TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/16 I415 2198919-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.03.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I415 2198918-1/18E
I415 2198919-1/11E
I415 2198920-1/11E
I415 2198923-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter und XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter, alle vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, jeweils vom 02.05.2018, Zl. XXXX , ZI. XXXX , ZI. XXXX , ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.02.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wird als unbegründet abgewiesen.

B)

I. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat IRAK zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat IRAK zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

III. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat IRAK zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat IRAK zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX , geb. XXXX , eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

C)

In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben.

D)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Die Verfahren des am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführers (BF1), seiner am XXXX geborenen Ehefrau (BF2), sowie ihrer beiden minderjährigen Kinder, des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers (BF3) und der am XXXX geborenen Viertbeschwerdeführerin (BF4) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige. Es handelt sich beim Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin um Ehegatten. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind ihre minderjährigen Kinder, welche im Verfahren durch ihre Mutter vertreten werden.

2.       Sie reisten (spätestens) im Oktober 2015 gemeinsam in das Bundesgebiet ein. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 20.10.2015 für sich und die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu ihren Fluchtgründen gaben der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer polizeilichen Erstbefragung am 20.10.2015 an, dass der Erstbeschwerdeführer Peschmerga im kurdischen Autonomiegebiet in Kirkuk gewesen sei und aufgrund einer Bedrohung durch den IS geflüchtet sei, aus Angst, vom IS getötet zu werden. Er habe keine Wahl, entweder er bleibe bei den Peschmerga, oder er müsse zum IS. Für die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

3.       Am 03.08.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Sie wiederholten im Wesentlichen ihr Fluchtvorbringen. Der Erstbeschwerdeführer habe aufgrund seiner Tätigkeit als einfacher Soldat für die Peschmerga mehrere Drohbriefe des IS erhalten, wonach er getötet werden solle, wenn er den Dienst nicht beende. Nach dem Erhalt des dritten Drohbriefs sei er ohne Erlaubnis seines Arbeitgebers zu seiner Frau zurückgekehrt. Noch in derselben Nacht seien die Peschmerga zu ihm gekommen, um ihn festzunehmen. Er habe vom Erhalt der Drohbriefe nichts erzählen wollen, als man ihn nach den Gründen für seine Abwesenheit befragt habe. Stattdessen habe er erklärt, er sei nach 15 Dienstjahren müde und wolle nicht mehr Peschmerga sein, doch man habe ihm geantwortet, er könne seine Arbeit in Kriegszeiten nicht verlassen. Er sei für sieben Tage in Haft gewesen und unter Druck gesetzt worden. Dann sei ihm gesagt worden, dass er für einen Tag zur Erholung nach Hause gehen könne und danach zu seiner Einheit zurückkehren müsse. Am nächsten Tag sei er mit seiner Familie geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, durch den IS und aufgrund seiner Desertion auch durch die irakischen Behörden verfolgt zu werden.

4.       Mit den vier verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 02.05.2018 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie den Beschwerdeführen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

5.       Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 24.05.2018. Begründend führten die Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass ihnen im Irak nach wie Verfolgung seitens des IS und wegen der Desertion des Erstbeschwerdeführers vom Militärdienst auch seitens des irakischen Staates drohen würde. Von Seiten der staatlichen Sicherheitsbehörden könne keinerlei Schutz oder Hilfe erwartet werden. Den Beschwerdeführern hätte aufgrund der allgemeinen Lage im Irak zumindest der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Überdies seien die Beschwerdeführer in Österreich bereits sehr gut integriert.

6.       Beschwerden und bezughabende Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.06.2018 vorgelegt und der Gerichtsabteilung L524 zugeteilt. Mit der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der Gerichtsabteilung L524 abgenommen und der Gerichtsabteilung I415 neu zugewiesen.

7.       Am 24.02.2021 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit aller Beschwerdeführer, ihrer Rechtsvertretung, eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Sorani und in Abwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige, bekennen sich zum sunnitisch muslimischen Glauben und gehören der Volksgruppe der Kurden an. Ihre Identitäten stehen nicht fest.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind volljährig und seit dem XXXX .2004 miteinander traditionell verheiratet. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder.

