TE Vfgh Erkenntnis 2021/3/3 UA1/2021-13

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Veröffentlicht am 03.03.2021
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art53 Abs3
B-VG Art138b Abs1 Z4
VO-UA §24, §25 §27
VfGG §7 Abs1, §56f

Leitsatz

Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage von E-Mails sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien von Bediensteten des Finanzministeriums an den Untersuchungsausschuss des Nationalrates betreffend die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss); Erforderlichkeit einer substantiierten Begründung bei Ablehnung der Vorlage der Akten und Unterlagen

Spruch

I. Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E. G., A. M. und G. B. sowie von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T. S., E. H.-S., M. K., B. P. und M. L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.

II. Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vorlage rein privater Dateien und Kommunikation sowie von E-Mails und elektronischen Dateien der Abteilung I/5 bezieht, die dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits vorgelegt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z4 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Bundesminister für Finanzen verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss

1.  die vollständigen E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];

2.  von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.]

aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen."

II. Rechtslage

1. Art53 und Art138b Abs1 Z4 B-VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."

"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;

[…]"

2. §56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:

"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss

des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen

Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen

zur Verfügung zu stellen

§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.

(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."

3. §106 des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lautet:

"§106. Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Immunitätsausschusses auf Einholung einer Entscheidung des Nationalrates im Sinne des §10 Abs3, Verlangen auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung gemäß §46 Abs2, Verlangen auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß §§84 Abs1 oder 85 sowie Anträge und Anfechtungen in Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach den Bestimmungen dieser Geschäftsordnung sind schriftlich mit den eigenhändigen Unterschriften der Abgeordneten an den Präsidenten zur weiteren verfassungsmäßigen Behandlung zu richten."

4. §24, §25 und §27 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975, idF BGBl I 99/2014 lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben."

"Ergänzende Beweisanforderungen

§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.

(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."

"Vorlage von Beweismitteln

§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß §24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §24 Abs4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß §26 Abs2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.

(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.

(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.

(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 oder Abs3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.

(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 beschließt.

(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 54 Mitglieder des Nationalrates haben am 11. Dezember 2019 ein – zur Gänze zulässiges (vgl VfGH 3.3.2020, UA1/2020) – Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses mit folgendem Untersuchungsgegenstand im Nationalrat eingebracht und dieses wie folgt begründet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unter-stellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die politi-sche Parteien direkt oder indirekt begünstigten, im Zuge der

a) Vollziehung der §§12a, 14 bis 16, 18 bis 24a, 30, 31, 31b Abs1 und 6 bis 9, sowie 57 bis 59 Glücksspielgesetz idjgF;

b) Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, ihre direkten oder indirekten EigentümerInnen sowie ihre Tochterunternehmen und jeweiligen Organ-walterInnen;

c) Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art10 Abs1 Z1, 4-6 und 8-12, Art11 Abs1 Z3 und 7, Art12 Abs1 Z1 und 5 sowie Art14b Abs1 B-VG idjgF;

d) Vollziehung der §121a BAO sowie Art1 §49a FinStrG idjgF in Bezug auf die in litb genannten Personen;

e) Umstrukturierung der Finanzaufsicht (BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe;

f) Bestellung von Organen (einschließlich Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführungen) von Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist;

g) straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und gegen die Casinos Austria AG, ihre direkten und indirekten EigentümerInnen sowie Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen

einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 10. Dezember 2019

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. Managementscheidungen bei der Casinos Austria AG

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren zur Besetzung von Funktionen in der Casinos Austria AG und ihren Tochterunternehmen sowie die Kommunikation zwischen den Eigentümern der CASAG bzw Mitgliedern der Gesellschaftsgremien sowie Amtsträgern. Dazu zählt die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, die Willensbildung sowie die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Eignung bei der Bestellung der GeschäftsleiterInnen (insbesondere Peter Sidlo) sowie des Aufsichtsrates der CASAG, die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen der Republik sowie die in Folge des Bekanntwerdens der Ermittlungen der WKStA getroffenen Maßnahmen.

2. Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes

Aufklärung über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, die Vorgangsweise und die politische Einflussnahme auf die Vollziehung des Glücksspielgesetzes sowie die Vorbereitung möglicher Gesetze im Glücksspielbereich einschließlich der Bemühungen von Dritten um bestimmte Handlungen seitens der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder ('Hintergrunddeals').

3. Begünstigung von Dritten

Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen, leiten-den Bediensteten sowie deren jeweiligen Büros auf die Vollziehung von Angelegenheiten betreffend Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstigten einschließlich diese betreffende behördliche Ermittlungen sowie der Umgang mit Ansuchen um privilegierte Behandlung durch diesen Personenkreis.

4. Neustrukturierung der Finanzaufsicht

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren in Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht, insbesondere den Kompetenzverschiebungen zwischen BMF, FMA und OeNB und die Neubesetzung der jeweiligen Organe. Dazu zählt auch die (versuchte) Einflussnahme Dritter auf die Reformüberlegungen.

