TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/8 L521 2168332-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2021
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Entscheidungsdatum

08.03.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L521 2168329-1/59Z
L521 2168319-1/35Z
L521 2168330-1/16Z
L521 2168327-1/16Z

L521 2168332-1/15Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerden XXXX , alle Staatsangehörigkeit Irak, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2017, Zlen. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.05.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind aktuell noch zivilrechtlich verheiratet, leben jedoch getrennt und befinden sich bereits in Beziehungen mit neuen Partnern. Der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer sind die leiblichen - minderjährigen - Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, wobei der Fünftbeschwerdeführer bereits im Bundesgebiet geboren wurde. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, stammen aus gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familien und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

2.1. Der Erstbeschwerdeführer stellte für sich und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin ihrer mitgereisten Kinder, nämlich des Drittbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers, am 21.06.2016, im Gefolge ihrer schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Anhaltezentrums Vordernberg am 22.06.2016 legte der Erstbeschwerdeführer dar, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger des Irak, Vater von zwei minderjährigen Söhnen und mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet zu sein. Er sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekenne sich zum sunnitischen Islam. Er sei XXXX in Kirkuk geboren und habe dort zuletzt gelebt. Er habe von 1993 bis 1998 die Grundschule besucht und sei zuletzt bis 20.01.2014 als Friseur tätig gewesen. Seine Eltern und drei Schwestern seien im Irak aufhältig.

Im Hinblick auf den Reiseweg brachte der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 21.05.2014 illegal von Erbil ausgehend schlepperunterstützt auf dem Landweg zu Fuß in die Türkei verlassen zu haben. Nach einem Aufenthalt in der Türkei bis 19.06.2016 sei er in der Folge schlepperunterstützt auf dem Landweg mit einem Lastkraftwagen nach einer dreitägigen Reise nach Österreich gelangt.

Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, im Zentrum von Kirkuk einen Friseursalon besessen zu haben. Zu seinem Kundenkreis hätten auch Offiziere und hochrangige Militärangehörige gezählt. Ende 2013 habe er immer wieder schriftliche Drohungen von Terroristen erhalten. Es sei ihm verboten worden, Militärangehörige in seinem Kundenstock zu führen. Da dies aber seine Hauptkunden gewesen seien, habe er auf die Drohungen nicht reagiert. Am 20.01.2014 um 09:15 Uhr hätte er gerade einem Offizier den Bart rasiert, als eine Person mit einem Koffer in der Hand das Geschäft betreten habe. Diese habe gesagt, dass sie sich schnell das Gesicht waschen wolle. Anschließend habe die Person den Salon schnell wieder verlassen, wobei der Koffer zurückgeblieben sei. Nur kurze Zeit später sei eine Bombe in seinem Geschäft explodiert und er verletzt worden. Seither befänden sich in seinem Körper mehrere Splitter. Auch der Offizier sei schwer verletzt worden. Dieser habe auch ein Auge bei dem Anschlag verloren. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe er neuerlich einen Drohbrief erhalten. Darin sei formuliert gewesen „Wir wollten dich töten, Dies ist uns jetzt nicht gelungen, Wir werden dies aber noch tun“. Sein Salon sei komplett zerstört worden. Am nächsten Tag sei er mit seiner Frau und seinem Kind nach Erbil gefahren. Bei einer Rückkehr habe er Angst von den Terroristen getötet zu werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin legte im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am 22.06.2016 dar, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehörige des Irak, Mutter von zwei minderjährigen Söhnen und mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet zu sein. Sie sei Angehörige der arabischen Volksgruppe und bekenne sich zum sunnitischen Islam. Sie sei am XXXX in Kirkuk geboren und habe dort zuletzt gelebt. Sie habe von 1996 bis 2002 die Grund- und von 2002 bis 2004 die Hauptschule in Kirkuk besucht. Ihre Mutter sei bereits verstorben. Ihr Vater und zwei Schwestern seien im Irak aufhältig.

Im Hinblick auf den Reiseweg brachte die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst vor, den Irak am 21.05.2014 illegal von Erbil ausgehend schlepperunterstützt auf dem Landweg zu Fuß in die Türkei verlassen zu haben. Nach einem Aufenthalt in der Türkei bis 19.06.2016 sei sie in der Folge schlepperunterstützt auf dem Landweg mit einem Lastkraftwagen nach einer dreitägigen Reise nach Österreich gelangt.

Zu den Gründen der Ausreise befragt führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sich ihr Ehegatte nach dem Erhalt von Drohbriefen und der Bombenexplosion in dessen Friseursalon, um ihr Leben gefürchtet habe und den Irak deshalb verlassen habe wollen. Sie hätten sich gemeinsam zur Flucht entschlossen, da sie dieselben Ängste gehabt habe. Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass sie Opfer eines Terroranschlages werden könnten.

2.2. Mit E-Mail vom 01.07.2016 langten beim belangten Bundesamt die irakischen Personalausweise des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers in Kopie ein.

2.3. Der Fünftbeschwerdeführer wurden am XXXX in Österreich nachgeboren und stellte die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Fünftbeschwerdeführers am 10.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

2.4. Mit Telefax vom 05.01.2017 übermittelte der Erstbeschwerdeführer eine Bestätigung hinsichtlich der Verrichtung einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

2.5. Nach Zulassung der Verfahren wurde der Erstbeschwerdeführer am 18.07.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in der Sprache Arabisch niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Eingangs bestätigte der Erstbeschwerdeführer, der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können und den Dolmetscher gut zu verstehen.

Zur Person und den Lebensumständen befragt legte der Erstbeschwerdeführer insbesondere dar, den Namen XXXX zu führen, wobei in seinem Reisedokument etwas anderes stünde. Er sei XXXX in Kirkuk geboren und habe dort gegenüber der rechtswissenschaftlichen Fakultät gelebt, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und des sunnitischen Glaubens, verheiratet sowie Vater. Seinen Lebensunterhalt habe er durch das Betreiben eines Friseurgeschäftes bestritten. Seine Eltern und eine Schwester befänden sich in Kirkuk. Eine Schwester sei in Mossul und eine Schwester in Erbil aufhältig.

Was den Grund für das Verlassen des Heimatstaates betrifft, legte der Erstbeschwerdeführer dar, dass sein Geschäft am 20.01.2014 in die Luft gesprengt worden sei. Nach der Explosion sei er drei Tage im Spital gewesen. Nach drei Tagen zu Hause sei er am 26.01.2014 von Kirkuk nach Erbil geflüchtet, um sich dort behandeln zu lassen, da die medizinische Betreuung in Kirkuk nicht gut gewesen sei. Er sei in Erbil etwa fünf Monate im Spital gewesen. In diesen Tagen hätten „sie“ ständig seinen Vater angerufen und diesem mit der Ermordung seines Sohnes - des Erstbeschwerdeführers - gedroht. Nachts seien maschinell verfasste Drohbriefe unter der Türe durchgeschoben worden. In Erbil sei er auch von Asayî? - den kurdischen Sicherheitskräften - unter Druck gesetzt worden, zumal sie Angehörige der arabischen Volksgruppe seien und sich dort ohne Aufenthaltsgenehmigung eigentlich nicht aufhalten dürften. Seine Schwester und sein Schwager hätten die dortigen Behörden angefleht, damit er dort für die Dauer der Behandlung bleiben könne.

Weitere Angaben zum behaupteten Ausreisegrund machte der Erstbeschwerdeführer nach entsprechenden Fragen durch die Leiterin der Amtshandlung.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls am 18.07.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in der Sprache Arabisch niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Eingangs bestätigte die Zweitbeschwerdeführerin, der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können und den Dolmetscher gut zu verstehen.

Zur Person und den Lebensumständen befragt legte die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere dar, den Namen XXXX zu führen. Sie sei XXXX in Kirkuk geboren und sei am 24.01.2014 nach Erbil verzogen, stamme aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie, sei Angehörige der arabischen Volksgruppe und des sunnitischen Glaubens, mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet sowie Mutter dreier Kinder. Ihr Lebensunterhalt sei durch die Tätigkeit ihres Ehegatten als Friseur erwirtschaftet worden. Ihre Mutter sei bereits verstorben. Ihre gesamte Familie befinde sich noch im Irak. Ein Teil wohne in Kirkuk und ein Teil, etwa ihre Tanten väterlicherseits, in Falludscha. Zwei Onkel väterlicherseits würden in Erbil leben.

Was den Grund für das Verlassen des Heimatstaates betrifft, legte die Zweitbeschwerdeführerin dar, wegen ihres Ehegatten und ihres zum damaligen Zeitpunkt noch nicht geboren Kindes - des Viertbeschwerdeführers - ausgereist zu sein. Sie habe in der Türkei ein zweites und in Österreich ein drittes Kind bekommen.

In der Folge wurde die Zweitbeschwerdeführerin aufgefordert zu schildern, wie es dazu gekommen sei, dass sie Kirkuk verlassen habe müssen. Die Zweitbeschwerdeführerin legte dar, dass ihr Ehemann nach der Explosion oft bedroht worden sei. Dieser habe Blutungen an der Brust und im Schulterbereich gehabt. Die Behandlung habe zwei bis drei Monate gedauert. In Erbil seien dessen Schmerzen und Blutungen dann weniger geworden. Daraufhin seien sie in die Türkei gereist.

Weitere Angaben zum behaupteten Ausreisegrund des Erstbeschwerdeführers machte die Zweitbeschwerdeführerin nach entsprechenden Fragen durch die Leiterin der Amtshandlung.

Schließlich wurde dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin jeweils angeboten, ihnen die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak zur Abgabe einer Stellungnahme auszuhändigen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin verzichteten auf diese Möglichkeit.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Erstbeschwerdeführer österreichische Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand in Vorlage. Zudem legten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Zuge des Verfahrens weitere Bestätigungen hinsichtlich der Verrichtung ehrenamtlicher Tätigkeiten und des Kindesgartenbesuches den Dritt- und den Viertbeschwerdeführer betreffend vor.

2.6. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2017, Zlen. XXXX , wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers, des Viertbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak jeweils gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkte III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die vorgebrachte Bedrohung und Verfolgung in Zusammenhang mit der vom Erstbeschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit als Friseur werde als nicht glaubhaft erachtet. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Dritt-, der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer hätten keine eigenen Ausreisegründe vorgebracht, sondern sich auf das Ausreisevorbringen des Erstbeschwerdeführers bezogen, welches sich im Übrigen - selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung - als nicht asylrelevant erwiesen habe.

Eine Rückkehr in den Irak sei den Beschwerdeführern möglich und zumutbar, da der Erstbeschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sei und er im Fall einer Rückkehr in den Irak, etwa nach Kirkuk, den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen könne. Zudem könne auch die Zweitbeschwerdeführerin als gesunde und arbeitsfähige Frau einen Beitrag zum Familieneinkommen leisten. Schließlich bestünden familiäre Anknüpfungspunkte aufgrund der im Irak lebenden Verwandten der Beschwerdeführer.

2.7. Mit Verfahrensanordnung vom 04.08.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

2.8. Gegen die dem Erstbeschwerdeführer am 09.08.2017 durch Hinterlegung und der Zweitbeschwerdeführerin eigenhändig sowie dem minderjährigen Drittbeschwerdeführer, dem minderjährigen Viertbeschwerdeführer und dem minderjährigen Fünftbeschwerdeführer im Wege ihrer Mutter als gesetzliche Vertreterin am 07.08.2017 eigenhändig zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2017, Zlen. XXXX , richtet sich die im Wege der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, falls nicht alle zu Lasten der Beschwerdeführer gehenden Rechtswidrigkeiten in den angefochtenen Bescheiden in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufzugreifen beziehungsweise allenfalls den Beschwerdeführern einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können, den jeweils angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben und den Beschwerdeführern den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, hilfsweise den jeweils angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben und den Beschwerdeführern den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, hilfsweise den jeweils angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben und auf Dauer unzulässig erklärt und den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8 EMRK erteilt werden und hilfsweise den jeweils angefochtenen Bescheid aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass den Beschwerdeführern ein „Aufenthaltstitel besonderer Schutz“ erteilt werde. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringen die Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus ihrer Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, zumal die herangezogenen länderkundlichen Berichte veraltet, unvollständig und zum Teil unrichtig wären. Die belangte Behörde habe es zur Gänze unterlassen, sich mit dem seitens des Erstbeschwerdeführers geschilderten ausreisekausalen Vorbringen auseinanderzusetzen. Ferner habe es die belangte Behörde unterlassen, ausreichende Feststellungen zur Situation von Kindern im Irak zu treffen, zumal die Feststellung zur Situation von Kindern im Irak auf lediglich zwei zum Datum der Bescheide beinahe eineinhalb Jahren alten Quellen beruhen würde. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen bezüglich der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen und Hüftgelenkskonfigurationen Typ I b bds. im Irak zu treffen und darauf hinzuwirken, dass die Beschwerdeführer über die Situation von Menschen, die Dienstleistungen an Sicherheitskräften erbringen, aussagen würden. Schließlich habe es die belangte Behörde vermissen lassen, entsprechende Länderfeststellungen einzuholen.