Der Erstbeschwerdeführer wurde in Kirkuk geboren. Er wuchs dort auf und besuchte sieben Jahre lang die Schule. Anschließend war für rund 15 Jahre Peschmerga und arbeitete nebenher als Elektriker. Durch diese Tätigkeit erwirtschaftete er sein Einkommen und sicherte dadurch sowohl seinen Lebensunterhalt, als auch den der Zweitbeschwerdeführerin und der beiden gemeinsamen Kinder. Sie lebten in einer Mietwohnung und besaßen einen Baugrund, den sie verkauften, um ihre Reise nach Europa zu finanzieren. Ihre wirtschaftliche Situation war gut.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls in Kirkuk geboren, wuchs in ihrer Geburtsstadt auf und besuchte dort sechs Jahre lang die Schule. Sie war in ihrer Heimat Hausfrau.

Der minderjährige Drittbeschwerdeführer besuchte im Irak die Schule, die minderjährige Viertbeschwerdeführerin hat in ihrem Herkunftsstaat keine Schule besucht. Sie waren zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus dem Irak neun (BF3) und drei (BF4) Jahre alt.

Im Irak leben nach wie vor Verwandte der Beschwerdeführer. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers sowie die Mutter und die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin leben im Viertel XXXX in Kirkuk. Ihre Mütter bestreiten ihren Lebensunterhalt durch den Erhalt von Pensionszahlungen, die Väter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sind vor Jahren als Peschmerga im Dienst gefallen. Die Beschwerdeführer stehen mit ihrer Familie nach wie vor in regelmäßigem Kontakt. Außerdem lebt ein Onkel der Zweitbeschwerdeführerin in Deutschland. Dem Bruder der Zweitbeschwerdeführerin war mit Bescheid des BFA vom 03.05.2016 in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Am XXXX 2017 ist er aufgrund eines Arbeitsunfalles in Österreich verstorben.

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an einer Schilddrüsenunterfunktion, die medikamentös gut behandelbar ist. Der Erstbeschwerdeführer machte keine gesundheitlichen Beschwerden geltend und auch die Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind gesund. Es wurden von Seiten der Beschwerdeführer in Zusammenschau keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgebracht, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnten. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind erwerbsfähig.

Die Beschwerdeführer reisten (spätestens) im Oktober 2015 nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten am 20.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer spricht in einfachem, aber verständlichem Niveau Deutsch. Er hat am 16.03.2017 ein ÖSD Zertifikat A1 gut bestanden und am 20.11.2017 ein ÖSD Zertifikat A2 absolviert. Am 18.09.2017 hat er einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF besucht und am 28.06.2017 an einem XXXX -Basisworkshop der Initiative XXXX teilgenommen. Er wirkte von 01.11.2015 bis 27.12.2015 ehrenamtlich in der Essensausgabe seiner Unterkunft mit, war von 19.04.2016 bis 09.05.2016, von 11.07.2016 bis 22.07.2016, von 14.11.2016 bis 19.11.2016 und von 19.06.2017 bis 07.07.2017 gemeinnützig für die Gemeinde XXXX beschäftigt und war über Dienstleistungsschecks immer wieder bei einem Tischlereibetrieb tätig.

Die Zweitbeschwerdeführerin spricht ebenfalls Deutsch auf A2-Niveau und kann sich gut verständigen. Sie hat am 16.03.2017 ein ÖSD Zertifikat A1 sehr gut bestanden, am 20.11.2017 ein ÖSD Zertifikat A2 absolviert, am 18.09.2017 einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF besucht und am 28.06.2017 an einem XXXX -Basisworkshop der Initiative XXXX teilgenommen. Sie war zwischen Februar 2018 und März 2020 stundenweise mittels Dienstleistungsschecks in zwei Privathaushalten beschäftigt.

Der Drittbeschwerdeführer besucht derzeit die dritte Klasse einer NMS, die Viertbeschwerdeführerin die Volksschule. Sie sprechen sehr gut Deutsch und haben sich einen altersadäquaten Freundeskreis aufgebaut.

Die Beschwerdeführer haben im Bundesgebiet Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gehen keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Die Familie bestreitet ihren Lebensunterhalt durch den Bezug von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die Erst-, Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten, die Viertbeschwerdeführerin ist nicht strafmündig.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden.

Die Beschwerdeführer sind im Fall einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion insbesondere nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer individuellen Verfolgung seitens verbliebener Anhänger des Islamischen Staates ausgesetzt. Auch kann nicht festgestellt werden, dass dem Erstbeschwerdeführer im Irak die Gefahr einer staatlichen Verfolgung aufgrund einer Desertion des Erstbeschwerdeführers von den Peschmerga drohen würde. Ebenso wenig ist feststellbar, dass der Zweitbeschwerdeführerin als Frau im Irak Verfolgung oder Diskriminierung drohen würde.

