TE Vwgh Erkenntnis 1961/6/7 1953/60

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Veröffentlicht am 07.06.1961
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Index

KFG
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

KFG 1967 §48 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten, Dr. Hölinger und die Räte Dr. Porias, Dr. Vejborny, Dr. Kaniak und Dr. Hinterauer als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Skarohlid als Schriftführer, über die Beschwerde des HH in W gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung - mittelbare Bundesverwaltung - vom 1. August 1960, Zl. M.Abt.70/IX H 86/59, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde, Magistratskonzipist Dr. FS, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Bundes-Polizeidirektion Wien, Verkehrsamt, hatte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 17. Jänner 1959 schuldig erkannt, am 8. April 1958 in Wien das Probefahrtkennzeichen W nnn durch den Auftrag für eine Fahrt mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Personenkraftwagen, an dem diese Kennzeichentafeln angebracht gewesen seien, zu einem anderen Zweck als der Erprobung, Vorführung oder Überstellung des Kraftfahrzeuges mißbräuchlich verwendet und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 46 Abs. 4 Kraftfahrgesetz 1955, BGBl. Nr. 223, (KFG) begangen zu haben. Gemäß § 111 KFG hatte sie gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 2.000,-- S (Ersatzarreststrafe 12 Tage) verhängt. In der Begründung hatte sie unter anderem ausgeführt, der Polizei-Rayonsinspektor JD habe während seines Dienstes am 8. April 1958 gegen 21.15 Uhr in Wien 3., Untere Viaduktgasse nächst der Marxergasse einen vom Kraftfahrer RK gelenkten Personenkraftwagen mit dem Probefahrtkennzeichen W nnn bei der Verwendung im Straßenverkehr gesehen und darüber eine Meldung erstattet. Das Probefahrtkennzeichen sei dem Autohändler WM zugewiesen gewesen. Durch Erhebungen und auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers sei festgestellt worden, daß dieser im Zuge der gemeinsamen Geschäftsführung mit WM am 8. April 1958 über das Probefahrtkennzeichen verfügt habe. Die Angaben des Beschwerdeführers, wonach der Personenkraftwagen einem Holzhändler namens K im Dritten Bezirk hätte vorgeführt werden sollen, seien eindeutig widerlegt. Angesichts der Schwere der begangenen Verwaltungsübertretung entspreche das Strafausmaß dem Verschulden und den Verhältnissen des Beschwerdeführers.

