TE Vwgh Beschluss 2021/2/3 Ra 2020/03/0121

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Veröffentlicht am 03.02.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/10 Grundrechte
20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
93 Eisenbahn

Norm

AVG §59 Abs1
AVG §68 Abs1
EisbEG 1954 §11
EisbEG 1954 §17
EisbEG 1954 §2
EisbEG 1954 §3 Abs1
EisbEG 1954 §37
EisbEG 1954 §37 Abs1
EisenbahnG 1957 §18b
StGG Art5
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und den Hofrat Dr. Lehofer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des G F in D, vertreten durch Mag. Astrid Roblyek, Rechtsanwältin in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, St. Veiter Ring 35/DG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 10. Juli 2020, Zl. KLVwG-1976/21/2019, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbEG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Kärnten; mitbeteiligte Partei: Ö AG in W, vertreten durch die Tautschnig Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Villacher Straße 1A/7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 21. August 2019 verfügte der Landeshauptmann von Kärnten zugunsten der Mitbeteiligten zum Zweck des Baues einer näher genannten Eisenbahn-Hochleistungsstrecke die Enteignung einer Teilfläche eines näher genannten Grundstücks des Revisionswerbers und setzte die Höhe der Enteignungsentschädigung fest (Spruchpunkt I.). Die weiteren Spruchpunkte betrafen die Verpflichtung der Mitbeteiligten zum Kostenersatz (Spruchpunkt II.), die Ab- bzw. Zurückweisung von Einwendungen, Anträgen und sonstigen Vorbringen (Spruchpunkt III.) sowie die Entscheidung über Sachverständigengebühren und Verwaltungsabgaben (Spruchpunkt IV.).

2        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die vom Revisionswerber gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, mit Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 31. Juli 2013 sei für den Einreichabschnitt Mittler - Althofen/Drau von km 92,970 - km 111,979 der Hochleistungsstrecke Koralmbahn Graz - Klagenfurt und der Bestandsstrecke Bleiburg - Innichen von km 90,670 - km 111,200 des UVP-Abschnittes Aich - Althofen/Drau die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung, die wasserrechtliche Bewilligung und die forstrechtliche Bewilligung erteilt worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.

4        In weiterer Folge habe die Mitbeteiligte für den betreffenden Einreichabschnitt ein im Erkenntnis näher dargestelltes „Änderungsprojekt 2014“ zur Genehmigung beim Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie eingereicht. Der Revisionswerber habe im Verfahren keine Einwände gegen das Projekt erhoben.

5        Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. November 2018 sei der Mitbeteiligten die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung einschließlich wasserrechtlicher Belange und die forstrechtliche Rodungsbewilligung für das „Änderungsprojekt 2014“ für den Einreichabschnitt Mittlern - Althofen/Drau von km 92,970 - km 111,979 sowie der Bestandsstrecke Bleiburg - Innichen von km 90,670 - km 111,200 der Koralmbahn Graz - Klagenfurt erteilt worden. In diesem Bescheid sei festgestellt worden, dass der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer sei als der Nachteil, der den Parteien durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwachse. Dieser Bescheid sei mit 22. Dezember 2018 in Rechtskraft erwachsen und diene als Grundlage für das gegenständliche Enteignungsverfahren.

6        Da eine gütliche Einigung der Mitbeteiligten mit dem Revisionswerber über die Abtretung der notwendigen Grundfläche nicht habe erzielt werden können, habe die Mitbeteiligte die Einlöse hinsichtlich der für das Eisenbahnprojekt benötigten Grundfläche laut Teilungsplan gemäß dem vorgelegten Grundeinlöseplan im Wege der Enteignung beantragt.

7        Die von der Mitbeteiligten beantragte Grundeinlöse sei für die Verwirklichung des genehmigten Bauvorhabens nach Maßgabe des eingereichten und mit Bescheid vom 23. November 2018 genehmigten Grundsatzprojektes sowie des Grundeinlöseprojektes unmittelbar und zur Gänze erforderlich, was durch den im behördlichen Verfahren beigezogenen eisenbahnfachlichen Amtssachverständigen bestätigt worden sei. Der Grundbedarf für die Enteignung sei auf das unumgängliche Mindestmaß reduziert worden.

8        Mit der rechtskräftigen eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung seien Lage und Umfang der genehmigten Objekte auch für das Enteignungsverfahren verbindlich festgelegt worden und der Eigentümer einer betroffenen Liegenschaft könne im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse. Eine Prüfung von Alternativvarianten zu den bereits nach Lage und Umfang konkret genehmigten Objekten, wie vom Revisionswerber verlangt, dürfe die Enteignungsbehörde nicht vornehmen. Der Revisionswerber hätte im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren die Möglichkeit gehabt, Einwände gegen das Bauvorhaben zu erheben, habe von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht.