Für den Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Die Beschwerdeführer werden im Falle ihrer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein.

1.3 Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Die Beschwerdeführer werden im Fall ihrer Rückkehr in den Irak mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, keiner unmenschlichen Bestrafung und keiner Todesstrafe ausgesetzt sein.

Allerdings werden sie bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Situation geraten, denn sie sind aufgrund der derzeitigen Situation in ihrer Herkunftsregion Kirkuk als vierköpfige Familie nicht fähig, eigenständig ihren Lebensunterhalt zu sichern und die grundlegenden sowie notwendigen Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft in ausreichendem Maße zu befriedigen, wodurch das Wohl der minderjährigen Kinder gefährdet wäre.

Eine ausreichende und dauerhafte Unterstützung durch ihre im Irak lebenden Familienangehörigen wäre im Falle einer Rückkehr nicht gesichert.

1.4. Zur Lage im Irak:

Die wesentlichen Feststellungen zur Lage im Irak lauten:

1.4.1 Sicherheitslage

1.4.1.1 Allgemeine Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).

Aktuelle Sicherheitslage:

Auf der Seite des Auswärtigen Amtes Deutschlands finden sich zur aktuellen Sicherheitslage im gesamten Irak folgende Beiträge mit Stand 01.02.2021:

„Die Sicherheitslage im gesamten Irak bleibt volatil. Die Zahl der terroristischen Anschläge vor allem im Nord- und Zentralirak ist seit Langem sehr hoch. Personen, die sich im Irak aufhalten, sollten Medienberichte aufmerksam verfolgen und alle Vorkehrungen treffen, um erforderlichenfalls kurzfristig ausreisen zu können.

Besonders gefährlich sind die Provinzen Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa (Sindschar, Mossul, Grenze zu Syrien), Salah Al-Din sowie der Norden der Provinz Babel. In diesen Provinzen muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. In der nördlichen Provinz Ninewa gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-nahen Kräften, von denen auch Zivilisten betroffen sind. Gleiches gilt für die nördliche Grenze der Region Kurdistan-Irak zu Syrien und der Türkei. Hier ist es zu Angriffen auf türkisches Militär und zu türkischen Luftangriffen auf PKK-Stellungen gekommen. Auch an der Grenze der Region Kurdistan-Irak zu Iran kommt es vereinzelt zu Gefechten.“

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- AA – Auswärtiges Amt (01.02.2021: Irak: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/iraksicherheit/202738, Zugriff 15.02.2021

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html, Zugriff 13.3.2020

- Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02, Zugriff 13.3.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

- FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable _but_improving/10061710, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020

- New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

1.4.1.3 Islamischer Staat (IS)

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).

Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).

Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).

Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).

Quellen:

ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 13.3.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- BBC News (23.12.2019): Isis in Iraq: Militants 'getting stronger again', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50850325, Zugriff 13.3.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

- Garda World (3.3.2020): Iraq Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/iraq, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 13.3.2020

- Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-along-syrian-border/, Zugriff 13.3.2020

- NINA - National Iraqi News Agency (17.1.2020): ISIS Elements executed a herd of buffalo by firing bullets northeast of Baquba. http://ninanews.com/Website/News/Details?key=808154, Zugriff 13.3.2020

- PGN - Political Geography Now (11.1.2020): Iraq Control Map & Timeline - January 2020, https://www.polgeonow.com/2020/01/isis-iraq-control-map-2020.html, Zugriff 13.3.2020

- Portal, The (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory”, http://www.theportal-center.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

- UN General Assembly (30.7.2019): Children and armed conflict; Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 13.3.2020

- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

1.4.1.4 Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Die Zahl der durch Gewalt ums Leben gekommenen ist zwischen 2017 und 2019 erheblich gesunken. Waren 2015 noch etwa 17.500 zivile Gewaltopfer im Irak zu beklagen, so ist diese Zahl im Jahr 2019 auf rund 2.300 Gewaltopfer gesunken. Im Jahr 2020 gab es nach vorläufigen Schätzungen bis einschließlich September 704 zivile Todesopfer im Irak (Statista 23.11.2020).

