TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/18 W208 2239253-1

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Veröffentlicht am 18.03.2021
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Entscheidungsdatum

18.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
ZDG §13 Abs1 Z1
ZDG §13 Abs1 Z2
ZDG §2a Abs4
ZDG §6
ZDG §7

Spruch


W208 2239253-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerden von Dr. XXXX , geboren XXXX , XXXX ,

I. gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 22.12.2020, Zl. 289231/2-ZD/21, betreffend Erlöschen der Zivildienstpflicht, zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und der Bescheid aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der BF zivildienstpflichtig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

II. betreffend den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 04.11.2020, Zl. 289231/19/ZD/1120, über die Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt bzw beschlossen:

A)       Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und der Zuweisungsbescheid aufgehoben.

B)       Der Antrag auf befristete Befreiung bis September 2021 gemäß § 13 Abs 1 Z 1 ZDG wird mangels Zuständigkeit des BVwG als unzulässig zurückgewiesen.

C)       Der Antrag auf befristete Befreiung bis September 2021 gemäß § 13 Abs 1 Z 2 ZDG wird mangels Zuständigkeit des BVwG als unzulässig zurückgewiesen.

D)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zum Spruchpunkt II.A. zulässig und ansonsten unzulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) wurde mit rechtskräftigem Beschluss der Stellungskommission vom 17.12.2004 für „tauglich“ zum Wehrdienst befunden.

2. Am 27.05.2005 (Postaufgabe) brachte der BF eine Zivildiensterklärung beim Militärkommando TIROL (im Folgenden: MilKdo) ein. Er vermerkte auf der Erklärung, dass er den Aufschub bis zum Abschluss seiner Ausbildung (Gymnasium und Medizinstudium) beantrage.

3. Mit Bescheid vom 10.06.2005 wurde von der Zivildienstserviceagentur (im Folgenden: ZISA oder belangte Behörde) der Eintritt der Zivildienstpflicht mit 27.05.2005 festgestellt.

4. Am 23.06.2005 übermittelte der BF einen Wunsch auf Zuweisung zum Rettungswesen XXXX im Herbst 2010/2011 an die ZISA und schloss einen Antrag auf Aufschub an, den er mit seinem beabsichtigten Studium der Humanmedizin, dem nach einer Entscheidung des EUGH zu erwartenden Ansturm deutscher Medizinstudenten sowie einem Rundschreiben des Wissenschaftsministeriums begründete, wonach Medizinstudenten vom Bundesministerium für Landesverteidigung grundsätzlich Aufschub bewilligt werde. Das müsse auch für den Zivildienst gelten.

5. Nach einem Ermittlungsverfahren, indem der BF diverse Bestätigungen für den Beginn seines Studiums vorlegte, wurde ihm mit Bescheid der ZISA vom 23.11.2005 ein Aufschub des ordentlichen Zivildienstes bis längstens zum 30.06.2011 gewährt.

In der Folge legte der BF Studienbestätigungen 2007, 2009 und 2013 vor. Die Beendigung seines Medizinstudiums 2015 meldete er der ZISA nicht und beantragte auch keinen weiteren Aufschub für seine Facharztausbildung.

6. Mit Bescheid vom 04.11.2020, Zl. 289231/19/ZD/1120 (zugestellt am 09.11.2020 und in der Folge als „Zuweisungsbescheid“ bezeichnet) wurde der zu diesem Zeitpunkt kurz vor seinem 34. Geburtstag stehende BF - ohne weitere Erhebungen oder Parteiengehör - für den Zeitraum 04.01.2021 bis 30.09.2021 dem Roten Kreuz TIROL zur Dienstleistung (Hilfsdienste und Fahrdienste) zugewiesen.

7. Gegen diesen Bescheid richtete er eine mit 19.11.2020 datierte Beschwerde, die der belangen Behörde am 20.11.2020 (Postaufgabedatum) übermittelt wurde. Begründet wurde die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er seit 2015 Arzt in einem öffentlichen Krankenhaus in TIROL sei und im ersten Halbjahr 2021 seine Facharztausbildung abschließen werde. Angesichts der Pandemie werde er dort gebraucht und stünden öffentliche Interessen der Zuweisung entgegen. Weiters habe er auch berücksichtigungswürdige Interessen und einen erheblichen Nachteil, wenn er seine Facharztausbildung abbrechen müsse (im Februar 2021 sei die Abschlussprüfung) und als ausgebildeter Arzt für Hilfsdienste eingesetzt werde. Er würde im Falle eines Nichtbestehens der Facharztprüfung nach neun Monaten, ohne jegliche berufliche Vorbereitungstätigkeit, wieder antreten müssen und würde auch ein hoher wirtschaftlicher Schaden eintreten. Wenn ihm die Behörde vor Erlassung des Zuweisungsbescheides Gehör gewährt hätte, hätte er die Befreiungsgründe vorbringen können und wäre der Bescheid so nicht ergangen.

Er beantrage die Aufhebung der Zuweisung und Befreiung nach § 13 Abs 1 Z 1 und/oder Z 2 bis September 2021. Für den Fall, dass seinem Antrag auf späteren Antritt des Zivildienstes nicht nachgekommen werden könne oder er sich als unzulässig erweisen würde, gebe er „vorsorglich einen Widerruf und eine Erklärung nach § 6“ ab, um die 14-Tage-Frist des § 6 zu wahren.