Die belangte Behörde habe ihre Ermittlungspflicht auch dadurch verletzt, dass sie den vom Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme als Beweismittel angebotenen - ihm in Österreich entfernten - Granatsplitter nicht als Beweismittel aufgenommen habe. Durch dessen Untersuchung hätte festgestellt werden können, dass dieser einer im Irak in Verwendung stehenden Granate entstamme. Daher wird die Einholung eines Gutachtens über die Verwendung dieses Granatentyps zum Beweis dafür beantragt, dass es sich hiebei um eine im Irak genutzte Granatenbauart handle und der Erstbeschwerdeführer nicht bei einem von der belangten Behörde nicht genauer genannten Anschlag irgendwo in der Türkei oder in Europa verletzt worden sei und das Fluchtvorbringen daher glaubhaft und die Beschwerdeführer glaubwürdig seien. Darüber hinaus habe es die belangte Behörde unterlassen, den Krankenakt herbeizuschaffen, um festzustellen, dass der geschilderte Krankheits- bzw. Heilungsverlauf glaubhaft sei. Sie habe ihre Ermittlungspflicht dadurch verletzt, die bei der Entkleidung des Oberkörpers gut sichtbaren Narben und den Oberkörper des Erstbeschwerdeführers fachärztlich begutachten zu lassen und dadurch festzustellen, dass ihm die Verletzungen tatsächlich auf die beschriebene Art und Weise zugefügt worden seien und der beschriebene Heilungsverlauf durchwegs glaubhaft sei. Daher wird die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens über die Verletzungen des Erstbeschwerdeführers zum Beweis dafür beantragt, dass ihm die Verletzungen tatsächlich auf die beschriebene Art und Weise zugefügt worden seien und der beschriebene Heilungsverlauf glaubhaft und damit das Fluchtvorbringen glaubhaft und die Beschwerdeführer glaubwürdig seien. Außerdem hätte die belangte Behörde durch Studie des Krankenaktes die andauernde Kopfschmerzproblematik des Erstbeschwerdeführers erkannt und weitere Ermittlungen bezüglich des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung vorgenommen. Sie hätte erkennen müssen, dass der Erstbeschwerdeführer weiterer Behandlung in Österreich bedürfe. Daher wird die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens über die Art und Ursache der Kopfschmerzen des Erstbeschwerdeführers und die Behandlungsmöglichkeiten derselben im Irak zum Beweis dafür beantragt, dass der Erstbeschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer anderen ernst zu nehmenden mit Kopfschmerzen einhergehenden Erkrankung leide und weiterer Behandlung in Österreich bedürfe und daher eine Abschiebung in den Irak rechtlich nicht gedeckt sei. Zusätzlich wird die Einholung eines Gutachtens über die Behandlung von Thoraxverletzungen mittels Thoraxdrainagen, deren internationale Verbreitung und mögliche Überlebenschancen des Erstbeschwerdeführers mit den gutachterlich festzustellenden Verletzungen nach drei Tagen Krankenhausaufenthalt, mehrstündigen Aufenthalt zu Hause und mehrstündiger Flucht bei einer derartigen Behandlung zum Beweis dafür beantragt, dass dessen Schilderungen glaubhaft seien und er nicht, wie von der belangten Behörde behauptet, bei Zutreffen seiner Schilderungen verstorben sein müsste. Schließlich habe die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht durch nur lapidares Fragen der Zweitbeschwerdeführerin, ob ihre Kinder gesund wären, verletzt. Sie hätte erkennen können, dass der Fünftbeschwerdeführer zwar „gesund“ sei, jedoch an einer Hüftgelenkskonfigurationen Typ I b bds. leide, welche ohne entsprechende Behandlung zu schweren Dauerfolgen führe, und erkennen müssen, dass der Fünftbeschwerdeführer weiterer Behandlung in Österreich bedürfe. Daher wird die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens bezüglich der Hüftprobleme des Fünftbeschwerdeführers zum Beweis dafür beantragt, dass dieser einer weiteren Behandlung in Österreich bedürfe und daher eine Abschiebung in den Irak nicht zulässig sei.

Darüber hinaus sei der Grundsatz des Parteiengehöres gemäß § 45 Abs. 3 AVG verletzt worden. Die Beschwerdeführer hätten keine ausreichende Zeit und Gelegenheit gehabt, auf die Feststellungen zu ihrem Heimatland, die ihnen im Zuge des Verfahrens „vorgehalten“ worden seien, zu antworten bzw. zu reagieren, da die belangte Behörde ihre Manuduktionspflicht verletzt habe.

Ferner erweise sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als mangelhaft, wobei den beweiswürdigenden Argumenten der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden im Detail entgegengetreten wird. Mit der gegenständlichen Beweiswürdigung habe die belangte Behörde ihre Begründungspflicht gemäß § 60 AVG verletzt. Insbesondere wird ausgeführt, dass die in der Niederschrift ersichtlichen Aussagen des Erstbeschwerdeführers zu seinem dreitägigen Aufenthalt zu Hause nach dem Verlassen des Krankenhauses auf ein Missverständnis oder einen Übersetzungsfehler zurückzuführen seien. Insoweit die belangte Behörde die vermeintliche Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführer auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen vor der belangten Behörde stütze so werde auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach Asylwerber im Zuge der Erstbefragung nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden dürfen.

In der Folge wird festgehalten, dass die Beschwerdeführer politisch im gesamten Irak verfolgt seien und werden Ausführungen zur mangelnden Schutzfähigkeit des irakischen Staates getroffen und darauf hingewiesen, dass für die Beschwerdeführer auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde.

Was Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide betrifft, wird ausgeführt, dass aus den Länderberichten und den Aussagen der Beschwerdeführer hervorgehe, dass den Beschwerdeführern aufgrund ihrer Angehörigkeit zu besonders volatilen Gruppen und von Krankheiten unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung durch inadäquate medizinische Versorgung drohe. Im Falle einer Verweigerung sowohl der Zusammenarbeit als auch der Nicht-Zusammenarbeit mit Sicherheitskräften drohe ihnen auch eine Verletzung ihres Rechtes auf Leben, genauso wie durch die Unmöglichkeit der Ausübung eines Berufes in vielen Regionen aufgrund der dortigen Kriegssituation und damit einhergehend schlechten Arbeitsmarktsituation, die dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin jegliche Möglichkeit nehmen würden, ihre Familie zu versorgen.

