TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/25 95/02/0547

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Veröffentlicht am 25.04.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §2 Abs2;
VStG §27 Abs1;
VStG §51 Abs1 idF 1995/620;
VStG §51 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 6. Oktober 1995, Zl. 1-0049/95/E3, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 22. Dezember 1994 der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (kurz: BH) wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als die vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachte Auskunftsperson der Behörde auf Verlangen vom 26. Juli 1994 nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Aufforderung am 28. Juli 1994 Auskunft darüber erteilt, von wem ein dem Kennzeichen nach bestimmter PKW am 27. April 1994 vor 09.10 Uhr in Wien II an einem näher genannten Ort abgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen und es wurde über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Stunden) verhängt.

In der Begründung führte die BH u.a. aus, der Beschuldigte sei mit Schreiben vom 26. Juli 1994 vom Strafamt der Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 103 Abs. 2 KFG als vom Zulassungsbesitzer benannte Person, die Auskunft darüber geben könne, wer einen dem Kennzeichen nach bezeichneten PKW am 27. April 1994 um 09.10 Uhr in Wien II an einem näher genannten Ort abgestellt habe, aufgefordert worden, der anfragenden Behörde schriftlich binnen zwei Wochen nach Zustellung (der Aufforderung) Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses KFZ zur Tatzeit am Tatort abgestellt habe. Dieses Schreiben sei dem Beschwerdeführer am 28. Juli 1994 rechtswirksam zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 8. August 1994, welches angeblich in Scheffau/Deutschland vom Beschwerdeführer verfaßt und am selben Tag beim Postamt Scheidegg/Deutschland aufgegeben worden sei, habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, es könne sein, daß er auskunftspflichtig sei; er könne sich jedoch an den Vorfall nicht mehr erinnern.

Der Beschwerdeführer habe in seinem an die Bundespolizeidirektion Wien gerichteten Schreiben vom 8. August 1994 weder den Namen noch die Anschrift der betreffenden Person genannt, die das Fahrzeug, für das er auskunftspflichtig gewesen sei, an dem in der Anfrage bestimmten Zeitpunkt und Ort abgestellt habe.

Es treffe zu, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055, ausgesprochen habe, es fehle gemäß § 2 Abs. 1 VStG an der Strafbarkeit, wenn ein im Ausland wohnhafter Zulassungsbesitzer die Auskunft verweigert oder unrichtig erteilt habe. Der Beschwerdeführer sei jedoch weder Fahrzeughalter noch im Ausland wohnhaft, sodaß aufgrund des im Beschwerdefall hinsichtlich des zitierten Erkenntnisses anders gelagerten Sachverhalts nach Ansicht der Behörde der Bezirkshauptmannschaft Bregenz "als Wohnsitzbehörde" die Strafkompetenz zugesprochen werden müsse.

Wie aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist, erfolgte die Abtretung von der Bundespolizeidirektion Wien, die vom Beschwerdeführer die Lenkerauskunft begehrte, an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Verfügung vom 15. September 1994. Diese enthielt folgenden Hinweis: "zuständigkeitshalber weitergeleitet (§ 27 VStG)".

Gegen dieses Straferkenntnis vom 22. Dezember 1994 erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Oktober 1995 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.

§ 24 VStG keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich jene Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Das Einschreiten der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz, an die der Verwaltungsstrafakt von der Bundespolizeidirektion Wien "zuständigkeitshalber" gemäß § 27 VStG weitergeleitet wurde, setzt voraus, daß diese BH auch tatsächlich örtlich zuständig war.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Abgehen von seiner bisherigen Judikatur zur Frage des Tatortes bei einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG die Auffassung vertreten, daß Erfüllungsort der sich aus dieser Bestimmung ergebenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Beschwerdeführers jener Ort sei, an dem die geschuldete Handlung vorzunehmen sei, somit der Sitz der anfragenden Behörde, der auch der Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft sei.

Da im Beschwerdefall die Bundespolizeidirektion Wien - und nicht die Bezirkshauptmannschaft Bregenz - als anfragende Behörde gemäß § 103 Abs. 2 KFG eingeschritten ist, war nach der dargestellten nunmehrigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Tatort in Wien und fehlte somit der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Strafbehörde erster Instanz die örtliche Zuständigkeit. Diese Zuständigkeit konnte auch nicht durch die mit Verfügung vom 15. September 1994 erfolgte Weiterleitung nach "§ 27 VStG" bewirkt werden.

Da die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Strafbehörde erster Instanz im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt hat, belastete sie die diesen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. die bei Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 571, letzter Abs., wiedergegebene hg. Judikatur).

Im Gegensatz zu den im vorgenannten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996 abgehandelten Fall lag jedoch im Beschwerdefall aufgrund einer Änderung der Rechtslage zu § 51 Abs. 1 VStG keine Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Behandlung der an sie gerichteten Berufung vor.

Nach § 51 Abs. 1 erster Satz VStG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 620/1995, steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Diese Bestimmung trat mit 1. Juli 1995, somit vor dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft (siehe § 66b Abs. 4 VStG in der genannten Fassung).

Gemäß § 66b Abs. 6 VStG in der genannten Fassung ist § 51 Abs. 1 i.d.F. vor dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 620/1995 im Verfahren weiter anzuwenden, in denen die mündliche Verhandlung bis zum 30. Juni 1995 abgehalten wurde. Für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung bis zu diesem Termin findet sich jedoch sachverhaltsbezogen kein Anhaltspunkt.

Da der angefochtene Bescheid erst nach Inkrafttreten der genannten Novelle des VStG erlassen wurde, war die belangte Behörde aufgrund der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides durch die (örtlich jedoch unzuständig gewesene) Bezirkshauptmannschaft Bregenz örtlich zuständige Berufungsbehörde.

Für das fortgesetzte Verfahren sei zur Klarstellung gesagt, daß es - entgegen der vom Beschwerdeführer wiederholt im Verwaltungsstrafverfahren sowie in der vorliegenden Beschwerde vertretenen Meinung - aufgrund der dargestellten (neuen) Judikatur zu § 103 Abs. 2 KFG nicht (mehr) relevant ist, ob der Beschwerdeführer seiner Auskunftsverpflichtung etwa durch Verfassen und Absenden dieser Auskunft aus dem Ausland nachgekommen ist und wegen eines allfälligen im Ausland gelegenen Tatortes (§ 2 Abs. 1 VStG) nicht mehr bestraft werden könnte.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995020547.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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