TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/11 VGW-112/078/9232/2020, VGW-112/V/078/9233/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.03.2021

Index

L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §15 Abs1 Z3
BauO Wr §134 Abs2
AVG §13 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Marcus Osterauer über die Beschwerde 1. der Frau A. B. und 2. des Herrn C. B., beide vertreten durch Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 18. Juni 2020, Zl. MA 64-...1/2020, betreffend ein Abteilungsverfahren nach der BO für Wien (mitbeteiligte Parteien als Antragsteller DI D. E., F., G.-straße, sowie als Miteigentümer einer von der Abteilung erfassten Grundfläche H. I. und J. I., beide vertreten durch Rechtsanwalt),

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag von DI D. E. auf Bewilligung der Abteilung nach dem Teilungsplan von DI D. E. vom 9. Dezember 2019, GZ ...2/17, gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG als mangelhaft zurückgewiesen wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahren vor der belangten Behörde und bekämpfter Bescheid:

1.1. Mit Eingabe an den Magistrat der Stadt Wien (in Folge: belangte Behörde) vom 21. Jänner 2020 beantragte der Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen DI D. E. (in Folge: Antragsteller) die Bewilligung der Abteilung von Grundstücken nach einem von ihm erstellten Teilungsplan vom 9. Dezember 2019, GZ ...2/17. Gemäß diesem Teilungsplan soll von der je zur Hälfte im grundbücherlichen Eigentum von A. B. und C. B. (in der Folge: Beschwerdeführer) stehenden Grundstück ...3/8, inneliegend der EZ ...4 der KG K., ein Trennstück im Ausmaß von 5 m2 abgeschrieben und dem südlich angrenzenden je zur Hälfte im grundbücherlichen Eigentum von J. I. und H. I. stehenden Grundstück ...3/9, inneliegend der EZ ...5 der KG K., zugeschrieben werden.

1.2. Mit Schreiben vom 23. Jänner 2020 forderte die belangte Behörde den Antragsteller gemäß § 13 Abs. 3 AVG auf, den Nachweis der Zustimmung der Eigentümer der Liegenschaften der EZ ...4 und ...5 der KG K. binnen zwei Wochen ab Zustellung nachzureichen, andernfalls der Antrag zurückgewiesen werde.

1.3. Mit Eingabe vom 5. Februar 2020 legte der Antragsteller Zustimmungserklärungen „gem. VermG § 43 Abs. 5 und 6“ von H. I. und J. I. vor. Betreffend die Zustimmungserklärungen der Beschwerdeführer legte der Antragsteller ein Urteil des LG für ZRS Wien vom 25. September 2019, GZ ...6, vor und führte aus, dass wegen dieses Gerichtsurteils eine Unterschrift der Beschwerdeführer nicht erforderlich sei. Mit dem vorgelegten Urteil gab das LG für ZRS Wien einer Berufung der Beschwerdeführer gegen ein Urteil des BG L. vom 7. Mai 2019, GZ ...7, in der Hauptsache nicht Folge. Aus der Begründung des Urteils ergibt sich, dass mit dem Urteil des BG L. gegenüber den Beschwerdeführern festgestellt wurde, dass H. I. und J. I. auf Grund von Ersitzung Eigentümer der Grundstücksfläche, auf der der Sockel des Zaunes zwischen den Grundstücken ...3/8 und ...3/9 steht, sowie der Grundstücksfläche zwischen der Grundgrenze und dem Zaunsockel geworden sind.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte die belangte Behörde gemäß § 13 Abs. 2 lit. b BO die beantragte Abteilung einschließlich der im Teilungsplan vorgesehenen Zu- und Abschreibungen.