5. Ermittlungen in der Ibiza-Affäre

Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangs-weise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos einschließlich der Tätigkeiten und Zusammen-setzung der SOKO Ibiza.

6. Beteiligungsmanagement des Bundes

Aufklärung über die Einflussnahme der Bundesregierung auf die ÖBIB bzw ÖBAG, die Hintergründe, Strategien und Motive der Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG und die verwaltungsseitige Vorbereitung der entsprechenden Gesetzesnovellen sowie Aufklärung über das Funktionieren des Beteiligungsmanagements des Bundes.

7. Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen

Aufklärung über die Beeinflussung von Personalentscheidungen in Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG, sowie von Mitgliedern von Aufsichtsräten als mögliche Gegenleistung oder Belohnung für die direkte oder indirekte Begünstigung politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

8. Verdacht des Gesetzeskaufs

Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren – sofern es der Vollziehung zuzurechnen ist - einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünstigung bestimmter politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

[…]

Begründung

'Die Novomatic zahlt alle' – Es ist dieser Satz, gesprochen vom damaligen FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache im Ibiza-Video, der im Zentrum des Untersuchungsgegenstands steht. Der Verdacht steht im Raum, dass damals in der Theorie formuliert wurde, was später, als die FPÖ in die Regierung kam, gemeinsam mit der ÖVP umgesetzt werden sollte. Gegenwärtig ermittelt nach dem Ende einer türkis-blauen Regierung die Staatsanwaltschaft – wegen des Verdachtes von Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch.

Die Verdachtslage erhärtete sich bei der Bestellung des FPÖ-Bezirksrates Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Laut Medienberichten und veröffentlichten Chatprotokollen steht der Verdacht im Raum, dass der Novomatic gegen Geld (Spende an FPÖ-Mandatar) und Postenvergabe (Einsatz für Sidlo) bessere gesetzliche Rahmenbedingungen (Casinokonzessionen) in Aussicht gestellt wurden – hier besteht also der Verdacht des Gesetzeskaufs.

Die Causa Casinos könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Der nun verlangte Untersuchungsausschuss hat zum Ziel, die politische Verantwortung der türkis-blauen Bundesregierung zu klären. Vor allem muss im Sinne demokratischer Kontrolle geklärt werden, ob neben den bislang bekannten Fällen noch weitere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung nur deswegen getroffen wurden, weil illegale Geldflüsse und/oder Postenvergaben versprochen wurden.

Zum Untersuchungsgegenstand im Besonderen:

Zum bestimmten, abgeschlossenen Vorgang:

Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären[…]. Der hier zu untersuchende Vorgang besteht in seinem Kern aus der politischen Absprache über eine ungebührliche Bevorteilung von Dritten in ausgewählten Bereichen der Vollziehung des Bundes. Eine solche Absprache zur Bevorteilung erfolgt auf Grund einer bestimmten politischen Motivlage, ohne deren Kenntnis gewisse Sachverhalte nicht hinreichend erklärt oder überhaupt als Bestandteil eines inhaltlichen Komplexes erkannt werden können. Erst durch die Offenlegung der Motivlage – im konkreten Fall das Erbringen einer Gegenleistung für die vorausgegangene Begünstigung politischer Parteien – erhalten diese Vollziehungshandlungen ihren größeren Sinn und werden als Teile eines gemeinsamen Vorgangs erkennbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Existenz einer solchen Motivlage nicht freiwillig offenbart wird, sondern im Gegenteil erst durch entsprechende Untersuchungen aufgeklärt werden muss.

Zu diesem Zweck ist der Untersuchungsgegenstand zunächst mit dem Verdacht der politischen Absprache zum Zweck der ungebührlichen Vorteilsgewährung bestimmt und wird sodann auf Grund der bestehenden Informationen auf einzelne Vollziehungsbereiche eingegrenzt. Diese in den lita bis g genannten Bereiche geben die zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Verlangens öffentlich bekannten Verdachtsmomente wieder. Das Verlangen umschreibt so jene Bereiche der Vollziehung, in denen sich die abgesprochene Vorteilsgewährung manifestiert haben soll. Es handelt sich dabei um Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind (insb. Art10 Abs1 Z1 B-VG) bzw Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes darstellen.

Politische Absprache erfasst die Kommunikation und die Abstimmung von Hand-lungen von Mitgliedern der Bundesregierung, ihren Büros und unterstellten Bediensteten mit dem Ziel, ein gewisses Ergebnis zu erzielen. Die Feststellung der tatsächlichen Existenz der Absprache zur ungebührlichen Vorteilsgewährung ist Teil der Untersuchung und obliegt daher ausschließlich dem Untersuchungsausschuss selbst. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ergründung der Motivlage im Bereich der Aufklärung über die politische Verantwortung zu verorten ist. Im Zuge der Vorlage von Beweismitteln ist von den vorlagepflichtigen Organen somit in Einklang mit der Judikatur des VfGH lediglich zu prüfen, ob Akten und Unterlagen eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand haben könnten.