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden im Lauf des Monats November 2019 für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020). Im Jänner 2020 wurden 91 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 53 Toten und 139 Verletzten verzeichnet, wobei zwölf Vorfälle, Raketen- und Mörserbeschuss, pro-iranischen PMF, bzw. dem Iran zugeschrieben werden, während der Islamische Staat (IS) für die übrigen 79 verantwortlich gemacht wird (Joel Wing 3.2.2020). Im Febraur 2020 waren es 85 Vorfälle, von denen drei auf pro-iranischen PMF zurückzuführen sind (Joel Wing 5.3.2020). Der Rückgang an Vorfällen mit IS-Bezug Ende 2019 wird mit den Anti-Regierungsprotesten in Zusammenhang gesehen, da der IS bereits in den vorangegangenen Jahren seine Angriffe während solcher Proteste reduziert hat. Schließlich verstärkte der IS seine Angriffe wieder (Joel Wing 3.2.2020).

Quellen:

- ACCORD (26.2.2020): Irak, 4. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2025321/2018q4Iraq_de.pdf, Zugriff 13.3.2020

- IBC - Iraq Bodycount (2.2020): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019,https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

-        Statista Research Department - deutsches Online-Portal für Statistik (22.05.2020): Anzahl der dokumentierten zivilen Todesopfer im Irakkrieg und in den folgenden Jahren von 2003 bis 2020*, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163882/umfrage/dokumentierte-zivile-todesopfer-im-irakkrieg-seit-2003/#professional , Zugriff 23.11.2020

1.4.1.5 Sicherheitslage Nord- und Zentralirak

Letzte Änderung: 17.3.2020

Der Islamische Staat (IS) ist im Zentralirak nach wie vor am aktivsten (Joel Wing 3.2.2020), so sind Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala nach wie vor die Hauptaktionsgebiete der Aufständischen (Joel Wing 2.12.2019).

In den sogenannten „umstrittenen Gebieten“, die sowohl von der Zentralregierung als auch von der kurdischen Regionalregierung (KRG) beansprucht werden, und wo es zu erheblichen Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen durchzuführen (Kurdistan24 7.8.2019). Die Sicherheitsaufgaben in den „umstrittenen Gebieten“ werden zwischen der Bundespolizei und den Volksmobilisierungskräften (al-Hashd ash-Sha‘bi/PMF) geteilt (Rudaw 31.5.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Bei den zwischen Bagdad und Erbil „umstrittenen Gebieten“ handelt es sich um einen breiten territorialen Gürtel der zwischen dem „arabischen“ und „kurdischen“ Irak liegt und sich von der iranischen Grenze im mittleren Osten bis zur syrischen Grenze im Nordwesten erstreckt (Crisis Group 14.12.2018). Die „umstrittenen Gebiete“ umfassen Gebiete in den Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala. Dies sind die Distrikte Sinjar (Shingal), Tal Afar, Tilkaef, Sheikhan, Hamdaniya und Makhmour, sowie die Subdistrikte Qahtaniya and Bashiqa in Ninewa, der Distrikt Tuz Khurmatu in Salah ad-Din, das gesamte Gouvernement Kirkuk und die Distrikte Khanaqin und Kifri, sowie der Subdistrikt Mandali in Diyala (USIP 2011). Die Bevölkerung der „umstrittenen Gebiete“ ist sehr heterogen und umfasst auch eine Vielzahl unterschiedlicher ethnischer und religiöser Minderheiten, wie Turkmenen, Jesiden, Schabak, Chaldäer, Assyrer und andere. Kurdische Peshmerga eroberten Teile dieser umstrittenen Gebiete vom IS zurück und verteidigten sie, bzw. stießen in das durch den Zerfall der irakischen Armee entstandene Vakuum vor. Als Reaktion auf das kurdische Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017, das auch die „umstrittenen Gebiete“ umfasste, haben die irakischen Streitkräfte diese wieder der kurdischen Kontrolle entzogen (Crisis Group 14.12.2018).

Gouvernement Kirkuk

Kirkuk ist ein Gouvernement im Nordirak. Es umfasst vier Bezirke, nämlich Kirkuk, wo sich die Stadt Kirkuk befindet, Dibis, Hawija und Daquq. Die geschätzte Einwohnerzahl des Gouvernements für 2019 liegt bei 1.639.953. Kirkuk hat eine vielfältige und gemischte Bevölkerung mit einer Vielzahl von ethnischen und religiösen Gruppen. Die vorherrschende religiöse Gruppe sind sunnitische Muslime. Die reichhaltigen Ölvorkommen machen Kirkuk zu einem Gouvernement von strategischer Bedeutung, stellen gleichzeitig aber auch eine Quelle von Spannungen und einem langjährigen Gebietsstreit zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung (KRG) dar (EASO Country Guidance 2021).

