TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/4 LVwG-1-200/2021-R21

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Veröffentlicht am 04.05.2021
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Entscheidungsdatum

04.05.2021

Norm

VStG §37 Abs1 Z2 lita
VStG §37 Abs5

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Wilhelm Wachter, LL.M., über die Beschwerde der U T, LI-S, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Arretz, Irun, Spanien, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 15.03.2021 betreffend einen Verfallsausspruch nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Im angefochtenen Bescheid wurde die am 10.12.2020, im Zuge einer Kontrolle in H, A 14/Rheintalautobahn, Rastplatz R von M T, als Lenker eines auf die Beschwerdeführerin zugelassenen KFZ, eingehobene vorläufige Sicherheit in der Höhe von 200 Euro wegen einer Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz gemäß § 37 Abs 5 iVm § 17 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991 für verfallen erklärt.

2.   Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Verfallsausspruch nicht vorlägen.

3.   Folgender Sachverhalt steht fest:

Am 10.12.2020 fand gegen 10:45 Uhr durch Straßenaufsichtsorgane in H, A 14/Rheintalautobahn, Höhe StrKM XX - Rastplatz R, eine Kontrolle eines auf die Beschwerdeführerin zugelassenen Kraftfahrzeuges (Sattelzugfahrzeug) samt des von dieser gemieteten Sattelanhängers statt. Dabei wurde festgestellt, dass der Anhänger nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 2 mm aufwies. Beim Mangel handelt es sich um einen „Gefahr in Verzug“-Mangel, welcher im Verantwortungsbereich des Zulassungsbesitzers liegt. Der Mangel ist laut Gutachten der A AG vom 07.12.2020 auch erkennbar für den Lenker. Es wurde eine Sicherheitsleistung in Höhe von 200 Euro eingehoben und auf das Konto der Bezirkshauptmannschaft D überwiesen.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft D vom 27.01.2021 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass bei der Bezirkshauptmannschaft D ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz anhängig ist. Die Beschwerdeführerin wurde in diesem Schreiben aufgefordert, die nach § 9 VStG Verantwortlichen bekanntzugeben. Dieses Schreiben wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantwortet.

Weitere Ermittlungsschritte/Strafverfolgungsschritte wurden von der Bezirkshauptmannschaft D nicht gesetzt.

4. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsstrafakt.

5. Gemäß § 37 Abs 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) kann die Behörde dem Beschuldigten mit Bescheid auftragen, einen angemessenen Betrag als Sicherheit zu erlegen oder durch Pfandbestellung oder taugliche Bürgen, die sich als Zahler verpflichten, sicherzustellen,

1.   wenn begründeter Verdacht besteht, dass sich der Beschuldigte der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung entziehen werde, oder

2.   wenn andernfalls

     a)  die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich nicht möglich wäre oder

