TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/4 W117 2180600-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2021
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Entscheidungsdatum

04.02.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §40
BFA-VG §40 Abs2 Z1
BFA-VG §40 Abs2 Z5
BFA-VG §40 Abs3
BFA-VG §41
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art5 Abs2
PersFrSchG 1988 Art4 Abs6
RATG §1
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z2
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs4

Spruch


W117 2180600-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SRI LANKA, vom 14.12.2017 gegen die Festnahmeanordnung und Festnahme am 15.11.2017 und Anhaltung, IFA-Zl.: 1173897900, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.06.2020 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde gegen die Festnahmeanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2017 wird gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 und Z 5 sowie § 40 Abs. 3 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Festnahme (auf Weisung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Ayl) wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG iVm Art 5 Abs. 2 EMRK, Art 4 Abs. 6 PersFrBVG, § 41 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung am 15.11.2017 von 12:00 Uhr bis 20:47 Uhr für rechtswidrig erklärt.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 1 und Z 2 VwG-AufwErsV idgF hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 1689,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Das Mehrbegehren von € 157,26 Euro wird gemäß §1 RATG zurückgewiesen.

V. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka stellte nach illegaler Einreise am 15.11.2017 um 8:25 im PAZ Wien Josefstadt einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 15.11.2017 erfolgte seine Erstbefragung nach dem AsylG durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im PAZ Breitenfeldergasse.

Zur Vorführung an die EAST-Ost im Rahmen eines Dublin-Verfahrens wurde er sodann am 15.11.2017 um 12:00 Uhr festgenommen.

Am 14.12.2017 erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers die verfahrensgegenständliche Maßnahmenbeschwerde beim BVwG wegen (Verletzung von) Art. 3, 5 und 8 EMRK durch die

?        Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers am 17.11.2017 ab ca. 11:15 bis 21:00 Uhr im PAZ Breitenfeldergasse samt Überstellung zum Bundesamt in Traiskirchen durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (…)

Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer entgegen dem Angebot seines Vaters, ihn selbst nach Traiskirchen zu bringen, festgenommen und in ein Zimmer gesperrt worden sei, währenddessen er seinen anwaltlichen Vertreter nicht habe kontaktieren dürfen. Er sei zu keinem Zeitpunkt darüber aufgeklärt worden, was mit ihm passiere.

Gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG könne eine Festnahme nicht in jedem Fall – lediglich auf Grund eines illegalen Aufenthaltes – pauschal und ohne Interessensabwägung angeordnet werden. Das Bundesamt habe bei der Anwendung dieser Bestimmung stets mit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzugehen.

Durch die daraufhin durchgeführte zwangsweise Anhaltung über mehr als neun Stunden sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 5 EMRK verletzt worden.

Gemäß Art. 31 GFK dürften die vertragsschließenden Staaten keine Strafe gegen Flüchtlinge wegen unrechtsmäßiger Einreise oder unrechtmäßigen Aufenthalts verhängen. Nach Art. 31 Abs. 2 GFK dürfe Flüchtlingen keine Beschränkung ihres Aufenthalts auferlegt werden, es sei denn diese erwiesen sich als unbedingt notwendig.

Generell müsse ein Eingriff einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Dies habe das Bundesamt unterlassen und vielmehr pauschal eine Festnahmeanordnung erlassen ohne sich mit deren Notwendigkeit oder deren negativen Auswirkungen auseinanderzusetzen, obwohl er die Namen und Adresse seiner Familienangehörigen in Österreich bekanntgegeben habe. Daher bestehe in seinem Einzelfall kein Anlass zur Anordnung einer Festnahme, weil er sich bei seiner in Wien lebenden Familie aufhalte, was dem Bundesamt wiederholt kommuniziert worden sei. Er würde sich unter keinen Umständen dem Verfahren vor dem Bundesamt entziehen, sondern sei selbst an einem zügigen Verfahren „betroffen“ und es wiederspreche jeglicher Denklogik, dass er sich seinem eigenen Verfahren entziehen würde.

Die in der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit der zwangsweisen Anhaltung und zwangsweisen Überstellung nach Traiskirchen stütze sich auf die Festnahmeanordnung gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG und werde hinsichtlich dieser rechtswidrigen Handlungen die Verletzung seiner Rechte nach Art. 5 und 3 EMRK geltend gemacht und dazu auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

Die zwangsweise Verbringung nach Traiskirchen sei ausdrücklich unverhältnismäßig gewesen, sein Vater habe der Behörde angeboten, den Beschwerdeführer unverzüglich mit seinem Fahrzeug dorthin zu bringen, weshalb die Festnahmen, zwangsweise Anhaltung und zwangsweise Verbringung nach Traiskirchen in keiner Weise verhältnismäßig gewesen seien.

Zudem lasse sich aus der Anordnung des Bundesamtes zur Vorführung die „Prognoseentscheidung“ betreffend nicht erschließen, auf welcher gesetzlichen Grundlage der Freiheitsentzug erfolgt sei. Mangels gesetzlicher Grundlage sei daher die Freiheitsentziehung zur zwangsweisen Verbringung nach Traiskirchen an sich bereits rechtswidrig erfolgt und er sei dadurch in seinem Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 5 EMRK verletzt.

Beantragt werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die beschriebenen Handlungen als verfassungswidrig und/oder rechtswidrig zu erklären sowie der Ersatz von Verfahrenskosten gemäß § 35 VwGVG in Höhe von 1.876,86 €.

Am 30.06.2020 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt; diese nahm folgenden Verlauf:

„Eröffnung des Beweisverfahrens.

BFRV: Ich habe eine Richtigstellung vorzunehmen, im Beschwerdeschriftsatz ist vom 17.11.2017 die Rede, richtig muss es natürlich heißen 15.11.2017.

RI: Sie waren nur bis zum 15.01.2018 in der Betreuungsstelle Traiskirchen untergebracht und polizeilich gemeldet, danach waren Sie für längere Zeit nicht gemeldet. Wo haben Sie sich aufgehalten?
BF: Danach war ich zu Hause, bei meinem Vater in Österreich.