Er beantrage weiters der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

8. In der Folge nahm eine Mitarbeiterin der ZISA telefonisch mit dem BF Kontakt auf und informierte ihn, dass er nur dann die Sicherheit habe den Zivildienst im Jänner 2021 nicht antreten zu müssen, wenn sein Schreiben als Widerrufserklärung gewertet werden solle. Die Mitarbeiterin legte am 15.12.2020 um 12:06 Uhr einen Aktenvermerk mit folgendem Text an: „zieht Beschwerde zurück, Schreiben vom 19.11.20 ist einzig als WDR zu werten“.

Der BF übermittelte am 15.12.2020 um 16:00 Uhr eine Mail, indem er die Ergebnisse des Gesprächs mit der Mitarbeiterin der ZISA wie folgt zusammenfasste (Hervorhebungen durch BVwG):

„[…] ich nehme Bezug auf ihren heutigen überraschenden Telefonanruf und die Fristsetzung bis heute Abend. Ich halte nochmals fest, dass ich ein juristischer Laie bin. Wenn Sie mir als zuständige Fachbehörde erklären – so wie sie es mir mitgeteilt haben -, dass meine Anträge unzulässig seien, kein Grund für eine Freistellung bestehe, auch keine Aufschiebung der Beschwerde erteilt würde, so haben ich schon in meinem Schreiben festgehalten, dass ich den Widerruf der Zivildiensterklärung unbedingt erkläre. Demnach stelle ich nochmals klar, dass ich den Widerruf der Zivildiensterklärung abgegeben habe in dem Schreiben vom 19.11.2020.[…]“

Die ZISA wies den BF am 16.12.2020 darauf hin, dass er für einen Widerruf die Erklärung abgeben müsse, dass er es aus Gewissensgründen (§ 1 Abs 1 ZDG) nicht mehr verweigere den Wehrdienst zu erfüllen. Sie übermittelte dem BF ein Formular, dass er ausgefüllt und unterschrieben zurücksenden solle. Der BF erklärte, dass sein Drucker nicht funktioniere und er die Erklärung nächste Woche übermitteln werde.

Am 22.12.2020 langte bei der ZISA das vom BF unterschriebene Formular „WIDERRUF DER ZIVILDIENSTERKLÄRUNG“ ein. Im Formular wird ua darauf hingewiesen, dass das Recht zur Abgabe einer Widerrufserklärung ab dem 15. Tag nach Zustellung eines Zuweisungsbescheides ruht, bei fristgerechter Einbringung ein Zuweisungsbescheid sofort außer Kraft tritt, die Zivildienstpflicht erlischt und der Betroffene wieder der Wehrpflicht unterliegt. Der BF wies anlässlich der Übermittlung nochmals daraufhin, dass er nicht verstehe, dass trotz der größten Gesundheitskrise seit hundert Jahren, keine befristete Befreiung von der Zuweisung möglich gewesen sei. Eine Bedingung merkte er am Formular nicht an.

9. Mit Bescheid vom 22.12.2020, Zl. 289231/2-ZD/21 (zugestellt am 29.12.2020 und in der Folge als „Feststellungsbescheid“ bezeichnet), stellte die ZISA das Erlöschen der Zivildienstpflicht mit 19.11.2020, aufgrund der Erklärung des BF vom 19.11.2020, fest.

10. Auch gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schriftsatz vom 24.01.2021 (Postaufgabe am 25.01.2021) eine umfänglich begründete Beschwerde ein, monierte darüber hinaus aber auch, dass über seine Beschwerde vom 19.11.2020 gegen den Bescheid vom 04.11.2020, die er nicht zurückgezogen habe, nicht entschieden worden sei. Er warf dabei im Wesentlichen die Rechtsfrage auf, ob ihn der Gesetzgeber zwinge, trotz noch nicht erledigter Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid, eine Zuweisung nur durch Abgabe einer Widerrufserklärung verhindern zu können. Es müsse eine Möglichkeit bestehen, einen Zuweisungsbescheid überprüfen zu können ohne das Risiko des Verlustes des Rechts auf Abgabe einer Widerrufserklärung in Kauf zu nehmen. Die Widerrufserklärung führe dazu, dass auch ein rechtswidriger Zuweisungsbescheid nicht mehr überprüft werden könne, das stehe mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht im Einklang. Wäre seiner Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid Folge gegeben worden, dann wäre sein Widerruf vorerst hinfällig geworden, weil er ihm bei Erlassung eines späteren Zuweisungsbescheides neuerlich zugestanden wäre.

11. Die belangte Behörde leitete beide Beschwerden und den Verwaltungsakt – trotz des Antrages auf aufschiebende Wirkung in der Beschwerde vom 19.11.2020 und dem Zuweisungstermin 04.01.2021 – erst mit Schreiben vom 02.02.2021 an das BVwG weiter, wo sie am 03.02.2021 einlangten (OZ 1).

12. Am 16.03.2021 langte beim BVwG ein Schriftsatz des Vaters des BF ein, den dieser „im Namen des BF“ verfasst hatte. In diesem informierte er, dass der BF am 02.02.2021 einen Einberufungsbefehl vom MilKdo erhalten habe. Dagegen habe er am 15.02.2021 Beschwerde eingebracht und einen Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt. In Ergänzung dazu führe er nunmehr an, dass seine Widerrufserklärung vom 19.11.2020 von weiteren Eventualanträge abhängig gemacht worden sei. Das Formular mit der vorformulierten Widerrufserklärung habe er erst am 22.12.2020 und damit nach Ablauf der 14-Tage-Frist unterschrieben und der ZISA mit Mail übermittelt. Der Feststellungsbescheid stütze sich nur auf die Erklärung vom 19.11.2020 und nicht auf jene vom 22.12.2020. Gegen den Feststellungsbescheid habe er eine Beschwerde eingebracht und dieser komme aufschiebende Wirkung zu, welche von der Behörde nicht ausgeschlossen worden sei. Vor einer Entscheidung des BVwG könne daher keine Beendigung der Zivildienstpflicht vorliegen und kein Einberufungsbefehl ergehen (OZ 2 und 3).

