TE Lvwg Erkenntnis 2021/4/15 LVwG-AV-1364/001-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

ÄrzteG 1998 §109 Abs2
ÄrzteG 1998 §111
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ 2006 §15 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A in ***, ***, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 29. Mai 2019, Zl. ***, nach Beschwerdevorentscheidung vom 07. August 2019, Zl. ***, betreffend Ermäßigung von Wohlfahrtsfondsbeiträgen zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher und unstrittiger Sachverhalt:

1.1.  Der Beschwerdeführer wurde am 01. März 1985 erstmals in die Ärzteliste der Österreichischen Ärztekammer eingetragen. Er wurde von 15. Mai 2006 bis 31. Oktober 2017 als Primarius der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Landeskrankenhaus *** und von 02. Jänner 2008 bis 20. August 2013 als niedergelassener Facharzt in *** sowie von 01. Juli 2013 bis 30. September 2013 als Gesellschafter einer Vertragsgruppenpraxis in *** in die Ärzteliste eingetragen. Seit 02. Jänner 2018 ist sein Dienstort bei der Wiener Gebietskrankenkasse in *** und seit 22. Februar 2018 sein Berufssitz in *** als Wahlfacharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in die Ärzteliste eingetragen. Aufgrund dieser Tätigkeiten gehört der Beschwerdeführer seit 01. Februar 2018 dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich an.

1.2.  Mit Schreiben vom 29. Jänner 2019 beantragte der Beschwerdeführer die Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge.

Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Tätigkeit bei der Wiener Gebietskrankenkasse seine finanzielle Leistungsfähigkeit überschritten werde, da keine Klassegelder mehr bezogen würden.

1.3.  Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Mai 2019 wurde der Antrag für den Zeitraum 01. Jänner 2019 bis 31. Dezember 2019 abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich unter Zugrundlegung der Umstände des Jahres 2016 (Gehalt: 79.594,08 Euro sowie Umsatz von 34.607,99 Euro) gemäß § 9 der Beitragsordnung ein Pensionsbeitrag 2019 in der Höhe von 1.019,91 Euro errechne. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei festgestellt worden, dass 2019 Gehalt in der Höhe von 94.574,40 und ein prognostizierter Umsatz in der Höhe von 9.276,00 Euro vorliege. Gemäß § 2 der Beitragsordnung stellten die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit des drittvorangegangenen Jahres die Beitragsgrundlage dar. Die aktuellen Einkommensnachweise seien zur Prüfung der Angemessenheit der Beiträge in Bezug auf die aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Vergleichsrechnung unterzogen worden. Dabei habe sich ergeben, dass die so errechneten Beiträge nicht signifikant niedriger als die derzeitigen Beiträge ausfallen würden. Aus den aktuellen Einnahmen errechne sich ein Pensionsbeitrag von 879,84 Euro. Diese Beiträge würden auch im jeweiligen Drittfolgejahr zur Vorschreibung kommen. Die angeführten Umstände stellten zwar Belastungen dar, diese stünden jedoch in der freien Disposition des Beschwerdeführers und seien jedenfalls seiner Einflusssphäre zuzuordnen. Ein Härtefall im Sinne des § 15 Abs. 2 der Satzung sei ebenfalls nicht feststellbar.

1.4.  Dagegen richtet sich die Beschwerde.

Begründend wird zusammengefasst vorgetragen, dass sich die Einkommenssituation aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels derart verschlechtert habe, dass die vorgeschriebenen Wohlfahrtsfondsbeiträge die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überstiegen. Die Annahmen betreffend den Umsatz entbehrten jeglicher Grundlage und seien auch realiter nicht zu vermuten. Die Berechnungsgrundlage und damit die angenommenen 879,84 Euro seien immer noch zu hoch angesetzt. Der Beschwerdeführer müsse derzeit 24% seines monatlichen Nettogehalts für Wohlfahrtsfondsbeiträge aufbringen. § 14 Abs. 2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds würde unrichtig angewendet, da die Auslegung der Teleologie der Norm widerspreche, weil nicht auf den konkreten Einzelfall abgestellt werde.