BFV: Bei seinem Vater, er ist seiner Verpflichtung den Aufenthaltsort bekannt zu geben mehrfach nachgekommen. Zuletzt in der Stellungnahme vom 27.12.2017, gab der BF bekannt: Ich werde mich bis auf Weiteres an der polizeilich bekannten Adresse aufhalten.

RI: Sie wurden am 15.11.2017 in ihrem Asylverfahren einer Erstbefragung zugeführt.

BFV ersucht um die Möglichkeit der Abnahme der Maske für den BF, im Sinne der Unmittelbarkeit des persönlichen Eindruckes.

RI weist darauf hin, dass nach der Hausordnung Maskenpflicht besteht und im Sinne der Verantwortlichkeit des Richters für Sicherheit und Gesundheit im VH-Saal die Maske nicht abgenommen werden darf. Die Maske hindert den erkennenden Richter nicht an der Gewinnung eines persönlichen Eindrucks.

RI: Am 15.11.2017 wurden Sie erstbefragt in Ihrem Asylverfahren.

BF. Ja, richtig.

RI: Da wurden Sie zuvor festgenommen, oder erst nach der EB festgenommen? Wann wurden Sie zeitlich gesehen festgenommen?

BF: Danach.

RI: D.h. Sie haben sich selbst freiwillig in die Breitenfeldergasse 21, 1080 Wien begeben. Ist das richtig?

BF: Ja, das ist richtig.

RI: Bei der Befragung, waren Sie da alleine mit dem einvernehmenden Organ, oder waren auch andere Personen dabei?

BF: Ich war nicht alleine, als sie mich verhaftet haben.

RI: Ich meine die Befragung.

BF: Mein Vater war dabei gewesen und mein Übersetzer war auch da, bei der Befragung.

RI: Bei der Befragung. War da Ihr Vater dabei?

BF: Ja, mein Vater und der Dolmetscher waren bei der Befragung dabei.

RI: Die Befragung selbst, wie lief die ab? Verlief sie ordnungsgemäß, ihrer Meinung nach, gab es Zwischenfälle?

BF: Es war alles rechtmäßig.

RI: Unmittelbar nach der Befragung, wurden Sie da festgenommen?

BF: Nein, die haben mich nicht gleich festgenommen, sie haben mich runter geführt in ein Zimmer und haben die Türe zugesperrt und gingen weg.

RI: Da war keine formelle Festnahme?

BF: Nein.

RI: Was bedeutet hinunter geführt?
BF. Leute in Zivil haben mich runter geführt.

RI: Wissen Sie wer die Leute waren?

BF. Das habe ich nicht gewusst.

RI: Wie viele Leute waren es?

BF. Eine Person.

RI: Wie wurden Sie runter geführt?

BF: Ich wurde nicht an der Hand genommen, man hat mir gesagt, bitte kommen sie mit. Dann wurde ich in das Zimmer geführt. Sie haben mir gedeutet, ich möge mitkommen, weil ich sie nicht verstanden habe. Dann wurde ein Zimmer aufgemacht, ich musste hineingehen. Die sagten, bitte geh rein. Ich habe nicht verstanden, dann deuteten sie mir, dass ich rein gehen soll.

(…)

RI: Hat Ihnen jemals von dem Zeitpunkt, dass man Ihnen deutet, Sie sollen in ein Zimmer kommen. Bis zu dem Zeitpunkt wo Sie im Camp in das Zimmer gehen. Hat man Ihnen jemals irgendwelche Informationsblätter in Ihrer Sprache übergeben, warum Sie festgehalten wurden?

BF: Die haben mir ein Blatt gegeben.

RI: Wann haben die ihnen das Blatt gegeben?

BF: Nach der Erstbefragung habe ich so ein Blatt bekommen, ich kann mich aber nicht erinnern, ob ich wes in das Zimmer mitnahm.

RI: Das Blatt war in Ihrer Sprache?

BF: Ich habe nicht genau geschaut.

RI: Warum nicht?

BF: Ich habe nicht geschaut.

RI. Sie bekommen ja so ein Blatt nicht nur so zum Spaß. Das war unmittelbar nach der Befragung?

BF: Ja, das ist richtig.

R an BFV. Fragen:

BFV: Haben Sie ein Blatt bekommen oder mehrere?

BF: Da waren mehrere Blätter.

(…)

BFV: Sie sagten, beim Interview war ein Dolmetscher dabei. Wann ist dieser Dolmetscher gegangen?

BF: Gleich nach dem Interview ist er gegangen.

BFV: Wurden Sie informiert, wie lange Sie in dem Raum bleiben müssen?

BF: Nein. Das wurde ich nicht.

(…)

BFV: Keine weiteren Fragen.

Aufgerufen wird die Zeugin (Z1): XXXX (ehm. XXXX ) um 10:20 Uhr.

Personalien auf dem Deckblatt.

RI: Sie wurden als Zeugin geladen, weil Sie am Anhalteprotokoll als Weisungsgebende Beamtin verantwortlich zeichnen. Es handelt sich um das Anhalteprotokoll vom 15.11.2017, AS1.

BFV stellt den Antrag, dass die Zeugin die Maske abnehmen möge, damit sich der Richter einen persönlichen Eindruck von der Zeugin verschaffen kann, im Sinn der Glaubwürdigkeitsprüfung.

Dies wird aus denselben Gründen wie zuvor abgelehnt.

RI belehrt die Z1

Die Z1 bringt ausdrücklich vor, dass sie von der Amtsverschwiegenheit entbunden wurde.

Verlesen wird das Anhalteprotokoll I, AS1, wonach die Festnahme am 15.11.2017 um 12 Uhr stattgefunden habe. Aufgrund einer Weisung der Zeugin.

RI: Können Sie sich daran noch erinnern?

Z: ich bin seit Februar 2019 nicht mehr beim BFA, sondern in der Sektion I in der Zentralleitung des BMI. An den konkreten Fall kann ich mich deshalb nicht erinnern, weil ich etliche Verfahren hatte, teilweise um die 100 Akten im Monat.