Am selben Tag wurde unter der Aktenzahl W208 2240426-1 der Vorlageantrag zur Beschwerdevorentscheidung des MilKdo über der Abweisung der Beschwerde des BF vom 15.02.2021 gegen den Einberufungsbefehl XXXX vom 02.02.2021 (Einberufung 06.04.2021) beim BVwG protokolliert. Den der Vater des BF als bevollmächtigter Vertreter im Verfahren des MilKdo eingebracht hatte (Vollmacht vom 09.03.2021).

13. Mit E-Mail vom 16.03.2021 stellte der BF einen Antrag auf eine mündliche Verhandlung und führte nochmals aus, dass seine Erklärung des Widerrufs unter Druck erfolgt sei und er seine Beschwerden nicht zurückgezogen hätte (OZ 4).

14. Mit einer weiteren E-Mail vom 17.03.2021 zog der BF seine Antrag auf eine mündliche Verhandlung wieder zurück. Er stellte darin weiters fest, dass er seinen Antrag auf Widerruf für den Fall abgeben habe, dass seine Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Zuweisungsbescheides und die damit verbundenen Eventualanträge auf Aufschub nicht zulässig sein sollten (OZ 5).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der im Verfahrensgang angeführte Sachverhalt steht fest. Hervorzuheben ist dabei insbesondere, dass der im Dezember 1986 geborene BF zum Zeitpunkt der Erlassung des Zuweisungsbescheides am 04.11.2020, weder über einen Bescheid über einen bewilligten Aufschub noch eine Befreiung verfügte. Aufgrund des Zeitablaufes seines bewilligten Aufschubes (längstens bis 30.06.2011) und der Beendigung seines Studiums der Humanmedizin im Dezember 2015 (vgl den Ärzteausweis ausgestellt am 10.12.2015 und die letzte Vorlage einer Studienbestätigung am 22.11.2013) musste er ab Dezember 2015 jederzeit mit einer Zuweisung zum Zivildienst rechnen.

1.2. Er hat in seiner ersten Beschwerde vom 19.11.2020 im Wesentlichen das Folgende erklärt bzw beantragt:

a)       Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid

b)       Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Zuweisungsbescheides vom 04.11.2020 (zugestellt am 09.11.2020).

c)       Antrag auf befristete Befreiung vom Zivildienst bis September 2021 nach § 13 Abs 1 Z 1 und/oder Z 2 ZDG

d)       Erklärung gemäß § 6 ZDG auf unbedingten Widerruf, falls seinen Anträgen nicht nachgekommen werde.

Keinem der Anträge a)-c) ist bis zur Vorlage der Beschwerde an das BVwG am 03.02.2021 nachgekommen worden.

1.3. Mit Verbesserungsauftrag vom 16.12.2020 wurde der BF – nach Belehrung über die mangelnden Erfolgsaussichten seiner Beschwerde und Anträge – von der ZISA aufgefordert eine mängelfreie Widerrufserklärung gemäß § 6 ZDG abzugeben. Dieser Aufforderung kam der BF mit seiner ausdrücklichen Erklärung vom 22.12.2020 durch Unterschrift am Formular „WIDERRUF DER ZIVILDIENSTERKLÄRUNG“ nach. Wodurch die Widerrufserklärung als ursprünglich am 19.11.2020 und damit richtig, innerhalb der 14-Tagefrist nach Zustellung des Zuweisungsbescheides vom 09.11.2020, eingebracht galt.

Es gibt Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechtserheblichen Willensmangels bei der Abgabe der Widerrufserklärung nach § 6 ZDG. Der BF wollte zwar zuerst nur eine Widerrufserklärung für den Fall abgeben, dass seinen oa Anträgen a-c nicht nachgekommen werde. Er hat nach dem Verbesserungsauftrag jedoch eine unbedingte Widerrufserklärung abgeben, weil ihm von einer Behördenvertreterin gesagt wurde, dass seine am 09.11.2020 eingebrachte Beschwerde bzw seine Anträge erfolglos sein würden und eine Zuweisung am 04.01.2021 nicht verhindern würden.

1.4. Der BF hat seine Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid nicht zurückgezogen, sondern gegen den Feststellungsbescheid eine weitere Beschwerde eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten aufgrund der Aktenlage der Behörde und den Angaben des BF in seinen schriftlichen Eingaben getroffen werden. Die Behörde ist diesen Angaben bei der Beschwerdevorlage nicht entgegengetreten und werden diese daher der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der BF hat selbst angeführt, dass es ihm darum ging am 04.01.2021 nicht den Zivildienst antreten zu müssen und hat er beginnend mit seiner Beschwerde vom 19.11.2020 betont nur für diesen Fall seine Zivildiensterklärung unbedingt zu widerrufen. Er hat dies in der Folge auch mehrfach betont und hat – belehrt um die rechtlichen Folgen – dies formal durch das Ausfüllen und übermitteln des Formulars bestätigt (vgl dazu insb die Erklärungen des BF in Punkt 7 und 8 seiner Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid). Er hat das Formular „WIDERRUF DER ZIVILDIENSTERKLÄRUNG“ ausgefüllt, weil er dahingehend manduziert wurde, dass er nur dann die Sicherheit habe nicht am 04.01.2021 den Zivildienst antreten zu müssen und seine Anträge unzulässig seien.