9        Die Enteignung stelle somit das gelindeste zum Ziel führende Mittel dar und erweise sich daher als erforderlich.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte zu enthalten hat, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte). Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0045, mwN).

15       Dem Revisionswerber gelingt es nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen.

16       Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Erforderlichkeit der Ermittlung von Alternativvarianten, welche eine geringere Grundflächeninanspruchnahme mit sich bringen oder die Enteignung entbehrlich machen würden. Die Prüfung von Alternativvarianten sei Teil des Enteignungsverfahrens. Weiters mangle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Enteignung rechtlich möglich sei, wenn die im Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vorgesehene Bauausführungsfrist bereits abgelaufen sei. Schließlich bringt der Revisionswerber vor, dass die Enteignung in dem dem Bescheid vom 23. November 2018 zugrundeliegenden Verfahren nicht antragsgegenständlich gewesen sei.

17       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

18       Zum Verhältnis zwischen eisenbahnrechtlicher Baugenehmigung und darauf aufbauender Enteignung wird vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die rechtskräftige eisenbahnrechtliche Baugenehmigung den Umfang der für die Herstellung und den Betrieb der Eisenbahn iSd § 2 EisbEG notwendigen Baumaßnahmen verbindlich festlegt. Vor diesem Hintergrund kann der Eigentümer einer durch den rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid betroffenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse. Vielmehr ist im Enteignungsverfahren nur mehr zu prüfen, in welchem Umfang eine Enteignung für die Ausführung dieser Maßnahmen erforderlich ist (vgl. VwGH 6.11.2019, Ra 2019/03/0125, mwN).

19       Im gegenständlichen Fall wurde mit (rechtskräftigem) Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. November 2018 die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für das gegenständliche Projekt erteilt. Dass diese Baugenehmigung nicht mehr aufrecht wäre oder der Revisionswerber im Baugenehmigungsverfahren als Partei übergangen worden wäre, wird in der Revision nicht behauptet. Laut den unbestritten gebliebenen Feststellungen hat der Revisionswerber vielmehr im Baugenehmigungsverfahren keine Einwendungen gegen das Projekt erhoben.

20       Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass im gegenständlichen Enteignungsverfahren Alternativvarianten zu den bereits rechtskräftig genehmigten Baumaßnahmen - wie etwa eine andere Führung des Weges oder die Errichtung einer Überführung anstatt eines Geh- und Radweges etc., wodurch eine Inanspruchnahme der Liegenschaft des Revisionswerbers gänzlich vermieden bzw. auf ein geringeres Ausmaß reduziert hätte werden können - nicht mehr zu prüfen waren (vgl. idS auch VwGH 4.5.2020, Ra 2019/03/0109, 0110). Die Lage und der Umfang der genehmigten Objekte wurden durch die rechtskräftige eisenbahnrechtliche Baugenehmigung auch für das Enteignungsverfahren verbindlich festgelegt (vgl. VwGH 18.2.2015, Ro 2014/03/0008; 29.1.2014, 2013/03/0004, jeweils mwN). Eine fehlende Rechtsprechung liegt demnach nicht vor.

21       Wenn der Revisionswerber auf den Ablauf der Bauausführungsfrist verweist, ist er in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der - ungenützte - Ablauf der für Bauausführung bzw. Betriebseröffnung festgelegten Frist den Enteigneten dazu berechtigt, die Rückübereignung des Enteignungsgegenstandes gemäß § 37 Abs. 1 EisbEG zu beantragen (vgl. dazu grundlegend VwGH 10.10.2018, Ra 2018/03/0108, mwN). Soweit der Enteignungsgegenstand ganz oder teilweise nicht für den Enteignungszweck verwendet wird, kann der Enteignete nach dem in § 37 EisbEG festgelegten Verfahren und unter Einhaltung der dort geregelten Fristen die Rückübereignung des Enteignungsgegenstandes beantragen (vgl. erneut VwGH 4.5.2020, Ra 2019/03/0109, 0110).

22       Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Enteignungsbescheid vom 21. August 2019 über die beantragte Grundeinlöse hinausgegangen wäre. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurden die Projektbestandteile „Bahnhofszufahrt“ und „Geh- und Radweg“ als Teil des Bauprojektes eisenbahnrechtlich baugenehmigt. Für die Realisierung dieses mit Bescheid vom 23. November 2018 eisenbahnrechtlich baugenehmigten Projektes hat die Mitbeteiligte sodann mit Eingabe vom 21. Februar 2019 die Enteignung gemäß den beigelegten Plänen beantragt und wurde dementsprechend mit Bescheid vom 21. August 2019 die Enteignung verfügt. Dass die verfügte Enteignung über den Antrag hinausgegangen wäre, ist demnach nicht erkennbar.

23       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Februar 2021

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020030121.L00

Im RIS seit

16.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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