RI: Im Akt liegt nur der schriftliche Festnahmeauftrag aus 2018 auf. Wie finden sonst bei derartigen EB, die mit einer Festnahme einhergehen, wie findet da die Kommunikation statt.

Z: soweit ich mich erinnern kann wird immer eine EB durchgeführt, dann hat sich die Polizei über das PAD-System an das BFA in dem Fall. EAST-Ost gewandt. Nach Durchführung der EB durch das PAD-System wurde das an uns, das BFA, verschickt. Dann bekam das BFA das Protokoll über die EB, dann wurde entscheiden, wo der Asylwerber untergebracht wird. So weit ich mich erinnern kann wurden solche Vorgaben per Mail gemacht. Festnahmeverfügungen, kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. So weit ich mich erinnern kann, durften Asylwerber angehalten werden, ich bin mir nicht sicher, ob das eine Festnahme im formellen Sinne war.

RI: Wenn der XXXX schreibt, auf Weisung von Ihnen, nehme ich an, dass das nicht falsch ist, sonst würde er es nicht ausfüllen oder?

RI zeigt Z das Schriftstück.

Z: Das was ich Ihnen nach Einsicht in die Seite 1 sagen kann: Damals war es so in der EAST-Ost, dass die Polizei von uns damals Prognoseentscheidungen erhielt. Das wäre eine solche. Ich weiß nicht genau, warum er Festnahme angekreuzt hat, ich war selber Weisungsgebunden, mein damaliger Leiter, den Namen weiß ich nicht genau hat angeordnet das Asylwerber mit Dublinrelevanz vorgeführt werden in die EAST-Ost. Das weiß ich noch, deswegen steht mein Name bei der Rubrik Festnahme, weil ich wahrscheinlich die Prognose getroffen habe, dass aufgrund von Dublinrelevanz vorzuführen sei. Ich war selbst immer Weisungsgebunden. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ich da einen Festnahmeauftrag gegeben hätte.

BFV: Diese Weisung, dass bei Dublinrelevanz vorzuführen ist, galt die generell? Wurde da im Einzelfall etwas berücksichtig?

Z: So weit ich mich erinnere, sobald eine Dublinrelevanz vorlag wurde vorgeführt, aber Ausnahmen gab es wahrscheinlich schon. Ich selbst weiß, dass Asylwerber mit Dublinrelevanz vorgeführt wurden.

BFV. Ist in dieser Entscheidung berücksichtigt worden, dass der Vater des BF angeboten hat ihn selbst nach Traiskirchen zu führen, und zwar unverzüglich nach der Einvernahme?

Z: Das weiß ich nicht mehr.

BFV: ist berücksichtigt worden, dass der BF in Wien aufrecht gemeldet war?

Z: Das weiß ich auch nicht.

BFV: Wann hatten Sie an diesem Tag Dienstschluss?

Z: Das weiß ich nicht mehr.

BFV: Wissen Sie bis wann die Festnahme aufrecht war?

Z: Nein, aber so weit ich weiß gibt es gesetzliche Fristen.

BFV: Keine weiteren Fragen.

Zeugin wird vorerst entlassen und nimmt im Saal für eine allfällige Befragung Platz.

Die BFV bittet darum, dass die Zeugin vor dem VH-Saal Platz nimmt. Da es ihr darum geht, dass die Zeugen einander nicht hören, wenn eine Befragung der Z1, nach der Befragung des Z2 noch angedacht ist, würde ich ersuchen, dass die Zeugin draußen Platz nimmt.

Die Z1 verbleibt im Saal, Z2 betritt diesen.

Einvernahme des GrInsp. XXXX (Z2) um 10:40 Uhr.

Daten am Deckblatt.

RI belehrt den Z2.

Z2 legt die Entbindung von der Amtsverschwiegenheit vor.

RI: Können Sie sich an den Fall aus 2017 noch erinnern?

Z: Ich kann mich an den Fall leider nicht mehr erinnern.

RI: im Anhalteprotokoll wird vermerkt, dass Sie die Festnahme um 12 Uhr ausgesprochen haben, aufgrund der Weisung der Z1. Wie muss ich mir die Weisung vorstellen?

Z. An und für sich, war es so, ich bin ja von der Materie schon 2 Jahre weg. Ich bin jetzt in der AFA Aufnahme, das ist die Abteilung für Fremdenpolizei und Anhaltevollzug. Festnahmen werden grundsätzlich durch den Polizisten vorgenommen. Die zuständigen Kollegen, in dem Fall ich, werden vorweg von den Referenten des BFA telefonisch informiert, dass eine bevorstehende Festnahme zu vollziehen sei.

RI: Es ist kein Festnahmegrund vermerkt, keine Grundlage.

Z: Ich kann mich an den konkreten Fall nicht mehr erinnern. Ich habe mir den Fall auch nicht angesehen.

RI: Das Protokoll trägt ihre Unterschrift?

Z: Ja, das it meine Unterschrift.

RI: Die sonstigen Rubriken des Anhalteprotokoll ist nicht ausgefüllt.

Z: Anhalteprotokoll II wird nach erfolgter Festnahme vom zuständigen Beamten der Aufnahme ausgefüllt. Das ist z.B. dort wo ich jetzt Dienst mache. Die Unterschrift auf diesem Anhalteprotokoll II (Anmerkung des RI: unleserlich) stammt nicht von mir.

RI: Was machen sie anlässlich von solchen Festnehmen, nach EB?

Z: Nach einer EB ist die Sache grundlegend anders.

RI: Das war nach der EB. Die EB begann um 08:45 und die Festnahme fand im Anschluss um 12 Uhr statt.

Z: Ok, dann erfolgte es auf Weisung des zuständigen Referenten, eine Festnahme. Die Kommunikation ist grundsätzlich mittels Mails.

RI. Sie schicken ein Mail an das BFA und sagen, es ist jemand zum festnehmen da?