2. Beschwerde und Beschwerdeverfahren:

2.1. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, in der sie unter anderem (auf das Wesentlichste zusammengefasst) ausführten, dass die Abteilung von der belangen Behörde entgegen § 15 Abs. 1 Z 3 BO ohne ihre schriftliche Zustimmung bewilligt worden sei. Ob eine Zustimmung der Eigentümer vorliege, sei nach zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Die Zustimmung könne daher durch ein entsprechendes Gerichtsurteil oder einen Vergleich subsituiert werden. Eine solche Gerichtsentscheidung ersetze die Zustimmung des Grundeigentümers aber nur dann, wenn sie die Feststellung der Verpflichtung zur Zustimmung in einem der Rechtskraft fähigen Sinn und in einer Weise einschließe, die die Anwendung des § 367 EO ermögliche (Hinweis auf VwGH 20. Juli 2004, 2003/05/0150). Im gegenständlichen Fall sei zwar ein Urteil über die Ersitzung des Grenzzaunes ergangen, allerdings sei weder der Verlauf der Grenze noch ein Teilungsplan oder eine Zustimmung der Beschwerdeführer zu einem definierten Grenzverlauf festgestellt worden. Ein Teilungsplan sei dem Urteil nicht zugrunde gelegen, weil ein solcher noch überhaupt nicht erstellt gewesen sei. Es liege somit keine gerichtliche Entscheidung vor, die die Feststellung der Verpflichtung zur Zustimmung in einem der Rechtskraft fähigen Sinn und in einer Weise einschließe, die die Anwendbarkeit des § 367 EO ermögliche. § 367 EO setze voraus, dass die Erklärung im Exekutionstitel wörtlich angeführt sei. Durch das Gerichtsurteil könne die Zustimmung daher nicht subsituiert werden.

2.2. Die belangte Behörde nahm von einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.

2.3. Das Verwaltungsgericht machte dem Antragsteller sowie H. I. und J. I. Mitteilung von der Beschwerde.

2.4. H. I. und J. I. erstatteten am 2. September 2020 eine Stellungnahme, in der sie (auf das Wesentlichste zusammengefasst) ausführten, dass es ein rechtskräftiges vom LG für ZRS Wien bestätigtes Urteil des BG L. gebe, in dem eindeutig festgehalten sei, dass sie durch Ersitzung Eigentümer des Zaunsockels an der Grenze zwischen den Grundstücken ...3/8 und ...3/9 und aller Flächen bis zum Zaun geworden seien. Diesem Urteil sei eine Vermessungsurkunde (Anhang ./C zu diesem Urteil) zugrunde gelegen. Der verfahrensgegenständliche Teilungsplan entspreche genau dem Urteil. Dieses Urteil würde die Zustimmung der Beschwerdeführer ersetzen, selbst wenn es einer solchen bedürfte, was aufgrund der Ersitzung nicht der Fall sei. Alles andere wäre undenkbar, weil dadurch die Beschwerdeführer die Durchführung und Durchsetzung eines rechtskräftigen Urteils durch die Verweigerung der Zustimmung verhindern könnten. Damit wäre das vorhergehende Zivilverfahren ad absurdum geführt. Ungeachtet dessen halte das Urteil ausdrücklich und für alle Beteiligten verbindlich fest, dass sie durch Ersitzung Eigentümer des Grundstückteiles geworden seien, der abgeteilt werde. Die Beschwerdeführer seien daher nicht Eigentümer eines von der Abteilung erfassten Grundstückes, weil sie dieses Eigentum durch Ersitzung schon längst verloren hätten bzw. genaugenommen niemals Eigentümer des Grundstücksteils gewesen seien, da sie das angrenzende Grundstück erst nach der Ersitzung gekauft hätten.

2.5. Das Verwaltungsgericht Wien schaffte in weiterer Folge den Akt des BG L., GZ ...7, bei.

2.6. Am 1. März 2021 fand vor dem Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

3. Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung:

3.1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

3.1.1. Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Miteigentümer der Grundstückes ...3/8, inneliegend der EZ ...4 der KG K.. Bei diesem Grundstück handelt es sich um einen Bauplatz. Das Grundstück ist bebaut (Grundbuchauszug; grundtechnisches Gutachten vom 9. März 2020).

3.1.2. H. I. und J. I. sind je zur Hälfte Miteigentümer des unmittelbar südlich an die Liegenschaft der Beschwerdeführer angrenzenden Grundstücks ...3/9, inneliegend der EZ ...5 der KG K.. Auch bei diesem Grundstück handelt es sich um einen Bauplatz. Auch dieses Grundstück ist bebaut. (Grundbuchauszug; grundtechnisches Gutachten vom 9. März 2020).

3.1.3. Mit rechtskräftigem Urteil des BG L. vom 7. Mai 2019, ...7, wurde gegenüber den Beschwerdeführern festgestellt, dass H. I. und J. I. durch Ersitzung Eigentum an der Grundstücksfläche, auf der der Sockel des Zaunes zwischen den Grundstücken ...3/8 und ...3/9 steht, sowie an der Grundstücksfläche zwischen dem Zaunsockel und der Grundstücksgrenze erworben haben (Urteil des BG L. vom 7. Mai 2019, GZ ...7).