Zwischen 2014 und 2017 wurden verschiedene Teile des Gouvernements vom IS und kurdischen von Peschmerga-Kräften kontrolliert. Die irakischen Streitkräfte gewannen den größten Teil des Gouvernements im Oktober 2017 zurück, nachdem die KRG beschlossen hatte, ein Unabhängigkeitsreferendum abzuhalten. Der IS hält kein Territorium mehr. Die Gruppe ist jedoch im Gouvernement aktiv, insbesondere in den Bezirken Hawija und Daquq. Im Juni 2020 wurde berichtet, dass im Gouvernement Kirkuk eine Vielzahl von Sicherheitsakteuren tätig sind, darunter die irakische Armee, der Anti-Terror-Dienst, eine Reihe von Volksmobilmachungseinheiten, Bundes- und Lokalpolizei und verschiedene Nachrichtendienste. Die Sicherheitsakteure konkurrieren miteinander und sind auch in profitable kriminelle Aktivitäten verwickelt. Zusätzlich haben kurdische Peschmerga-Kräfte an einigen Aktionen gegen den IS in Kirkuk teilgenommen (EASO Country Guidance 2021).

In den Jahren 2019 und 2020 wurden häufige Angriffe des IS gegen Sicherheitskräfte und Zivilisten in mehreren Gouvernenents, einschließlich Kirkuk, gemeldet. Die Zahl der vom IS durchgeführten Angriffe, wie Bombenanschläge am Straßenrand, Versuche, Kontrollpunkte oder Außenposten der irakischen Streitkräfte zu überrennen, gezielte Angriffe auf Personen und versuchte Angriffe mit vielen Opfern, ging im Gouvernement zwischen 2018 und dem ersten Quartal 2020 bis auf wenige Spitzen kontinuierlich zurück, die Gruppe blieb jedoch aktiv. (Joel Wing 5.8.2019, EASO Country Guidance 2021).

Da der Süden Kirkuks nicht vollständig von IS-Kämpfern befreit wurde, kommt es insbesondere in dieser Region regelmäßig zu Angriffen (Joel Wing 3.2.2020). Wie im benachbarten Diyala handelte es sich bei Vorfällen in Kirkuk meist um Schießereien, Angriffe auf Kontrollpunkte, Überfälle auf Städte und Vertreibungen aus ländlichen Gebieten, wobei sich der IS auf den Süden des Gouvernements Kirkuk konzentrierte. Unter anderem wurden eine Polizeistation und ein Armeestützpunkt angegriffen, sowie ein Polizeihauptquartier mit Mörsern beschossen (Joel Wing 16.10.2019). Im Dezember 2019 hat der IS einen falschen Kontrollpunkt entlang der Straße von Tikrit nach Kirkuk eingerichtet, an dem er sechs Zivilisten hinrichtete (Joel Wing 6.1.2020). Neun der 13 Vorfälle im Jänner 2020 ereigneten sich im Süden, wo der IS im Gouvernement seine Basis hat (Joel Wing 3.2.2020). Im Jahr 2019 wurde auch berichtet, dass IS Scharfschützenangriffe, Hinterhalte, das Verbrennen von Ernten, Entführungen und Ermordungen gegen Sicherheitskräfte und Gemeindeführer durchführte. Der IS zielte auch auf zivile Infrastruktur, wie Wasser- und Stromanlagen in Kirkuk (EASO Country Guidance 2021).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Kirkuk 39 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 41 Toten und 60 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es acht Vorfälle mit sieben Toten und zwölf Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Während die übrigen Vorfälle dem IS zugeschrieben werden, werden für je einen Vorfall im Jänner und Februar 2020 pro-iranische PMF verantwortlich gemacht (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).