Die Wendung 'ungebührliche Vorteile' stellt einen Überbegriff für verschiedene Formen der Privilegierung dar. Der für die Untersuchung relevante Bereich kann sich daher von der Übernahme bestimmter Inhalte in der Vorbereitung der Gesetzgebung, der Auswahl bestimmter Personen für Funktionen, dem Verzögern oder Beschleunigen gewisser Verfahren bis zur Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren erstrecken. Entscheidend ist die Eignung, bestimmte natürliche oder juristische Personen im Vergleich mit anderen zu privilegieren. Tatsächliche Unsachlichkeit der unterschiedlichen Behandlung oder Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich, um vom Untersuchungsgegenstand erfasst zu sein.

Entscheidende Akteure sind auf Seite der Verwaltung die Mitglieder der Bundes-regierung sowie Staatssekretäre in der Zeit der Regierung Kurz sowie deren KabinettsmitarbeiterInnen und Generalsekretäre. Hier gilt es zu klären, ob sie zusammengewirkt haben, um ein gewisses, Dritte begünstigendes Ergebnis zu erzielen.

Auf Grund der bisherigen Berichterstattung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diesen unterstellte leitende Bedienstete bei der Vorteilsgewährung eine wesentliche Rolle einnahmen. Ihnen muss zumindest eine gewisse Ingerenz auf das Verwaltungshandeln zukommen, da sonst jedenfalls eine abstrakte Eignung fehlt, um zum untersuchenden Vorgang beizutragen. Leitende Bedienstete werden daher ausdrücklich miteinbezogen. Nicht-leitende Bedienstete sind vom jeweils zuständigen Organ nichtsdestotrotz im Rahmen der Beweisanforderung aufzufordern, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (siehe dazu VfgH UA1/2018 und UA3/2018).

Akteure auf dritter Seite sind natürliche oder juristische Personen, die eine politische Partei oder WahlwerberInnen direkt oder indirekt begünstigten. Sie sind mögliche Nutznießer einer Privilegierung. In der Regel wird in diesem Zusammenhang eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Situation erforderlich sein. In der Zielgerichtetheit der Vorteilszuwendung liegt die Abgrenzung zu normalem politischem Handeln.

Die zeitliche Abgrenzung erfolgt mit der Angelobung der Regierung Kurz am 18. Dezember 2017 und endet mit 10.12.2019. Das ist jener Tag, an dem eine außerordentliche Hauptversammlung der CASAG zur Abberufung von Peter Sidlo anberaumt war und der Verkauf der CASAG-Anteile der Novomatic an die Sazka Gruppe bekannt gegeben wurde. Der Vorgang ist somit abgeschlossen.

Vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind auch Vorbereitungs- sowie Verdunkelungshandlungen. Die Festlegung einer fortlaufenden Beweisvorlagepflicht im grundsätzlichen Beweisbeschluss wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen.

Zu lita:

Diese Formulierung schafft die Grundlage für die Aufklärung zu den Beweisthemen 1 und 2.

Die Vollziehung der genannten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes umfasst insbesondere die Wahrnehmung der Aufsicht durch den Bundesminister für Finanzen in Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen, die Beteiligungsverhältnisse und die fachlichen Anforderungen an Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sowie die abgabenrechtlichen Bestimmungen. Es sind in der Aufzählung all jene Bestimmungen genannt, die in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Ermittlungen der WKStA genannt sind. Nicht umfasst ist unter anderem die Vollziehung der Strafbestimmungen, da bezirksverwaltungsbehördliche Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz von vornherein dem Austauschverhältnis unzugänglich sind, das dem Untersuchungsgegenstand zu Grunde liegt. Die (versuchte) Beeinflussung des Bundesministers für Finanzen wäre wiederum über den Verweis auf §19 leg cit sehr wohl erfasst.

Zu litb:

Mit politischer Einflussnahme auf die CASAG sowie die in wirtschaftlicher Beziehung zu ihr stehenden Unternehmen ist in einem weiteren Sinne die Verwaltung des Glücksspielsektors zu verstehen, einschließlich der Kommunikation von Organen des Bundes mit am Glücksspielsektor Interessierten und umgekehrt sowie das Beteiligungsmanagement des Bundes in diesem Bereich.

Unter direkte oder indirekte EigentümerInnen sind sowohl natürliche als auch juristische Personen zu verstehen, die im Untersuchungszeitraum entweder direkt Anteile an der CASAG hielten oder dies über zwischengeschaltete Personen – selbst wenn über mehrere Ebenen – taten (Mutter-Tochter- und Schachtel-Konstruktionen). Also auch jene Personen, die EigentümerInnen der EigentümerInnen usw waren. Tochterunternehmen sind jene der CASAG, also insbesondere die Casinos Austria International und die Österreichischen Lotterien, aber auch die Medial Beteiligungs-Gesellschaft m.b.H. ('MEDIAL'). OrganwalterInnen sind alle Vorstände, Aufsichtsräte, GeschäftsführerInnen, usw, je nach Rechtsform, über die Dauer des Untersuchungszeitraumes. Die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Untersuchungszeitraumes genügt.