Das geht aus dem Mail vom 07.12.2020 von Mag. S XXXX an Frau W XXXX hervor („[…] weise ihn darauf hin, dass er nur dann die Sicherheit hat, nicht antreten zu müssen, wenn wir sein Schreiben einzig als Widerrufserklärung werten sollen/können“); aus dem kurzen Aktenvermerk von Frau W XXXX vom 15.12.2020, 12:06 Uhr („zieht Beschwerde zurück, Schreiben vom 19.11.20 ist einzig als WDR zu werten“) und insb dem Mail des BF vom 15.12.2020, 16:07 Uhr mit folgendem Text:

„Sehr geehrte Frau W XXXX ,

ich nehme Bezug auf Ihren heutigen überraschenden Telefonanruf und die Fristsetzung bis heute Abend.

Ich halte nochmals fest, dass ich ein juristischer Laie bin. Wenn Sie mir als zuständige Fachbehörde erklären – so wie Sie es mir mitgeteilt haben -, dass meine Anträge unzulässig seien, kein Grund für eine Freistellung bestehe, auch keine Aufschiebung der Beschwerde erteilt würde, so habe ich schon in meinem Schreiben festgehalten, dass ich den Widerruf der Zivildiensterklärung unbedingt erkläre.

Demnach stelle ich nochmals klar, dass ich den Widerruf der Zivildiensterklärung abgegeben habe in dem Schreiben vom 19.11.2020.

Mit freundlichen Grüßen

[BF]“

Daraufhin übermittelte ihm RegR ADir L XXXX (Bereichsleiter ZISA) am folgenden Tag das folgende Mail:

„Sehr geehrter [BF],

Gemäß § 6 Abs 1 Zivildienstgesetz kann der Zivildienstpflichtige die Zivildiensterklärung widerrufen. Hiezu muss er erklären, dass er die Erfüllung der Wehrpflicht nicht mehr aus den in § 1 Abs 1 genannten Gründen (Gewissensgründe) verweigere.

Bitte schicken sie mir das angefügte Formular ausgefüllt und unterschrieben wieder zurück.“

Das tat der BF am 22.12.2020, nicht ohne jedoch noch einmal darauf hinzuweisen, dass er nicht verstehe, warum er in der größten Gesundheitskrise, als Teil eines funktionierenden Ärzteteams in einem Krankenhaus, der gerade eine Covid-19 Infektion überstanden habe und in der Pandemiebekämpfung eingesetzt sei, keine befristete Befreiung bekomme. Er wies auch noch einmal auf den von der Behörde ihm mitgeteilten Standpunkt hin („Trotzdem sieht Ihre Behörde – so der mit mitgeteilte Standpunkt Ihrer Behörde von Frau W XXXX – kein öffentliches Interesse an einer funktionierenden Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im Sinne des § 11 Zivildienstgesetz […]“)

Dass der BF seine Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid – entgegen dem Aktenvermerk vom 15.12.2020 - nicht rechtswirksam zurückgezogen hat, ergibt sich daraus, dass der BF in seiner Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid auf die Erledigung der Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid beharrt hat, kein Schriftsatz und auch keine Niederschrift über die Erklärung der Zurückziehung der Beschwerde im Akt einliegt (vgl zur Notwendigkeit der Schriftlichkeit im Beschwerdeverfahren, Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren² [2018], § 12 VwGVG, Anm 4) und die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid vorgelegt hat, ohne eine Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens, wegen Zurückziehung der Beschwerde, zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

3.1.1. Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim BVwG vier Wochen. Die Beschwerden wurden fristgerecht eingebracht.

3.1.2. Gemäß § 14 VwGVG kann die belangte Behörde innerhalb von 2 Monaten eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, indem sie den Bescheid aufhebt, abändert oder die Beschwerde zurück- oder abweist. Im vorliegenden Fall, hat die Behörde von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

3.1.3. Gemäß § 2a Abs 4 ZDG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über Beschwerden gegen Bescheide der Zivildienstserviceagentur. Beschwerden gegen Zuweisungs- oder Entlassungsbescheide der Zivildienstserviceagentur haben ex lege keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Vorlageanträge in Beschwerdevorverfahren gegen solche Bescheide. In diesen Fällen hat das BVwG auf Antrag des BF die aufschiebende Wirkung der Beschwerde mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und dem Interesse der Partei mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Nach § 13 Abs 1 VwGVG hat die Bescheidbeschwerde gegen den Feststellungsbescheid nach § 6 Abs 2 ZDG daher aufschiebende Wirkung, sofern diese nicht durch die Behörde ausgeschlossen wurde, was hier nicht erfolgt ist.

Aufgrund des Antrages auf aufschiebende Wirkung wäre die Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid und die Akten unverzüglich dem BVwG zur Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung vorzulegen gewesen. Nach dieser Entscheidung – die an Hand der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu treffen gewesen wäre - wären die Akten vom BVwG, falls die belangte Behörde nicht bereits bei der Vorlage auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet hat, wieder der belangten Behörde zurückgestellt worden (vgl dazu die Rsp zum ähnlichen § 13 VwGVG, VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0354). Eine Zuständigkeit der ZISA zur Entscheidung über einen Antrag auf aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen einen Zuweisungsbescheid eines Arztes innerhalb einer Pandemie besteht gemäß § 2a Abs 4 ZDG ebensowenig, wie eine Rechtsprechung der Höchstgerichte dazu und kann die Behörde daher auch keine seriösen Aussagen über die Erfolgsaussichten eines solchen Antrages geben.

