeiten“ nicht möglich. Abgesehen davon komme es gegenständlich durch das Ambulatorium „nur zu einem zusätzlichen Behandlungsstuhl“, weil schon der Ordination DDr. B.R. die zwei Behandlungsstühle der Ordination Dr. O.R. bei Bedarf zur Verfügung stünden, und auch die „Ausweitung der Öffnungszeiten um eineinhalb Stunden täglich (somit siebeneinhalb Stunden wöchentlich)“ werde daher - so das Verwaltungsgericht - zu keiner Erweiterung des Leistungsangebotes führen.

13       Vor diesem Hintergrund gelangte das Verwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass weitere Ermittlungen zur Bewilligungsvoraussetzung des Bedarfs am gegenständlichen Ambulatorium (§ 5 Abs. 2 Wr. KAG) unterbleiben könnten, weil sich der Bedarf an den kieferorthopädischen Leistungen am Standort schon aus den diesbezüglichen in der Ordination der DDr. B.R. nachgefragten Leistungen, die künftig durch das Ambulatorium nur ersetzt, aber nicht ausgeweitet würden, ergebe (Hinweis auf u.a. VwGH 15.12.2017, Ra 2017/11/0018).

14       Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde sei es irrelevant, dass durch das gegenständliche Ambulatorium nicht auch die Ordination des Dr. O.R. ersetzt werde, sondern nur jene der DDr. B.R., weil auch der Wegfall (nur) der letztgenannten Ordination sicherstelle, dass es durch das geplante Ambulatorium am gegenständlichen Standort zu keiner Erweiterung des Leistungsangebotes komme.

15       Die belangte Behörde habe daher entgegen dem Beschwerdevorbringen zu Recht den bestehenden Bedarf iSd. § 5 Abs. 2 Z 1 Wr. KAG am beantragten Ambulatorium bejaht.

16       Den Spruchpunkt II. (Verpflichtung der Mitbeteiligten zum Barauslagenersatz betreffend das Gutachten der Gesundheit Österreich GmbH) begründete das Verwaltungsgericht mit § 17 VwGVG iVm § 76 Abs. 1 AVG.

17       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - auf Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm § 5 Abs. 8 Wr. KAG gestützte - außerordentliche Revision.

18       Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung und beantragten die Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

19       Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

20       Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses (Errichtungsbewilligung):

Die Revision ist schon deshalb zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, das Verwaltungsgericht sei bei der Beurteilung, ob die krankenanstaltenrechtliche Bewilligung der Errichtung des gegenständlichen Ambulatoriums eine Bedarfsprüfung erfordere, von der hg. Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 15.12.2017, Ra 2017/11/0018, und die darin zitierte Vorjudikatur) abgewichen ist.

21       Die Revision ist, wie die folgenden Ausführungen zeigen, auch begründet.

22       Das Wiener Krankenanstaltengesetz 1987, LGBl. Nr. 23/1987 in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 49/2018, lautet auszugsweise:

„A. Begriffsbestimmungen

§ 1

...

(3) Krankenanstalten im Sinne der Abs. 1 und 2 sind:

...

5.   selbständige Ambulatorien, das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. ...

...

Errichtung von selbständigen Ambulatorien

§ 5.

(1) Selbständige Ambulatorien bedürfen, sofern § 64i nicht anderes bestimmt, sowohl zu ihrer Errichtung als auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung der Landesregierung. Anträge auf Erteilung der Bewilligung zur Errichtung haben den Anstaltszweck und das in Aussicht genommene Leistungsangebot (Leistungsspektrum, Öffnungszeiten unter Berücksichtigung von Tagesrand- und Nachtzeiten, Sams-, Sonn- und Feiertagen sowie Leistungsvolumen einschließlich vorgesehener Personalausstattung, insbesondere vorgesehener Anzahl und vorgesehenes Beschäftigungsausmaß von Ärztinnen und Ärzten bzw. Zahnärztinnen und Zahnärzten unter Angabe der Berufsberechtigung und vorgesehener Anzahl von Angehörigen anderer Gesundheitsberufe) genau zu bezeichnen. Eine Vorabfeststellung zu den Voraussetzungen des Abs. 3 ist zulässig.

(2) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt im Sinne des Abs. 1 darf unbeschadet der nach sonstigen Rechtsvorschriften geltenden Erfordernisse nur unter den nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft und nach den Erfordernissen für einen einwandfreien Krankenanstaltsbetrieb notwendigen Bedingungen und Auflagen und nur dann erteilt werden, wenn insbesondere

1.   nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und kasseneigene Einrichtungen, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Gruppenpraxen und selbständige Ambulatorien, soweit sie sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, bei selbständigen Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Zahnärztinnen, Zahnärzte, Dentistinnen, Dentisten und zahnärztliche Gruppenpraxen, soweit sie sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen,

a)   zur Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung und

b)   zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet erreicht werden kann,

...