Z: Nach der EB wird das EB-Protokoll an das BFA weitergeleitet. Nach einer gewissen Zeit, weil der zuständige Referent braucht Zeit um das zu sichten, kommt eine Retourmeldung via Mail, verschieden z.b. Einlieferung, Entlassung, bzw. Selbstgeher (Quartierzuweisung + selbstständiges Hinfahren des Asylwerbers an die zuständige Adresse)

Dem Z wird vorgehalten ein Teil der Aussage des BF, wonach der Vater anwesend gewesen sei, bereit gewesen wäre den Sohn in das Lager Traiskirchen zu bringen, dies jedoch abgelehnt wurde und stattdessen eine Festnahme erfolgte.

Z: Da geht es prinzipiell auch um gewisse Haftungen, wenn eine Person von uns festgenommen wird, wird diese nach Traiskirchen transportiert, das war seiner Zeit so. Da ging es um Haftungen der LPD Wien. Das muss man sich so vorstellen, wenn die Kollegen der KFZ Abteilung mit Personen fahren und es würde ein Unfall passieren und die Person wäre nicht festgenommen, würde es Haftungsprobleme geben. So wurde es uns erklärt.

RI: Wie ist bei Ihnen so eine Festnahme nach EB abgelaufen?

Z: Es wurde die EB gemacht, dann aufgrund der Weisung des zuständigen Rev des BFA die Festnahme ausgesprochen, die Person in die Aufnahmekanzlei des PAZ gebracht, das Anhalteprotokoll wurde geschrieben und die Kollegen der Aufnahme haben den Transport in die zuständige Erstaufnahmestelle organisiert. So ist es zu der Zeit abgelaufen, bei mir und bei den anderen auch.

RI: Der BF sagte, der D wäre nach der EB gleich gegangen. Wie spreche Sie die Festnahme aus?

Z: Ich kann mich nicht an den konkreten Fall erinnern, aber den Dolmetschern wird schon erklärt, dass er noch die Festnahme übersetzen möchte.

RI: Wie lautet der Text der Festnahme?

Z: Sie werden zum Zwecke der Vorführung zur Erstaufnahmestelle und zur Sicherung des Verfahrens vorübergehend festgenommen. So wurde es übersetzt.

RI. Einen anderen Grund sagen Sie nicht?

Z: Einen anderen Grund sagen wir nicht, wir haben nichts anderes gehabt, es ist natürlich schon lange her.

RI: Der BF sagte, dass er nach der EB Blätter bekommen habe?

Z: Informationsblätter für Festgenommene.

RI: der BF spricht nur tamilisch, gibt es so ein Blatt?

Z: Nein, haben wir nicht. Es wird vom zuständigen Dolmetsch übersetzt. In den Informationsblättern in deutscher Sprache stehen die Rechte und Pflichten des Festgenommenen, das wird von dem D übersetzt.

RI: Der BF sagte es wurde ihm gedeutet in ein Zimmer zu gehen. Wird das Zimmer abgeschlossen?

Z: Das ist ein Haftraum, das Zimmer wird zugesperrt, mit Kamera Überwachung.

(…)

BFV: Haben Sie eine persönliche Wahrnehmung wie das am 15.11.2017 ablief?

Z: Aufgrund der verstrichenen Zeit und der viel durchgeführten Einvernahmen und Festnahmen kann ich mich an den besonderen Tag nicht erinnern.

BFV: Sie sagten die Person wird zum PAZ gebracht, zur Aufnahme. Sind sie dann dort auch gewesen?

Z: Ich gehe mit der Person hinüber und übergebe ihn an, dann gehe ich wieder zurück zu weiteren Einvernahmen. Was dann dort so abläuft weiß ich vom Hören Sagen, mittlerweile aber kenne ich das Prozedere in der hiesigen Aufnahme, weil ich dort seit 2018 selbst Dienst versehe.

BFV: Das Ende der Einvernahme war um 11:15 Uhr. Die Festnahme war um 12:00 Uhr. Was war in der Zwischenzeit?

Z: in der Zwischenzeit wird die Person neben mir sitzen gelassen und es wird auf eine Entscheidung des BFA gewartet.

BFV: Können sie sich erinnern, ob die D solange gewartet hat?

Z. Die D bleibt anwesend, bis die Entscheidung des BFA kommt. Der konkrete Fall ist mir aber nicht mehr erinnerlich.

BFV: Keine weiteren Fragen.

Z2, und auch die Z1 werden vorläufig aus dem Zeugenstand entlassen um 11:12 Uhr und gebeten vor dem Saal zu warten.

Aufruf des Z3 XXXX um 11:15 Uhr, geb. 15.12.1965, leiblicher Vater.

R belehrt den Z3.

RI: Wollen Sie aussagen?

Z: Ja, ich will eine Aussage machen.

RI: Verstehen Sie den D?

Z. Ja. Ein bisschen Deutsch kann ich auch.

RI: Können Sie sich noch an den 15.11.2017 erinnern?

Z: Ja, ich kann mich erinnern.

RI: Da fand die EB Ihres Sohnes im Asylverfahren statt.

Z: Ja, richtig.

RI: Waren Sie bei der EB dabei?

Z. Ja, ich war auch dabei.

RI: War das aus Ihrer Sicht ok?

Z: Ich weiß nur die Beamten haben Fragen gestellt, da war eine Dolmetscherin, mein Sohn hat geantwortet, mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich kann nicht beurteilen ob es inhaltlich rechtmäßig war.

RI: Was passierte nach der Befragung?

Z: Dazu kann ich was sagen: Ich habe gleich nach der Befragung den Beamten gefragt, als sie mir sagten, er wird ins Lager mitgenommen, habe ich denen angeboten, ich kann ihn auch mitnehmen. Drauf haben sie geantwortet, das geht nicht, wegen der Rechtslage. Gehen sie selbst zuerst zum Lager und warten sie dort.“

RI. Sind Sie zum Lager gefahren?

Z: Ja, ich bin dorthin gegangen. Ich habe eine lange Zeit im Lager gewartet.

(…)

RI. Haben Sie die Festnahme mitbekommen?

Z: Ich habe das nicht mitbekommen. Nach der EB ist der D zuerst gegangen, dann bin ich gegangen.

RI: Der Dolmetscher war vor Ihnen weg?

