TE Vfgh Beschluss 2021/2/23 E1388/2020

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Veröffentlicht am 23.02.2021
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

ZPO §146, §149 Abs1
VfGG §7 Abs2, §15 Abs2, §35

Leitsatz

Zurückweisung eines - unter einer Bedingung gestellten - Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens eines bestimmten Begehrens; keine Nachholung der versäumten Prozesshandlung

Spruch

Der Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 22. Jänner 2020, RV/7105680/2017, zugestellt am 24. Jänner 2020, wurde der Beschwerde der antragstellenden Gesellschaft gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, mit dem die Anträge auf Vergütung der Energieabgaben für die Jahre 2011 bis 2015 abgewiesen wurden, betreffend das Jahr 2011 teilweise Folge gegeben und die Beschwerde betreffend die Jahre 2012 bis 2015 als unbegründet abgewiesen.

Mit undatiertem und beim Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf am 30. März 2020 eingebrachtem Schreiben beantragte die antragstellende Gesellschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §303 Abs1 litb BAO, in eventu die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §303 Abs1 lita BAO, in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gemäß §308 BAO" gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Dieses Schreiben wurde – im Hinblick auf den darin gestellten Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof – dem Verfassungsgerichtshof vom Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom 8. Mai 2020, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am 11. Mai 2020, weitergeleitet.

Der Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird damit begründet, dass sich das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 22. Jänner 2020 auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, Ro 2016/15/0041, stütze und die antragstellende Gesellschaft daher dem Rechtsirrtum unterlegen sei, eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei aussichtslos. Bestehe das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum über das einzubringende Rechtsmittel, so falle dieses Hindernis weg, sobald die Partei diesen Irrtum als solchen erkennen habe können und müssen; für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist komme es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an. Für die antragstellende Gesellschaft sei der Irrtum erst mit dem Erhalt des Schreibens des Steuerberaters am 18. März 2020 erkennbar gewesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolge somit fristgerecht. Da dieser Rechtsirrtum allein durch die Vorgehensweise von Behörden schuldhaft veranlasst worden sei, stelle dieser Irrtum einen Wiedereinsetzungsgrund dar.

2. Der Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist unzulässig:

2.1. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2.2. Diesen Anforderungen wird der vorliegende Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gerecht:

2.2.1. Gemäß §148 Abs1 ZPO ist der Antrag auf Wiedereinsetzung bei dem Gericht einzubringen, bei dem die versäumte Prozesshandlung vorzunehmen war. Da eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bei diesem einzubringen ist, ist der Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag zuständig.

2.2.2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde jedoch unter der Bedingung gestellt, dass dem im selben Schriftstück gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stattgegeben wird. Damit handelt es sich bei dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber nicht um einen Eventualantrag, der an ein Hauptbegehren im Rahmen desselben Verfahrens anknüpft, sondern um ein Begehren, das nur dann als erhoben gelten soll, wenn die zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zuständige, vom Verfassungsgerichtshof verschiedene Behörde diesem nicht stattgibt. In sinngemäßer Anwendung des §15 Abs2 VfGG, nach dem ein bestimmtes Begehren erforderlich ist, ist ein bedingter Antrag dieser Art jedoch unzulässig (vgl auch VfSlg 14.781/1997, 18.615/2008 mwN).

2.2.3. Darüber hinaus hat es die antragstellende Gesellschaft verabsäumt, gleichzeitig mit ihrem Schriftsatz auch die versäumte Prozesshandlung (Beschwerdeeinbringung) nachzuholen (vgl VfSlg 13.265/1992, 17.667/2005; VfGH 14.2.2014, B123/2014).

2.3. Der Antrag ist daher, ohne dass der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen der sonstigen Prozessvoraussetzungen zu prüfen hatte, zurückzuweisen.

2.4. Dieser Beschluss konnte gemäß §149 Abs2 ZPO iVm §35 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Antrag, Eventualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E1388.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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