(3) Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet erreicht werden kann, sind ausgehend von den Ergebnissen der Planungen des jeweiligen RSG folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1.   örtliche Verhältnisse (regionale, rurale oder urbane Bevölkerungsstruktur, Besiedlungsdichte),

2.   die für die Versorgung bedeutsamen Verkehrsverbindungen,

3.   das Inanspruchnahmeverhalten und die Auslastung von bestehenden Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbietern, die sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, durch Patientinnen und Patienten,

4.   die durchschnittliche Belastung bestehender Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbieter gemäß Z 3 und

5.   die Entwicklungstendenzen in der Medizin bzw. Zahnmedizin.

...

(5) Im Bewilligungsverfahren bzw. Verfahren zur Vorabfeststellung ist ein Gutachten der Gesundheit Österreich GesmbH oder eines vergleichbaren Planungsinstituts sowie eine begründete Stellungnahme des Wiener Gesundheitsfonds zum Vorliegen der Kriterien gemäß Abs. 3 einzuholen.

...

(7) In der Errichtungsbewilligung sind - ausgenommen im Fall des Abs. 4 - im Rahmen des Antrags jedenfalls das Leistungsvolumen, das Leistungsspektrum und bedarfsgerechte Öffnungszeiten (Berücksichtigung von Tagesrand- und Nachtzeiten und von Sams-, Sonn- und Feiertagen) sowie erforderlichenfalls Bereitschaftszeiten und - soweit sinnvoll - die Verpflichtung zur Durchführung von Hausbesuchen durch Auflagen festzulegen.

(8) In Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums - ausgenommen im Fall des Abs. 4 - haben betroffene Sozialversicherungsträger, die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten und die Ärztekammer für Wien bzw. bei selbständigen Zahnambulatorien die Österreichische Zahnärztekammer hinsichtlich des Bedarfs Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht der Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien gemäß Art. 132 Abs. 5 B-VG und gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Wien das Recht der Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 1 B-VG. Dies gilt auch für Verfahren zur Vorabfeststellung zu den Voraussetzungen des Abs. 3.

...“

23       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 2. April 2014, 2013/11/0078, mit § 5 Wr. KAG in der seit der Novelle LGBL. Nr. 18/2011 (vor dem Hintergrund der KAKuG-Novelle BGBl. I Nr. 61/2010) gänzlich neugefassten Form ausführlich auseinander gesetzt und dort (vgl. die Pkte. 2.2.1. ff. dieses Erkenntnisses) zusammengefasst dargelegt, dass für die Errichtungsbewilligung eines selbständigen Ambulatoriums nach der genannten Bestimmung grundsätzlich weiterhin die Prüfung des Bedarfs Voraussetzung sei, wobei als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage die durchschnittliche Wartezeit anzusehen sei, die der Patient im Einzugsgebiet in Kauf nehmen muss.

24       Ermittlungen zum Bedarf eines geplanten selbständigen Ambulatoriums erübrigen sich nach der bisherigen Judikatur aber dann, wenn dieses an die Stelle einer bereits bestehenden Einrichtung (zB einer Facharztordination) tritt, ohne dass es zu einer Ausweitung des Versorgungsangebotes in qualitativer oder quantitativer Hinsicht kommt. Erweitert sich hingegen bei einem Übergang einer Facharztordination in ein selbständiges Ambulatorium das Leistungsspektrum qualitativ oder quantitativ oder steht nicht fest, ob die bestehende Ordination ihren Betrieb einstellt, sind jedenfalls Erhebungen über die Wartezeit anzustellen und ist eine umfassende Bedarfsprüfung vorzunehmen (vgl. Pkt. 2.2.4.2. des hg. Erkenntnisses 2013/11/0078 und die dort zitierte Vorjudikatur).

25       Unter Bezugnahme auf das letztzitierte Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof im - ebenfalls zum Wr. KAG ergangenen - hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2015, 2012/11/0043, die Beurteilung des Bedarfs für die Erweiterung eines selbständigen Ambulatoriums (fallbezogen: um ein kinderfachärztliches Leistungsspektrum) für erforderlich erachtet, weil durch das Ambulatorium nicht bloß eine kinderfachärztliche Ordination weitergeführt, sondern das kinderfachärztliche Leistungsangebot auch erweitert werden sollte.

26       Auch im - abermals zum Wr. KAG ergangenen - hg. Beschluss vom 11. Oktober 2016, Ra 2016/11/0131, wurde (unter wörtlichem Zitat) auf das zitierte hg. Erkenntnis 2013/11/0078 Bezug genommen und fallbezogen das Unterlassen einer Bedarfsprüfung für das bewilligte selbständige Ambulatorium als im Einklang mit der hg. Judikatur angesehen, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts „das medizinische Leistungsangebot des bewilligten Ambulatoriums die am selben Standort bisher betriebene Gruppenpraxis weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht erweitern wird und ... das Ambulatorium die Gruppenpraxis ersetzen wird, wobei auch der Kassenvertrag der Gruppenpraxis aufgelöst wird“.