Der gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab das Amt der Wiener Landesregierung, mittelbare Bundesverwaltung, mit Bescheid vom 1. August 1960 nicht Folge. In der Schuldfrage wurde auf die Gründe des erstinstanzlichen Erkenntnisses verwiesen. Zu den Berufungsausführungen bemerkte die Behörde, daß der § 46 KFG konkrete Vorschriften aufstelle, die der Probefahrtkennzeichenbesitzer bzw. der Verfügungsberechtigte über des Kennzeichen bei sonstiger Strafe einzuhalten habe. Auch die Zurücknahme des Probefahrtkennzeichens schließe, wie aus den Worten des Gesetzes „unbeschadet einer Bestrafung“ hervorgeht, eine Bestrafung nicht aus. Der Meldungsleger habe den Lenker des Personenkraftwagens mit dem Probefahrtkennzeichen W nnn wegen vorschriftswidrigen Verhaltens beanstandet. Der Lenker H, und der Mitfahrer K, hätten dem Meldungsleger gegenüber angegeben, daß sie nach Brunn am Gebirge gefahren seien. K habe den Auftrag gehabt, dort bei Kunden Geld zu kassieren. Beide hätten versucht, in der Folge ihre dem Meldungsleger gegenüber gemachten Angaben zu widerrufen. Diese widersprechenden Angaben seien unglaubwürdig. Den angeblich im Dritten Bezirk wohnhaften Kaufinteressenten habe H im Auftrage des Beschwerdeführers als WK bezeichnet. Diese habe als Zeugin vernommen in Abrede gestellt, daß ihr oder ihrem Gatten der oben genannte Personenkraftwagen am 8. April 1958 hätte vorgeführt werden sollen. Dies sei auch schon deshalb nicht möglich gewesen, weil sie und ihr Gatte schon am 5. April 1958 Österreich verlassen hätten und nach Jugoslawien gereist seien. Der Beschwerdeführer habe über Vorhalt, daß das Probefahrtkennzeichen erst am 18. Dezember 1958 wegen Nichtgebrauchs abgemeldet worden sei, um eine dreiwöchige Frist gebeten, um ein Verzeichnis über die Verwendung des Probefahrtkennzeichens der Behörde vorzulegen. Eine Erhebung bei WM habe ergeben, daß sich der gemäß § 46 Abs. 4 KFG zu führende Nachweis über die Verwendung des Probefahrtkennzeichens für den gegenständlichen Wagen bis zur Zurücklegung im Besitze des Beschwerdeführers befunden habe. Laut Bericht vom 19. Mai 1960 habe der Beschwerdeführer ein Fahrtenbuch vorgewiesen, wonach im April 1958 ein Wagen dem Holzhändler K hätte gezeigt werden sollen. Dieser Kaufinteressent - es handle sich um WK - habe jedoch als Zeugin angegeben, daß weder sie noch ihr Gatte zur Zeit der angeblichen Vorführung in Österreich gewesen seien. Somit sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, nachzuweisen, daß er zur Tatzeit den Personenkraftwagen mit dem Probefahrtkennzeichen W nnn einem Kaufinteressenten vorgeführt habe. Die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung sei somit durch die Wachemeldung vom 8. April 1958 und die Aussagen der Zeugen, Polizei-Rayonsinspektor JD und Polizei-Reyonsinspektor EB, die schon auf Grund ihres Diensteides zur Angabe der Wahrheit verpflichtet seien, sowie auf Grund der unbedenklichen Aussage der Zeugin WK zweifelsfrei erwiesen. Das Ausmaß der ausgesprochenen Strafe, die bloß den 15. Teil der gesetzlichen Strafobergrenze von 30.000,-- S ausmache, sei mit Rücksicht auf eine gerichtliche Vorstrafe des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 431 StG sowie seine verwaltungsrechtlichen Vorstrafen auch unter Berücksichtigung der von ihm vorgebrachten Umstände und seines guten Leumundes sowie unter Bedachtnahme auf seine Vermögens-, Erwerbs- und Familienverhältnisse als angemessen anzusehen, weshalb eine Herabsetzung der Strafe nicht in Erwägung gezogen worden sei.

Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer mit der vorliegenden, beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, und zwar wegen des Ausspruches über die Tat wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen des Ausspruches über die Strafe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Über die Beschwerde hat der Gerichtshof wie folgt erwogen:

Zur Begründung der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, nach § 111 KFG könne nur bestraft werden, wer einer Vorschrift dieses Bundesgesetzes zuwiderhandle. Nun könne aber keine Rede davon sein, daß er irgendeiner Bestimmung des Kraftfahrgesetzes zuwidergehandelt habe. Die durch die belangte Behörde in Obereinstimmung mit der ersten Instanz herangezogene Stelle des § 46 Abs. 4 KFG scheide aus, da sie keinerlei Gebot oder Verbot enthalte, dem er zuwidergehandelt hätte. Der letzte Absatz dieser Bestimmung normiere, daß bei Mißbrauch der Probefahrtkennzeichen oder bei Nichteinhaltung der Führung eines Nachweises die Probefahrtkennzeichen „unbeschadet einer Bestrafung“ zurückgenommen werden können. Der Passus „unbeschadet einer Bestrafung“ könne sich nur auf die Nichtführung eines Nachweises über die Verwendung dieses Kennzeichens beziehen. Dies deshalb, weil der § 46 KFG ein diesbezügliches Gebot enthalte, bei dessen Zuwiderhandlung eben gemäß § 111 KFG eine Bestrafung zu erfolgen habe. Hingegen sei weder im § 46 Abs. 4 KFG noch an irgendeiner anderen Stelle des Kraftfahrgesetzes ein Ge- oder Verbot darüber enthalten, daß das Probefahrtkennzeichen etwa nur zu den im Straferkenntnis angeführten Zwecken und zu keinen anderen Zwecken verwendet werden dürfe. Im Falle der sogenannten mißbräuchlichen Verwendung des Probefahrtkennzeichens komme als einzige Sanktion nur die Entziehung des Kennzeichens, unter keinen Umständen jedoch eine Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung in Betracht. Hiezu ist folgendes zu sagen:

Gemäß § 46 Abs. 1 KFG können bestimmten Betrieben zur Kennzeichnung ihrer oder der ihnen übergebenen Fahrzeuge bei Probefahrten unter gewissen Voraussetzungen besondere Kennzeichen zugewiesen werden. Der zweite und dritte Absatz des § 46 KFG regeln, welche Fahrten als Probefahrten gelten. Schon aus den genannten Absätzen des § 46 KFG folgt, daß die Verwendung der Probefahrtkennzeichen bei anderen als Probefahrten verboten ist. Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht gemäß § 111 KFG eine Verwaltungsübertretung. Dem § 46 Abs. 4 KFG aber ist in bezug auf den, der für den mit dem Probefahrtkennzeichen bedachten Betrieb verantwortlich ist, zu entnehmen, daß über die Verwendung dieser Kennzeichen ein Nachweis zu führen ist. Auch die Übertretung dieses Gebotes ist nach § 111 KFG strafbar. Bei Nichteinhaltung dieser Vorschrift - so lautet der letzte Satz des § 46 Abs. 4 KFG - und bei Mißbrauch der Probefahrtkennzeichen können diese unbeschadet einer Bestrafung zurückgenommen werden. Die Behauptung des Beschwerdeführers, im Falle der sogenannten mißbräuchlichen Verwendung des Probefahrtkennzeichens komme unter keinen Umständen eine Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung in Betracht, ist völlig haltlos. Denn gerade aus der Formulierung „unbeschadet einer Bestrafung“ ergibt sich, daß neben der Zurücknahme des Probefahrtkennzeichens als weitere Sanktion die Bestrafung zulässig ist. Daß die belangte Behörde den § 46 Abs. 4 KFG im Spruche des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht durch Erwähnung insbesondere des ersten und zweiten Absatzes dieser Gesetzesstelle ergänzte, vermag schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des Inhaltes darzustellen, weil sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf § 46 KFG in seiner Gesamtheit Bezug nahm. Überdies ließ sie sich offensichtlich durch den letzten Satz des § 46 Abs. 4 KFG beeindrucken, dem entgegen der Meinung des Beschwerdeführers eindeutig zu entnehmen ist, daß der Mißbrauch der Probefahrtkennzeichen zu bestrafen ist. Abschließend kann sich der Gerichtshof damit begnügen, auf seine Erkenntnisse vom 11. Jänner 1961, Zl. 917/60, und vom 18. Jänner 1961, Zl. 1323/60, zu verweisen.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe gefunden, daß die exorbitante Geldstrafe von 2.000,-- S gerechtfertigt erscheine, obwohl im Zuge des Berufungsverfahrens eine Äußerung des Inhaltes eingeholt worden sei, daß Verwaltungsübertretungen solcher Art mit höchstens 400,-- S belegt werden. Durch das völlige Übergehen dieser Bestätigung über das für solche Delikte übliche Strafausmaß sei der belangten Behörde eine solche Verletzung von Verfahrensvorschriften unterlaufen, daß bei deren Unterbleiben mit einem ihm günstigeren Ergebnis zu rechnen gewesen wäre. In der Tat findet sich im Akte der Amtsvermerk vom 11. Jänner 1960, wonach es durchaus möglich sei, daß in einem ähnlichen Fall eine Geldstrafe von 400,-- S verhängt worden sei. Daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hierauf nicht Bezug nahm, vermag jedoch keinen wesentlichen Verfahrensmangel darzustellen. Denn es darf nicht übersehen werden, daß die zu berücksichtigenden erschwerenden und mildernde Umstände in jedem einzelnen Falle verschieden sind und sich auf das Ausmaß der jeweiligen Strafe auswirken.

Da somit weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorlag, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 7. Juni 1961

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1961:1960001953.X00

Im RIS seit

14.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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