Z: Wenn Sie genau fragen, kann ich mich nicht richtig erinnern. Ob er vor mir oder nach mir ging.

RI: Das ist sehr wichtig.

Z: Ich war in einer Stresssituation. Das wünsche ich mir nicht noch einmal.

RI. Nach der EB, wissen Sie nicht ob der D noch da war, oder schon gegangen war?

Z: Nein, wenn Sie mich so fragen, ich habe nachgedacht, er ist vor mir weg. Ich nehme an, er ist vor mir weggegangen.

BFV: Wenn Sie sich erinnern, die Befragung war zu Ende, wie ist es dann genau abgelaufen?

Z: Ich habe schon alles gesagt. Ich kann mich nicht dazu erinnern, ich war so unter Stress.

BFV. Sie sind zur Polizei mit einem Freund gegangen, der dann aber nicht hineingehen durfte.

Z: Ja, das ist richtig.

BFV. Haben Sie den von drinnen angerufen um beim Übersetzen zu helfen?

Z: Nein. Mir ist nicht mehr erinnerlich ob ich den Freund angerufen habe.

BFV. Keine Fragen mehr.

Z3 wird um 11:34 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen.

(…)

Festgehalten wird, dass das BFA eine Stellungnahme abgab, diese wird der BFV zum Ablichten übergeben.

BFV: Es müsste doch einen Vermerkt geben, von wann bis wann die D anwesend war, für die Abrechnung. Ich vermute, dass ein D nicht 45 Minuten wartet, sondern nach der Einvernahme geht. Und wann der BF in Traiskirchen ankam müsste eigentlich auch irgendwo vermerkt sein.

Festgehalten wird, dass noch versucht wir zu ermitteln: (…) 2) über die Abrechnung der Dolmetschkosten der EB, wann die Dolmetscherin am 15.11.2017 die Breitenfeldergasse 21 verlassen hatte.

Der BFV wird eine Stellungnahmefrist von vier Wochen eingeräumt.

(…)

Vorbehaltlich weiterer zu tätigender Ermittlungsschritte wird das Beweisverfahren geschlossen.“

Am 02.07.2020 übermittelte die für die Abrechnung von Dolmetscher-Gebührennoten zuständige Abteilung der BPD Wien, die Logistikabteilung/Referat LA 1 Nebengebühren, die Gebührennote der am 15.11.2017 hinzugezogenen Dolmetscherin für Tamil.

(…)

Den Verfahrensparteien wurden die beiden zusätzlichen Ermittlungsergebnisse – Abrechnung der Dolmetscher-Gebührennote und Aufnahmedaten in Traiskirchen – zum Parteiengehör übermittelt

Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab, die LPD Wien verzichtete ausdrücklich mit Schreiben vom 04.08.2020 auf die Abgabe einer Stellungnahme Stellungnahme, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl äußerte sich am 29.06.2020 wie folgt:

„1. Auf Basis welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Festnahme/Anhaltung der Beschwerdeführer?

Der Beschwerdeführer (Bf.) stellte am 15. November 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde in der Folge seitens der LPD Wien, AfA1.3 im PAZ Hernalser Gürtel erstbefragt. Nach erfolgter Erstbefragung wurde seitens der LPD Wien vom BFA eine Anordnung gemäß § 43 BFA-VG eingeholt. Die Anordnung lautete auf „Vorführung zum BFA Erstaufnahmestelle Ost“.

Zu diesem Zeitpunkt war der Bf. nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, weshalb er gemäß § 40 Abs 2 BFA-VG vom do. Organ der LPD Wien aus Eigenem festgenommen wurde. Fremde, die nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind und einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde stellen, sind von dieser der Erstaufnahmestelle vorzuführen. Die Vorführung dient der Sicherung des Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung (ErläutRV 1803 BlgNR 24. GP 10).

2. Auf welche Art und wann wurde der Beschwerdeführer über die Gründe seiner Festnahme/Anhaltung informiert?

Es wird anlässlich solcher Festnahmen seitens der LPD Wien das Informationsblatt für Festgenommene ausgehändigt.

(…)

4. Wann erfolgte die Erstbefragung des Beschwerdeführers anlässlich von dessen Antragstellung auf internationalen Schutz?

Aus der in den Verwaltungsakten einliegenden Erstbefragung geht hervor, dass diese am 15. November 2017 nach erfolgter Antragstellung um 08:25 Uhr von 09:32 Uhr bis 11:15 Uhr erfolgte. Angemerkt wird, dass erfahrungsgemäß seitens der LPD Wien nach erfolgter Erstbefragung häufig noch ergänzende Abklärungen erforderlich sind, so zB. Kontaktaufnahmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hinsichtlich allfälliger Erkenntnisse zu einer Mitgliedschaft zB. bei einer tamilischen Widerstandsgruppe, ergänzende SIS-Abklärungen u. dgl.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hatte sich am 15.11.2018, nachdem er aber zuvor illegal, unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist war, aus freien Stücken in die Breitenfeldergasse 21, 1080 Wien begeben, stellte dort um 08:25 Uhr einen Antrag auf internationalen Schutz (PV, Erstbefragungsprotokoll v. 15.11.2017).

In der Zeit von 09:32 bis 11:15 erfolgte durch ein Sicherheitsorgan der LPD Wien unter Beiziehung einer Dolmetscherin für Tamil die Erstbefragung (Erstbefragungsprotokoll v. 15.11.2017). Bei dieser Erstbefragung war auch der Vater des Beschwerdeführers zugegen (ZV des Vaters). Während der Erstbefragung gab es keine Vorkommnisse (ZV des Vaters, PV).

