TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/25 95/02/0537

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Veröffentlicht am 25.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §8 Abs4;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;
VStG §31 impl;
VStG §44a Z1;
VStG §49a Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Dr. K in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. September 1995, Zl. UVS-03/M/04/00372/95, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. September 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 12. Juli 1995 keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt; der Beschwerdeführer wurde somit einer Übertretung des § 8 Abs. 4 StVO schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.500,-- (zuzüglich eines Verfahrenskostenbeitrages) verhängt. Er habe sein mehrspuriges Kraftfahrzeug mit einem näher angeführten polizeilichen Kennzeichen mit allen Rädern für die Zeit vom

14. bis 17. Dezember 1994 auf dem Gehsteig an einem näher angeführten Ort geparkt gehabt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er in der Zeit vom 14. Dezember 1994 bis 17. Dezember 1994 sein Fahrzeug vorschriftswidrig (nämlich gegen § 8 Abs. 4 StVO verstoßend) an dem von der belangten Behörde zutreffend und näher umschriebenen Tatort abgestellt hat. Er verweist aber darauf, daß er bereits am 13. Dezember 1994 sein Fahrzeug abgestellt und erst am 17. Dezember 1994 wieder entfernt habe. Er habe nach dem 23. Jänner 1995 wegen dieses Deliktes drei Anonymverfügungen zugestellt erhalten; die erste sei von einem Tatzeitpunkt 13. Dezember 1994, die zweite von einem solchen 14. Dezember 1994 und die dritte von einem am 17. Dezember 1994 ausgegangen. Er habe innerhalb der Frist des § 49a Abs. 6 VStG die Geldstrafe in der Höhe von S 600,-- betreffend die am 13. Dezember 1994 begangene Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO bezahlt. In der Folge - dies ist aktenkundig - ergingen durch die Behörde erster Instanz am 7. März 1995 zwei Strafverfügungen gegen den Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 8 Abs. 4 StVO betreffend die Daten

14. und 17. Dezember 1994; es wurde eine Geldstrafe von jeweils

S 1.200,-- (insgesamt S 2.400,--) verhängt.

Der Beschwerdeführer brachte gegen diese Strafverfügungen fristgerecht Einspruch ein. Er führte darin aus, daß wegen der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO bereits eine Geldstrafe durch Anonymverfügung verhängt worden sei, die auch fristgerecht bezahlt worden sei. Zum Beweis der Behauptung, daß er sein Fahrzeug in der Zeit vom 13. Dezember 1994 bis nach dem 17. Dezember 1994 nicht benützt habe und dieses auch von keiner anderen Person benützt worden sei, bot der Beschwerdeführer die Einvernahme von Zeugen an. Er erachtete bereits in seinem Einspruch die mehrfache Bestrafung wegen derselben Verwaltungsübertretung als unrechtmäßig.

Mit Straferkenntnis der Behörde erster Instanz vom 12. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer - wie bereits eingangs erwähnt - wegen des Verstoßes gegen § 8 Abs. 4 StVO, begangen in der Zeit vom 14. Dezember 1994 09.20 Uhr bis 17. Dezember 1994 07.10 Uhr, schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Die belangte Behörde hat sinngemäß ausgeführt, eine Anonymverfügung (im Sinne des § 49a VStG) sei nicht als Bestrafung zu werten, da die Zurechnung des strafbaren Verhaltens an einen konkreten Täter fehle. Damit könne sich der Beschwerdeführer nicht darauf berufen, daß das ihm durch das erstinstanzliche Straferkenntnis zur Last gelegte Verhalten (als Dauerdelikt) bereits bestraft worden sei.

Die hier zunächst in Betracht kommende Bestimmung des § 22 Abs. 1 VStG lautet:

"(1) Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen."

Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob verschiedene selbständige Taten im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gegeben sind. Die belangte Behörde hat hier offenbar die Behauptung des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, er habe am 13. Dezember 1994 sein Fahrzeug (vorschriftswidrig) abgestellt und dieses erst am 17. Dezember 1994 wieder in Betrieb genommen. In diesem Fall liegt - wovon auch die belangte Behörde ausgeht - ein Dauerdelikt (somit keine verschiedenen selbständigen Taten im Sinne des § 22 Abs. 1 VStG) vor. Die deliktische Tätigkeit geht im Fall eines derartigen Dauerdeliktes so lange weiter, wie der Zustand aufrecht erhalten wird; es wird nicht etwa das Dauerdelikt in jedem Augenblick neu begangen, es handelt sich dabei vielmehr um EIN Delikt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 1981, Zlen. 07/1211, 1725, 3523/80, mwN). In ähnlicher Weise wie bei den sogenannten fortgesetzten Delikten sind beim Dauerdelikt daher tatbestandsmäßige Einzelhandlungen bis zur Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz solange als Einheit und damit nur als EINE Verwaltungsübertretung anzusehen und dementsprechend auch nur mit EINER Strafe zu bedenken, als der Täter nicht nach außen erkennbar seine deliktische Tätigkeit aufgegeben hat (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 3. November 1981, mwN).

Aus dem systematischen Aufbau des VStG (Einordnung der in § 49a leg. cit. geregelten Anonymverfügung in den mit "Abgekürztes Verfahren" überschriebenen 4. Abschnitt des VStG) kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kein Zweifel bestehen, daß auch die Anonymverfügung einem Straferkenntnis im hier angesprochenen Sinne der "Erfassung" der tatbestandsmäßigen Einzelhandlungen insofern gleichzuhalten ist, als - unter der Voraussetzung der rechtzeitigen Einzahlung des Strafbetrages (§ 49a Abs. 6 VStG) - dieselben Rechtswirkungen eintreten; wird nämlich die darin ausgesprochene Strafe rechtzeitig bezahlt, so kommt es zu keiner weiteren Strafverfolgung, das deliktische Verhalten ist gesühnt. Somit hätte daher auch hier die belangte Behörde - unter Zugrundelegung der von ihr offenbar angenommenen Sachverhaltselemente - von einer Deliktseinheit (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Mai 1980, Slg.Nr. 10.138/A) auszugehen gehabt. Die - weitere - Bestrafung des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Deliktes durch das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 12. Juli 1995 für den Zeitraum nach dem 13. Dezember 1994, der durch die am 23. Jänner 1995 zugestellte und bezahlte Anonymverfügung erfaßt wurde, erweist sich daher als rechtswidrig, weshalb der bekämpfte Bescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Dauerdelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995020537.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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