3.1.4. Die Beschwerdeführer haben der verfahrensgegenständlichen Abteilung nicht erteilt (unstrittig).

3.2. Zur Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den in Klammer angeführten Beweismitteln und sind unstrittig.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Gemäß § 13 Abs. 2 lit. b BO ist die Veränderung von Bauplätzen, Baulosen, Kleingärten oder Teilen von solchen oder einer sonstigen bebauten Liegenschaft bewilligungspflichtig.

4.2. Gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 BO ist dem Antrag um Abteilungsbewilligung die schriftliche Zustimmung der Eigentümer (aller Miteigentümer) der von der Abteilung erfassten Grundstücke beizulegen. Das Fehlen der Zustimmung ist ein Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG.

4.3. Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer des von der verfahrensgegenständlichen Abteilung erfassten Grundstückes ...3/8 und haben eine Zustimmung zur Abteilung nicht erteilt. Die Zustimmung kann allerdings durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Zu klären ist daher, ob das Urteil des BG L., mit dem festgestellt wurde, dass H. I. und J. I. durch Ersitzung Eigentümer der vom Grundstück ...3/8 abzuschreibenden Grundfläche geworden sind, die Zustimmung der Beschwerdeführer zur Abteilung ersetzt.

4.4. Ersitzung schafft zwar originär Eigentum, lässt aber nicht einen ersessenen Grundstreifen dem Grundstück des Ersitzers zuwachsen (OGH 22. Mai 1985, 1 Ob 583/85). Durch das Urteil des BG L. hat sich der Grenzverlauf zwischen den Grundstücken ...3/8 und ...3/9 somit nicht geändert. Gegenstand der Entscheidung des BG L. war auch nicht die Frage, ob die Beschwerdeführer zur Zustimmung zu einer Abteilung oder zu einer Abschreibung des ersessenen Grundstreifens verhalten sind oder nicht, sondern lediglich die Feststellung, dass H. I. und J. I. durch Ersitzung Eigentum am gegenständlichen Grundstreifen erworben haben. Das Urteil des BG L. ersetzt daher nicht die Zustimmung der Beschwerdeführer zur Abteilung. Der von H. I. und J. I. ersessene Grundstreifen ist auch nach dem Urteil des BG L. weiterhin Bestandteil des Grundstückes ...3/8, dessen Miteigentümer die Beschwerdeführer sind. Da das Feststellungsurteil des BG L. die Zustimmung der Beschwerdeführer zur Abteilung nicht ersetzt und sie weiterhin Miteigentümer eines von der Abteilung erfassten Grundstückes sind, fehlt die gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 BO erforderliche Zustimmung der Beschwerdeführer. Der Antrag auf Abteilung ist daher, da ihm eine gesetzlich vorgeschriebene Beilage nicht angeschlossen war, gemäß § 13 Abs. 3 AVG als mangelhaft zurückzuweisen.

4.5. Gemäß § 134 Abs. 2 BO sind im Grundabteilungsverfahren neben dem Antragsteller (Abteilungswerber) die Eigentümer (Miteigentümer) aller von der Grundabteilung erfassten Grundflächen Parteien. Von einer Grundabteilung wird jedoch nicht nur die Grundfläche erfasst, die im Zuge einer Abteilung von einem Grundstück (Bauplatz) abgeschrieben werden soll. Vielmehr ergibt sich aus § 13 Abs. 2 lit. b BO, nach dem die Veränderung von Bauplätzen bewilligungspflichtig ist, dass auch der Bauplatz, der verändert werden soll, in seiner Gesamtheit eine von der Abteilung erfasste Grundfläche im Sinne des § 134 Abs. 2 BO darstellt. Auch wenn die Beschwerdeführer daher nicht mehr Miteigentümer der Grundfläche sind, die von dem in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück ...3/8 abgeschrieben werden soll, sind sie als Miteigentümer des Grundstückes ...3/8 Miteigentümer einer von der Abteilung erfassten Grundfläche. Die Beschwerdeführer sind daher auch Parteien des gegenständlichen Abteilungsverfahrens und zur Erhebung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht legitimiert.

4.6. Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Abteilung gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen wird.

Zum Ausspruch über die Nichtzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im gegenständlichen Fall war auszusprechen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Grundabteilungsverfahren; Abteilungsbewilligung; Zustimmung; Miteigentümerin; Miteigentümer; Mangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.112.078.9232.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten