TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/21 96/17/0469

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Veröffentlicht am 21.04.1997
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

BAO §299;
MOG 1985 §101 idF 1994/664;
MOG 1985 §103 Abs1 Z1 idF 1994/664;
MOG MilchReferenzmengenZuteilungsV 1995 §9 Abs7 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des J in T, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Oktober 1996, Zl. 17.274/16-I A 7/96, betreffend Anlieferungs-Referenzmenge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Agrarmarkt Austria (AMA) teilte mit "Mitteilung der Anlieferungs-Referenzmenge" vom 28. März 1995 dem Beschwerdeführer als Verfügungsberechtigten über seinen näher bezeichneten landwirtschaftlichen Betrieb eine Anlieferungs-Referenzmenge von 92.964 kg Milch zu.

Mit Bescheid vom 8. März 1996 wurde diese Mitteilung abgeändert und eine Anlieferungs-Referenzmenge von 52.956 kg Milch mit einem repräsentativen Fettgehalt von 3,94 % per 31. März 1995 bekanntgegeben. Dieser Bescheid war sowohl an den Beschwerdeführer als auch an den (weiteren) Verfügungsberechtigten über einen näher bezeichneten landwirtschaftlichen Betrieb, der laut dem im Akt befindlichen Formular XII dem Beschwerdeführer eine Einzelrichtmenge (ERM) von 40.008 kg Milch gemäß § 73d MOG per 1. Juli 1992 vorübergehend überlassen hatte (in der Folge als Verfügungsberechtigter bezeichnet), adressiert und wurde beiden zugestellt. Begründend führte die Behörde nach Wiedergabe der Ermittlungsergebnisse und Rechtsgrundlagen aus, auf dem landwirtschaftlichen Betrieb des angeführten Verfügungsberechtigten hätten sich während des Neulieferantenzeitraumes keine Milchkühe befunden. Der Verfügungsberechtigte habe keine ERM erlangt und daher habe er sie dem Beschwerdeführer auch nicht zur Nutzung überlassen können.

Gegen diesen Bescheid erhob nur der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte darin vor, er habe im landwirtschaftlichen Betrieb des Verfügungsberechtigten Milchvieh eingestellt. Es sei sodann ein Neulieferantenantrag vom landwirtschaftlichen Betrieb des Verfügungsberechtigten gestellt und die Milchlieferungen seien in der seit jeher bekannten Form durchgeführt worden. Es sei der Molkereigenossenschaft von Anfang an bekannt gewesen, daß der Beschwerdeführer seine besten Milchkühe im landwirtschaftlichen Betrieb des Verfügungsberechtigten eingestellt hatte. Für den landwirtschaftlichen Betrieb des Verfügungsberechtigten habe er einen zweiten Hofbehälter besorgt und die im landwirtschaftlichen Betrieb des Verfügungsberechtigten ermolkene Milch auf das Anwesen des Beschwerdeführers verbracht, weil am Hof des Verfügungsberechtigten keine Kühlanlage vorhanden gewesen sei. In der Folge sei die Milch von der Molkereigenossenschaft aus zwei getrennten Hofbehältern auf die jeweiligen Liefernummern der Betriebe des Beschwerdeführers und des Verfügungsberechtigten angenommen und registriert worden. Es lägen somit tatsächlich zwei getrennt produzierte Milchmengen vor, die bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Sachlage keine Grundlage für den angefochtenen Bescheid ergäben und es als richtig erscheinen ließen, daß im Betrieb des Verfügungsberechtigten ein Milchkontingent aufgebaut worden sei, welches dem Beschwerdeführer rechtmäßig zur Nutzung überlassen worden sei. Der Beschwerdeführer beantragte weiters, näher genannte Personen als Zeugen zu bestimmten Beweisthemen einzuvernehmen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung heißt es, für die Höhe der bescheidmäßig mitgeteilten Anlieferungs-Referenzmenge sei die Nichtanerkennung der vorübergehenden Einzelrichtmengenübertragung (Leasing) per 1. Juli 1992 von 40.008 kg maßgeblich gewesen. Diese Übertragung werde nicht anerkannt. Die Richtmenge des "Neulieferanten" (= Verfügungsberechtigten) sei nicht rechtmäßig entstanden, weil in den Jahren 1988 bis 1991 und 1993 sich keine Kühe auf dem genannten Betrieb befunden hätten. Mangels zustehender ERM habe diese auch nicht auf andere Betriebe (auch nicht vorübergehend) übertragen werden können. Diese Tatsache sei daher bei der Höhe der Anlieferungs-Referenzmenge des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Mit dem bekämpften Bescheid werde aber nicht - wie vom Beschwerdeführer angenommen - die Unwirksamkeit des "Leasing" bzw. der Verfall der ERM ausgesprochen, sondern lediglich zum Stichtag 31. März 1995 festgestellt, welche ERM dem jeweiligen Milcherzeuger zustehe und als Anlieferungs-Referenzmenge mitzuteilen sei. Über das Schicksal der ERM sei im Rahmen eines anderen Verfahrens - nämlich im Abgabenverfahren nach Abschnitt D MOG 1985 - abzusprechen. Dies könne lediglich als Vorfrage zur vorliegenden Referenzmengenmitteilung angesehen werden. Auf die Berufungsausführungen und Beweisanträge sei daher nicht einzugehen, da der diesbezügliche Sachverhalt nicht Gegenstand der Referenzmengenmitteilung gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf rechtsrichtige Feststellung der für seinen Betrieb geltenden Anlieferungs-Referenzmenge verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdeverfahren maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Zuteilung der einzelbetrieblichen Referenzmengen im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Referenzmengen-Zuteilungsverordnung) - MRZV, BGBl. Nr. 226/1995, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 858/1995, lauten:

"§ 3. (1) Mit 31. März 1995 steht dem Verfügungsberechtigten über einen milcherzeugenden Betrieb (im folgenden: Milcherzeuger) eine einzelbetriebliche Anlieferungs-Referenzmenge zu, die im Sinne der nachstehenden Vorschriften zu ermitteln ist.

(2) Für die Berechnung der Anlieferungs-Referenzmenge sind folgende Mengen zugrunde zu legen:

1.

die im Wirtschaftsjahr 1992/93 zum 30. Juni 1993 dem Milcherzeuger zustehende Einzelrichtmenge im Sinne des Abschnitts D des MOG oder

2.

bei den gemäß § 75e oder § 75f MOG mitgeteilten Einzelrichtmengen abweichend von Z 1 die dem Milcherzeuger zum 1. Juli 1993 zustehende Einzelrichtmenge im Sinne des Abschnitts D des MOG.

(3) Bei den gemäß Abs. 2 ermittelten Mengen sind folgende Mengen mit zu berücksichtigen:

...

(4) In der Mitteilung sind vorübergehend übertragene Einzelrichtmengen(-anteile) gesondert auszuweisen.

...

§ 9. (1) Die Berechnung der dem Milcherzeuger zustehenden Anlieferungs-Referenzmenge I und Anlieferungs-Referenzmenge II sowie des jeweiligen repräsentativen Fettgehalts und der Direktverkaufs-Referenzmenge erfolgt durch die AMA. Die Referenzmengen sind jeweils auf ganze Zahlen, der repräsentative Fettgehalt auf zwei Dezimalstellen zu runden.

(2) Die AMA hat bis 30. März 1995 jedem Milcherzeuger

1.

eine Mitteilung über die ihm mit 31. März 1995 zustehende Anlieferungs-Referenzmenge I,

2.

eine Mitteilung samt Antragsformular über die gemäß § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 2 bis 4 und 6 ermittelte Anlieferungs-Referenzmenge II und

3.

eine Mitteilung über die ihm mit 31. März 1995 zustehende Direktverkaufs-Referenzmenge zu machen.

(3) Die AMA hat bis 1. August 1995 den Milcherzeugern, die gemäß § 4 Abs. 1 oder § 5 Abs. 5 einen Antrag auf Zuteilung der Anlieferungs-Referenzmenge II gestellt haben, die Anlieferungs-Referenzmenge II mitzuteilen.

(4) Der Milcherzeuger kann binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Mitteilung schriftlich begründete Einwände gegen die Berechnung der Referenzmengen bei der AMA einbringen. Werden innerhalb dieser Frist keine Einwände eingebracht,

1.

ist die mitgeteilte Anlieferungs-Referenzmenge I endgültig,

2.

wird die mitgeteilte Anlieferungs-Referenzmenge II dem gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 oder § 5 Abs. 5 Z 1 einzubringenden Antrag zugrunde gelegt und höchstens für die Dauer von zwei Jahren entsprechend der in den in § 1 genannten Rechtsakten vorgesehenen Regelung provisorisch zugeteilt und

3.

wird die Direktverkaufs-Referenzmenge für die Dauer von höchstens zwei aufeinanderfolgenden Zwölf-Monatszeiträumen provisorisch zugeteilt. Kann der Milcherzeuger auf Grund der gemäß den in § 1 genannten Rechtsakten erforderlichen Aufzeichnungen und Meldungen belegen, daß er im abgelaufenen Zwölf-Monatszeitraum im Ausmaß von mindestens 80 % der provisorisch zugeteilten Direktverkaufs-Referenzmenge Milch und Milcherzeugnisse direkt abgegeben hat, erhält er die mitgeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge endgültig zugewiesen. Hat der Milcherzeuger auch nach Ablauf des zweiten Zwölf-Monatszeitraums nicht mindestens im Ausmaß von 80 % der provisorischen Direktverkaufs-Referenzmenge Milch und Milcherzeugnisse direkt abgegeben, ist die Direktverkaufs-Referenzmenge mit dem mit 1. April 1997 beginnenden Zwölf-Monatszeitraum an das Ausmaß der für den abgelaufenen Zwölf-Monatszeitraum nachgewiesenen Mengen anzupassen.

