TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/25 96/02/0539

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Veröffentlicht am 25.04.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §48 Abs4 Z2;
FrG 1993 §48 Abs4 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 27. August 1996, Zl. UVS 25.14-10/96-7, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: X, derzeit unbekannten Aufenthaltes), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang (sohin soweit der Schubhaftbeschwerde Folge gegeben und der Bund zum Kostenersatz verpflichtet wurde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. August 1996 wurde der an diese gerichteten Beschwerde der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Berufung auf die §§ 41 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 52 Abs. 1 Fremdengesetz in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG teilweise Folge gegeben und festgestellt, daß zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen; im übrigen (sohin soweit der Antrag gestellt wurde, die Schubhaft seit dem 22. Juli 1996 für rechtswidrig zu erklären) wurde die Beschwerde abgewiesen. Weiters wurde der Bund gemäß § 79a AVG verpflichtet, der Mitbeteiligten die Kosten in der Höhe von insgesamt S 18.800,-- für Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand zu ersetzen.

In der Begründung wurde - soweit für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof von Belang - im wesentlichen ausgeführt, die Mitbeteiligte, eine chinesische Staatsbürgerin, sei am 13. April 1996 ohne Reisepapiere in das Bundesgebiet eingereist. Am 16. April 1996 sei sie bei einem Ladendiebstahl betreten, festgenommen und am 17. April 1996 der Fremdenpolizeibehörde vorgeführt worden. Da ihre Identität nicht festgestanden, sie mittellos und unterkunftslos gewesen sei, habe die Bundespolizeidirektion Graz am selben Tag über die Mitbeteiligte die Schubhaft zur Erlassung eines Ausweisungsbescheides und zur Sicherung der Abschiebung nach China verhängt. Bereits am 19. April 1996 habe die genannte Behörde den Ausweisungsbescheid erlassen und die chinesische Botschaft - unter "Weiterleitung" der von der Mitbeteiligten getätigten Angaben zu ihrer Person - um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht. Die Botschaft habe auf Anfrage am 12. Juli 1996 mitgeteilt, daß das Überprüfungsergebnis aus China noch abgewartet werden müsse. Dies habe die Bundespolizeibehörde veranlaßt, die Mitbeteiligte neuerlich zu ihrer Identität zu befragen, diese sei bei ihren Angaben geblieben. Das Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei mit Schreiben vom 12. Juli 1996 erneuert worden. Am 30. Juli 1996 habe die Bundespolizeibehörde neuerlich die Vertretungsbehörde kontaktiert und die Antwort erhalten, daß noch keine Nachricht aus China eingetroffen sei ("aufgrund der langen Zeit dürfte es Probleme mit der Identität geben"). Der Konsul habe empfohlen, die Mitbeteiligte neuerlich einzuvernehmen; diese sei bei ihren Angaben geblieben. Letztmalig habe die Bundespolizeibehörde am 14. August 1996 bei der chinesischen Botschaft urgiert, ohne dazu eine Antwort zu erhalten.

Unter Hinweis auf § 41 Abs. 1, 2 und 4 Fremdengesetz führte die belangte Behörde weiter aus, gemäß § 48 Abs. 5 leg. cit. habe die Behörde einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 4 in Schubhaft anzuhalten sei, hievon unverzüglich niederschriftlich in Kenntnis zu setzen. Dies sei im vorliegenden Fall mit der Niederschrift vom 17. Juni 1996 geschehen, anläßlich der der Mitbeteiligten mitgeteilt worden sei, daß sie weiterhin in Schubhaft gehalten werde, weil von der chinesischen Botschaft noch kein "Ersatzdokument" für die Ausreise vorliege. Zum Zeitpunkt der nunmehrigen Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates sei davon auszugehen, daß ein solches Reisedokument auch nicht mehr innerhalb der der Fremdenbehörde noch zur Verfügung stehenden Zeit von weniger als zwei Monaten erlangt werden könne: Laut den Angaben der chinesischen Vertretungsbehörde lägen im Fall der Mitbeteiligten unwahre Identitätsangaben vor, diese Behauptung werde von der Fremdenbehörde nicht angezweifelt. Vor dem Hintergrund, daß selbst nach Feststehen der wahren Identität der Mitbeteiligten damit gerechnet werden müsse, daß die Ausstellung eines Heimreisezertifikates von der chinesischen Botschaft länger als zwei Monate in Anspruch nehme, sei bereits absehbar, daß das Ziel der Haft, die Abschiebung der Mitbeteiligten nach China, innerhalb der durch § 48 Abs. 4 Fremdengesetz begrenzten Zeit nicht mehr erreicht werden könne. Da § 48 Abs. 2 erster Satz Fremdengesetz ohne Ausnahme anordne, daß die Schubhaft unter anderem nur so lange aufrechterhalten werden dürfe, bis ihr Ziel nicht mehr erreicht werden könne, habe der Umstand, daß die Mitbeteiligte offenbar nicht ausreichend an der Feststellung ihrer Identität mitgewirkt habe, unbeachtlich zu bleiben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 53 Fremdengesetz gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zunächst ist klarzustellen, daß der Bescheid der belangten Behörde vom 27. August 1996 nach dem Rubrum der vorliegenden Beschwerde zwar "zur Gänze" angefochten wird, doch läßt sich aus dem weiteren Vorbringen der Beschwerde entnehmen, daß in Wahrheit nur jener Teil des Bescheides bekämpft wird, mit dem der Schubhaftbeschwerde der Mitbeteiligten Folge gegeben (und damit im Zusammenhang der Bund zum Kostenersatz verpflichtet wurde).

Gemäß § 48 Abs. 2 Fremdengesetz darf die Schubhaft nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 4 insgesamt nicht länger als 2 Monate dauern.

Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob im Beschwerdefall der Verlängerungsgrund des § 48 Abs. 4 Z. 2 Fremdengesetz (wenn ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil er an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht im erforderlichen Ausmaß mitwirkt) zum Tragen kam, weil die belangte Behörde jedenfalls auch die Z. 3 dieser Bestimmung (wenn ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil er die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt) heranzuziehen hatte. Zu Recht verweist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf, bei den Darlegungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, das Ziel der Haft, die Abschiebung der Mitbeteiligten nach China könne innerhalb der durch § 48 Abs. 4 Fremdengesetz begrenzten Zeit (insgesamt nicht länger als 6 Monate) nicht mehr erreicht werden, handle es sich um eine "bloße Vermutung" und sie seien daher gesetzwidrig: Mit ihren Ausführungen übersieht die belangte Behörde insbesondere, daß es im vorliegenden Beschwerdefall nicht darum ging, "erstmals" bei der chinesischen Botschaft um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für die Mitbeteiligte zu ersuchen, sondern daß dem die in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellten diesbezüglichen Bemühungen der Fremdenbehörde vorangingen, was nicht ohne weiteres gleichzusetzen sein wird. Der Schluß der belangten Behörde, die Abschiebung der Mitbeteiligten nach China könne innerhalb der durch § 48 Abs. 4 Fremdengesetz begrenzten Zeit nicht mehr erreicht werden (mit anderen Worten: die fristgerechte Erreichung dieses Zieles sei ausgeschlossen), erweist sich daher schon deshalb als rechtswidrig. Der von der belangten Behörde insoweit gezogene Schluß kann auch nicht aus dem in der Gegenschrift ins Treffen geführten Aktenvermerk vom 26. August 1996, betreffend ein Telefonat mit der chinesischen Botschaft in Wien, gezogen werden, weil sich auch aus diesem nicht ergibt, daß die fristgerechte Ausstellung eines Heimreisezertifikates hinsichtlich der Mitbeteiligten "ausgeschlossen" sei. Im übrigen ist der Verlängerungsgrund des § 48 Abs. 4 Z. 3 Fremdengesetz nicht isoliert zu sehen: Sollte nämlich die Ausstellung eines Heimreisezertifikates deshalb "ausgeschlossen " sein, weil der Fremde (hier: die Mitbeteiligte) an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht im erforderlichen Ausmaß mitgewirkt hat, so hat eben der Verlängerungsgrund des § 48 Abs. 4 Z. 2 Fremdengesetz Platz zu greifen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodaß er im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996020539.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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