Dadurch, dass die belangte Behörde die bei ihr am 26.11.2020 eingelangte Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung nicht unverzüglich, sondern erst am 02.02.2021 und damit rund ein Monat nach dem festgelegten Beginn der bescheidmäßigen Zuweisung des BF am 04.01.2021 vorgelegt hat, hat sie eine rechtzeitige Entscheidung des BVwG über eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verunmöglicht und ist der durch diese Bestimmung intendierte Rechtschutz diesbezüglich ins Leere gelaufen.

Die belangte Behörde ist, offenbar aufgrund des von ihr irrig angenommenen erfolgten mängelfreien Widerrufs der Zivildiensterklärung gemäß § 6 ZDG (dazu sogleich in der rechtlichen Beurteilung) bzw der Zurückziehung der Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid (vgl dazu vorne die Feststellungen und die Beweiswürdigung), nicht mehr von der Notwendigkeit einer Vorlage des Antrages auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgegangen. Da das BVwG mit diesem Erkenntnis in der Sache entscheidet und der Zuweisungstermin bereits bei Beschwerdevorlage verstrichen war, ist eine Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde nunmehr nicht mehr notwendig.

3.1.4. Das BVwG, hat seine Entscheidung an Hand der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu treffen (vgl etwa VwGH 29.04.2019, Ro 2018/20/0013; 30.03.2017, Ro 2015/03/0036; 16.12.2015, Ro 2014/03/0083).

3.1.5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 und Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden, da einerseits Zurückweisungen erfolgten und andererseits der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Die Beurteilung der Mängelfreiheit der Widerrufserklärung ist eine Rechtsfrage. Die der VwGH in den vergleichbaren Fällen von Erklärungen über Rechtsmittelverzichte schon gelöst hat.

Die Zurückweisung der Anträge auf Befreiung nach § 13 Abs 1 Z 1 und Z 2 ZDG ist dem Umstand geschuldet, dass über die diesbezüglichen Anträge zuerst die ZISA mit Bescheid zu entscheiden hat und erst ab Vorlage der Beschwerde gegen diese Bescheide eine Zuständigkeit des BVwG besteht (arg: „Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen […]“). Die Beschwerde des BF richtet sich gegen den Zuweisungsbescheid und den Feststellungsbescheid betreffend Erlöschen der Zivildienstpflicht.

Dem Entfall der Verhandlung stehen weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958 noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom 30.03.2010, Seite 389 entgegen.

3.2. Zur Stattgabe der Beschwerde gegen die Feststellung des Erlöschens der Zivildienstpflicht (Feststellungsbescheid)

3.2.1. Der BF führte in seiner Beschwerde vom 24.01.2021 an, die belangte Behörde habe sich nur auf die lapidare Feststellung beschränkt, dass seine Erklärung den gesetzlichen Voraussetzungen entsprochen habe und deshalb die Zivildienstpflicht erloschen sei.

Sie habe sich mit seiner Beschwerde vom 19.11.2020 (in der Beschwerde vom 24.01.2021 ist offensichtlich irrtümlich das Datum 29.11.2021 angeführt) gegen den Zuweisungsbescheid nicht auseinandergesetzt. Er habe anlässlich dieser Beschwerde beantragt dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Eventualanträge auf befristete Befreiung nach § 13 Abs 1 Z 1 und Z 2 ZDG gestellt und für den Fall, dass diesen nicht nachgekommen werde, den Widerruf seiner Zivildiensterklärung ausdrücklich erklärt.

3.2.2. Kernfrage im vorliegenden Verfahren ist, ob die Widerrufserklärung gemäß § 6 Abs 1 ZDG frei von rechtserheblichen Willensmängel abgegeben wurde, weil nur dann die daran geknüpfte Rechtsfolge des Erlöschens der Zivildienstpflicht eintreten konnte.

3.2.2.1. Dazu ist zunächst die in der Beschwerde vom 19.11.2020 getätigte Aussage des BF zu betrachten. Diese lautet: „Sollte die Behörde trotz der derzeitigen Situation mit der Pandemie und ungeachtet des dringend notwendigen Bedarfs an Ärzten an den Krankenhäusern daran festhalten, mich jetzt für Hilfsdienste bei der Rettung abziehen wollen, so gebe ich vorsorglich einen Widerruf und die Erklärung nach § 6 ab, insbesondere unbedingt für den Fall, dass sich dieser Antrag sonst als unzulässig erweist.“

Hier liegen bei objektiver Betrachtung erhebliche Zweifel vor, ob der BF bereits zu diesem Zeitpunkt eine Widerrufserklärung abgegeben hatte oder diese an die aufschiebende Bedingung knüpfen wollte, dass erst dann tun zu wollen, wenn sich sein Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Zuweisungsbescheides oder befristete Befreiung bis September 2021 oder auf aufschiebende Wirkung – rechtskräftig - als unzulässig erweist.

Da dem BF durchaus klar war, dass er eine Widerrufserklärung nur innerhalb der Frist von 14 Tagen ab Zustellung des Zuweisungsbescheides abgeben konnte, könnte auch eine auflösende Bedingung in dem Sinn intendiert gewesen sei, dass er eine Widerrufserklärung abgibt und für den Fall, dass einem seiner Anträge entsprochen wird, diese nicht mehr gelten sollte. (Darauf deuten seine Ausführungen in der Beschwerde vom 24.01.2021, Punkt 11. hin, wo er angeführt hat, dass, wäre seiner Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid Folge gegeben worden, so wäre der von ihm erklärte Widerruf vorerst hinfällig geworden, weil ihm dann ohnehin bei Erlassung eines späteren, neuerlichen Zuweisungsbescheides die Möglichkeit einer neuen Widerrufserklärung offen gestanden wäre.)