(5) Milcherzeuger, die keine Mitteilung gemäß Abs. 2 erhalten haben, können bis 15. April 1995 bei der AMA die bescheidmäßige Bekanntgabe der zum 31. März 1995 zustehenden oder ermittelten Referenzmengen beantragen. Dem Antrag sind die Nachweise über die bisher zustehende Einzelrichtmenge sowie über die erfolgten Direktverkäufe anzuschließen.

(6) Über die vorgebrachten Einwände zur Höhe der dem Milcherzeuger zustehenden Referenzmengen hat die AMA mittels Bescheid zu entscheiden.

(7) Die Mitteilung oder der Bescheid kann innerhalb eines Jahres nach Zustellung der Mitteilung (des Bescheids) sowohl von der AMA als auch in Ausübung des Aufsichtsrechts vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft aufgehoben oder abgeändert werden,

1.

wenn der der Mitteilung (dem Bescheid) zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde,

2.

wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung eine anders lautende Mitteilung (Bescheid) hätte erlassen werden können, oder

3.

wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

(8) Abweichend von Abs. 7 kann die Mitteilung oder der Bescheid bis zum Ablauf der Verjährungsfrist von der AMA mit rückwirkender Kraft abgeändert werden, wenn die Mitteilung (der Bescheid) zu Lasten des Milcherzeugers durch wissentlich unwahre Angaben oder durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden ist.

(9) Soweit sich auf Grund eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs Änderungen hinsichtlich der dem Milcherzeuger zustehenden Referenzmenge ergeben, kann abweichend von Abs. 7 die Aufhebung oder Abänderung der Mitteilung (des Bescheids) innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Entscheidung erfolgen."

Die AMA ist bei der Mitteilung der Anlieferungs-Referenzmenge vom 28. März 1995 aufgrund der vorliegenden Unterlagen davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer für seinen Betrieb im Zeitpunkt 31. Dezember 1994 über eine Einzelrichtmenge von 92.964 kg Milch verfügte. Nach durchgeführten Ermittlungen gelangte die AMA zur Ansicht, die nunmehr strittige Einzelrichtmenge von 40.008 kg Milch sei nicht rechtmäßig entstanden und habe daher per 1. Juli 1992 nicht übertragen werden können.

Nach der Bestimmung des § 9 Abs. 7 Z. 1 MRZV kommt es nicht darauf an, ob der AMA das Ermittlungsergebnis der Prüfung im Zeitpunkt der Mitteilung bereits bekannt war oder ob ein Verschulden vorliegt, sondern allein auf die Tatsache der der Mitteilung zugrundeliegenden unrichtigen Sachverhaltsannahme. Eine solche unrichtige Sachverhaltsannahme lag der Mitteilung der Anlieferungs-Referenzmenge vom 28. März 1995 zugrunde, weil die Behörde davon ausgegangen war, daß der Beschwerdeführer am 31. Dezember 1994 auch über die ERM von 40.008 kg Milch und daher über eine ERM von insgesamt 92.964 kg Milch verfügte. Die Abänderung der Mitteilung durch die AMA innerhalb der Jahresfrist nach Zustellung der Mitteilung war daher zulässig (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/17/0467).

Soweit in der Beschwerde die mangelhafte Beweisaufnahme und die Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird, ist zunächst auf den insofern gleichgelagerten, mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/17/0467, entschiedenen Beschwerdefall zu verweisen. Auch im vorliegenden Beschwerdefall geht der angefochtene Bescheid auf das Berufungsvorbringen inhaltlich nicht ein. Weiters befindet sich in den Verwaltungsakten die "Neulieferantenerklärung" in Ablichtung, in der im Abschnitt, der vom Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb (Molkerei) auszufüllen bzw. zu bestätigen ist, durch den "zust.BBk" unterfertigt festgehalten ist, daß "bei der Besichtigung (im Betrieb des Verfügungsberechtigten) am 2.5.1988" festgestellt worden sei, daß Milchkühe gehalten würden. Dies steht im unaufgeklärten Widerspruch zur Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach auch im Jahr 1988 im Betrieb des Verfügungsberechtigten keine Milchkühe gehalten worden seien. Aus den genannten Gründen wurden daher Verfahrensvorschriften verletzt.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschriften die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Aufgrund der Entscheidung in der Sache erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die zu Unrecht geltend gemachte Umsatzsteuer für den Schriftsatzaufwand, die nicht gesondert zuzusprechen war. Stempelgebühren waren im Rahmen des gestellten Begehrens überdies nur für zwei erforderliche Ausfertigungen der Beschwerde zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996170469.X00

Im RIS seit

27.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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