1.5.  Mit Beschwerdevorentscheidung vom 07. August 2019 wurde die Beschwerde mit näherer Begründung als unbegründet abgewiesen. Dabei wurde insbesondere festgehalten, dass sich mit den weiteren vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Einkommensdaten ein alternativer Pensionsbeitrag 2019 von monatlich 865,02 Euro (anstatt 879,84 Euro) errechne.

1.6.  Dagegen richtet sich der Vorlageantrag.

2.   Rechtliche Erwägungen:

2.1.  In der Sache:

2.1.1.  Die maßgeblichen Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, lauten:

Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§ 108a.

(1) Für die finanzielle Sicherstellung der Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds sind unter Berücksichtigung seiner Erfordernisse, seines dauernden Bestandes und seiner Leistungsfähigkeit Wohlfahrtsfondsbeiträge einzuheben.

(2) Neben den Beiträgen nach Abs. 1 fließen dem Wohlfahrtsfonds seine Erträgnisse, Zuwendungen aus Erbschaften, Stiftungen und anderen Fonds, Vermächtnisse sowie Schenkungen und sonstige Zweckwidmungen zu.

(3) Die Finanzierung der Versorgungsleistungen ist nach dem Umlageverfahren, dem Kapitaldeckungsverfahren, dem Anwartschaftsdeckungsverfahren oder nach anderen anerkannten versicherungsmathematischen Verfahren auszurichten.

§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. […]

(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die

      1. Leistungsansprüche,

      2. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand der Einnahmen (Umsätze) und/oder Einkünfte sowie

      3. Art der Berufsausübung

der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen. Die Höhe der Beiträge kann betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden. […] Näheres ist in der Beitragsordnung zu regeln. […]

(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher und/oder zahnärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen nicht übersteigen.

(4) Die Satzung kann vorsehen, daß ein Kammerangehöriger durch Übernahme der Verpflichtung zur Leistung von höheren als in der Beitragsordnung oder im Abs. 3 vorgesehenen Beiträgen den Anspruch auf entsprechend höhere Leistungen erwerben kann.

(5) […]

[…]

Ermäßigung der Fondsbeiträge
§ 111.

Die Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen oder des Pensionsleistungsempfängers (§ 109 Abs. 8) nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfonds- oder Pensionssicherungsbeiträge vorsehen.“

2.1.2.  Die maßgeblichen Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (in der Folge: Satzung WFF) lautet:

§ 14

Beitragsfestsetzung

(1) Die erweiterte Vollversammlung der Ärztekammer für Niederösterreich setzt alljährlich unter Bedachtnahme auf § 109 Abs. 1 Ärztegesetz die Beiträge zum WFF in einer Beitragsordnung fest.

(2) Bei der Festsetzung der Beiträge ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen WFF-Mitglieder Bedacht zu nehmen.

(3) Die Beiträge zum WFF dürfen 18 v. H. der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher und/oder zahnärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.

(4) Ein WFF-Mitglied kann jedoch durch Leistung von über das Ausmaß nach § 14 Abs. 3 hinausgehenden Beiträgen den Anspruch auf höhere als die auf Grund der Beitragsleistung nach § 14 Abs. 3 gebührenden Leistungen erwerben.

§15

Ermäßigung der Beiträge

(1) Jede Ermäßigung ist schriftlich unter Vorlage der in § 13 Abs. 1 Beitragsordnung vorgesehenen Unterlagen oder anderer geeigneter Nachweise zu beantragen.