Letztlich sei das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde mangelhaft gewesen, da der im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht erhoben worden sei. Die Beschwerdeführer würden ein Privat- und Familienleben mit ihren Nachbarn und Freunden in Österreich führen. Die beiden erwachsenen Beschwerdeführer hätten sich trotz ihrer Verantwortung für drei Kleinkinder und der belangten Behörde bekannten Schwierigkeiten bei der Suche nach Unterstützung beim Spracherwerb bereits Deutschkenntnisse angeeignet. Die Bindung an die Familie im Irak sei als gering zu bewerten. Sie seien seit mindestens einem Jahr in Österreich, der Fünftbeschwerdeführer sei in Österreich geboren. Die Beschwerdeführer hätten sich in Österreich durchwegs der Verfassung entsprechend und gesetzestreu verhalten.

Der Beschwerde sind die seitens des Erstbeschwerdeführers bereits in Vorlage gebrachten österreichischen Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand und eine Überweisung an einen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde betreffend den Fünftbeschwerdeführer angeschlossen.

2.9. Die Beschwerdevorlage langte am 22.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

3. Mit an die belangte Behörde gerichteter Eingabe vom 14.02.2018 beantragten die Beschwerdeführer unter Vorlage von Ablichtungen der irakischen Reisepässe des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers, einer türkischen Geburtsurkunde des Viertbeschwerdeführers und irakischer Personalausweise des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers eine Korrektur ihrer Namen auf den Aufenthaltsberechtigungskarten (weiße Karten).

4. Mit Eingaben vom 14.02.2018 und 26.02.2018 brachten die Beschwerdeführer Unterlagen zur Bescheinigung ihrer Integration in Österreich in Vorlage.

5. Am 18.06.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht im Wege der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation ein als „Beschwerdeergänzung“ bezeichnetes Schreiben ein. Demnach sei der Vater des Erstbeschwerdeführers seit der Flucht der Beschwerdeführer von den Widersachern des Erstbeschwerdeführers regelmäßig bedroht worden. Der Erstbeschwerdeführer habe von seinem Schwager erfahren, dass eine Person vor dem Haus seines Vaters ausgestiegen sei und diesen mit mehreren Schüssen ermordet habe. Zum Beweis für die Ermordung des Vaters in Zusammenhang mit der Verfolgung der Beschwerdeführer wurde die irakische Sterbeurkunde betreffend den Vater und ein ärztlicher Entlassungsbrief einer österreichischen Krankenanstalt vom 06.12.2017 vorgelegt und beantragt, die irakische Sterbeurkunde zu übersetzen und analysieren zu lassen. Zudem wurden erneut die bereits mehrfach vorgelegten medizinischen Unterlagen österreichischer Krankenanstalten zum Beweis für die Verletzungen, durch welche die Verfolger den Erstbeschwerdeführer töten wollten, vorgelegt.

6. Mit Note vom 13.09.2018 veranlasste das Bundesverwaltungsgericht zunächst, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - entsprechend § 55 Abs. 1 AVG - eine kriminaltechnische Untersuchung der von den Beschwerdeführern vorgelegten vier irakischen Personalausweise, welche bereits im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegt wurden, in die Wege zu leiten hat.

Die Landespolizeidirektion Niederösterreich stellte dazu in seinem Untersuchungsbericht vom 08.01.2019 fest, dass die Dokumente nach dem derzeitigen Erkenntnisstand authentisch seien. Es hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung ergeben.

7. Die vorgelegte irakische Sterbeurkunde wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes einer Übersetzung zugeführt.

8. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.11.2019 wurden der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak, der Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Targeting of Individuals, das Kapitel zur Lage in Kurdistan Region of Iraq und Kirkuk des Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Security Situation, das Kapitel zur Lage in Erbil und Kirkuk des Country of Origin Information Report von EASO vom Februar 2019 betreffend Iraq Body Count – civilian deaths 2012, 2017-2018, der Country of Origin Information Report von EASO vom Februar 2019 zum Irak betreffend „Zentrale sozioökonomische Indikatoren“, der Country of Origin Information Report von EASO vom Februar 2019 zum Irak betreffend „Interne Mobilität“, die Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 29.03.2018 zur Menschenrechtslage, zur wirtschaftlichen Lage und zur Sicherheitslage in der Autonomen Region Kurdistan sowie zur Lage von RückkehrerInnen aus dem Ausland in der Autonomen Region Kurdistan: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für RückkehrerInnen aus Europa, die Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 21.02.2019 betreffend Menschenrechtslage, wirtschaftliche Lage und Sicherheitslage in der Autonomen Region Kurdistan, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.09.2019 hinsichtlich des Bedarfes eines Bürgen bei Zuzug nach Erbil, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.03.2019 betreffend Situation von Kindern in der Autonomen Region Kurdistan, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 27.08.2019 zur Situation von Kindern in Kirkuk und der Bericht von ACCORD zum Schulsystem im Irak vom Mai 2017, zur Vorbereitung der anzuberaumenden mündlichen Verhandlung übermittelt und die Möglichkeit einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von acht Wochen freigestellt.

Im Rahmen ihrer Mitwirkungsverpflichtung wurden die Beschwerdeführer außerdem aufgefordert, einen Fragenkatalog, insbesondere zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand und den im Bundesgebiet gesetzten Aktivitäten, vorab schriftlich zu beantworten und die Behauptungen – soweit als möglich – zur Glaubhaftmachung durch Bescheinigungsmittel zu untermauern.

Schließlich wurden die Beschwerdeführer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung aufgefordert, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zustellung dieser Erledigung allfällige Beweisanträge zu stellen und insbesondere bekanntzugeben, ob zur mündlichen Verhandlung Zeugen geladen werden sollen.

Eine diesbezügliche Stellungnahme der Beschwerdeführer unterblieb.

9. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 27.11.2019 wurde über den Erstbeschwerdeführer nach § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 FSG rechtskräftig eine Geldstrafe von Euro 365,00, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen, verhängt, da er auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei.

10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019 wurde Dr. XXXX , allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Fachgebiet Gerichtsmedizin, zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens zu den Verletzungen des Beschwerdeführers beauftragt.

11. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmünd vom 30.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 und 3 WaffG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AVG der Besitz von Waffen und Munition mit sofortiger Wirkung verboten.

12. Gegen den Erstbeschwerdeführer wurde mit Entscheidung des Bezirksgerichtes XXXX vom 24.12.2019 - insbesondere auf Antrag der anderen beschwerdeführenden Parteien - eine für zwölf Monate gültige Einstweilige Verfügung nach § 382e EO erlassen.

13. Am 04.03.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Übersetzung eines irakischen Heiratsvertrages betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vom 19.09.2011 ein.

14. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2020 wurden der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation einerseits aktuelle länderkundliche Dokumente zur allgemeinen Lage im Irak, insbesondere das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation der belangten Behörde zum Irak vom 17.03.2020, die aktuellen länderkundlichen Informationen zur Lage in der Republik Irak vom 27.04.2020, der Informationsbericht über das Herkunftsland von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend gezielte Gewalt gegen Individuen, der Informationsbericht über das Herkunftsland von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Sicherheitslage, die Herkunftsländerinformationen von EASO vom Februar 2019 betreffend Sicherheitslage (Ergänzung) Iraq Body Count – Zivile Todesfälle 2012, 2017-2018, die Kurzübersichten über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project für das 1. Halbjahr 2019 und das 3. Quartal 2019, der Informationsbericht über das Herkunftsland von EASO vom Februar 2019 zum Irak betreffend „Zentrale sozioökonomische Indikatoren“, die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 19.09.2019 zur Lage von Kurden in Kirkuk und zur Lage in der Autonomen Region Kurdistan, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 02.04.2020 betreffend Sicherheits- und Menschenrechtslage in Kirkuk und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 27.08.2019 zur Situation von Kindern in Kirkuk, und andererseits das medizinische Gutachten vom 15.04.2020 zur Wahrung des Parteiengehöres übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu bis zum Verhandlungstermin am 13.05.2020 schriftlich oder in der Verhandlung mündlich Stellung zu nehmen.

Eine diesbezügliche - schriftliche - Stellungnahme der Beschwerdeführer unterblieb.

15. Am 13.05.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, eines für den Erstbeschwerdeführer agierenden Vertreters der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation und einer für die Zweitbeschwerdeführerin und die drei minderjährigen Beschwerdeführer agierenden Vertreterin der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation sowie eines Dolmetschers für die Sprachen Sorani und Arabisch durchgeführt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der mündlichen Verhandlung entschuldigt ferngeblieben. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation umfassend darzulegen. Des Weiteren wurde die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand aktueller länderkundlicher Berichte erörtert, welche der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation bereits zuvor mit Schreiben vom 05.11.2019 und 28.04.2020 zur Stellungnahme übermittelt wurden. Zudem folgte der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation nach vorangegangener Erörterung die aktuellen länderkundlichen Informationen zur Lage in der Republik Irak vom 15.05.2020 aus und stellte hiezu eine Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen frei. Darüber hinaus wurden die Untersuchungsberichte betreffend die kriminaltechnische Untersuchung der Ausweise und Dokumente der Beschwerdeführer und das Gutachten des Dr. XXXX vom 15.04.2020 verlesen bzw. erörtert.

Die für die Zweitbeschwerdeführerin und die drei minderjährigen Beschwerdeführer agierende Vertreterin der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation beantragte die Trennung der Verfahren des Erstbeschwerdeführers und der anderen Beschwerdeführer, die Vertagung der Verhandlung der Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Beschwerdeführer bis zur Klärung der im Strafverfahren gegenständlichen Vorfälle, die Verhandlung zum Schutz der Zweitbeschwerdeführerin jedenfalls getrennt abzuschließen, um eine gemeinsame Abreise und ein Zusammentreffen außerhalb des Gerichtes zu vermeiden und die Akten des Gewaltschutzzentrums XXXX und der Jugendhilfe XXXX betreffend die Zweitbeschwerdeführerin und die drei minderjährigen Beschwerdeführer beizuschaffen und zum Akt zu nehmen. Der für den Erstbeschwerdeführer agierende Vertreter der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation beantragte die Einvernahme der Lebensgefährtin des Erstbeschwerdeführers als Zeugin zum Privat- und Familienleben im Bundesgebiet.

Insoweit es sich um ein Familienverfahren handelt, war eine vollständige Trennung der Verfahren nicht möglich ist, zumal auch das rechtliche Gehör allseits gewahrt werden musste. Auf eine Einvernahme der Lebensgefährtin konnte verzichtet werden, da die Angaben des Erstbeschwerdeführers zur Lebensgemeinschaft und zur Intensität der Beziehung nicht angezweifelt wurden. Bezüglich der Anträge auf Aktenbeischaffung wurde festgehalten, dass diesen noch entsprochen werden wird.

Des Weiteren erhielt der Erstbeschwerdeführer nochmals eine zweiwöchige Frist zur Vorlage allfälliger - noch nicht vorgelegter - Dokumente.

Die für die Zweitbeschwerdeführerin und die drei minderjährigen Beschwerdeführer agierende Vertreterin der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation brachte Unterlagen in Zusammenhang mit dem Erstbeschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten, die Einstweilige Verfügung vom 24.12.2019 und eine Schulnachricht betreffend den Drittbeschwerdeführer in Vorlage. Der für den Erstbeschwerdeführer agierende Vertreter der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation brachte ebenfalls mehrere Integrationsunterlagen und eine irakische Heiratsurkunde in Kopie in Vorlage.

16. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2020 wurde das Bezirksgericht XXXX zwecks Akteneinsicht um Übermittlung der Gerichtsakte, Zahlen XXXX und XXXX , ersucht. Diesem Ersuchen wurde seitens des Bezirksgerichtes XXXX entsprochen.

17. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2020 wurde das Landesgericht XXXX zwecks Akteneinsicht um Übermittlung des Gerichtsaktes, Zl. XXXX , ersucht.

18. Mit Note vom 15.05.2020 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht den Magistrat XXXX als zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger - soweit möglich - im Rahmen der Amtshilfe für das Beschwerdeverfahren um eine Stellungnahme, insbesondere zur Frage, ob eine Abschiebung des Erstbeschwerdeführers in den Irak unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohles derzeit vertretbar erscheine oder abzulehnen sei. Ferner wurde um Information ersucht, welchen Standpunkt der Magistrat als Kinder- und Jugendhilfeträger derzeit zur Lage der Familie einnimmt bzw. über welche Wahrnehmungen der Kinder-und Jugendhilfeträger zur Lage der Familie derzeit verfügt. Diesem Ersuchen wurde seitens des Magistrats XXXX als Kinder- und Jugendhilfeträger entsprochen.

19. Mit Note vom 15.05.2020 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Landespolizeidirektion Niederösterreich um Übermittlung einer begründeten Stellungnahme gemäß § 57 Abs. 2 AsylG 2005 in Ansehung der Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Beschwerdeführer. Diesem Ersuchen wurde seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich entsprochen.

20. Mit Telefax vom 27.05.2020 brachte der Erstbeschwerdeführer im Wege der ihm beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand vom Dezember 2017 und Oktober 2019 in Vorlage, wobei Erstere dem Bundesverwaltungsgericht bereits einmal vorgelegt wurden.

21. Am 05.06.2020 übermittelte die Staatsanwaltschaft XXXX den mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.05.2020 angeforderten Akt betreffend den Erstbeschwerdeführer in Kopie.

