TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/17 95/18/1041

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Veröffentlicht am 17.04.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde der V in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. April 1995, Zl. SD 374/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. April 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Gegen die Beschwerdeführerin, welche erstmals im Jahre 1985 in das Bundesgebiet eingereist sei, sei bereits mit Bescheid vom 8. Juli 1986 ein bis 31. Dezember 1991 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Nach ihrer Abschiebung am 10. Juli 1986 sei die Beschwerdeführerin trotz Bestehens des Aufenthaltsverbotes am 8. März 1987 in das Bundesgebiet eingereist und habe neuerlich abgeschoben werden müssen. Am 17. Februar 1988 sei ihr die Wiedereinreise bewilligt und in weiterer Folge Vollstreckungsaufschub gewährt worden. Am 11. Juli 1989 sei sie wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes und des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden. Am 15. Dezember 1993, am 3. Jänner 1994 und am 16. März 1994 sei die Beschwerdeführerin jeweils wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne die hiefür erforderliche Lenkerberechtigung gemäß § 64 Abs. 1 KFG rechtskräftig bestraft worden. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin im Besitz einer jugoslawischen Lenkerberechtigung sei - welche sie nicht innerhalb eines Jahres nach Einreise habe umschreiben lassen -, handle es sich dabei um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG. Aufgrund des zugrunde liegenden Fehlverhaltens sei auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Trotz des aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes und der Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig. Hiebei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß sich die Beschwerdeführerin auch durch bereits erfolgte Bestrafungen nicht davon habe abhalten lassen, neuerlich straffällig zu werden.

Im Lichte dieser Beurteilung müsse auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zuungunsten der Beschwerdeführerin ausschlagen. Auch wenn die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie als nicht unerheblich zu werten seien, wögen diese Umstände nicht schwerer als die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen.

Was die Gültigkeitsdauer dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme betreffe, erscheine die Befristung des Aufenthaltsverbotes auf zehn Jahre notwendig, um die Beschwerdeführerin dahin zu bringen, die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da der Beschwerdeführerin von der Erstbehörde die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde (welche sie nicht nutzte) und sie überdies Gelegenheit hatte, in der Berufung Stellung zu nehmen, liegt entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht eine Verletzung des Parteiengehörs nicht vor. Beim Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin habe "zwischenzeitig den PKW verkauft und eine Fahrschule aufgesucht, um die österreichische Lenkerberechtigung zu erwerben", handelt es sich um eine im Verwaltungsgerichtshof-Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

2. Die Beschwerde läßt die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht, die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot, weil im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten, im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, unbekämpft. Diese Beurteilung erweckt auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen vor dem Hintergrund der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es sich beim Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG und um einen der gröbsten Verstöße gegen das Kraftfahrgesetz handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 96/18/0251), keine Bedenken.

3. Bei der gemäß § 20 Abs. 1 FrG durchgeführten Interessenabwägung hat die belangte Behörde die in der Beschwerde ins Treffen geführte Dauer des inländischen Aufenthaltes und die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger berücksichtigt und aufgrund dessen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie - zutreffend - als "nicht unerheblich" gewertet. Im Hinblick darauf, daß sich die Beschwerdeführerin auch durch die bereits erfolgte Bestrafung wegen § 64 Abs. 1 KFG nicht davon abhalten ließ, weiterhin ein Kraftfahrzeug ohne (die hiefür erforderliche österreichische) Lenkerberechtigung zu lenken, und sie auch (nach erstmaliger Verhängung eines Aufenthaltsverbotes) gegen fremdenrechtliche Normen, deren Einhaltung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt, verstieß, kann die von der belangten Behörde im Ergebnis vertretene Ansicht, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme, selbst dann nicht als rechtwidrig erkannt werden, wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin überdies auch deren Berufstätigkeit berücksichtigt.

4. Gemäß § 21 Abs. 1 FrG kann das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 5 auch unbefristet, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Bei der Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes wird das künftige Wohlverhalten des Fremden in die Überlegungen einbezogen und damit vorausgesetzt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0189).

Vorliegend war für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes neben der Einreise trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes im März 1987 und den Bestrafungen wegen Übertretungen des Meldegesetzes und des Fremdenpolizeigesetzes im Juli 1989

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wobei das Gewicht des zugrunde liegenden Fehlverhaltes durch den seither verstrichenen Zeitraum relativiert wird - die dreimalige Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne die hiefür erforderliche Lenkerberechtigung ausschlaggebend. Wenngleich es sich hiebei

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wie dargetan - um schwerwiegende Rechtsverstöße handelt, hat die belangte Behörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreichend begründet, warum der Wegfall des Grundes für diese Maßnahme - unter der Voraussetzung künftigen Wohlverhaltens der Beschwerdeführerin - erst nach der für solche Fälle vorgesehenen Höchstdauer von zehn Jahren angenommen werden könne, beschränken sich doch die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid auf die ganz allgemein gehaltene Wendung, die Dauer sei erforderlich, um die Beschwerdeführerin dahin zu bringen, die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten.

Da der aufgezeigte Begründungsmangel den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides bezüglich der Dauer des Aufenthaltsverbotes hindert und es sich hiebei um einen vom übrigen Inhalt des Bescheides nicht trennbaren Abspruch handelt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/0009).

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995181041.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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