TE Vwgh Beschluss 2021/5/4 Ra 2021/14/0053

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Veröffentlicht am 04.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätinnen Mag. Schindler und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Constantin-Adrian Nitu, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Jänner 2021, 1. L529 2156722-1/11E und 2. L529 2156722-2/14E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iraks, stellte am 13. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit Bescheid vom 23. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm allerdings den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3        Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. Jänner 2018 wurde der Revisionswerber wegen der Vergehen der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und der beharrlichen Verfolgung gemäß § 107a Abs. 1, Abs. 2 Z 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

4        Mit Bescheid vom 17. April 2018 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und erließ ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot.

5        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die genannten Bescheide erhobenen Beschwerden mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf vier Jahre herabgesetzt werde. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die ungeachtet der Anfechtungserklärung sich in der Zulässigkeitsbegründung und im Revisionspunkt allerdings ausschließlich gegen die Aberkennung des subsidiären Schutzes und das Einreiseverbot bzw. „Aufenthaltsverbot“ wendet.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 13.7.2020, Ra 2019/20/0518).

10       Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil strafrechtliche Verurteilungen alleine keine tragfähige Grundlage darstellen würden, um subsidiären Schutz abzuerkennen, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu entziehen und ein Einreiseverbot zu erlassen.

11       Mit diesem Vorbringen verkennt die Revision, dass das BVwG seine Entscheidung über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht auf die Straffälligkeit des Revisionswerbers (§ 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005), sondern auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stützte und diese mit einer näher konkretisierten wesentlichen und nachhaltigen Änderung der maßgeblichen Umstände im Herkunftsstaat begründete. Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision enthält dazu jedoch keinerlei Ausführungen.

12       Wenn die Revision weiters die vom BVwG im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist - nicht revisibel ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose sowie für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/20/0231, mwN).

13       Das BVwG berücksichtigte im Rahmen der Interessenabwägung und der Gefährdungsprognose alle fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände. Es bezog entgegen dem Revisionsvorbringen nicht nur die strafgerichtliche Verurteilung des Revisionswerbers, sondern auch die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet und seine sozialen sowie beruflichen Integrationsbemühungen mit ein. Im Zusammenhang mit der Gefährdungsprognose und der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots stützte sich das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Erhalt eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber - insbesondere auf den Umstand, dass es dem Revisionswerber an einem Unrechtsbewusstsein für die von ihm verwirklichten Taten mangle. Der Revisionswerber habe keine Reue gezeigt und seine Taten in Abrede gestellt.

14       Soweit die Revision auf „erhebliche familiäre Anknüpfungspunkte des Revisionswerbers im Inland“ verweist, entfernt sie sich überdies von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen des BVwG, ohne jedoch auszuführen, inwieweit die diesbezügliche Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts fehlerhaft wäre, sodass schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen kann (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2019/20/0336, mwN).

15       Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die fallbezogen vorgenommene Beurteilung des BVwG in Bezug auf die Interessenabwägung oder in Bezug auf die Gefährdungsprognose in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140053.L00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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