Die Behörde hatte zu Recht Zweifel über den Inhalt der Willenserklärung und hat dem BF in der Folge aufgetragen, sich durch Unterschrift unter das entsprechend eindeutig formulierte Formular „WIDERRUF DER ZIVILDIENSTERKLÄRUNG“ festzulegen und eine Erklärung iSd § 6 Abs 1 ZDG abzugeben. Davor hat sie ihm eine telefonische Rechtsbelehrung über die mangelnden Erfolgsaussichten, seiner Anträge auf

a)       aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid;

b)       ersatzlose Aufhebung des Zuweisungsbescheides und

c)       auf befristete Befreiung vom Zivildienst bis September 2021 nach § 13 Abs 1 Z 1 und/oder Z 2 ZDG erteilt.

Sie hat angeführt, dass er nur dann die Sicherheit hat, den Zivildienst am 04.01.2021 nicht antreten zu müssen, wenn seine Ausführungen im Schreiben vom 09.11.2020 als Widerrufserklärung gewertet werden kann bzw soll.

Dieser Auftrag ist als Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG anzusehen und hat bewirkt, dass obwohl der BF dieses Formular erst am 22.12.2020 der belangten Behörde unterschrieben übermittelt hat, diese als ursprünglich – und damit innerhalb der 14-Tage-Frist – richtig eingebracht galt. Auch der Inhalt, ist aufgrund des Satzes im Formular: „Gemäß § 6 Abs 1 Zivildienstgesetz (ZDG) 1986 erkläre ich, dass ich die Erfüllung der Wehrpflicht nicht mehr aus den in § 1 Abs 1 ZDG genannten Gründen verweigere.“, eindeutig.

Die Widerrufserklärung ist daher innerhalb der 14-Tage-Frist abgegeben worden.

Der BF hat weder am Formular noch in der E-Mail, in der er es übermittelt hat, Bedingungen angeführt, sondern lediglich in der E-Mail ergänzend angemerkt, dass es für ihn unverständlich sei, dass seinem Antrag auf befristete Befreiung nicht stattgegeben werde, obwohl er gerade eine Covid-19 Infektion überstanden habe und Teil eines funktionierenden Ärzteteams zur Bekämpfung der Pandemie in einem Krankenhaus sei.

Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Behörde nach dem Verbesserungsauftrag zu Recht angenommen hat, dass der BF bereits am 19.11.2021 eine bedingungslose Zivildiensterklärung abgegeben hat.

3.2.2.2. Der VwGH hat allerdings bereits mehrfach entschieden, dass, wenn durch eine irreführende bzw unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten eines Rechtsmittels erweckt werden, ein rechtserheblicher Willensmangel vorliegt, wenn der BF dadurch zur Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes veranlasst wurde (VwGH 08.11.2016, 2016/09/0098 mwN).

Nicht anderes ist hier der Fall, weil der BF erst durch die Darstellung seiner eingebrachten Beschwerde und Anträge als „unzulässig“ bzw nicht geeignet, seine Zuweisung im Jänner mit Sicherheit zu verhindern, zu seiner Widerrufserklärung veranlasst wurde.

Es kann zwar nicht als rechtswidrig gesehen werden, wenn die Behörde eine Prognose über die Erfolgsaussichten einer Beschwerde abgibt. Die Erklärung, dass der BF nur dann die Sicherheit habe, den Zivildienst im Jänner 2021 nicht antreten zu müssen, wenn er eine Widerrufserklärung abgibt, weckt jedoch die falsche Vorstellung, dass die Beschwerde und der Antrag auf aufschiebende Wirkung überhaupt keine Aussicht auf Erfolg haben.

Vor dem Hintergrund der nicht gegebenen Zuständigkeit der belangten Behörde über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zu entscheiden, der fehlenden Rechtsprechung der Höchstgerichte zu § 2a Abs 4 ZDG, den im RIS auffindbaren aufschiebenden Entscheidungen des BVwG zu § 2a Abs 4 ZDG (W136 2187234, W208 2147354, W136 2008549) und der Tatsache, dass der BF gemäß § 13 Abs 1 Z 1 ZDG beantragt hat, doch die gesundheitlichen Interessen und seine besondere Situation als Arzt bei der Seuchenbekämpfung als zu berücksichtigende Interesse anzuerkennen (ausgeschlossen ist dies auf Grund der demonstrativen Aufzählung im Abs 1 leg cit von vornherein nicht). Weiters da er gemäß § 13 Abs 1 Z 2 ZDG auch seine wirtschaftlichen Interessen gefährdet sah, weil er behauptete die Facharztausbildung nicht abschließen zu können und dazu von der Behörde noch Ermittlungen zu tätigen wären, bevor sie eine Entscheidung über diesen Antrag treffen konnte (vgl dazu VwGH 18.05.2010, 2008/11/0172). Es ist daher nicht richtig und irreführend, dass seine Anträge nicht zum Erfolg (hier: die Nichtzuweisung bereits am 04.01.2021) führen hätten können. Dazu wurde der BF zusätzlich unter Druck gebracht die Verbesserung zu seiner Widerrufserklärung binnen einer Frist von ein- bis zwei Tage abzugeben, obwohl § 13 Abs 3 AVG von einer „angemessenen Frist“ für Verbesserungsaufträge spricht und Verbesserungen - wenn sie innerhalb dieser Frist, deren Dauer im Gesetz nicht festgelegt ist, einlangen - als ursprünglich richtig eingebracht gelten.

Vor diesem Hintergrund lag daher ein rechtserheblicher Mangel der Willenserklärung iSd Rechtsprechung des VwGH vor und ist diese schon deshalb ungültig.