22. Mit Note vom 10.08.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin im Wege der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation die Stellungnahme der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 18.06.2020 und die Stellungnahme der Jugendhilfe vom 09.06.2020 zur Kenntnis- und allfälligen Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zugang dieser Erledigung. Zudem ersuchte das Bundesverwaltungsgericht außerdem innerhalb dieser Frist um Berichterstattung zum Stand des Strafverfahrens sowie eines allfälligen Scheidungsverfahrens.

23. Am 21.08.2020 teilten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Wege der den Beschwerdeführern beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation mit, dass das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Nach Abschluss des Strafverfahrens werde die Zweitbeschwerdeführerin die Scheidung einreichen.

24. Laut Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom 28.09.2020 wurde gegen den Erstbeschwerdeführer wegen § 107 Abs. 1 StGB Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben. Mit Note vom 01.10.2020 verständigte das Landesgericht XXXX die Landespolizeidirektion Niederösterreich von der für den 05.11.2020 anberaumten Hauptverhandlung in dieser Strafsache gegen den Erstbeschwerdeführer.

25. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelte das Landesgericht XXXX eine Abschrift des Protokolls der Hauptverhandlung vom 05.11.2020 und vom 03.12.2020.

26. Am 30.12.2020 übermittelte das belangte Bundesamt eine den Erstbeschwerdeführer betreffende Heiratsurkunde.

27. Mit 31.12.2020 kündigte die von den Beschwerdeführern bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation die erteilten Vollmachten.

28. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.01.2021 wurden den Beschwerdeführern aufgrund der Entwicklungen im Herkunftsstaat aktuelle länderkundliche Dokumente zur allgemeinen Lage im Irak und zur Sicherheitslage im Gouvernement Kirkuk zur Wahrung des Parteiengehöres übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Eine diesbezügliche - schriftliche - Stellungnahme der Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Beschwerdeführer unterblieb. Für den Erstbeschwerdeführer gab der MigrantInnenverein St. Marx am 24.02.2021 (und damit maßgeblich verspätet) die Erteilung von Vollmacht bekannt und erstattet eine inhaltliche Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger des Irak, stammt aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Erstbeschwerdeführer beherrscht eine der Amtssprachen seines Herkunftsstaates, nämlich Arabisch. Die Identität des Erstbeschwerdeführers steht fest.

Er wurde am XXXX in der Stadt Kirkuk im gleichnamigen Gouvernement geboren, wuchs dort auf und lebte im Irak bis zu seiner Ausreise stets in dieser Region.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte im Irak mehrere Jahre die Grundschule. Im Anschluss daran stieg er in das Berufsleben ein und arbeitete als Friseur.

Der Erstbeschwerdeführer war mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet und ist Vater dreier Kinder (Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer). Er lebt mittlerweile von der Zweitbeschwerdeführerin und den drei minderjährigen Beschwerdeführern getrennt und befindet sich in einer Beziehung mit einer neuen Partnerin. Am 19.12.2020 schloss der Erstbeschwerdeführerin Wieselburg die Ehe mit seiner neuen Partnerin, einer österreichischen Staatsangehörigen, und nahm als Familiennamen nach der Eheschließung den Namen XXXX an.

Die Mutter und drei Schwestern des Erstbeschwerdeführers leben weiterhin in der Stadt Kirkuk im gleichnamigen Gouvernement.

Der Erstbeschwerdeführer verließ im Mai 2014 gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin und dem Drittbeschwerdeführer den Irak und gelangte schlepperunterstützt illegal von Erbil ausgehend auf dem Landweg zu Fuß in die Türkei. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei bis 19.06.2016 begab er sich schlepperunterstützt auf dem Landweg mit einem Lastkraftwagen nach Österreich, wo er am 21.06.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.2. Die Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , ist Staatsangehörige des Irak, stammt aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Zweitbeschwerdeführer beherrscht neben Turkmenisch bzw. Türkisch eine der Amtssprachen ihres Herkunftsstaates, nämlich Arabisch. Die Identität der Zweitbeschwerdeführerin steht fest.

Sie wurde am XXXX in der Stadt Kirkuk im gleichnamigen Gouvernement geboren, wuchs dort auf und lebte im Irak bis zu ihrer Ausreise stets in dieser Region.

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte im Irak mehrere Jahre die Grund- und Hauptschule. Sie ging im Irak nie einer Beschäftigung nach. Im Anschluss an ihre Verehelichung führte sie den Haushalt der Familie.

Die Zweitbeschwerdeführerin war mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und ist Mutter dreier Kinder (Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer). Sie lebt mittlerweile vom Erstbeschwerdeführer getrennt und befindet sich in einer Beziehung mit einem neuen Partner ( XXXX , Staatsangehöriger des Irak und Asylwerber), den sie auch konfessionell geehelicht hat.

Der Vater, die Stiefmutter und mehrere Geschwister bzw. Halbgeschwister der Zweitbeschwerdeführerin leben weiterhin in der Stadt Kirkuk im gleichnamigen Gouvernement.

Die Zweitbeschwerdeführerin verließ im Mai 2014 gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und dem Drittbeschwerdeführer den Irak und gelangte schlepperunterstützt illegal von Erbil ausgehend auf dem Landweg zu Fuß in die Türkei. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei bis 19.06.2016 begab sie sich schlepperunterstützt auf dem Landweg mit einem Lastkraftwagen nach Österreich, wo sie am 21.06.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.3. Der Drittbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger des Irak, stammt aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und ist ledig. Er ist der minderjährige Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Die Muttersprache des Drittbeschwerdeführers ist Arabisch. Die Identität des Drittbeschwerdeführers steht fest.

Er wurde am XXXX in der Stadt Kirkuk im gleichnamigen Gouvernement geboren, wuchs dort auf und lebte im Irak bis zu seiner Ausreise stets in dieser Region.

Die Eltern und Geschwister sind am gegenständlichen Verfahren beteiligt. Die Großmutter und drei Tanten väterlicherseits sowie der Großvater, dessen Ehegattin und mehrere Tanten sowie ein Onkel mütterlicherseits leben weiterhin in der Stadt Kirkuk im gleichnamigen Gouvernement.

