TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/22 96/04/0146

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Veröffentlicht am 22.04.1997
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §152 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der E in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 14. Mai 1996, Zl. 04-19/81-96/1, betreffend Vorschreibung einer früheren Sperrstunde (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 14. Juli 1995 wurde gemäß § 152 Abs. 6 GewO 1994 für den Gastgewerbebetrieb der Beschwerdeführerin in der Betriebsart Jausenstation an einem näher bezeichneten Standort die Sperrstunde "mit sofortiger Wirkung" mit 22.00 Uhr festgesetzt. Über Berufung der Beschwerdeführerin bestätigte der Gemeinderat der Gemeinde P mit Bescheid vom 19. Februar 1996 diesen Bescheid. Zur Begründung wurde ausgeführt, die mehrfach beim Gendarmerieposten, der Gemeinde P und der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur eingebrachten Anzeigen und Anrainerbeschwerden über eine ungebührliche Belästigung der Nachbarschaft habe den Gemeinderat veranlaßt, die Sperrstunde mit 22.00 Uhr festzulegen. Des weiteren stütze sich die Entscheidung auf das lärmtechnische Gutachten des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Dezember 1994, das ortsplanerische Gutachten vom 10. Februar 1995, das lärmhygienische Gutachten vom 29. März 1995, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 12. Juli 1995, die Beweisaufnahmen vom 30. März 1995 und vom 4. Juli 1995 sowie auf die Stellungnahme der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. November 1995.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Steiermark mit dem Bescheid vom 14. Mai 1996 gemäß § 66 Abs. 2 AVG im Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 Bundesgemeindeaufsichtsgesetz sowie § 152 Abs. 6 GewO 1994 keine Folge. Zur Begründung dieses Bescheides führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges aus, bei Störung durch Lärm sei auf die allgemein anerkannte Erkenntnis Bedacht zu nehmen, daß Grundlage für die Beurteilung einer derartigen Störung der Grundgeräuschpegel sei, das sei der geringste an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit "festgelegte" Schallpegel, der durch entfernte Geräusche, wie Verkehr, verursacht werde, und bei dessen Empfinden Ruhe zu herrschen scheine. Die entsprechende Gegebenheit aufzuzeigen, sei bei Lärmemissionen Sache eines technischen und, soweit hiebei gesundheitliche Gesichtspunkte eine Rolle spielten, auch eines ärztlichen Sachverständigen. Gemäß § 7 Abs. 5 Bundesgemeindeaufsichtsgesetz habe die Aufsichtsbehörde, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen sei, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt würden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Im Zuge der von der Gemeinde durchgeführten Verfahren seien Sachverständigengutachten erstellt worden, die in sich durchaus schlüssig gewesen seien und auch zur Bescheidbegründung herangezogen worden seien, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Auch die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausübung eines Gewerbebetriebes in der Betriebsart einer Jausenstation im Sinne der Gewerbeordnung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt sie vor, die belangte Behörde sei bei ihrer Entscheidung von einem lärmhygienischen Gutachten ausgegangen, welches von einem "Distriktsarzt" erstattet worden sei und daher einem Privatgutachten gleichkomme, sie sei aber auf die entgegenstehenden Ausführungen der Beschwerdeführerin, in welchen sie dieses Gutachten insofern in Frage gestellt habe, als die Lärmimmissionen gemessen worden seien, die von der öffentlichen Straße, die nicht der Betriebsanlage zuzurechnen seien, ausgingen. Außerdem habe bei einem Gastgarten, der an öffentliches Gut angrenze, eine gesonderte emissionstechnische Beurteilung zu entfallen. Es sei daher verfehlt gewesen, daß der Gutachter einen Beurteilungspegel für die Betriebsanlage einschließlich Gastgarten angebe und auf dieser Grundlage zu gewissen Schlüssen komme, während eine schalltechnische Analyse des Gastgewerbebetriebes ohne Gastgarten gänzlich andere Beurteilungspegel liefere und damit auch der Gutachter zu anderen Schlüssen gekommen wäre. Sehe man vom Sachverständigengutachten ab, so sei die Entscheidung des Gemeindeamtes P bezüglich der ungebührlichen Belästigung der Nachbarschaft nicht nachvollziehbar. Als Begründung habe das Gemeindeamt P in seiner Entscheidung vom 14. Juli 1995 angeführt, die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur habe mit Schreiben vom 2. Juni 1992 der Gemeinde P mitgeteilt, daß es u. a. laufend zu Belästigungen der Anrainer durch den Gastgewerbebetrieb der Beschwerdeführerin komme. Ob seit 1992 sich mehrere Anrainer beschwerten, sei aus der Begründung des Bescheides nicht ersichtlich. Dazu sei anzumerken, daß lediglich ein Anrainer angegeben habe, sich ungebührlich belästigt zu fühlen, doch müsse auch der Nachbar Belästigungen, die sich im Rahmen der Zumutbarkeit bewegten, dulden. Diese Duldungsfähigkeit beziehe sich auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Emissionssituation. Diese sei jedoch "nicht korrekt erstellt" worden. Während die Einwendungen der Beschwerdeführerin kein "rechtliches Gehör" gefunden hätten, sei das ganze Verfahren im Interesse des Anrainers abgeführt worden und es habe keinerlei Abwägung des gegenseitigen Vorbringens stattgefunden.

Gemäß § 152 Abs. 6 GewO 1994 hat die Gemeinde, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen, eine spätere Aufsperrstunde oder eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben.

Wie sich aus dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesstelle ergibt, ist - von dem hier nicht bedeutsamen Tatbestandsmerkmal sicherheitspolizeilicher Bedenken abgesehen - Voraussetzung für die Zulässigkeit der Vorverlegung einer Sperrstunde, daß die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen VOR der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde. Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde insofern, als sie, wie sich aus der (insofern irrigen) Wiedergabe der Bestimmung des § 152 Abs. 6 GewO 1994 im angefochtenen Bescheid ergibt, davon ausging, entscheidend sei das Verhalten von Gästen "von" der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes. Daß es sich dabei nicht bloß um einen Schreibfehler handelt, ergibt sich daraus, daß in den im angefochtenen Bescheid zitierten Gutachten, die nach der Begründung des angefochtenen Bescheides die Grundlage der Entscheidung der belangten Behörde bilden, vor allem auf jene Lärmimmissionen bei den Nachbarn Bedacht genommen wird, die von der Betriebsanlage selbst ihren Ausgang genommen haben.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Schriftsatzaufwand betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die in der zitierten Verordnung normierte Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996040146.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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