3.2.2.3. Auch das weitere Argument des BF, dass der Feststellungsbescheid aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nach § 13 VwGVG noch gar nicht rechtskräftig gewesen sei, trifft zu.

Die Bestimmung des § 6 Abs 2 zweiter Satz ZDG ist nach Ansicht des BVwG dahingehend auszulegen, dass die ZISA nach Einlagen einer Widerrufserklärung zu prüfen hat, ob diese Erklärung frei von rechtserheblichen Willensmängeln erfolgt ist und sodann rückwirkend mit dem Tag der Einbringung festzustellen hat, dass die Zivildienstpflicht erloschen ist.

Sollte eine mängelfreie Willenserklärung über den Wideruf auch nach Erteilung eines Verbesserungsauftrages nach § 13 Abs 3 AVG nicht vorliegen, wird die ZISA die Feststellung zu treffen haben, dass die Zivildienstpflicht nicht erloschen ist.

Wie immer auch die Entscheidung der ZISA ausfällt, kann dagegen – mit aufschiebender Wirkung (die von der ZISA aberkannt werden kann, vgl § 13 VwGVG) – eine Beschwerde beim BVwG eingebracht werden. Der Feststellungsbescheid hat daher nicht bloß deklarativen Charakter (arg: „ob“) und ist die Information über die mängelfreie Einbringung einer Widerrufserklärung erst nach Rechtskraft dem Militärkommando gemäß § 6 Abs 4 ZDG „unverzüglich“ zu übermitteln.

Nur dann macht die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde an das BVwG gegen den Feststellungsbescheid Sinn und kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, sinnlose Bestimmungen zu schaffen.

3.2.2.4. Es liegt folglich eine Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides über das Erlöschen der Zivildienstpflicht vor und ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zur Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid

Mit seinem Schriftsatz vom 19.11.2020 hat der BF auch eine Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid der ihm am 09.11.2020 zugestellt wurde eingebracht und die aufschiebende Wirkung dieser Beschwerde beantragt.

Darauf, dass die ZISA verkannt hat, dass der Antrag auf aufschiebende Wirkung (samt dem Verwaltungsakt) sofort an das BVwG weiterzuleiten gewesen wäre, wurde bereits oben hingewiesen.

Der BF hat als seine Interessen sinngemäß angeführt, dass ihm durch die Zuweisung am 04.01.2021 ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen würde, weil er im Februar 2021 zur fachärztlichen Abschlussprüfung antreten müsse und im Falle eines Nichtbestehens in neun Monaten ohne jegliche berufliche Vorbereitungstätigkeit (er würde beim Roten Kreuz ja nur für Hilfsdienste herangezogen) antreten würde müssen, das würde auch einen hohen wirtschaftlichen Schaden für ihn bedeuten.

Darüber hinaus hat er auch auf das öffentliche Interesse hingewiesen, dass er aufgrund der Pandemie als Arzt im Krankenhaus dringend zumindest bis Sommer benötigt werde.

Demgegenüber steht das durch die ZISA wahrzunehmende öffentliche Interesse, die Planbarkeit der Zuweisungen und den geordneten Ablauf der Zuweisung von Zivildienstpflichtigen an die Trägerorganisation spätestens bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres (§ 7 ZDG) zu gewährleisten und steht der BF nunmehr bereits im 35. Lebensjahr, dass er Anfang Dezember 2021 vollenden wird.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine rasche Heranziehung im Interesse des Zivildienstleistenden liege, weil diesem die Ableistung im Alter der Stellungspflicht sicher leichter falle, als in späteren Jahren, wo aufgrund von häufig bereits erfolgten Familiengründungen auch Angehörige in Mitleidenschaft gezogen werden und höhere Kosten für Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe anfallen würden. Nur wenn eine rasche Zuweisung aus vom Zivildienstpflichtigen nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich sei, dann solle die Möglichkeit für einen Aufschub bestehen, um eine mittlerweile begonnene Ausbildung abzuschließen (vgl die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. 788/1996, 455 der Beilagen XX. GP).

Der Umstand, dass der BF erst in seinem 35. Lebensjahr zugewiesen worden ist, ist einerseits darauf zurückzuführen, dass der BF es verabsäumt hat der ZISA im Jahr 2015 den Abschluss seines Studiums der Humanmedizin mitzuteilen, sich um den Antritt seines Zivildienstes zu bemühen oder bereits zum damaligen Zeitpunkt einen Antrag auf Befreiung nach § 13 Abs 1 Z 2 ZDG zu stellen. Andererseits hat auch die ZISA es verabsäumt, nach dem Auslaufen des Befreiungszeitraumes (30.06.2011) bzw des Ablaufes von 2 Jahren nach der letzten Vorlage der Studienbestätigung vom November 2013 (also Ende 2015), die Zuweisung zu betreiben, um der Intention des Gesetzgebers nachzukommen.

Der BF hatte und hat darüber hinaus die Pflicht seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse so einzurichten, dass bei Leistung des ordentlichen Zivildienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden. Bei einer Verletzung dieser Harmonisierungspflicht können die daraus abgeleiteten Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden (vgl zB VwGH 18.05.2010, 2008/11/0172), das wird nicht verkannt. Der Grundsatz der Harmonisierungspflicht muss aber immer in Beziehung zu den besonderen Umständen gebracht werden, die bei der Beurteilung des jeweiligen Befreiungsansuchens von Bedeutung sind (VwGH 23.11.1988, 86/01/0029).