27       Dieselben Kriterien wurden einerseits im hg. Erkenntnis vom 26. März 2015, 2013/11/0242, bei einer Umwandlung einer Facharztordination in ein selbständiges Ambulatorium für das Salzburger Krankenanstaltengesetz 2000 als maßgebend angesehen und andererseits im bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2017, Ra 2017/11/0018, (neuerlich unter Verweis auf VwGH 2013/11/0078) auch für die Rechtslage der Kärntner Krankenanstaltenordnung herangezogen, wobei verdeutlichend wiederholt wurde:

„24 In Fällen, in denen ein bestehendes - im Rahmen einer Facharztordination betriebenes - Laboratorium einer natürlichen Person von einem anderen Rechtsträger (einer juristischen Person) übernommen wird und - bei gleichzeitiger Einstellung des Betriebs der Facharztordination - am bisherigen Standort derselben als selbständiges Ambulatorium weitergeführt werden soll, erübrigen sich weitere Ermittlungen, ob ein Bedarf gegeben ist, [weil] insoferne keine Erweiterung des Leistungsangebots geplant ist. In solchen Fällen ist demnach jedenfalls davon auszugehen, dass weiterhin ein Bedarf besteht. Erweitert sich hingegen bei einem Übergang einer Facharztordination in ein selbständiges Ambulatorium das Leistungsangebot qualitativ oder quantitativ oder steht nicht fest, ob die bestehende Ordination ihren Betrieb einstellt, so ist eine umfassende Bedarfsprüfung (nach den unter Pkt. 3.3.2. dargestellten Vorgaben) vorzunehmen, in deren Rahmen insbesondere eine Erhebung der Wartezeiten stattzufinden hat.

...

Verändert sich durch die Inbetriebnahme eines geplanten Ambulatoriums das bisherige Versorgungsangebot der zuvor am selben Standort bestandenen Facharztordination nicht, so ist die „Umwandlung“ derselben in ein selbständiges Ambulatorium in Ansehung des Bedarfs als neutral anzusehen, mit anderen Worten es ist von vornherein keine Gefährdung anderer bestehender, durch die Bedarfsprüfung zu schützender Einrichtungen zu befürchten. Hiezu ist es freilich erforderlich, dass eine bestehende Facharztordination mit Kassenvertrag nicht weiter - zusätzlich zum Betrieb des Ambulatoriums - betrieben wird.“

28       Im vorliegenden Revisionsfall soll das geplante selbständige Zahnambulatorium nach den (auf den jüngsten Antragsänderungen der Mitbeteiligten beruhenden) Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Ordination der DDr. B.R. ersetzen und an deren Stelle treten, wohingegen die gleichfalls am Standort des selbständigen Ambulatoriums betriebene Ordination des Dr. O.R. aus den Räumlichkeiten des künftigen Ambulatoriums „abgesiedelt“ werden soll.

29       Der weiteren Beurteilung ist somit zugrunde zu legen, dass der Betrieb der Ordination des Dr. O.R. auch nach Errichtung des selbständigen Ambulatoriums weitergeführt werden soll (Feststellungen, dass diese Fortführung außerhalb des Einzugsgebietes des selbständigen Ambulatoriums erfolgen werde, wurden nicht getroffen), sodass das Leistungsangebot dieser Ordination bei der weiteren Beurteilung, ob es durch das Ambulatorium zu einer Leistungserweiterung kommt, als Vergleichsmaßstab außer Betracht zu bleiben hat.

30       Vor diesem Hintergrund stünde die Ansicht des Verwaltungsgerichts, für die Errichtungsbewilligung des gegenständlichen Ambulatoriums bedürfe es keiner vorhergehenden Bedarfsprüfung, mit der wiedergegebenen hg. Judikatur (die angesichts der im Wesentlichen unveränderten Rechtslage auch für den Revisionsfall maßgebend ist) nur dann in Einklang, wenn das künftige medizinische Leistungsangebot des bewilligten Ambulatoriums die bisher am selben Standort betriebene Ordination der DDr. B.R. ersetzte und das bisherige Leistungsangebot dieser Ordination weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht erweiterte (mit anderen Worten: wenn die „Umwandlung“ der Ordination der DDr. B.R. in ein selbständiges Ambulatorium in Ansehung des Bedarfs als neutral anzusehen wäre).

