TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/6 LVwG-2021/23/1149-1

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Veröffentlicht am 06.05.2021
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Entscheidungsdatum

06.05.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §9
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 25.03.2021, Zl ***,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Aufgrund einer anonymen Anzeige leitete die Bezirkshauptmannschaft Y gegen die CC. in **** Y, Adresse 2 ein Verwaltungsstrafverfahren aufgrund einer Übertretung nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz ein.

Im Zuge des Verwaltungsstrafverfahren legte die CC. eine Bestellungsurkunde vor, aus der sich die Bestellung des nunmehrigen Beschwerdeführers als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs 2 VStG für den Filialbetrieb in der Adresse 2, **** Y, ergab. Diese Bestellungsurkunde stammt vom 02.04.2015.

Nachfolgend erließ die Bezirkshauptmannschaft Y folgendes Straferkenntnis:

Sie haben als verantwortlich Beauftragter des Unternehmens „CC., in **** Y, Adresse 2, welche eine Betriebsstätte der Betriebsart LEBENSMITTELHANDEL darstellt, nicht dafür Sorge getragen, das für Kunden im Kundenbereich der Betriebsstätte im Zeitraum von 17.11.2020 bis 06.12.2020 gemäß Covid-19-Notmaßnahmenverordnung BGBl. II Nr. 479/2020, nur Waren angeboten werden, die dem typischen Warensortiment der in Abs. 4 genannten Betriebsstätten des Handels entspricht. Es wurde festgestellt, dass Sie am 04.12.2020 in Adresse 2 auch NON-Food Artikel wie Spielzeug, Elektrogeräte usw. im Geschäft angeboten haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§§ 8 Abs. 4, 3 Abs. 1 COVID-19-MG i.V.m. § 5 Abs. 1 und 4 iVm § 5 Abs. 5 Ziffer 2 Covid-19-NotMV, BGBl. II Nr. 479/2020 zuletzt geändert durch BGBl.II Nr. 528/2020 iVm § 9 VStG 1991

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe (€):

400,00

Gemäß:

§ 8 Abs. 4 COVID-19 Maßnahmengesetz - COVID-19- MG, BGBl. 1 Nr. 12/2020, zuletzt geändert durch BGBl. 1 Nr. 104/2020

Ersatzfreiheitsstrafe:

75 Stunden

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 40,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 440,00

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte fristgerecht Beschwerde und kommt dieser Beschwerde bereits aus formalen Gründen Berechtigung zu.

II.      Rechtliche Erwägungen:

In den Fällen des § 9 VStG trifft die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ. Beschuldigter ist daher nicht die Gesellschaft, die Genossenschaft oder der Verein, sondern allein das Organ (VwGH vom 27.10.1982 Zl 1381/80). Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind von Amts wegen festzustellen (VwGH vom 22.10.1971, Zl 443/71). Wenn allerdings die vertretungsbefugten Organe für einen sachlich oder räumlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen, hat dieser für die Einhaltung der Verwaltungsbestimmungen einzustehen.

Zunächst war daher zu klären, ob der Beschuldigte überhaupt als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG bestellt worden ist.

Der erforderliche Zustimmungsnachweis zur Bestellung als verantwortlicher Beauftragter (iSd Ausführungen der Erkenntnisse eines verstärkten Senates vom 16.01.1987, 86/18/0073 und 86/18/0077) ist erst dann erbracht, sobald er der Verwaltungsstrafbehörde vorgelegt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs 4 VStG (vgl 94/02/0470 vom 07.04.1995, 95/11/0088 vom 07.10.1997, 97/04/0070 vom 27.01.1999) ist die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten nur für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens rechtswirksam (Hinweis E 14.12.1995, 95/07/0095; E 07.10.1997, 95/11/0088).

Mit Bestellungsurkunde vom 2.4.2015 wurde dem Beschuldigten unter Punkt 3 ein klar umrissener Aufgabenbereich als Verantwortlicher Beauftragter eingeräumt. Allerdings gab es im Jahr 2015 noch keine gesetzlichen Bestimmungen in Zusammenhang mit gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. Erst mit BGBl I Nr. 12/2020 vom 15.03.2020 wurde das Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) und ein Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) erlassen sowie das Gesetzliche Budgetprovisorium 2020, das Bundesfinanzrahmengesetz 2019 bis 2022, das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (COVID-19 Gesetz) erlassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs 4 VStG (vgl 94/02/0470 vom 07.04.1995, 95/11/0088 vom 07.10.1997, 97/04/0070 vom 27.01.1999) ist die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens nur für den übertragenen Bereich rechtswirksam. Da die vorgelegte Urkunde aus dem Jahr 2015 stammt, kann sie sich nur auf einen Aufgabenbereich beziehen, der zu diesem Zeitpunkt real existierte. Vor diesem Hintergrund ist für den Beschuldigten keine gültige Bestellung als Verantwortlicher Beauftragter für den vorgeworfenen Sachverhalt zustande gekommen. Der Beschwerdeführer ist demnach für die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht verantwortlich und es wäre der Strafvorwurf daher an das zur Vertretung nach außen befugte Organ zu richten gewesen.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat das Landesverwaltungsgericht Tirol von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen hat.

Folgerichtig war daher der Beschwerde bereits aus diesem Grund Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten einzustellen.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

verantwortlicher Beauftragter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.23.1149.1

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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