(2) Bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände können die WFF-Beiträge auf Antrag des WFF-Mitgliedes nach Billigkeit ermäßigt oder in Härtefällen nachgelassen werden. Berücksichtigungswürdige Umstände sind insbesondere die Karenz nach dem Mutterschutzgesetz 1979, BGBl Nr. 221/1979, idF BGBl I Nr. 35/2012, die Väterkarenz nach dem Väter-Karenzgesetz 1989, BGBl Nr. 651/1989, idF BGBl I Nr. 58/2010, oder vergleichbaren landesgesetzlichen Regelungen, der Präsenzdienst nach dem Wehrgesetz 2001, BGBl I Nr. 146/2001, idF BGBl I Nr. 63/2012, und der Zivildienst nach dem Zivildienstgesetz 1986, BGBl Nr. 679/1986, idF BGBl I Nr. 87/2012. Darüber hinaus stellen berücksichtigungswürdige Umstände solche Umstände dar, die ohne Verschulden des WFF-Mitgliedes akut und beträchtlich in seine Lebenssituation eingreifen.

(3) Ermäßigungen und Befreiungen sind rückwirkend höchstens bis zum Beginn des siebtvorangegangenen Beitragsjahres zulässig. Darüber hinaus können Ermäßigungen und Befreiungen rückwirkend ausgesprochen werden, wenn dem WFF-Mitglied ein Verstoß gegen Melde- und Auskunftspflichten nicht vorwerfbar ist oder wenn noch keine Vorschreibungen oder Kontoinformationen über diesen Zeitraum an das WFF-Mitglied ergangen sind.“

2.1.3.  Gemäß § 1 der Beitragsordnung der Ärztekammer für Niederösterreich (in der Folge: Beitragsordnung) beträgt der Pensionsbeitrag, sofern die Beitragsordnung keinen anderen Beitrag vorsieht, 12,00% der Bemessungsgrundlage.

Gemäß § 2 Abs. 1 Beitragsordnung wird die jährliche Bemessungsgrundlage derart ermittelt, dass die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit des drittvorangegangenen Jahres zunächst um einen berufsspezifischen Pauschalbetrag und hierauf um einen allgemeinen Pauschalbetrag reduziert werden.

2.1.4.  Einleitend ist festzuhalten, dass Sache des Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Frage ist, ob Wohlfahrtsfonds-Beiträge für den Zeitraum von 01. Jänner 2019 bis 31. Dezember 2019 zu ermäßigen sind (vgl. VwGH vom 15. Februar 2021, Ra 2018/11/0208). Dies hängt ausschließlich vom Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände iSd § 111 Ärztegesetz bzw.§ 15 Abs. 2 Satzung WFF ab (vgl. VwGH 26. Februar 2015, Ro 2014/11/0045).

Nicht verfahrensgegenständlich ist hingegen die (bescheidmäßige) Festsetzung der Beiträge gemäß § 14 Satzung WFF schlechthin (vgl. VwGH 26. Jänner 2017, Ro 2014/11/0052).

2.1.5.  Leitlinien der Rechtsprechung zum Vorliegen „berücksichtigungswürdiger Umstände“:

Den Gründen, die eine Ermäßigung oder einen Nachlass der Fondsbeiträge rechtfertigen, liegen überwiegend außergewöhnliche Ereignisse zu Grunde, die außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds liegen und das Fondsmitglied an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindern, was einen Einkommensverlust zur Folge hat. Dieselben Kriterien wurden zur Abgrenzung des Begriffs „berücksichtigungswürdige Umstände“ herangezogen und dabei etwa die durch eine Krankheit oder ein Naturereignis bedingte Hinderung an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit als derartige Umstände anerkannt. Eine Klarstellung enthält der letzte Satz des § 15 Abs. 2 Satzung WFF, der berücksichtigungswürdige Umstände als „solche Umstände“ definiert, „die ohne Verschulden des WFF-Mitglieds akut und beträchtlich in seine Lebenssituation eingreifen“ (vgl. VwGH vom 26. Jänner 2017, Ro 2014/11/0052)

Berücksichtigungswürdige Umstände, wie sie § 15 Abs. 2 Satzung WFF erwähnt, liegen etwa dann vor, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit (bei Fehlen von Vermögensreserven, die zur Entrichtung der Beiträge herangezogen werden können) die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von mehreren Tausend Euro ergibt (VwGH vom 15. Februar 2021, Ra 2018/11/0208). Eine andere Sichtweise kann aber angebracht sein, wenn das Mitglied über ein hinreichend großes Vermögen zur Abdeckung der Deckungslücke über einen längeren Zeitraum verfügt oder wenn es ungeachtet der eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zumutbarer Weise höhere Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit beziehen könnte (vgl. VwGH 17. Dezember 1998, 98/11/0176).

