TE Vwgh Beschluss 2021/4/23 Ra 2021/09/0042

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Veröffentlicht am 23.04.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs6
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §1
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §1 idF 2020/II/351
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §2 idF 2020/II/108
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §2 idF 2020/II/351
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §4 idF 2020/II/107
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §4 idF 2020/II/351
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §6 idF 2020/II/107
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §6 idF 2020/II/351
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §32
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch die Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1030 Wien, Weyrgasse 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 22. Dezember 2020, LVwG-751024/2/SB, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den auf § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) gestützten Antrag der Revisionswerberin, der Betreiberin eines Hotels, vom 3. Juni 2020 auf Vergütung für den ihr im Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 eingetretenen Verdienstentgang ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

2        Rechtlich begründete es sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass erst durch die mit Ablauf des 3. April 2020 in Kraft getretene Novelle BGBl. II Nr. 130/2020 in § 4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung untersagt worden sei. Bis 3. April 2020 könne der Verdienstentgang der Revisionswerberin daher nur Auswirkung der am 16. März 2020 in Kraft getretenen allgemeinen Beschränkungen, wie dem mit der gemäß § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) erlassenen Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, BGBl. II Nr. 98/2020, verfügten Verbot des Betretens öffentlicher Orte sowie dem Verbot des Betretens des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sein. Die Revisionswerberin stütze ihren Antrag auf Vergütung von Verdienstentgang auf § 32 EpiG. Weder die Verordnungen BGBl. II Nr. 96/2020 und BGBl. II Nr. 98/2020 noch deren gesetzliche Grundlage, das COVID-19-Maßnahmengesetz, enthielten jedoch Anordnungen zur Anwendbarkeit der Vergütungsbestimmungen des § 32 EpiG. Ein Ersatzanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG komme nur für Vermögensnachteile in Betracht, die durch die Behinderung des Erwerbs aufgrund einer Betriebsbeschränkung oder -schließung im Sinn des § 20 EpiG entstanden seien. Solche lägen hier nicht vor. Bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 EpiG ergebe sich klar, dass Betriebsbeschränkungen nur individuell mittels Bescheid verfügt werden könnten. Zudem knüpfe § 4 Abs. 2 COVID-19-MG keineswegs nur an Betriebsschließungen an, sondern an alle nach § 1 leg. cit. verfügten Maßnahmen und schließe für diese das Entschädigungsrecht nach dem Epidemiegesetz 1950 aus (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a.; 26.11.2020, E 3417/2020; E 3412/2020).

3        Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der nach den in Betracht kommenden Normen klaren und eindeutigen Rechtslage, die auch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt sei.

4        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungs- wie auch des Verfassungsgerichtshofes dazu, ob im Hinblick auf § 4 Abs. 3 COVID-19-MG ein Ersatzanspruch gemäß § 32 EpiG auf Grundlage der Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020, die ihre gesetzliche Grundlage in § 2 Z 1 COVID-19-MG habe, bestehe. Durch die mit dieser Verordnung angeordneten Ausgangsbeschränkungen sei mittelbar das Betreten der Betriebsstätte der Revisionswerberin verhindert worden. Das der Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020 zugrundeliegende COVID-19-Maßnahmengesetz normiere in seinem § 4 Abs. 2 den Entfall von Vergütungsansprüchen nach dem Epidemiegesetz 1950 ausschließlich für Verordnungen des Gesundheitsministers, die dieser gemäß § 1 COVID-19-MG erlasse. Nach § 4 Abs. 3 COVID-19-MG blieben die Regelungen des Epidemiegesetzes 1950 jedoch unberührt. Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass auf Verordnungen des Gesundheitsministers, die ihre gesetzliche Grundlage nicht in § 1 COVID-19-MG hätten, die Regelungen des Epidemiegesetzes 1950 uneingeschränkt anwendbar blieben. Da es sich bei den mit der Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020 verfügten Ausgangsbeschränkungen um verkehrsbeschränkende Maßnahmen handle, die im Ergebnis zu einer mittelbaren Betriebsbeschränkung führten, sei aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts davon auszugehen, dass hier die Regelung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG zur Anwendung gelange.

7        Entgegen der Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichts bedürfe es für eine Betriebsbeschränkung oder -schließung nach § 20 EpiG auch keines individuell verfügten Bescheids, sei doch am 26. September 2020 die Bestimmung des § 43a EpiG in Kraft getreten, nach deren Abs. 1 dem Gesundheitsminister eine Verordnungskompetenz für Verordnungen nach dem Epidemiegesetz 1950 im Zusammenhang mit COVID-19 eingeräumt worden sei, soweit er dazu nicht ohnedies bereits auf Grundlage des § 43 Abs. 4 EpiG ermächtigt gewesen sei.

8        Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt:

9        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision zum einen etwa dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124).

10       Zum anderen ist die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 25.2.2020, Ra 2019/09/0108).

11       Der Revisionswerberin ist nun zwar insoweit zuzustimmen, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., zu der auf § 1 COVID-19-MG gestützten Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz BGBl. II Nr. 96/2020 erging. Daraus ist für ihren Standpunkt jedoch nichts zu gewinnen:

12       So stellt die von der Revisionswerberin zur Begründung ihres Anspruchs herangezogene Bestimmung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt auch nach dem Zulässigkeitsvorbringen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor, werden die Einschränkungen danach doch in den durch die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020 (siehe VfGH 10.12.2020, V 535/2020, zum Ausschluss der Umdeutung einer auf § 2 COVID-19-MG gestützten Verordnung in eine solche nach dem Epidemiegesetz 1950 bei Fehlen einer Verordnungsermächtigung) verfügten allgemeinen Ausgangsbeschränkungen gesehen.

13       Zudem wurde die Rechtslage betreffend Ersatzansprüche nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG auch bereits durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt (siehe VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018; vgl. ferner VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017). § 4 Abs. 3 EpiG, wonach die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 „unberührt“ bleiben, ändert weder die Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen nach dem Epidemiegesetz 1950 noch jene für den Ersatz von Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 EpiG (VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018, Rn 32).

14       Nur der Vollständigkeit halber ist daher anzumerken, dass der Verfassungsgerichtshof mit weiterem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, V 363/2020, kundgemacht vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 31. Juli 2020, BGBl. II Nr. 351/2020, feststellte, dass die §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020, § 2 in der Fassung BGBl. II Nr. 108/2020, §§ 4 und 6 in der Fassung BGBl. II Nr. 107/2020, gesetzwidrig waren und aussprach, dass die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Auf diese Bestimmungen lässt sich auch schon deshalb ein Ersatzanspruch im Verwaltungsweg nicht mehr stützen (VwGH 7.4.2021, Ra 2021/09/0051).

15       Die von der Revisionswerberin ferner ins Treffen geführte Zulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht Wien in seinem Erkenntnis vom 8. Dezember 2020, VGW-101/032/15236/2020-2, zeigt schon mangels vergleichbaren Sachverhalts für den vorliegenden Fall keine grundsätzliche Rechtsfrage auf, war dort doch das in § 3 Z 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020 geregelte (und von VfGH 14.7.2020, V 363/2020, nicht betroffene) Verbot des Betretens von Kuranstalten durch Kurgäste sowie von Rehabilitationseinrichtungen durch Patientinnen und Patienten gegenständlich.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 23. April 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090042.L00

Im RIS seit

13.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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