  b)  die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Nach § 37 Abs 5 VStG ist die Sicherheit für verfallen zu erklären, sobald feststeht, dass die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nicht möglich ist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde begründet den Verfallsausspruch damit, dass bereits das Fehlen einer Antwort auf die Aufforderung, die Daten des Firmenverantwortlichen bekannt zu geben, die Unmöglichkeit der Strafverfolgung belege. Diese Begründung überzeugt – im vorliegenden Einzelfall - nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich im Erkenntnis vom 8.6.2005, 2003/03/0084 (VwSlg 16639 A/2005), mit der Nichtbekanntgabe eines gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen befugten Organes eines ausländischen Unternehmens und einem Verfallsausspruch auseinander. Dazu hat er ausgeführt, dass zwar grundsätzlich die zur Vertretung nach außen berufene Person im Sinne des § 9 VStG von Amts wegen festzustellen sei (vgl Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II2, Anm 8 zu § 9 VStG). Im dort zu entscheidenden Fall (tschechisches Unternehmen) sei dies der belangten Behörde jedoch nicht möglich gewesen, da zwischen der Republik Österreich und der Republik Tschechien kein Vertrag über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen bestand. Damit sei lt VwGH eine Strafverfolgung im Sinne von § 37 Abs 5 und § 17 Abs 3 VStG unmöglich. Der VwGH hat auch in einer Folgeentscheidung ausgesprochen, dass im Regelfall wesentliche Erschwernisse bei der Strafverfolgung vorliegen, wenn mit dem Land, in dem der einer Verwaltungsübertretung Verdächtige seinen Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt hat, kein Vertrag über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen besteht (siehe VwSlg 17669 A/2009). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Unmöglichkeit einer Strafverfolgung dort jedenfalls im Regelfall nicht gegeben sein wird, wo entsprechende Rechtshilfeabkommen bestehen (vgl Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 37 Rz 14; Stöger in Raschauer/Wessely, VStG2 § 37 Rz 10). Zu beachten ist bei Beschuldigten im EU-Ausland das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl III Nr 65/2005 (VwGH 18.05.2011, 2010/03/0191). Der wesentliche Inhalt dieses Übereinkommens betrifft die Rechtshilfe auch in Verfahren wegen Verwaltungsdelikten. Das Übereinkommen erlaubt ua die Übersendung und Zustellung von Verfahrensurkunden (Art 5) oder die Übermittlung von Rechtshilfeersuchen (Art 6). In einem vom VwGH zu entscheidenden Fall (VwGH 18.05.2011, 2010/03/0191) hat belangte Behörde diesem Übereinkommen keine Beachtung geschenkt und sich daher nicht damit auseinandergesetzt, dass die Anwendung dieses Übereinkommens zwar versucht wurde, aber praktisch gescheitert sei.

Daraus folgt, dass bei Beschuldigten mit (Wohn-)Sitz im Ausland in Hinblick auf den betroffenen Staat zu prüfen ist, ob Rechtshilfeabkommen hinsichtlich grenzüberschreitender Verfahrensführung/Strafverfolgung bestehen und, ob diese im konkreten Fall auch wirksam angewendet werden können (vgl Stöger in Raschauer/Wessely, VStG2 § 37 Rz 10).

Im gegenständlichen Fall betrifft der Verfallsauspruch eine juristische Person mit Sitz in Litauen. Litauen ist dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beigetreten. Anhaltspunkte, dass die die Anwendung dieses Übereinkommens von der Behörde zwar versucht, aber praktisch gescheitert ist, bestehen nicht. Auch in der Datenbank BKA Wiki „Internationale Rechtshilfe“ findet sich kein Hinweis, dass eine Strafverfolgung oder Vollstreckung in Litauen voraussichtlich nicht möglich ist.

Die belangte Behörde hat nach dem Aufforderungsschreiben an die Beschwerdeführerin jeden Versuch unterlassen, den nach § 9 VStG Verantwortlichen auszuforschen. Nur wenn es trotz entsprechenden Versuchs und Setzung angemessener Schritte, wie einer Anfrage an die litauische Behörde im Rechtshilfeweg praktisch scheitert, zu ermitteln wer im Sinne von § 9 VStG verantwortlich ist (zB wer die nach außen vertretungsbefugen Organe sind), wäre für das Landesverwaltungsgericht mangels Mitwirkung der Beschwerdeführerin die Strafverfolgung im Sinne von § 37 Abs 5 und § 17 Abs 3 VStG allenfalls unmöglich. Vorläufig konnte die belangte Behörde jedenfalls nicht davon ausgehen, dass sich die Strafverfolgung als unmöglich erweist. Daher hätte die angesprochene Sicherheitsleistung vorerst nicht für verfallen erklärt werden dürfen.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

6.              Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verwaltungsstrafrecht, Sicherheitsleistung, Verfall, Unmöglichkeit der Strafverfolgung Strafvollstreckung, nicht bei Rechtshilfeabkommen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2021:LVwG.1.200.2021.R21

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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