Der Beschwerdeführer hatte im Zuge der Erstbefragung angeführt, über Indien, Marokko und die „Dublin-Staaten“ Spanien und Frankreich nach Österreich eingereist zu sein; im Erstbefragungsprotokoll findet sich bereits unter der Rubrik „12. EURODAC-Treffer zu (Land, Zahl, Datum)“ die Eintragung „ES21836499167 M 07.09.2017 00:00 SPAIN 07.09.2017 01:00“. Der Beschwerdeführer wurde im Besonderen zu seinem Aufenthalt in Spanien befragt und ihm schließlich unter Punkt 12.7 die Frage gestellt: Wenn Sie in dieses Land zurückkehren müssten und Ihr Asylverfahren dort weiter geführt würde, spräche etwas dagegen?“, worauf der Beschwerdeführer folgende Antwort gab: „Nein, ich möchte hier bei meinen Eltern bleiben und mir hier ein sicheres Leben aufbauen“ (Erstbefragungsprotokoll v. 15.11.2018).

Das Erstbefragungsprotokoll wurde dem Beschwerdeführer rückübersetzt und von ihm eigenhändig unterschrieben (Erstbefragungsprotokoll v. 15.11.2018).

Im Anschluss an die Erstbefragung erhielt der Beschwerdeführer „mehrere Blätter“ (PV), nämlich das §12-Informationsblatt für Asylwerber zur Gebietsbeschränkung, das §15c-AsylG-Informationsblatt zur Wohnsitzbeschränkung, welche ihm von der Dolmetscherin übersetzt wurden (Erstbefragungsprotokoll v. 15.11.2017, Gebührennote der Dolmetscherin v. 15.11.2017, K 17089). Im Anschluss daran beendete die Dolmetscherin ihre Tätigkeit im gegenständlichen Fall um 11.45 Uhr (Gebührennote der Dolmetscherin v. 15.11.2017, K 17089).

Das Sicherheitsorgan, das die Erstbefragung durchgeführt hatte, leitete nach der Erstbefragung das Erstbefragungsprotokoll an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weiter, damit dieses eine sogenannte Prognoseentscheidung und weitere Verfügungen treffe – „z.b. Einlieferung, Entlassung, bzw. Selbstgeher (Quartierzuweisung + selbstständiges Hinfahren des Asylwerbers an die zuständige Adresse“ (ZV des befragten Sicherheitsorgans).

Der Beschwerdeführer wartete in Anwesenheit des Sicherheitsorgans bis 12:00 Uhr auf die Entscheidung des Bundesamtes (ZV des befragten Sicherheitsorgans).

Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen mit sogenannter Dublin-Relevanz – Zuständigkeit Spaniens infolge EURODAC-Treffer –; in solchen Fällen wird, wie eben auch gegenständlich, in die EAST-Ost vorgeführt. Das nach der Erstbefragung vonseiten des Vaters des Beschwerdeführers geäußerte Ansinnen, den Beschwerdeführer wieder mitzunehmen und mit ihm selbständig zum Lager Traiskirchen zu fahren, wurde abgelehnt. (ZV des befragten Sicherheitsorgans, ZV des Vaters).

Der Vater des Beschwerdeführers begab sich in der Folge alleine zum Lager und wartete dort auf seinen Sohn (ZV des Vaters).

Um 12:00 Uhr erfolgte aufgrund der per Email vonseiten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erfolgten Weisung (Anhalteprotokoll I, ZV der ehemaligen Referentin des BFA)) die Festnahme des Beschwerdeführers durch das Sicherheitsorgan, welches auch die Erstbefragung durchgeführt hatte (Anhalteprotokoll I, ZV des befragten Sicherheitsorgans).

Da die Dolmetscherin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwesend war, das Informationsblatt für Festgenommene nicht in der Sprache Tamil vorhanden war (ZV des befragten Sicherheitsorgans) und der Beschwerdeführer die deutsche Sprache nicht verstand, wusste der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Ausspruches der Festnahme nicht, dass er nun festgenommen wurde (PV).

Dem Beschwerdeführer wurde lediglich in deutscher Sprache mitgeteilt:

„Sie werden zum Zwecke der Vorführung zur Erstaufnahmestelle und zur Sicherung des Verfahrens vorübergehend festgenommen“ (ZV des befragten Sicherheitsorgans).

Das Anhalteprotokoll I, unterfertigt vom die Festnahme ausgesprochen habenden und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht befragten Sicherheitsorgan, dokumentiert die Festnahme „auf Weisung“ jener zum damaligen Zeitpunkt für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl tätigen Referentin, die gleichfalls in der Verhandlung zeugenschaftlich befragt wurde. Unter der Rubrik „Delikte/Gründe“ ist folgendes vermerkt:

„Asylantrag gemäß §17 AsylG – illegale Einreise/Aufenthalt“; unter der Rubrik „Kurzsachverhalt“ wiederum findet sich die Bemerkung „Vorführung an die EAST-Ost – Dublin Relevanz“.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer in die Aufnahmekanzlei des PAZ gebracht und von (anderen) Sicherheitsorganen der Aufnahme der Transport in die zuständige Erstaufnahmestelle organisiert (ZV des befragten Sicherheitsorgans).

Das die Festnahme ausgesprochen habende Sicherheitsorgan übergab in diesem Zusammenhang den Beschwerdeführer an seine Kollegen (ZV des befragten Sicherheitsorgans).

Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin (von einem Sicherheitsorgan), den der Beschwerdeführer nicht kannte und der in Zivil gekleidet war (PV) mit Handzeichen gedeutet, mitzukommen, dann wurde ein Zimmer – dabei handelt es sich um einen Haftraum mit Kameraüberwachung (ZV des befragten Sicherheitsorgans) – aufgesperrt und wurde dem Beschwerdeführer wiederum per Handzeichen deutlich gemacht, sich in den Haftraum zu begeben (PV). Der Haftraum wurde versperrt (ZV des befragten Sicherheitsorgans), der Beschwerdeführer hielt legte sich zum Schlafen auf eine im Haftraum befindliche Bank – hinsichtlich der weiteren Geschehnisse Erkenntnis vom selben Tag, W117 2180600-1.