Das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Umstandes kann auch bei einem an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindernden Naturereignis zu bejahen sein (vgl. VwGH vom 15. Oktober 2015, Ro 2014/11/0053).

Verneint wurde das Vorliegen außergewöhnlicher Ereignisse hingegen bei der mit der Gründung einer Ordination verbundenen Kosten sowie bei laufenden Kosten, die der Ordinationsbetrieb mit sich bringt, oder im Falle der freiwilligen Übernahme der Geschäftsverbindlichkeiten des Ehemannes. Es wurde betont, dass jeder Beitragspflichtige seine wirtschaftliche Situation grundsätzlich selbst zu verantworten hat und dass er durch die damit verbundene typische wirtschaftliche Belastung nicht gehindert ist, weiterhin in vollem Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. VwGH vom 26. Februar 2015, Ro 2014/11/0045).

Ebensowenig stellt es einen berücksichtigungswürdigen Umstand dar, dass eine Ordination aufgrund der Verluste in mehreren Jahren „unwirtschaftlich“ ist (vgl. VwGH 2. April 2014, 2011/11/0133).

Den Antragsteller trifft im Verfahren eine besondere Mitwirkungspflicht (vgl. etwa VwGH 24. Mai 2011, 2008/11/0182), weshalb sein Vorbringen maßgeblich und die Behörde nicht gehalten ist, zu ermitteln, ob nicht geltend gemachte Umstände die Annahme berücksichtigungswürdiger Umstände rechtfertigen würden (vgl. VwGH vom 26. März 1998, 97/11/0366, zur vergleichbaren Rechtslage nach § 77 Ärztegesetz 1984 und § 10 Abs. 3 der damals geltenden Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien).

2.1.6.  Anwendung der Leitlinien auf den vorliegenden Fall:

Der Beschwerdeführer erblickt in den aufgrund seines Arbeitsplatzwechsels geringeren Einnahmen „berücksichtigungswürdige Umstände“, die zu einer Ermäßigung der Beiträge zu führen hätten.

Die aufgrund des Arbeitsplatzwechsels geringeren Einnahmen stellen jedoch fallbezogen keine „berücksichtigungswürdigen Umstände“ dar, hat doch jeder Beitragspflichtige seine wirtschaftliche Situation grundsätzlich selbst zu verantworten. Dass eine Krankheit oder ein ähnlicher Umstand, gravierend in die Einkommenssituation eingreift, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht.

Verluste, die durch Umsatzeinbußen entstehen, werden ohnedies in den folgenden Jahren bei der Festsetzung des Fondsbeitrags berücksichtigt, weil die Bemessungsgrundlage dadurch entsprechend verringert wird. Als Bemessungsgrundlage werden nämlich gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 der Beitragsordnung die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit des drittvorangegangenen Jahres herangezogen (und zunächst um einen berufsspezifischen Pauschalbetrag und hierauf um einen allgemeinen Pauschalbetrag reduziert). Durch diese zeitliche Verzögerung bei der Berücksichtigung schwankender Einnahmen kann es zur Vorschreibung (subjektiv) als zu hoch empfundener Beiträge kommen, wenn die Einnahmen eines Fondsmitglieds in der Zwischenzeit zurückgegangen sind. Dennoch wird durch diese Bestimmung, wenn auch mit Verzögerung, über einen längeren Zeitraum gerechnet ausreichend auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 109 Abs. 2 ÄrzteG 1998 Bedacht genommen (vgl. VwGH vom 26. Februar 2015, Ro 2014/11/0045).