31       Davon kann aber im vorliegenden Revisionsfall, wie die Revision zutreffend einwendet, keine Rede sein:

Denn selbst das Verwaltungsgericht geht (abgesehen von der Feststellung, dass es durch das Ambulatorium zu einer Erweiterung der Öffnungszeiten gegenüber jenen der Ordination der DDr. B.R. kommen wird) davon aus, das gegenständliche Ambulatorium (mit bewilligten sieben Behandlungsstühlen) werde gegenüber der Ordination der DDr. B.R. (mit festgestellten vier eigenen Behandlungsstühlen, wobei auch auf die zwei Behandlungsstühle der Ordination des Dr. O.R. „zurückgegriffen“ werden könne) jedenfalls über „einen zusätzlichen“ Behandlungsstuhl verfügen (dass es sich richtigerweise um nicht bloß einen zusätzlichen Behandlungsstuhl, sondern um drei zusätzliche Behandlungsstühle handelt, weil die Behandlungsstühle der „abgesiedelten“, aber an nicht näher festgestellter Örtlichkeit weiter betriebenen Ordination des Dr. O.R. nach dem Gesagten in die Vergleichsbetrachtung nicht einzubeziehen sind, verstärkt dieses Ergebnis).

32       Daran ändert auch das erwähnte Argument des Verwaltungsgerichts hinsichtlich gleichbleibender personeller Ressourcen bzw. „Arztstunden“ nichts.

33       Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich seiner bisherigen Judikatur zugrunde gelegt, dass der Bewilligungsumfang eines Zahnambulatoriums nicht an dort beschäftigten Zahnbehandlern, sondern an den Behandlungsstühlen zu messen ist und dass die Anzahl der Behandlungsstühle eines Zahnambulatoriums am ehesten als Kriterium für die Beurteilung seiner Kapazität heranzuziehen ist, weil der Behandlungsstuhl „das zentrale und entscheidende Behandlungsinstrument ist, auf das der Zahnbehandler angewiesen ist“ (so bereits VwGH 16.11.1976, 895/76). Dementsprechend wurde etwa im hg. Erkenntnis vom 26. März 2015, 2011/11/0187, ausgesprochen, dass „bei der Erweiterung des Leistungsumfanges um 50 % (drei statt zwei Behandlungsstühle) jedenfalls eine erhebliche Veränderung des Leistungsangebotes des Ambulatoriums“ vorlag (vgl. überdies - auf die Anzahl der Behandlungsstühle als Kriterium für den Leistungsumfang eines Zahnambulatoriums abstellend - VwGH 19.12.2003, 2001/11/0014; 19.12.2003, 2001/11/0018; 16.11.2004, 2003/11/0210; 18.12.2007, 2006/11/0070; 17.10.2013, 2010/11/0220).

34       Wenn daher das Verwaltungsgericht meint, die „zur Verfügung stehenden Arztstunden“, seien als „limitierender Faktor“ des Leistungsumfanges anzusehen, und daher eine Erweiterung des Leistungsumfangs des gegenständlichen Zahnambulatoriums gegenüber der Ordination der DDr. B.R. (trotz zusätzlicher Behandlungsstühle und erweiterter Öffnungszeiten des Ambulatoriums) verneint, weil dort „nicht mehr Arztstunden zur Verfügung stehen werden als in der Ordination von DDr. B.R.“, dann widerspricht diese Beurteilung nicht nur der vorhin zitierten hg. Rechtsprechung, wonach mit einer Vermehrung von Behandlungsstühlen - typischerweise - eine Steigerung des Leistungsumfanges einhergeht. Die soeben genannte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts greift auch deshalb zu kurz und ist daher nicht tragfähig, weil außer Acht gelassen wird, dass sich selbst bei gleichbleibenden „Arztstunden“ eine Ausweitung der zahnärztlichen Tätigkeit mit zusätzlichen Behandlungsstühlen etwa durch den entsprechenden Einsatz von zahntechnischem Hilfspersonal erzielen lässt; vgl. das Erkenntnis vom 17. Oktober 2013, 2010/11/0220, wonach auch die Durchführung von Mundhygiene durch eine „Prophylaxeassistentin“ zum Kernbereich der zahnärztlichen Tätigkeit zählt).

35       Das angefochtene Erkenntnis war somit in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

36       Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses (Barauslagenersatz):

37       Gemäß § 5 Abs. 8 Wr. KAG kommt der Österreichischen Zahnärztekammer sowohl die Parteistellung gemäß § 8 AVG als auch die Beschwerde- und die Revisionslegitimation ausschließlich „hinsichtlich des Bedarfs“ zu, sodass die Revision, soweit sie (sogar ausdrücklich) auch die Vorschreibung des Barauslagenersatzes gegenüber der mitbeteiligten Partei (hier: gemäß § 17 VwGVG iVm § 76 Abs. 1 AVG) erfasst, zurückzuweisen war.

38       Der Antrag der Revisionswerberin auf die Zuerkennung von Aufwandersatz war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am 18. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110124.L00

Im RIS seit

07.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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