Für den Zeitraum zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 verzeichnete das Gouvernement Kirkuk von allen Gouvernements die zweithöchste Anzahl von IS- bekennenden oder -verdächtigen Angriffen. IS-Angriffe erfolgten in Form von IED-Bombenanschlägen gegen Zivilisten in der Stadt Kirkuk, Mörsergranaten in Dörfern und Städten, in Leichen versteckten Bomben und Sprengfallen, Schikanen gegen die Kaka'i-Minderheit, Ermordungen von Gemeindevorstehern, Entführungen von Bauern zur Lösegelderpressung und Erpressung von Zivilisten. Im März 2020 wurde berichtet, dass IS-bekennende Angriffe in Kirkuk hauptsächlich auf die irakischen Streitkräfte und Gemeindeführer abzielten. Militärische Operationen und eine große Räumungsoperation gegen den IS wurden im Gouvernement Kirkuk von den irakischen Streitkräften mit Aufklärung und Feuerunterstützung internationaler Geheimdienste durchgeführt. (EASO Country Guidance 2021).

Bis zum 30. Juni 2020 verzeichnete die IOM 100.026 Binnenvertriebene und 341.106 Rückkehrer im Gouvernement Kirkuk. Im April 2020 identifizierte die IOM 13 Orte in Kirkuk, an denen keine Rückkehr stattfand, alle in den Distrikten Hawija (Unterdistrikt Al-Riyad) und Kirkuk (Unterdistrikt Al-Multaqa) gelegen. Die Hauptgründe für die ausbleibende Rückkehr wurden mit zerstörten Gebäuden, fehlenden Dienstleistungen, dem Vorhandensein von Minen und IEDs, Sicherheitsproblemen und der Präsenz des IS in Verbindung gebracht. Berichten zufolge machten Zwangsvertreibungen aus Lagern und informellen Siedlungen im Gouvernement Kirkuk bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders gefährdet für Sekundärvertreibungen.

Es wurden Schäden an Häusern sowie an den Wasserressourcen und der Wasser-, Sanitärversorgungs- und Hygiene-Infrastruktur festgestellt. Es wurde auch von nicht explodierten Minen und Bomben sowie von "riesigen Mengen an Trümmern" berichtet. (EASO Country Guidance 2021)

Quellen:

- Anadolu Agency (13.12.2019): Death toll in Iraq from suspected terror blasts hits 15, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/death-toll-in-iraq-from-suspected-terror-blasts-hits-15/1672348, Zugriff 13.3.2020

- BasNews (16.1.2020): Car Bomb Hits Iraqi Army Convoy, Kills Two, http://www.basnews.com/index.php/en/news/iraq/574768, Zugriff 13.3.2020

- Crisis Group (14.12.2018): Reviving UN Mediation on Iraq’s Disputed Internal Boundaries, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/194-reviving-un-mediation-iraqs-disputed-internal-boundaries, Zugriff 13.3.2020

- EASO - European Asylum Support Office (1.2021): Country Guidance: Iraq 2021; Common analysis and guidance note, https://www.easo.europa.eu/country-guidance-iraq-2021.pdf, Zugriff 15.2.2021

- ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16-2019.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (25.11.2019): Islamic State Forcing People Out Of Rural Diyala, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/11/islamic-state-forcing-people-out-of.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (9.9.2019): Islamic State’s New Game Plan In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/09/islamic-states-new-game-plan-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.8.2019): Islamic State’s Offensive Could Be Winding Down, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/08/islamic-states-offensive-could-be.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.5.2019): Islamic State Announces New Offensive But Amounts To Little So Far, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/05/islamic-state-announces-new-offensive.html, Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (23.12.2019): Car bomb kills 2 Iraqi soldiers, wounds one in western Anbar, https://www.kurdistan24.net/en/news/649d80f9-2f80-474a-b371-331269bb7792, Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (7.8.2019): ISIS increases activity in Iraq's disputed territories, https://www.kurdistan24.net/en/news/16f3d2f2-8395-40b8-94f3-ebbd183f398d, Zugriff 13.3.2020

- NINA - National Iraqi News Agency (29.12.2019): An Officer and /3 / fighters were wounded by a suicide bombing, west of Tharthar Valley, https://ninanews.com/Website/News/Details?key=804671, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (12.12.2019): ISIS militants kill 11 PMF in Saladin attack: security officials, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/121220193, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (3.12.2019): Diyala villagers flee spike in attacks by resurging Islamic State, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/03122019, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (31.5.2019): Iraqi Security Forces ignore ISIS attacks on Kakai farmlands, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/31052019, Zugriff 13.3.2020

- USIP - United States Institute of Peace (2011): Iraq‘s Disputed Territories, https://www.files.ethz.ch/isn/128591/PW69.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Xinhua (22.12.2019): Iraqi soldier killed, 7 civilians wounded in separate attacks in Iraq, http://www.xinhuanet.com/english/2019-12/22/c_138648985.htm, Zugriff 13.3.2020

1.4.2 Protestbewegung

Seit 2014 gibt es eine Protestbewegung, in der zumeist junge Leute in Scharen auf die Straße strömen, um bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus zu fordern (WZ 9.10.2018).