Zu litc:

Diese Formulierung dient als Grundlage für die Aufklärung über den Vorwurf des Gesetzeskaufs. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens zählt insbesondere die ressortinterne legistische Vorbereitung von der entsprechenden Kommunikation zwischen BundesministerIn, dem Kabinett bzw Generalsekretär und der zuständigen Abteilung bis hin zum Ministerialentwurf, die Kommunikation innerhalb der Bundesregierung und zwischen unterschiedlichen Ressorts sowie mit Dritten zum jeweiligen Gesetzesvorhaben, die Einholung von externer Expertise und die weitere Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens.

Es sind nur jene Gesetzgebungsverfahren erfasst, die unter die angegebenen Kompetenztatbestände fallen. Es handelt sich um jene Gesetzgebungskompetenzen, bei denen auf Grund der bisherigen Berichterstattung bzw auf Grund der mit dem jeweiligen Regelungsbereich zwangsläufig verbundenen wirtschaftlichen Interessen das Bestehen des im Untersuchungsgegenstand beschriebenen Austauschverhältnisses denkmöglich ist. Ausgenommen sind demgegenüber alle sicherheitspolitischen Gesetzgebungskompetenzen, das Bildungswesen, das Dienstrecht sowie auswärtige Angelegenheiten.

Von den 117 Regierungsvorlagen der XXVI.GP sind daher geschätzt 60% vom Untersuchungsgegenstand umfasst. Sehr wohl umfasst sind ReferentInnen- und Ministerialentwürfe, selbst wenn diese schlussendlich niemals der Bundesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt wurden.

Zu litd:

Die genannten Bestimmungen der BAO bzw des FinStrG regeln die Meldung von Schenkungen ab gewissen Wertgrenzen an das zuständige Finanzamt bzw die Sanktionen bei Verstößen gegen diese Meldepflicht. Schenkungen an Personen in oder im Umfeld von politischen Parteien bilden eine mögliche Umgehung der gesetzlichen Spendenverbote bzw vorgeschriebenen Transparenzbestimmungen. Auf Grund der Verdachtsmomente in Hinblick auf in Angelegenheiten des Glücksspiels involvierte Personen soll die Vollziehung der Schenkungsmeldungen für diesen beschränkten Personenkreis Teil der Untersuchung sein.

Zu lite:

Ab ihrer Angelobung bereitete die türkis-blaue Bundesregierung eine Reform der Finanzaufsicht vor. Dabei sollte es zu Kompetenzverschiebungen zwischen der Finanzmarktaufsicht, dem BMF und der Oesterreichischen Nationalbank kommen. Außerdem wurden die Organe der Oesterreichischen Nationalbank und der FMA neu bestellt. Der medialen Berichterstattung war in diesem Zeitraum zu entnehmen, dass zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen getroffen wurden, die jenen bei der Casinos Austria AG stark ähneln. Daher wird dieser Bereich ausdrücklich in den Untersuchungsgegenstand einbezogen und als Beweisthema 4 geführt. Umfasst sind alle Vorarbeiten, Verfahren und Entscheidungen für die Reform der Finanzaufsicht sowie für die Bestellung der Organe.

Zu litf:

Der Bund ist neben der Casinos Austria AG an einer Vielzahl von Unternehmungen direkt oder indirekt beteiligt. Mehrere Personalentscheidungen der türkis-blauen Bundesregierung erweckten den Eindruck, dass diese als Gegenleistung für die Begünstigung politischer Parteien erfolgten. Die Formulierung beschränkt sich absichtlich nicht auf die tatsächliche Ausübung der Eigentümerrechte, sondern umfasst auch informelles Vorgehen von Organen des Bundes, insbesondere dort, wo keine direkte Beteiligung des Bundes besteht. Die Einflussnahme von Organen des Bundes auf die ÖBAG ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Von der Formulierung nicht erfasst sind Anstalten, Stiftungen und Fonds des Bundes.

Zu litg:

Ziel der Untersuchungen zu diesem Beweisthema ist es, festzustellen, ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden in solchen Verfahren von politischer Seite beeinflusst wurden, um etwa die politische Absprache der ungebührlichen Begünstigung zu verdunkeln.

Diese Formulierung umfasst zwei Fälle: einerseits all jene straf- und disziplinar-rechtlichen Ermittlungen, einschließlich verwaltungsstrafrechtlicher Ermittlungen, die egal aus welchem Grund (von Amts wegen, auf Grund von Anzeigen oder Privatanklagen) in Folge des Ibiza-Videos geführt werden, unabhängig davon, ob diese bereits eingestellt oder auf andere Art erledigt wurden oder nicht. Exemplarisch zu nennen sind die Verfahren gegen Hartwig Löger, Heinz-Christian Strache, Markus Tschank, Johann Gudenus sowie die 'Drahtzieher' des Ibiza-Videos. Andererseits sind Fälle von Ermittlungen umfasst, die gegen die Casinos Austria und deren direkte oder indirekte EigentümerInnen (insbesondere Medial, ÖBAG, Novomatic) sowie OrganwalterInnen geführt werden. Entscheidender Zeitrahmen für die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn ist jeder beliebige Zeitpunkt innerhalb des Untersuchungszeitraums. Somit sind auch die EigentümerInnen der EigentümerInnen sowie die OrganwalterInnen der Eigentümergesellschaften und so weiter sowie Personen umfasst, die zwar am 18.12.2017 EigentümerIn oder OrganwalterIn waren, jedoch nicht mehr am 10.12.2019. Nur durch die Kenntnis dieser Verfahren kann die Aufklärung darüber gelingen, ob es politische Einflussnahmeversuche gab."

1.2. In dem vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 22. Jänner 2020 gefassten und dem Bundesminister für Finanzen am 27. Jänner 2020 zugestellten grundsätzlichen Beweisbeschluss werden ua die Mitglieder der Bundesregierung (und damit auch der Bundesminister für Finanzen) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des (damals eingeschränkten) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet genannt.

1.3. Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2020, UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 9. März 2020 einen ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, der dem Bundesminister für Finanzen am 17. März 2020 zugestellt wurde und ihn (wiederum als Mitglied der Bundesregierung) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des (nunmehr dem Einsetzungsverlangen uneingeschränkt entsprechenden) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet nennt.

1.4. Der Bundesminister für Finanzen hat dem Ibiza-Untersuchungsausschuss auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und auf Grund des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses wiederholt Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand vorgelegt. Dazu zählten auch E-Mails der Bediensteten der Gruppe I/B "Beteiligung und Services" sowie der Abteilungen I/5 "Beteiligungen und Liegenschaften" und I/8 "Organisation der Steuer- und Zollverwaltung; Glücksspiel".

1.5. Mit Verlangen vom 30. September 2020 wurde der Bundesminister für Finanzen (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen näher bezeichnete Akten und Unterlagen vorzulegen.

1.6. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 hat der Bundesminister für Finanzen nach Durchführung der verlangten Erhebungen eine "Leermeldung" erstattet.

1.7. Auf Nachfrage der Parlamentsdirektion hat der Bundesminister für Finanzen mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 ua mitgeteilt, er habe zur Feststellung des Umfanges der Vorlageverpflichtung iSd Art53 Abs3 B-VG den grundsätzlichen und den ergänzenden Beweisbeschluss sowie das oben erwähnte Verlangen vom 30. September 2020 dahingehend interpretiert, dass nur all jene Akten und Unterlagen vorzulegen seien, die in unmittelbarem, materiellem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden. Erhebungen hätten ergeben, dass solche Unterlagen bereits in den bisherigen Lieferungen vollständig vorgelegt worden seien.

1.8. Mit Verlangen vom 11. November 2020 wurde das oben erwähnte Verlangen vom 30. September nahezu wortgleich wiederholt und der Bundesminister für Finanzen zusätzlich darauf hingewiesen, dass eine eigenständige, einschränkende Interpretation der ergänzenden Beweisanforderung nicht zulässig sei, sodass alle Akten und Unterlagen vorzulegen seien, die von zumindest abstrakter Relevanz im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand sein könnten.

1.9. In seinem Schreiben vom 25. November 2020 hat der Bundesminister für Finanzen sein Schreiben vom 23. Oktober 2020 nahezu wortgleich wiederholt.

1.10. In der 29. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am 13. Jänner 2021 wurde der Bundesminister für Finanzen gemäß §27 Abs4 VO-UA aufgefordert,

"binnen zwei Wochen seiner Verpflichtung zur Vorlage folgender Akten und Unterlagen nachzukommen:

1.     Alle Akten und Unterlagen, die seit dem 11.12.2019 mit Bezug auf den Untersuchungszeitraum erstellt wurden, insbesondere Briefings für den Bundesminister und sein Kabinett und Beantwortungen parlamentarischer Anfragen;

2.     Alle Akten und Unterlagen in Zusammenhang mit den Sitzungen des ÖBIB-Nominierungskomitees im Jahr 2018;

3.     Aufzeichnungen über den Zutritt von H[.] N[.], J[.] P[.], B[.] G[.]-K[.], W[.] R[.] in Amtsräume des BMF sowie alle Akten und Unterlagen, die Informationen über Inhalt und TeilnehmerInnen der von ihnen wahrgenommenen Termine enthalten;

4.     Vollständige E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];

5.     nicht-veraktete Unterlagen wie insbesondere handschriftliche Notizen, Entwürfe, Handakten und Vermerke der Abteilung I/5;

6.     Sicherung des E-Mail-Postfachs von B[.] S[.];

7.     Von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.];

8.     Vollständiges E-Mail-Postfach von E[.] M[.].[…]

Begründung

Der Bundesminister für Finanzen wurde in der 23. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen verpflichtet. Die Beweisanforderung lautete:

'Der Bundesminister für Finanzen wird gemäß §25 Abs2 VO-UA verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss folgende Akten und Unterlagen vorzulegen, die von zumindest abstrakter Relevanz in Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand sein könnten:

1.  Alle Akten und Unterlagen, die seit dem 11.12.2019 mit Bezug auf den Untersuchungszeitraum erstellt wurden, insbesondere Briefings für den Bundesminister und sein Kabinett und Beantwortungen parlamentarischer Anfragen;

2.  Alle Akten und Unterlagen in Zusammenhang mit den Sitzungen des OBIB-Nominierungskomitees im Jahr 2018;

3.  Aufzeichnungen über den Zutritt von H[.] N[.], J[.] P[.], B[.] G[.]-K[.], W[.] R[.] in Amtsräume des BMF sowie alle Akten und Unterlagen, die Informationen über Inhalt und TeilnehmerInnen der von ihnen wahrgenommenen Termine enthalten;

4.  Vollständige E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E[.] G[.], A[.] M[.] und G[.] B[.];

5.  nicht-veraktete Unterlagen wie insbesondere handschriftliche Notizen, Entwürfe, Handakten und Vermerke der Abteilung I/5

6.  Sicherung des E-Mail-Postfachs von B[.] S[.];

7.  Von Bediensteten des BMF empfangene E-Mails von T[.] S[.], E[.] H[.]-S[.], M[.] K[.], B[.] P[.] und M[.] L[.];

8.  Vollständiges E-Mail-Postfach von E[.] M[.].

Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom 9.3.2020 (vgl 4/KOMM XXVII.GP) sind anzuwenden. Die Vorlagefrist beträgt zwei Wochen.'

Mit Schreiben vom 25.11.2020 teilte der Bundesminister für Finanzen seine Ansicht mit, wonach alle angeforderten Akten und Unterlagen bereits übermittelt worden seien. Weitere Begründungen für eine Nichtvorlage enthielt das Schreiben nicht.

Nach Überprüfung der bisherigen Lieferungen des Bundesministers für Finanzen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss ergibt sich jedoch eindeutig, dass die angeforderten Akten und Unterlagen nur in sehr eingeschränktem Ausmaß (in Hinblick auf die Z1, 2 und 7 und auch dort nur teilweise) vorgelegt wurden, obwohl die Relevanz der diesbezüglichen Akten und Unterlagen vom Untersuchungsausschuss im Einzelnen dargelegt wurde.

Der Bundesminister für Finanzen ist daher seiner Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands nicht bzw ungenügend nachgekommen."

1.11. Mit Schreiben vom 28. Jänner 2021 hat der Bundesminister für Finanzen mitgeteilt, er habe sämtliche im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehenden Akten und Unterlagen übermittelt; es sei keinerlei Einschränkung in der Erhebung der Daten erfolgt.

Zu den Aufzeichnungen über den Zutritt von Personen im Untersuchungszeitraum werde mitgeteilt, dass – auch nach neuerlicher Prüfung – diese im Bundesministerium für Finanzen nicht aufliegen würden. In Übereinstimmung mit den datenschutzrechtlichen Bestimmungen würden derartige personenbezogene Daten im Bundesministerium für Finanzen nicht gespeichert.

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses sei durch die Personalabteilung mit dem Austrittsdatum eine Terminierung der Stammdaten in PM-SAP durchzuführen. Nach dieser Terminierung sei der Status der Benutzerkennung in Kompass unverzüglich auf "Ausgeschieden" zu setzen, wodurch eine Löschung der Benutzerkennung sowie sämtlicher Rollen und Rechte in Kompass erfolge. Die Löschung der Daten, Mailboxen etc. ergebe sich konsequent aus dieser Regelung.

Das nationale Recht verpflichte vorlagepflichtige Organe insoweit zur Übermittlung von Akten und Unterlagen an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, als diese vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, sohin abstrakt geeignet seien, der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes zu dienen. Soweit Akten oder Unterlagen diese Voraussetzungen nicht erfüllten, bestehe keine Vorlageverpflichtung. Im Fall, dass personenbezogene Daten von natürlichen Personen betroffen seien, wäre die Übermittlung von Akten und Unterlagen, die in keinem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden, datenschutzrechtlich nicht zulässig, weil das nationale Recht nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dem vorlagepflichtigen Organ die Prüfung auferlege, ob die jeweiligen Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand gedeckt seien und daher die Übermittlung der Daten an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss auch nur in diesem Umfang durch die Verordnung 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – in der Folge: DSGVO), ABl. L 119, 1, gedeckt sei.

2. Die Einschreiter begründen ihren auf Art138b Abs1 Z4 B-VG gestützten Antrag wie folgt:

2.1. Zur Zulässigkeit:

2.1.1. Die antragstellenden Abgeordneten seien Mitglieder des Ibiza-Untersuchungsausschusses und würden gemeinsam mehr als ein Viertel seiner 13 Mitglieder verkörpern. Der Antrag werde am 11. Februar 2021 und somit nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach-)Frist des §27 Abs4 VO-UA gestellt. Die zweiwöchige Frist des §56f Abs1 VfGG sei zu diesem Tag noch nicht abgelaufen.

2.1.2. Die Einhaltung der Bestimmung des §106 GOG-NR bilde keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (vgl VfGH 3.3.2020, UA1/2020 mwN; vgl auch VfSlg 16.752/2002 zu einem Verfahren nach [nunmehr] Art140 Abs1 Z2 B-VG).

2.2. In der Sache begründen die Einschreiter ihren Antrag wie folgt:

2.2.1. Zu den vollständigen E-Mail-Postfächern sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der namentlich genannten Bediensteten der Abteilung I/5:

Bei den begehrten Akten und Unterlagen handle es sich um elektronische Dateien von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen, die auf Grund dessen Geschäftsverteilung für die Beteiligungsverwaltung zuständig seien, entsprechende Leitungsfunktion im Hinblick auf die Beteiligungsverwaltung hätten oder für den Bund entsprechende Aufgaben in ausgegliederten Unternehmungen oder Unternehmungen wahrnehmen würden, an denen der Bund Anteile halte. Allein schon deshalb bestehe angesichts des weit formulierten Untersuchungsgegenstandes kein Zweifel daran, dass diese Akten und Unterlagen zumindest eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand hätten bzw haben könnten; es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Akten und Unterlagen der Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss mit dem Untersuchungsgegenstand übertragenen Kontrollauftrages dienen könnten (vgl VfGH 14.9.2018, UA1/2018).

2.2.2. Zu den von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangenen E-Mails von namentlich genannten Personen:

Es handle sich dabei um Korrespondenz von (ehemaligen) KabinettsmitarbeiterInnen des damaligen Bundesministers für Finanzen. Wie der Bundesminister für Finanzen in seinem Schreiben vom 28. Jänner 2021 ausführe, würden E-Mail-Postfächer von ausgeschiedenen Bediensteten gelöscht. MitarbeiterInnen des Kabinetts komme jedoch in der täglichen Verwaltungspraxis eine wesentliche Rolle zu, weil davon auszugehen sei, dass diese den Willen des Bundesministers überbringen würden. Die Relevanz ihrer Korrespondenz mit Bediensteten des Bundesministeriums für den Untersuchungsgegenstand sei daher evident; schließlich bilde die mögliche Begünstigung von Dritten durch den jeweiligen Bundesminister und ihm direkt unterstellte Bedienstete einen wesentlichen Bestandteil des Untersuchungsgegenstandes, die sich gerade eben in solcher Korrespondenz manifestieren würde. Es sei somit auch in diesem Fall nicht ausgeschlossen, dass diese Akten und Unterlagen der Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss mit dem Untersuchungsgegenstand übertragenen Kontrollauftrages dienen könnten.

2.2.3. Zur Einhaltung der Behauptungs- und Begründungspflicht durch den Bundesminister für Finanzen:

In seiner Verweigerung der Aktenvorlage verweise der Bundesminister für Finanzen pauschal darauf, dass die vom Untersuchungsausschuss begehrten Akten und Unterlagen nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden.

Bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass das Vorbringen, Akten und Unterlagen seien nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst, hinreichend detailliert zu begründen sei und eine entsprechende bloße Behauptung nicht ausreiche.

Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §56f Abs3 VfGG, über eine Meinungsverschiedenheit ua zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates und einem informationspflichtigen Organ über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen nach vollständiger Einbringung des Antrages) zu entscheiden, sowie der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl §53 VO-UA) habe das vorlagepflichtige Organ seiner bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der zurückgehaltenen Akten und Unterlagen für den Untersuchungsgegenstand bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber nachzukommen, um zunächst dem Untersuchungsausschuss eine Überprüfung und allfällige Bestreitung der Argumentation zu ermöglichen und diese einer etwaigen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterziehen zu können (vgl VfGH 2.12.2020, UA3/2020).

Da der Bundesminister für Finanzen seiner diesbezüglichen Begründungspflicht im Hinblick auf die von den Antragstellern begehrten Akten und Unterlagen nicht nachgekommen sei, sei er zur Vorlage dieser Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss verpflichtet.

2.2.4. Zum Umfang der Vorlagepflicht:

Einem vorlagepflichtigen Organ sei es nicht gestattet, die Informationsbeschaffung eines Untersuchungsausschusses etwa durch tatsächliche Verweigerung oder bewusst einschränkende Interpretation des Untersuchungsgegenstandes zu behindern, von Bedingungen abhängig zu machen oder die bloße, nicht näher begründete (pauschale) Behauptung des Nichtbestehens einer Vorlagepflicht entgegenzuhalten (vgl auch VfSlg 19.910/2014 zu einem Verfahren nach Art126a B-VG mwN). Ansonsten würde das verfassungsgesetzlich eingeräumte Recht des Nationalrates, umfassend Informationen zu erlangen, ins Leere laufen.

Der Verfassungsgerichtshof habe bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.973/2015 ausgeführt:

"Dem Nationalrat werden in Art53 B-VG (Abschnitt 'E. Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes' des zweiten Hauptstückes des B-VG ['Gesetzgebung des Bundes']) besondere Möglichkeiten eingeräumt, durch die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses Informationen zu erlangen, die zur Wahrnehmung der der gesetzgebenden Körperschaft von der Verfassung übertragenen Kontroll- und Gesetzgebungsfunktion notwendig sind. Ziel des Untersuchungsausschusses ist die Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken (AB 439 BIgNR 25. GP, 2). Die Aufgabe, die die Bundesverfassung dem Nationalrat damit überträgt, begrenzt die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Mit seiner Einsetzung wird auch der Untersuchungsgegenstand festgelegt.