Die bloße Antragstellung auf Befreiung von der Leistung des ordentlichen Zivildienstes hindert die Erlassung eines Zuweisungsbescheides nicht (VwGH 18.12.1990, AW 91/11/0050; 16.09.2008, 2008/11/0108). Nur ein Bescheid mit dem die Befreiung verfügt wird, setzt nach § 13 Abs 3 ZDG einen Zuweisungsbescheid außer Kraft.

Im vorliegenden Fall liegen aber nicht nur die Anträge des BF auf Befreiung gem § 13 Abs 1 und Abs 2 ZDG vor, über die die Behörde noch nicht entschieden hat. Die Behörde hat es auch über fünf Jahre verabsäumt den BF zuzuweisen und im November 2020 den Antrag auf aufschiebende Wirkung rechtzeitig an das BVwG weiterzuleiten, nachdem sie ohne die aktuelle Lebenssituation des BF zu kennen, den Zuweisungsbescheid erlassen hat.

Die für den BF unvorhersehbaren Auswirkungen der Pandemie sind zweifellos auch geeignet sowohl ein privates Interesse als auch ein öffentliches Interesse an einer amtswegigen befristeten Befreiung von Ärzten zu begründen, die zur Bekämpfung der Pandemie eingesetzt werden. Wie weit der BF tatsächlich bei der Pandemiebekämpfung eingesetzt ist und ob ein berücksichtigungswürdiges Interesse an der Beendigung seiner Facharztausbildung vorliegt (vgl dazu VwGH 18.05.2010, 2018/11/0172), ist im anhängigen Befreiungsverfahren durch die Behörde allerdings erst festzustellen und kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden; es ist aber auch nicht auszuschließen. Weiters ist es – sollte ihm eine Befreiung erteilt werden, trotz des Alters des BF noch möglich ihn vor Vollendung seines 35. Lebensjahres zuzuweisen, sodass er seine Zivildienstpflicht ableisten kann, auch wenn sich diese dann über die Vollendung seines 35. Lebensjahres hinaus erstrecken sollte. Zudem ist zumindest aus heutiger Sicht zu erwarten, dass sich die Pandemie-Situation gegen Ende des Sommers aufgrund der fortgeschrittenen Impfungen entschärfen wird.

Bei einer Gesamtbetrachtung ist daher der Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid vom 04.11.2020 mit dem sein Dienstantritt zum Zivildienst für den 04.01.2021 verfügt wurde, Berechtigung zuzuerkennen und der Bescheid aufzuheben.

Die Behörde kann dem BF – nach Klärung der relevanten Umstände – einen neuen Zuweisungsbescheid noch vor dem Ablauf des 35. Lebensjahres zustellen. Dem BF ist es möglich der Antrittstermin zum Zivildienst insofern mitzugestalten, als er diesen selbst mit der Einrichtung, bei der er den Zivildienst ableisten möchte, vereinbaren und er bzw die jeweilige Einrichtung um entsprechende (rasche) Zuweisung bei der Behörde vorstellig werden kann. Der BF wird gut beraten sein, sich auf www.zivildienst.gv.at über Einrichtungen und Termine zu informieren und einen Zuweisungswunsch abzugeben, wenngleich kein Rechtsanspruch auf eine wunschgemäße Zuweisung besteht.

3.4. Zur Zurückweisung der Anträge auf Befreiung nach § 13 Abs 1 Z 1 und Z 2 ZDG

Die Zurückweisung der Anträge ist – wie bereits erwähnt - dem Umstand geschuldet, dass über die diesbezüglichen Anträge zuerst die mit gesondertem Bescheid zu entscheiden hat ZISA (arg: „Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen […] von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien […]“) und erst ab Vorlage der Beschwerde gegen diese Bescheide eine Zuständigkeit des BVwG besteht.

Zu B) (Un)zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nur zum Spruchpunkt I.A und II.A. zulässig, weil die Entscheidungen in den anderen Spruchpunkten nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Gesetz selbst trifft klare und eindeutige Regelungen und liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auch zur Gültigkeit von Willenserklärungen beim Rechtsmittelverzicht vor, welche auf den vorliegenden Fall des Widerrufs einer Zivildiensterklärung nach § 6 Abs 2 ZDG übertragbar waren.

Zur Bedeutung eines Feststellungsbescheides nach § 6 Abs 2 zweiter Satz ZDG im Verhältnis zum ersten Satz leg cit, konnte hingegen keine Rechtsprechung aufgefunden werden und geht diese Rechtsfrage über den Anlassfall hinaus (I.A.).

Zum Punkt II.A. (Aufhebung eines Zuweisungsbescheides nach § 8 ZDG durch das BVwG im Wege einer Beschwerde) konnte ebenso keine Rechtsprechung aufgefunden werden, die darüber hinaus geht, dass der Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst nur ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem ein Aufschub oder eine Befreiung bewilligt worden ist, rechtlich entgegen steht (Hinweis E 2000/11/21, 2000/11/0154) und der bloße Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes die Erlassung eines Zuweisungsbescheides nicht hindert (VwGH16.09.2008, 2008/11/0108). Das BVwG ist der Ansicht, dass darüber hinaus, der hier vorliegende Sachverhalt, dass die Behörde einen Antrag auf aufschiebende Wirkung nach § 2a Abs 4 ZDG nicht sofort nach Einlangen der Beschwerde weiterleitet, sondern den bescheidmäßigen Beginn des Zuweisungszeitraumes abwartet und erst dann vorlegt, jedenfalls eine Behebung erforderlich macht, weil ansonsten der Rechtschutz diesbezüglich ins Leere liefe. Dazu kommen im vorliegenden Fall, die konkreten Umstände des Einzelfalles.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2239253.1.00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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