Würden die vom Beschwerdeführer angeführten Umstände iSd § 15 Abs. 2 Satzung WFF berücksichtigt werden, würde dies dazu führen, dass Fondsmitglieder mit – über einen mehrjährigen Zeitraum betrachtet – im Wesentlichen gleichen Einnahmen und folglich im Großen und Ganzen unveränderten Beitragsvorschreibungen auf längere Sicht mehr an Beiträgen zu leisten hätten als solche Fondsmitglieder, deren Einnahmen als Folge unternehmerischer Entscheidungen starken Schwankungen unterliegen. Letztere könnten dann nicht nur darauf vertrauen, dass einkommensschwächere Jahre mit (dreijähriger) Verzögerung zu entsprechend niedrigeren Vorschreibungen führen, sondern auch noch zumindest zum Teil die Leistung derjenigen Beiträge vermeiden, für deren Berechnung ihre (unter Umständen deutlich) höheren Einnahmen aus früheren Jahren als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sind. Ein derartiges Verständnis des Beitragssystems kann dem Verordnungsgeber nicht zugesonnen werden (vgl. in diesem Sinne abermals VwGH vom 26. Februar 2015, Ro 2014/11/045).

2.1.7.  Die Abweisung des Antrags kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden, weshalb die Beschwerde abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen ist (vgl. zur Gestaltung des Spruchs der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag VwGH vom 17. Dezember 2015, Ro 2015/08/0026).

2.1.8.  Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ein Absehen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung rechtfertigen. Der außergewöhnliche Charakter der Umstände, die das Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen können, hängt von der Natur der Fragen („the nature of the issues“) ab, die vom zuständigen nationalen Gericht zu beantworten sind, nicht von deren Häufigkeit (vgl. EGMR vom 18. Juli 2013, Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Z 97). Das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände hat der EGMR in Fällen anerkannt, in welchen es im Verfahren vor dem Gericht ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht (vgl. EGMR vom 08. November 2016, Pönkä/Estland, 64160/11, Z 32). So hat der EGMR den Entfall einer mündlichen Verhandlung etwa dann als gerechtfertigt angesehen, wenn angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht, oder etwa wenn keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen sind, die Tatsachen nicht bestritten werden und das Gericht auf der Grundlage der schriftlichen Stellungnahmen und der Aktenlage entscheiden kann oder auch, wenn die Erfordernisse der Effizienz und Wirtschaftlichkeit gegen die systematische Abhaltung von Verhandlungen sprechen, etwa in Sozialversicherungsfällen, in welchen allgemein gesehen eher technische Fragen besser auf schriftliche Weise behandelt werden und die systematische Abhaltung von Verhandlungen die Beachtung des Grundsatzes einer angemessenen Verfahrensdauer vereiteln würde (vgl. VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007, mit Hinweisen auf EGMR vom 19. Februar 1998, Allan Jacobsson/Schweden (Nr. 2), 8/1997/792/993, und das oben zitierte Urteil des EGMR in der Rechtssache Schädler-Eberle/Liechtenstein). Des Weiteren hielt der EGMR in seiner Judikatur fest, dass der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung in Fällen gerechtfertigt sein kann, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (vgl. EGMR vom 18. Dezember 2008, Saccoccia/Österreich, 69917/01, Z 76, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung, sowie weiters EGMR vom 13. März 2012, Efferl/Österreich, 13556/07, und EGMR vom 07. März 2017, Tusnovics/Österreich, 24719/12, Z 21; vgl. zum Ganzen VwGH vom 12. Dezember 2017, Ra 2015/05/0043).

Es wurde daher gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen.

2.2.  Zum Revisionsausspruch:

Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006). Die Frage des Beitragsnachlasses aus berücksichtigungswürdigen Umständen stellt eine Ermessensentscheidung (vgl. zB VwGH 26. März 1998, 97/11/0366) und eine im Sinne des Gesetzes erfolgte Ermessensausübung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (zB VwGH 22. Februar 2018, Ra 2018/01/0032).

Schlagworte

Freie Berufe; Ärzte; Wohlfahrtsfondsbeiträge; Ermäßigung; berücksichtigungswürdige Umstände; Arbeitsplatzwechsel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1364.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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