Der Drittbeschwerdeführer verließ im Mai 2014 gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin den Irak und gelangte schlepperunterstützt illegal von Erbil ausgehend auf dem Landweg zu Fuß in die Türkei. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei bis 19.06.2016 begab er sich schlepperunterstützt auf dem Landweg mit einem Lastkraftwagen nach Österreich, wo er am 21.06.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.4. Der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer sind die minderjährigen Söhne der Zweitbeschwerdeführerin und des Erstbeschwerdeführers. Sie sind Staatsangehörige des Irak, stammen aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Viertbeschwerdeführer wurde in der Türkei geboren. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei bis 19.06.2016 begab er sich schlepperunterstützt mit der Zweitbeschwerdeführerin und dem Erstbeschwerdeführer sowie dem Drittbeschwerdeführer auf dem Landweg mit einem Lastkraftwagen nach Österreich. Der Fünftbeschwerdeführer wurde im Bundesgebiet geboren. Der Viertbeschwerdeführer führt den Namen XXXX und der Fünftbeschwerdeführer den Namen XXXX . Die Identität des Viert- und des Fünftbeschwerdeführer steht jeweils fest.

Hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers wurde am 21.06.2016 und hinsichtlich des Fünftbeschwerdeführers am 10.08.2016 seitens der Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

1.2. Zu den Ausreisegründen der Beschwerdeführer und zur Rückkehrgefährdung:

1.2.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gehören keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer hatten darüber hinaus vor der Ausreise keine Schwierigkeiten aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur arabischen und/ oder kurdischen Volksgruppe sowie aufgrund ihres Bekenntnisses zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zu gewärtigen.

1.2.2. Beim Erstbeschwerdeführer zeigt bzw. zeigen sich ein Zustand nach einer Splitterverletzung der linken vorderen Brustwand im Bereich der Brustwarze mit einem hier in den Weichteilen der Brustwarze gelegenen, etwa 2,5 mal 0,7 cm messenden, inzwischen entfernten, metallischen Fremdkörper, ein Zustand nach Drainagierung der linken Brustwand sowie ein Zustand nach einer Verletzung der rechten Schulterregion im äußeren Anteil mit Bruch des Schlüsselbeines und Verbleib eines etwa 8 mm großen Fremdkörpers im Bereich des äußeren Anteiles des rechten Schlüsselbeines sowie uncharakteristische, kleine Narbenbildungen unterhalb des rechten Auges, am rechten Handrücken und am rechten Unterarm streckseitig. Die genaue Ursache für diese Verletzungen ist nicht feststellbar.

Der Vater des Erstbeschwerdeführers verstarb – nach der Ausreise des Erstbeschwerdeführers – am 16.11.2017 eines gewaltsamen Todes. Die Identität oder das Motiv der die Straftat, etwa auch in Form eines Terroranschlages, verübenden Täter sind nicht feststellbar.

1.2.3. Der Erstbeschwerdeführer wurde vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat nicht aufgrund seiner Tätigkeit als Friseur von Kämpfern und/ oder Anhängern einer Miliz oder terroristischen Gruppierung, etwa in Form von Drohbriefen oder -anrufen, bedroht oder angegriffen und hatte auch keine anderweitigen Übergriffe oder eine konkrete Bedrohung seitens einer terroristischen Gruppierung, wie etwa des Islamischen Staates, zu gewärtigen.

1.2.4. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer brachten keine eigenen asylrelevanten Ausreisegründe vor.

1.2.5. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde im Irak und in der Folge auch in Österreich bis zur Trennung immer wieder von ihrem Ehegatten - dem Erstbeschwerdeführer - geschlagen. Auch der Dritt-, der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer wurden vom Erstbeschwerdeführer misshandelt. Bezüglich der Gewalttätigkeiten erstattete die Erstbeschwerdeführerin in Österreich eine Anzeige und erwirkte ein Betretungsverbot sowie die Erlassung Einstweiliger Verfügungen nach § 382e EO. Vom Vorwurf, die Zweitbeschwerdeführerin am 10.12.2019 zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr mitteilte, sie, die gemeinsamen Kinder und den neuen Lebensgefährten der Zweitbeschwerdeführerin zu töten, wurde der Erstbeschwerdeführer am 03.12.2020 mangels Schuldbeweises freigesprochen.

1.2.6. Es kann darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/ oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr in die Stadt Kirkuk einer solchen individuellen Gefährdung oder psychischer und/ oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Die Beschwerdeführer unterliegen insbesondere nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von sunnitischen oder schiitischen Milizen oder verbliebenen Anhängern des Islamischen Staates ausgehenden und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Dritt-, der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer haben ferner im Fall einer Rückkehr in den Irak nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit vom Erstbeschwerdeführer oder Familienangehörigen des Erstbeschwerdeführers ausgehenden Verfolgungshandlungen zu rechnen.

1.2.7. Die Beschwerdeführer sind im Fall einer Rückkehr in die Stadt Kirkuk auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/ oder physischer Gewalt aufgrund ihres Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt. Den Beschwerdeführern droht außerdem im Rückkehrfall keine strafrechtliche oder anderweitige behördliche Verfolgung und auch keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende individuelle Gefährdung oder individuell gegen sie gerichtete psychische und/ oder physische Gewalt im Falle der Teilnahme an nicht gewalttätigen Protesten gegen die irakische Regierung.

1.3. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer verfügen über einen irakischen Reisepass in Kopie. Des Weiteren verfügen der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer über einen irakischen Personalausweis in Kopie. Der Viertbeschwerdeführer besitzt zudem eine türkische Geburtsurkunde in Kopie. Der Fünftbeschwerdeführer verfügt über eine österreichische Geburtsurkunde im Original.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber den Beschwerdeführern offengelegten Quellen getroffen:

1.       Aktuelle Ereignisse

13.01.2020: Am 10.01.20 fanden in Bagdad und anderen Städten im Südirak große Kundgebungen anlässlich des 100. Protesttages statt. Am 10.01.20 wurden der Journalist Ahmed Abdul Samad und sein Kameramann Safaa Ghali von Unbekannten in Basra erschossen. Samad hatte zuvor von den Protesten berichtet. Reporter ohne Grenzen zufolge wurden seit Beginn der Proteste sechs Journalisten von Unbekannten getötet (vgl. BN v. 02.12.19). 4

Lokale Medien berichteten, dass 166 Aktivisten zwischen dem 01.10.19 und dem 28.12.19 entführt oder verschwunden seien. Die Irakische Hohe Menschenrechtskommission (IHCHR) geht von 68 entführten oder verschwundenen Personen aus und dokumentierte 33 gezielte Tötungsversuche, wobei 14 Personen ums Leben kamen.