[...] Ohne Kenntnis aller Akten und Unterlagen 'im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung' (Art53 Abs3 B-VG) ist die Erfüllung des dem Untersuchungsausschuss verfassungsgesetzlich übertragenen Kontrollauftrages nicht möglich (vgl im Zusammenhang mit dem Prüfauftrag des Rechnungshofes schon VfSlg 4106/1961)."

Der Bundesminister für Finanzen habe die ergänzende Beweisanforderung vom 11. November 2020 unzulässig einschränkend interpretiert. Er habe entgegen der ausdrücklichen Feststellung in der Beweisanforderung, nach der die genannten Akten und Unterlagen aus Sicht des Untersuchungsausschusses von abstrakter Relevanz seien, die Aktenvorlage auf jene Akten und Unterlagen beschränkt, die aus seiner Sicht in unmittelbarem, materiellem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stünden. Damit habe er auch außer Acht gelassen, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten habe, dass es für eine Vorlagepflicht genüge, wenn Akten und Unterlagen zumindest eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand hätten bzw haben könnten (VfGH 14.9.2018, UA1/2018).

Der Bundesminister für Finanzen habe somit die Informationserlangung des Untersuchungsausschusses rechtswidrig behindert.

2.2.5. Zur Relevanz der begehrten Akten und Unterlagen für die Untersuchung:

Der Untersuchungsausschuss habe die Relevanz der begehrten Akten und Unterlagen in der ergänzenden Beweisanforderung für die Untersuchung konkret und im Einzelnen begründet. Umfänglich seien die Anforderungen auf jene Bediensteten beschränkt, die auf Grund der bisherigen Aktenlage als wesentlich für die Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss erachtet würden und einen offenkundigen Bezug zum Untersuchungsgegenstand hätten. Somit sei bewusst darauf verzichtet worden, von weiteren Bediensteten der für das Beteiligungsmanagement zuständigen Gruppe bzw Abteilung die vollständigen E-Mail-Postfächer und sonstige elektronische Dateien anzufordern, weil deren Bezug zum Untersuchungsgegenstand zum Zeitpunkt der Beweisanforderung nicht erkennbar gewesen sei (vgl VfSlg 19.910/2014 zu einem Verfahren nach Art126a B-VG).

Aus dem Untersuchungsgegenstand, der ausdrücklich die Begünstigung von Dritten nenne, ergebe sich, dass auch die Korrespondenz der betroffenen Personen mit Dritten von der Beweisanforderung erfasst sein müsse, um dem Kontrollauftrag des Untersuchungsausschusses nachzukommen.

Ebenso sei es für die Erfüllung des Kontrollauftrages erforderlich, Einsicht in die vollständigen Postfächer der genannten Personen im Untersuchungszeitraum zu erhalten, weil nur dadurch im Fremdvergleich Abweichungen von Regelprozessen, Mängel in der Dokumentation sowie informelle Verbindungen bzw Verpflichtungen zu Dritten, die auf die vom Untersuchungsgegenstand erfassten Themen zurückwirken würden, erkannt werden könnten. Im Verlauf der bisherigen Tätigkeit des Untersuchungsausschusses habe sich gezeigt, dass insbesondere im Zuge von informellen Treffen bzw auf Grund von Umständen, wie zufälliger Sitznachbarschaft in Gremien oder Veranstaltungen, die Grundlage für Handlungen gelegt worden sei, die im Kern des Untersuchungsgegenstandes stünden. Das Verständnis der Einflussnahme auf Vollziehungshandeln erschließe sich jedoch erst mit der Kenntnis der zwischen den betroffenen Personen bestehenden Verbindung. Somit sei es zur Erfüllung des Kontrollauftrages des Untersuchungsausschusses erforderlich, ein Gesamtbild der Interaktionen (persönlich oder elektronisch) der als maßgeblich beurteilten Personen zu erhalten bzw umgekehrt die Kenntnis über persönliche Verbindungen, die sich etwa aus den im Zuge von Strafverfahren sichergestellten Daten ergebe, mit der tatsächlichen Verwaltungstätigkeit zu vergleichen.

Nachdem es sich durchwegs um dienstliche E-Mail-Postfächer handle, könne auch ausgeschlossen werden, dass reine Privatangelegenheiten betroffen seien.

2.2.6. Zum Einwand des Bundesministers für Finanzen, dass die DSGVO eine Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss verbiete:

Dieser Einwand sei unberechtigt.

Zum einen bestehe außerhalb des Untersuchungsgegenstandes keine rechtliche Grundlage für die Übermittlung von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss. Der Untersuchungsgegenstand begründe und begrenze die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Eine Übermittlung von Akten und

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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