TE Vfgh Beschluss 1995/6/19 B2178/94

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Veröffentlicht am 19.06.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §82 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Keine Folge für einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde bzw eines Verfahrenshilfeantrags; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird keine Folge gegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

4. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Am 28. Oktober 1994 langte beim Verfassungsgerichtshof die am 27. Oktober 1994 zur Post gebrachte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 21. Juli 1994, ZIVb/7022/7100 B, ein; eventualiter wurde die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt. Dem eingebrachten Schriftsatz fehlte entgegen §82 Abs4 VerfGG die Angabe des Tages der Zustellung des angefochtenen Bescheides. Weiters wurde entgegen §17 Abs2 VerfGG iVm §35 VerfGG, §30 ZPO weder eine urkundliche Vollmacht vorgelegt noch erfolgte eine Berufung auf die erteilte Vollmacht iSd §30 Abs2 ZPO. Der Verfassungsgerichtshof erteilte gemäß §18 VerfGG am 9. November 1994 den Auftrag, die genannten Formmängel innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu beheben. Dieser Auftrag wurde dem Beschwerdeführer am 15. November 1994 zugestellt.

1.2. Mit einem am 29. November 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz gab der Beschwerdeführer innerhalb der gesetzten Frist zur Mängelbehebung bekannt, daß ihm der angefochtene Bescheid am 25. Juli 1994 zugestellt wurde. Der Beschwerdeführer beantragte gleichzeitig die "Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der Verfahrenshilfe" und stellte unter einem den "Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im gesamten Umfange zur Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144

B-VG".

Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird im wesentlichen folgendes vorgebracht:

Der Beschwerdeführer habe innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt des im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheides des Landesarbeitsamtes Wien vom 21. Juli 1994 beim Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde an diesen Gerichtshof gestellt. Dem Antrag sei vom Verwaltungsgerichtshof stattgegeben und dem Beschwerdeführer mittels Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahrenshelfer bestellt worden, welcher seinen Bestellungsbescheid am 30. September 1994 erhalten habe. Aufgrund eines Versehens des bestellten Verfahrenshelfers sei jedoch eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht worden, obwohl die Beschwerdefrist für diesen Gerichtshof zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Der Irrtum sei dem Verfahrenshelfer erst durch den Mängelbehebungsauftrag des Verfassungsgerichtshofes bewußt geworden. Der Beschwerdeführer sei rechtsunkundig, sodaß ihm der Unterschied zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof nicht geläufig gewesen sei. Aus diesem Grund sei ihm der Irrtum seines Verfahrenshelfers auch nicht aufgefallen, als dieser ihm mitteilte, daß er eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde vorbereite.

Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wird eine eidesstattliche Erklärung des Verfahrenshelfers vorgelegt, worin dieser erklärt, daß ihm ein derartiger Fehler während seiner gesamten Berufszeit noch nicht unterlaufen sei.

2. Dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist schon nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers keine Folge zu geben.

2.1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrensnovelle 1983, BGBl. Nr. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Darunter ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

Der Antrag setzt jedoch voraus, daß sich das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, das behauptetermaßen den Antragsteller an einer befristeten Prozeßhandlung, nämlich der rechtzeitigen Einbringung eines Rechtsmittels hinderte, vor Ablauf der Rechtsmittelfrist ereignet haben muß.

2.2. Im vorliegenden Fall erweist sich schon aus dem Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers, daß er innerhalb der Frist, die ihm zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offenstand, ausschließlich um Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ansuchte. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und zur Beantragung der Verfahrenshilfe für das Verfahren vor diesem Gerichtshof war bereits verstrichen, als dem Beschwerdeführer vom Verwaltungsgerichtshof ein Verfahrenshelfer für die Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bestellt wurde; es trifft daher nicht zu, daß der Verfahrenshelfer, der erst nach Fristablauf für die Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bestellt worden war, durch ein ihm unterlaufenes Versehen die Versäumnis der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bewirkt hätte. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei durch ein fehlerhaftes Verhalten seines Verfahrenshelfers an der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gehindert worden, ist daher schon vom Ansatz her verfehlt.

2.3. Die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wäre aber nur dann möglich, wenn der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das sich in der Zeit vor dem Ablauf der sechswöchigen Frist ab Zustellung des angefochtenen Bescheides vom 21. Juli 1994 ereignete, gehindert gewesen wäre, beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gemäß Art144 B-VG zu erheben oder einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeeinbringung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Da das Vorliegen eines solchen Ereignisses vom Wiedereinsetzungswerber nicht einmal behauptet wurde, ist dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher schon aus diesem Grunde der Erfolg zu versagen.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei rechtsunkundig und sich daher des Unterschieds zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof nicht bewußt gewesen, ändert an diesem Ergebnis nichts und ist nicht geeignet, das Vorliegen der für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erforderlichen Voraussetzungen darzutun, da ein Rechtsirrtum über das Bestehen einer Beschwerdemöglichkeit an den Verfassungsgerichtshof nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das nach den §§33 und 35 Abs1 VerfGG iVm §146 Abs1 erster Satz ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde, qualifiziert werden kann (vgl. VfGH 12.10.1994, B1279/94).

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher keine Folge zu geben.

3. Die unter einem mit dem Wiedereinsetzungsantrag am 29. November 1994 eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen; der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war bei diesem Ergebnis abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis war auch der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen, weil die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erscheint (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Fristen, Fristen (Beschwerde)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B2178.1994

Dokumentnummer

JFT_10049381_94B02178_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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