Entscheidungsgrundlagen:

?        gegenständliche Aktenlage;

Würdigung der Entscheidungsgrundlage:

Die Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus den in Klammer angeführten Entscheidungsgrundlagen; im Einzelnen:

Festnahmeanordnung:

Die Festnahmeanordnung und wie es dazu überhaupt kam, sind nicht nur im Anhalteprotokoll I ersichtlich – Unter der Rubrik „Delikte/Gründe“ ist „Asylantrag gemäß §17 AsylG – illegale Einreise/Aufenthalt“, unter der Rubrik „Kurzsachverhalt“ wiederum „Vorführung an die EAST-Ost – Dublin Relevanz“ unzweifelhaft vermerkt und haben sowohl die damals zuständige Referentin der belangten Behörde und das festnehmende Sicherheitsorgan mit übereinstimmenden Aussagen aus ihrer jeweiligen Perspektive das ausgesagt, was sich zusammengefügt in Kurzfassung im Anhalteprotokoll I wieder findet:

Unzweifelhaft gab daher die Referentin nach Übermittlung des Erstbefragungsprotokolls eine Prognoseentscheidung ab und wies das Sicherheitsorgan an – wie es üblicherweise in Fällen mit Dublin-Relevanz erfolgt –, den Beschwerdeführer zum Zwecke der Vorführung an die EAST-Ost festzunehmen. Die Weisung an das Sicherheitsorgan ist gleichfalls ausdrücklich im Anhalteprotokoll dokumentiert.

Das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 29.06.2020, wonach der Beschwerdeführer „gemäß § 40 Abs 2 BFA-VG vom do. Organ der LPD Wien aus Eigenem festgenommen wurde“, findet daher nicht nur keine Deckung im Anhalteprotokoll I, sondern steht auch im Widerspruch zum sonstigen Vorbringensteil (in dieser Stellungnahme) in diesem Zusammenhang, der eindeutig das Zusammenspiel zwischen belangter Behörde und Sicherheitsorgan darlegt/zugesteht; für ein selbständiges Handeln des Sicherheitsorgans bleibt daher nicht einmal ansatzweise ein gedanklicher Spielraum:

„Der Beschwerdeführer (Bf.) stellte am 15. November 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde in der Folge seitens der LPD Wien, AfA1.3 im PAZ Hernalser Gürtel erstbefragt. Nach erfolgter Erstbefragung wurde seitens der LPD Wien vom BFA eine Anordnung gemäß § 43 BFA-VG eingeholt. Die Anordnung lautete auf „Vorführung zum BFA Erstaufnahmestelle Ost“.

Festnahme und Information über die Gründe der Festnahme:

Hier ergab sich einmal unstrittig der Zeitpunkt der Festnahme um 12:00 Uhr aus dem Anhalteprotokoll I, welches auch vom festnehmenden (und auch die Erstbefragung durchgeführt habenden) Sicherheitsorgan unterfertigt wurde; im Zusammenhalt mit der auf Nachfrage an die EAST-Ost per Email-Mitteilung bekanntgegebenen Übernahme des Beschwerdeführers in die Aufnahmestelle Traiskirchen um 20:47 Uhr ergibt sich daher eine zwangsweise Anhaltung im Ausmaß von acht Stunden und 47 Minuten – von „über mehr als neun Stunden“, wie in der Beschwerde behauptet, kann daher keine Rede sein.

Das entsprechende die Festnahme dokumentierende Anhalteprotokoll I enthält aber auch die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Festnahmegründe „Asylantrag gemäß §17 AsylG – illegale Einreise/Aufenthalt“, auch wenn das in der Verhandlung dazu befragte Sicherheitsorgan dazu angab, dass in Fällen wie dem gegenständlichen die Festnahme mit folgenden Worten erfolgt: „Sie werden zum Zwecke der Vorführung zur Erstaufnahmestelle und zur Sicherung des Verfahrens vorübergehend festgenommen“.

Die Verhandlung, hierbei die Aussage des Beschwerdeführers, im Zusammenhalt mit der Gebührennote der zur Erstbefragung hinzugezogenen Dolmetscherin ergab aber eindeutig, dass die Dolmetscherin zum Zeitpunkt des Ausspruches der Festnahme nicht mehr anwesend war – sie machte Gebühren für ihre Tätigkeit bis 11:45 Uhr geltend. Aus der Zusammenschau des Erstbefragungsprotokolls mit der Gebührennote wiederum ergibt sich, dass die Dolmetscherin die im Sachverhalt festgestellten Infoblätter (für Asylwerber) übersetzte – diese wurden dem Beschwerdeführer nach seiner eigenen Aussage auch ausgefolgt – nicht aber das Informationsblatt für Festgenommene; zufolge des Anhalteprotokolls II wurde ihm ein solches auch nicht ausgefolgt – die entsprechende Rubrik ist nicht angekreuzt.

Dass der Beschwerdeführer also weder über die Festnahme selbst noch „über die Gründe seiner Festnahme“ informiert wurde, ergibt sich aber nicht nur aus seiner diesbezüglich glaubwürdigen Aussage in der Verhandlung und aufgrund des Umstandes, dass die Dolmetscherin ihre Tätigkeit um 11:45 Uhr beendet hatte, sondern auch aus den Angaben des Sicherheitsorgans (in der Verhandlung) selbst: Zum damaligen Zeitpunkt war nämlich das Informationsblatt für Festgenommene nicht auf Tamil(isch) verfügbar.

Der Beschwerdeführer konnte daher lediglich mit seiner Verbringung in den mit Gitterstäben ausgestatteten Haftraum annehmen – mit Handzeichen wurde ihm gedeutet, sich in den Haftraum zu begeben – dass er festgenommen wurde. Formell jedoch wurde ihm gegenüber keine ihm verständliche Festnahme ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

[…]

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

[…]

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

[…]

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

Das Bundesverwaltungsgericht ist daher für die gegenständliche Angelegenheit zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache, die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 3 Abs. 2 FPG werden im Rahmen des 7., 8. und 11. Hauptstückes dieses Bundesgesetzes die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) als Behörde erster Instanz über dessen Auftrag oder aus Eigenem tätig. Gemäß § 5 Abs. 1a FPG obliegt dem Bundesamt (Z 1) die Anordnung der Abschiebung, die Feststellung der Duldung und die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten gemäß dem 7. Hauptstück, (Z 2) die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück und (Z 3) die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück. Gemäß § 6 Abs. 1a FPG ist das Bundesamt Behörde im Inland nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück mit bundesweiter Zuständigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (§§ 34 - 47 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z 3).

Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

(…)

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

(…)

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes

„ist hinsichtlich der Angelegenheiten unter anderem des 1. Hauptstücks des 2. Teils des BFA-VG die Zuständigkeit des BFA - einer Bundesbehörde - zur Vollziehung vorgesehen (vgl. insbesondere § 3 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-VG). Diese Angelegenheiten werden demnach in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Bei der Durchführung einzelner vom BFA angeordneter bzw. diesem zuzurechnender Maßnahmen - wie etwa Anhaltungen nach § 40 BFA-VG - durch die Landespolizeidirektionen (vgl. § 5 BFA-VG) handelt es sich um eine Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung. Die Landespolizeidirektionen - bei denen es sich um Bundesbehörden im organisatorischen Sinn handelt - werden bei der Vollziehung von Angelegenheiten unter anderem des 1. Hauptstücks des 2. Teiles des BFA-VG nach dem Willen des Gesetzgebers nicht im Rahmen der Sicherheitsverwaltung tätig.

Jenes Sicherheitsorgan, welches am 15.11.2017 die Erstbefragung durchführte und im Anschluss daran aufgrund der (auch im Anhalteprotokoll I dokumentierten) Weisung seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Festnahme um 12:00 Uhr vornahm, handelte daher nicht im Rahmen der Sicherheitsverwaltung, sondern für das Bundesamt in Vollziehung unmittelbarer Bundesverwaltung.


Hinsichtlich der Festnahme also ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die belangte Behörde; das Bundesverwaltungsgericht daher zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2) oder wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde die Bezeichnung der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Z 1), die Bezeichnung der belangten Behörde (Z 2) bzw. des Organs, das die Maßnahme gesetzt hat (§ 9 Abs. 4 VwGVG), die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z 3), das Begehren (Z 4) sowie die Angaben, die erforderlich sind um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde (Z 5), zu enthalten. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen (§ 7 Abs. 4 VwGVG) und beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung (§ 4 Abs. 4 Z 3 VwGVG).

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

In formeller Hinsicht ist hinsichtlich der am 15.11.2017 nach der Erstbefragung vonseiten der belangten Behörde ergangenen Festnahmeanordnung und der daraufhin um 12:00 Uhr erfolgten Festnahme und der darauf basierenden Anhaltung bis 20.47 Uhr desselben Tages § 22a Abs. 1 Z 1. und 2. BFA-VG maßgeblich; dieser lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde [...]

Zu Spruchpunkt I.: (Festnahmeanordnung):

In materieller Hinsicht wiederum ist die Festnahmeanordnung auf der Ebene der Verfassung an Art 5 Abs 1 lit f) EMRK, mit dieser Norm korrespondierend Art 1 Abs. 2 und 3 sowie Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG, zu messen; auf einfachgesetzlicher Ebene ist § 40 Abs. 2 BFA-VG für die Festnahmeanordnung präjudiziell:

Art 5 EMRK:

(1) (…) Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

(…)

f) (…) oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 1 PersFrBVG

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Art 2 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

(…)

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 40 Abs. 2 BFA-VG:

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

(…)

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Da der gegenständliche Fall aufgrund des Ergebnisses der am 15.11.2017 durchgeführten Erstbefragung offensichtlich Dublin-Relevanz – Zuständigkeit Spaniens – aufwies, der Beschwerdeführer also im Sinne des Art 5 Abs. 1 lit f) von „einem Auslieferungsverfahren betroffen war“ bzw. diese im Sinne des Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG erfolgte, „um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern“, er zu diesem Zeitpunkt illegal im Bundesgebiet aufhältig war, erfolgte die Festanahmeanordnung offensichtlich den angeführten verfassungsrechtlichen Vorgaben und einfachgesetzlichen Normen entsprechend.

Dass diese Festnahmeanordnung im Sinne des Art 1 Abs. 3 2. Halbsatz PersFrBVG selbst „zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht“, weil sich der Beschwerdeführer aus eigenen freien Stücken zur Polizei begeben hatte und dort einen Asylantrag stellte sowie vonseiten des Vaters angeboten wurde, den Beschwerdeführer selbst ins EAST-Ost-Aufnahmezentrum zu bringen, lässt sich eben gerade am Maßstab des § 40 Abs. 2 Z 5 BFA_VG nicht festmachen:

Da die Verwaltungsbehörde nach der Erstbefragung davon ausgehen durfte, dass auch dem Beschwerdeführer, dem das Erstbefragungsprotokoll überdies rückübersetzt wurde, klar sein würde, dass sein Asylantrag wegen der wahrscheinlichen Zuständigkeit Spaniens negativ beschieden sein würde und ihm die alsbaldige Überstellung nach Spanien drohte, musste sie natürlich damit rechnen, dass sich der schon unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal eingereiste Beschwerdeführer weiteren Maßnahmen entziehen würde, noch dazu, da er konfrontiert mit der Dublin-Relevanz, seine negative Einstellung zur Verbringung nach Spanien (in der Erstbefragung) zum Ausdruck brachte:

Wenn Sie in dieses Land zurückkehren müssten und Ihr Asylverfahren dort weiter geführt würde, spräche etwas dagegen?“

„Nein, ich möchte hier bei meinen Eltern bleiben und mir hier ein sicheres Leben aufbauen.“

In diesem Sinne stößt die Festnahmeanordnung selbst unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit auf keinerlei Bedenken und war daher dieser Beschwerdeteil zu verwerfen.

Zu Spruchpunkt II. (Festnahme)

In materieller Hinsicht ist die gegenständliche Festnahme selbst auf der Ebene der Verfassung im Lichte des Art 5 Abs. 2 EMRK, mit dieser Norm korrespondierend Art 4 Abs. 6 PersFrBVG und auf einfachgesetzlicher Ebene im Hinblick auf § 41 Abs. 1 BFA-VG zu prüfen:

Art 5 Abs 2 EMRK:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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