TE Vfgh Erkenntnis 1995/6/21 A17/93

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Veröffentlicht am 21.06.1995
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
FinStrG §56 Abs2
BAO §97 Abs1 lita
BAO §101 Abs4

Leitsatz

Abweisung einer Klage gegen den Bund auf Rückzahlung eines Strafbetrages aufgrund ordnungsgemäßer Zustellung der Erledigungen des Finanzamtes an die Klägerin selbst

Spruch

Das Klagebegehren wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Mit der auf Art137 B-VG gestützten, gegen die "Republik Österreich" (richtig: gegen den Bund) gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Fällung folgenden Urteiles:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin den Betrag von S 1.500,-- samt 4 % Zinsen ab Klagstag sowie die Kosten dieses Rechtsstreits binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

b) Zur Begründung ihres Begehrens führt die Klägerin - auf das Wesentliche zusammengefaßt - aus:

aa) Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz habe sie mit Schreiben vom 11. Mai 1976 von der Einleitung eines gegen sie gerichteten Finanzstrafverfahrens wegen Verkürzung der Grunderwerbsteuer verständigt und zur Rechtfertigung aufgefordert. Sie habe, vertreten durch einen Rechtsanwalt, die angeforderte Stellungnahme mit Schriftsatz vom 31. Mai 1976, dem eine Vollmacht angeschlossen gewesen sei, abgegeben.

Das Finanzamt habe sodann am 13. Oktober 1976 gegen die Klägerin eine Strafverfügung erlassen und diese nur ihr persönlich (nicht aber ihrem Rechtsvertreter) zugestellt.

Am 25. Oktober 1976 habe sie, wiederum vertreten durch den Rechtsanwalt, dagegen Einspruch erhoben.

Mit Erkenntnis des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 1. Juli 1977 sei sie - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu der nur sie persönlich, nicht ihr Rechtsvertreter geladen worden sei - des Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach §34 Abs1 des Finanzstrafgesetzes schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von 1500 S (zuzüglich 150 S Verfahrenskosten) verhängt worden. Dieses Erkenntnis sei nur ihr persönlich (nicht aber ihrem Rechtsvertreter) zugestellt worden.

Die Klägerin habe in Unkenntnis der Rechtslage (s. hiezu gleich unten) den im Erkenntnis geforderten Betrag bezahlt.

bb) Da das Erkenntnis - entgegen dem damals geltenden Gesetz - nicht dem ausgewiesenen Rechtsvertreter zugestellt worden sei, sei es nicht rechtswirksam erlassen worden; deshalb habe keine Zahlungspflicht der Klägerin bestanden (Hinweis auf VfSlg. 8812/1980).

Es werde daher die Rückzahlung des zu Unrecht geleisteten Strafbetrages gefordert.

2. Der (durch den Bundesminister für Finanzen vertretene) Bund als beklagte Partei legte den maßgebenden Verwaltungsakt des Finanzamtes vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er den Antrag stellt, die Klage abzuweisen:

Der behauptete Zustellmangel sei nicht gegeben; der Rechtsanwalt habe keine Vollmacht vorgelegt; das Erkenntnis des Finanzamtes vom 1. Juli 1977 sei sohin zu Recht an die Klägerin persönlich zugestellt worden. Damit sei es - mangels Erhebung einer Berufung - in Rechtskraft erwachsen und der geschuldete Betrag zu Recht entrichtet worden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. zB VfSlg. 13202/1992 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) - Klage erwogen:

1. Der Sachverhalt wird - mit einer (allerdings entscheidungsrelevanten) Ausnahme - von der Klägerin und dem beklagten Bund (in Übereinstimmung mit dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes) gleich geschildert. Der Verfassungsgerichtshof geht daher - mit einer Ausnahme - vom Sachverhalt aus, wie ihn die Klägerin darstellt (s.o. I.1.b).

Die Divergenz besteht ausschließlich darin, daß die Klägerin behauptet, die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes bereits mit Schriftsatz vom 31. Mai 1976 nachgewiesen zu haben; der beklagte Bund behauptet, daß zumindest vor Erlassung des die Zahlungspflicht begründenden Erkenntnisses vom 1. Juli 1977 keine solche Vollmacht vorgelegt worden sei.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß die oben (I.1.b) erwähnten, an das Finanzamt gerichteten Eingaben der Klägerin zwar vom Rechtsanwalt eingebracht wurden, daß jedoch dessen Bevollmächtigung nicht nachgewiesen wurde: Auf der Stellungnahme vom 31. Mai 1976 findet sich zwar der Hinweis "Vollmacht beigelegt". Eine solche ist aber im Verwaltungsakt nicht enthalten; auch dem Eingangsstempel des Finanzamtes ist zu entnehmen, daß der Schriftsatz ohne Beilagen eingebracht wurde.

2. Maßgebend ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Durchführung des in Rede stehenden Finanzstrafverfahrens (1976/1977), also vor Inkrafttreten des Zustellgesetzes, BGBl. 200/1982.

§56 Abs2 Finanzstrafgesetz in der im hier gegenständlichen Zeitraum (1976/77) relevanten Fassung lautete:

"Für (...) Erledigungen, Zustellungen (...) gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung sinngemäß."

Im angesprochenen dritten Abschnitt der BAO war normiert:

§97 Abs1 lita BAO:

"§97. (1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung (§§98-107);..."

§101 Abs4 erster Satz BAO:

"Ist eine im Inland wohnhafte Person zum Empfang von Schriftstücken einer Abgabenbehörde bevollmächtigt, so haben Zustellungen an diese zu erfolgen."

3. Die Klägerin wäre daher mit ihrem Begehren im Recht, wenn sie dem Finanzamt gegenüber eine Person (so etwa einen Rechtsanwalt) zum Empfang von Schriftstücken dieser Behörde bevollmächtigt hätte.

Wenngleich die Behörde verhalten gewesen wäre, die Vollmacht nachzufordern, wenn eine solche in den Eingaben der Klägerin zwar erwähnt, aber nicht angeschlossen war, so war doch eine Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes nicht (ausreichend) nachgewiesen. Das Finanzamt hatte unter diesen Umständen seine Erledigungen an die Klägerin persönlich zuzustellen (vgl. zB VwGH 14.4.1967 Zl. 1866/66, 27.6.1974 Zl. 1635/73, 13.3.1978 Zl. 1891/77). Daraus folgt, daß durch das Erkenntnis des Finanzamtes vom 1. Juli 1977 die Klägerin zahlungspflichtig geworden war und sie daher keine Nichtschuld beglichen hat. Der Bund ist demnach nicht zur Rückzahlung des Strafbetrages verhalten.

Das Klagebegehren war sohin abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Finanzverfahren, Zustellung, Vertreter (Finanzverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:A17.1993

Dokumentnummer

JFT_10049379_93A00017_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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