Am 27.12.19 kam es zu einem Raketenangriff – mutmaßlich durch die proiranische irakische Miliz Kata’eb Hizbollah (KH) – auf eine irakische Militärbasis, dabei wurden ein amerikanischer Auftragnehmer getötet und vier amerikanische und zwei irakische Soldaten verletzt. Bereits zuvor war es vermehrt zu Angriffen auf amerikanische Truppen und Ziele im Irak gekommen (vgl. BN v. 16.12.19). Am 29.12.19 führten die USA Vergeltungsschläge auf drei Einrichtungen der KH durch, dabei sollen mehrere KH-Kämpfer verletzt und getötet worden sein. Am 31.12.19 demonstrierten KH-Unterstützer und Anhänger der Volksmobilisierungsfront vor der amerikanischen Botschaft innerhalb der hochgesicherten Green Zone im Zentrum von Bagdad. Demonstranten stürmten dabei den Eingangsbereich der Botschaft und setzten diesen in Brand. Unklar ist, wie diese die Sicherheitskontrollen zur Green Zone passieren konnten.

Am 03.01.20 führten die USA einen Drohnenangriff durch, bei dem u.a. der iranische General Qassem Soleimani (Kommandeur der Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarde) und Abu Mahdi al-Muhandis (stellvertretender Anführer der irakischen Volksmobilisierungsfront) in der Nähe des internationalen Flughafens von Bagdad getötet wurden. Der Iran führte am 08.01.20 einen Vergeltungsschlag auf zwei irakische Militärbasen in der Provinz Anbar und in Erbil durch, dabei kam es zu materiellen Schäden. Es kommt seither immer wieder zu Raketenangriffen auf irakische Militärbasen, die amerikanische Truppen beherbergen, mutmaßlich durch proiranische irakische Milizen. Zuletzt wurden am 12.01.20 bei einem Angriff auf eine Militärbasis in Salah ad-Din vier irakische Soldaten verletzt; amerikanische Truppen befanden sich zu dem Zeitpunkt des Angriffs nicht in der Basis.

Die regierungskritischen Proteste halten seit dem 25.10.19 in weiten Teilen des Irak an. Die aktuelle Regierung steht nicht nur wegen Korruption und Misswirtschaft, sondern auch wegen der iranischen Einflussnahme auf die Innenpolitik in der Kritik. Seit den Wahlen 2018 sind Vertreter proiranischer Milizen in Form der Fatah-Allianz im Parlament vertreten. Seit Beginn der Proteste wurden u.a. General Qassem Soleimani und Abu Mahdi al-Muhandis öffentlich kritisiert. Soleimani war in den letzten Monaten mehrmals nach Bagdad gereist und soll maßgeblich hinter der gewaltsamen Antwort der Regierung auf die Proteste stehen (vgl. BN v. 02.12.19).

20.01.2020: Regierungskritische Demonstranten in Nasriyah stellten der irakischen Regierung ein Ultimatum, um bis zum 19.01.20 einen neuen Premierminister zu benennen. Mangels Reaktion seitens der Regierung, die nur noch geschäftsführend im Amt ist, blockierten Demonstranten Hauptverkehrsstraßen, die Bagdad mit den südlichen Provinzen verbinden. Seit dem 01.10.19 wurden lokalen Berichten zufolge mehr als 669 Personen getötet und über 25.000 bei den Protesten verletzt. Es kommt immer wieder zu gezielten Angriffen, Tötungen und Entführungen von Aktivisten. Am 18.01.20 entging die durch das Anführen von Demonstrationen bekannt gewordene Aktivistin Nahawand Turki in Nasriyah (Dhi Qar) einem Tötungsversuch.

Am 15.01.20 kamen bei einem türkischen Luftangriff auf ein Militärfahrzeug der jesidischen Miliz YB? (Wiederstandseinheiten Shingal) in Sinune (Sinjar) mindestens vier Kämpfer ums Leben. Kurdischen Medien zufolge sollen ein jesidischer Kommandant der YB?, Zardasht Shingali, und vier weitere Kämpfer bei dem Angriff getötet worden sein. Ein Zivilist sei verwundet worden. Die jesidische Miliz, YB?, wurde 2014 im Kampf gegen den IS gegründet und steht Berichten zufolge den kurdischen Gruppen YPG und PKK nahe. Die türkische Luftwaffe führt immer wieder Luftangriffe auf die Region Sinjar durch (vgl. BN v. 11.11.19).

27.01.2020: Am 20.01.20 berechtigte der Nationale Sicherheitsrat die irakischen Sicherheitskräfte, Personen, die Straßen und Kreisverkehre außerhalb der genehmigten Protestorte blockieren, zu verhaften. Sicherheitsquellen zufolge wurden daraufhin in Bagdad mindestens neun Personen verhaftet. Zwischen dem 20.01.20 und dem 22.01.20 kam es zu Übergriffen auf regierungskritische Demonstranten seitens der Sicherheitskräfte u.a. in Bagdad, Kerbala, Baaquba (Diyala) und Basra. Der Irakischen Kommission für Menschenrechte zufolge wurden zwölf Demonstranten getötet und 230 weitere Personen verletzt.

Am 24.01.20 protestierten Tausende Anhänger des schiitischen Geistlichen Moqtada Sadr gegen die US-amerikanische militärische Präsenz im Irak. Da der Marsch von den seit dem 01.01.19 protestierenden, regierungskritischen Demonstranten großteils nicht unterstützt wurde, zog Sadr seine Unterstützung für diese Proteste zurück und forderte seine Anhänger auf, die Protestlager in Bagdad und anderen Städten zu verlassen. Seit dem 25.01.20 gingen Sicherheitskräfte unter Einsatz von scharfer Munition und Tränengasgranaten gegen regierungskritische Demonstranten vor. In Bagdad, Basra, Nasriyah und anderen Städten brannten Sicherheitskräfte und unbekannte Dritte Protestzelte nieder, u.a. auch solche, in denen medizinische Versorgung geleistet wurde. Bei den Übergriffen kamen mindestens vier Demonstranten ums Leben; Dutzende weitere wurden verletzt. Derzeit werden die zerstörten Zeltlager von den Demonstranten wiederaufgebaut.

Medienberichten zufolge sind am 27.01.20 fünf Raketen in der hochgesichterten „Grünen Zone“ in Bagdad, in der sich auch die US-Botschaft befindet, niedergegangen. Die Botschaft sei direkt getroffen und drei Personen seien verletzt worden. Der letzte Raketenangriff ereignete sich am 20.01.20.

Am 16.01.20 warnte die Koordinatorin der UN-Mission im Irak, Marta Ruedes, vor der landesweiten Aussetzung humanitärerer Hilfsaktionen. Jeden Monat erhielten humanitäre Akteure eine Genehmigung der Behörden, welche ihnen u.a. ermöglicht, Checkpoints zu passieren. Die Genehmigungen für die Mehrheit der internationalen humanitären Akteure seien im Januar 2020 ausgelaufen und nicht erneuert worden. Bereits im November 2019 berichtete das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), das

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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