So kam es bereits 2018 im Südirak zu weitreichenden Protesten in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Ebenso kam es im Jahr 2019 zu Protesten, wobei pro-iranische Volksmobilisierungskräfte (PMF) beschuldigt wurden, sich an der Unterdrückung der Proteste beteiligt und Demonstranten sowie Menschenrechtsaktivisten angegriffen zu haben (Diyaruna 7.8.2019; vgl. Al Jazeera 25.10.2019).

Seit dem 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Eine weitere Forderung der Demonstranten ist die Abschaffung des ethnisch-konfessionellen Systems (muhasasa) zur Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019).

Im Zusammenhang mit diesen Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Im Zuge der Proteste kam es in mehreren Gouvernements von Seiten anti-iranischer Demonstranten zu Brandanschlägen auf Stützpunkte pro-iranischer PMF-Fraktionen und Parteien, wie der Asa‘ib Ahl al-Haq, der Badr-Organisation, der Harakat al-Abdal, Da‘wa und Hikma (Carnegie 14.11.2019; vgl. ICG 10.10.2019), sowie zu Angriffen auf die iranischen Konsulate in Kerbala (RFE/RL 4.11.2019) und Najaf (RFE/RL 1.12.2019).

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweiig riefen die Behörden im Oktober und November 2019 Ausgangssperren aus (AI 18.2.2020; vgl. Al Jazeera 5.10.2019; ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und implementierten zeitweilige Internetblockaden (UNAMI 10.2019; vgl. AI 18.2.2020; USDOS 11.3.2020).

Die irakische Menschenrechtskommission berichtete Ende Dezember 2019, dass seit Beginn der Proteste am 1.10.2019 mindestens 490 Demonstranten getötet wurden (AAA 28.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020), darunter 33 Aktivisten, die gezielt getötet wurden. Mehr als 22.000 Menschen wurden verletzt. 56 Demonstranten gelten nach berichteten Entführungen als vermisst, während zwölf weitere wieder freigelassen wurden (AAA 28.12.2019). Mitte Jänner 2020 berichtet Amnesty International von 600 Toten Demonstranten seit Beginn der Proteste (AI 23.1.2020).

Quellen:

- AAA - Asharq Al-Awsat (28.12.2019): Iraq: Human Rights Commission Says 490 Protesters Killed Since October, https://aawsat.com/english/home/article/2056146/iraq-human-rights-commission-says-490-protesters-killed-october, Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2025831.html, Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (23.1.2020): Iraq: Protest death toll surges as security forces resume brutal repression, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023297.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (25.10.2019): Dozens killed as fierce anti-government protests sweep Iraq, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/dozens-killed-fierce-anti-government-demonstrations-sweep-iraq-191025171801458.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (5.10.2019): Iraq PM lifts Baghdad curfew, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/iraq-pm-lifts-baghdad-curfew-191005070529047.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Mada (2.10.2019): ????????????????????????????? („Proteste werden zu Kriegsgebieten“), https://almadapaper.net/view.php?cat=221822, Zugriff 13.3.2020

- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020

- BBC News (4.10.2019): Iraq protests: 'No magic solution' to problems, PM says, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-49929280, Zugriff 13.3.2020

- Carnegie - Carnegie Middle East Center (14.11.2019): How Deep Is Anti-Iranian Sentiment in Iraq?, https://carnegie-mec.org/diwan/80313, Zugriff 13.3.2020

- Diyaruna (7.8.2019): Iran-backed militias suppress Iraqi protests, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/08/07/feature-01, Zugriff 13.3.2020

- ICG - International Crisis Group (10.10.2019): Widespread Protests Point to Iraq’s Cycle of Social Crisis, https://www.ecoi.net/de/dokument/2018263.html, Zugriff 13.3.2020

- ICG - International Crisis Group (31.7.2018): How to cope with Iraq’s summer brushfire, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/b61-how-cope-iraqs-summer-brushfire, Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (22.10.2019): Iraq's Sustained Protests and Political Crisis, https://iswresearch.blogspot.com/2019/10/iraqs-sustained-protests-and-political.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.10.2019): Iraq’s October Protests Escalate And Grow, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/iraqs-october-protests-escalate-and-grow.html, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.12.2019): Iraqi Protesters Torch Iranian Consulate For Second Time Within Week, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022938.html, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.11.2019): Security Forces Shoot At Baghdad Protesters, Several Killed In Karbala, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019395.html, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (13.10.2019): Iraq launches probe into killing of protesters,https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/13102019, Zugriff 13.3.2020

- UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (10.2019): Demonstraitons in Iraq; 1-9 October 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019889/UNAMI_Special_Report_on_Demonstrations_in_Iraq_22_October_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

- WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=994916&em_loc=69&em_ref=/nachrichten/welt/weltpolitik/&em_ivw=RedCont/Politik/Ausland&em_absatz_bold=0, Zugriff 13.3.2020

1.4.3 Sicherheitskräfte und Milizen

Im Mai 2003, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, demontierte die Koalitions-Übergangsverwaltung das irakische Militär und schickte dessen Personal nach Hause. Das aufgelöste Militär bildete einen großen Pool für Aufständische. Stattdessen wurde ein politisch neutrales Militär vorgesehen (Fanack 2.9.2019).

Der Irak verfügt über mehrere Sicherheitskräfte, die im ganzen Land operieren: Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) unter dem Innen- und Verteidigungsministerium, die dem Innenministerium unterstellten Strafverfolgungseinheiten der Bundes- und Provinzpolizei, der Dienst zum Schutz von Einrichtungen, Zivil- und Grenzschutzeinheiten, die dem Öl-Ministerium unterstellte Energiepolizei zum Schutz der Erdöl-Infrastruktur, sowie die dem Premierminister unterstellten Anti-Terroreinheiten und der Nachrichtendienst des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) (USDOS 11.3.2020). Neben den regulären irakischen Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden existieren auch die Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine staatlich geförderte militärische Dachorganisation, die sich aus etwa 40, überwiegend schiitischen Milizgruppen zusammensetzt, und die kurdischen Peshmerga der Kurdischen Region im Irak (KRI) (GS 18.7.2019).

Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle (USDOS 11.3.2020; vgl. GS 18.7.2019).

Quellen:

- Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 13.3.2020

- GS - Global Security (18.7.2019): Hashd al-Shaabi / Hashd Shaabi, Popular Mobilisation Units / People’s Mobilization Forces, https://www.globalsecurity.org/military/world/para/hashd-al-shaabi.htm, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

1.4.4 Kurdische Sicherheitskräfte (Peshmerga) und Nachrichtendienste

Nach der irakischen Verfassung hat die Kurdische Region im Irak (KRI) das Recht, ihre eigenen Sicherheitskräfte zu unterhalten (USDOS 11.3.2020). Die kurdischen Sicherheitskräfte (Peshmerga) unterstehen formal der kurdischen Regionalregierung (KRG) und sind bislang nicht in den Sicherheitsapparat der Zentralregierung eingegliedert. Sie bilden allerdings keine homogene Einheit, sondern unterstehen faktisch, voneinander getrennt, den beiden großen Parteien, der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), in ihren jeweiligen Einflussgebieten (AA 12.1.2019). Die Peshmerga sind eine komplexe und vielschichtige Kraft, ihre Loyalität ist geteilt zwischen dem irakischen Staat, der KRI, verschiedenen politischen Parteien und mächtigen Persönlichkeiten. Zu verschiedenen Zeitpunkten, manchmal auch gleichzeitig, können die Peshmerga als nationale Sicherheitskräfte, regionale Sicherheitskräfte, Partei-Kräfte und persönliche Sicherheitskräfte bezeichnet werden (Clingendael 3.2018).

Im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) hatten die Peshmerga über die ursprünglichen Grenzen von 2003 der KRI hinaus Gebiete befreit. Aus diesen zwischen Bagdad und Erbil seit jeher umstrittenen Gebieten hat die irakische Armee die Peshmerga nach Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums im September 2017 größtenteils zurückgedrängt. In weiten Teilen haben die Peshmerga sich kampflos zurückgezogen, es gab jedoch auch teils schwere bewaffnete Auseinandersetzungen mit Opfern auf beiden Seiten (AA 12.1.2019).

Per Gesetz von 2009 wurde die Umwandlung der Peshmerga von Parteimilizen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten