TE Bvwg Beschluss 2020/11/25 I412 2196120-2

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Entscheidungsdatum

25.11.2020

Norm

AsylG 2005 §57 Abs1 Z2
AsylG 2005 §59
AVG §10 Abs1
AVG §10 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ZustG §7
ZustG §9

Spruch

I412 2196120-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , StA. NIGERIA, gegen das als Bescheid bezeichnete Schriftstück des BFA, RD Wien Außenstelle Wien (BFA-W-ASt-Wien) vom 24.09.2020, Zl. XXXX :

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 03.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.03.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Beug auf den Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus Gründen des § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen gewährt.

Nach Beschwerdeerhebung unter Hinweis, dass die Beschwerdeführerin möglicherweise Opfer von Menschenhandel geworden sei, wurde durch das Bundeskriminalamt bestätigt, dass ein Verfahren laufend ist.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 08.05.2018 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I). Der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 57 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ erteilt und die Rückkehrentscheidung wurde behoben (Spruchpunkt II.). Der dagegen eingebrachte Vorlageantrag bekämpft ausschließlich Spruchpunkt I. der Beschwerdevorentscheidung. Dieses Verfahren ist beim Bundesverwaltungsgericht unter GZ I412 2196120-1 anhängig.

Die Aufenthaltsberechtigung war bis 13.05.2019 gültig und wurde unter Hinweis auf das nach wie vor laufende Strafverfahren gegen namentlich genannte Täter beim LG Salzburg bis 13.05.2020 verlängert.

Am 11.05.2020 stellte die Beschwerdeführerin gegenständlichen Verlängerungsantrag gemäß § 59 AsylG 2005. Dieser wurde mit der nunmehr angefochtenen Erledigung vom 24.09.2020 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt, „sofern auch der derzeit in Beschwerde befindliche Antrag auf internationalen Schutz vom 03.06.2016 rechtskräftig abgewiesen wurde“.

Die dagegen erhobene Beschwerde vom 21.10.2020 moniert unter anderem, dass der Bescheid an die vormalige Vertretung zugestellt worden sei, welche jedoch am 11.09.2020 nachweislich ihre Vollmacht aufgrund der Beendigung ihres Dienstverhältnisses zurückgelegt habe. Zudem wird vorgebracht, der Beschwerdeführerin hätte weiterhin die Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG 2005 zukommen müsste, weil sie noch ausstehende Lohnansprüche aus ihrer Tätigkeit in einem Hotel einklagen müsse. Sie hätte angegeben, dass sie beabsichtige, gegen den ehemaligen Arbeitgeber strafgerichtlich vorzugehen und zur Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche wäre ihr eine Aufenthaltsberechtigung zu gewähren. Außerdem wurde angeführt, dass nach Rechtsprechung des VwGH eine Rückkehrentscheidung nicht hätte erlassen werden dürfen, weil eine solche mit dem noch anhängigen Verfahren über Antrag auf internationalen Schutz entschieden werden müsse.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:

Die Beschwerdeführerin bevollmächtigte zunächst mit Schreiben vom 25.05.2016
Mag. Marie Luise M., eine Mitarbeiterin der Caritas der Erzdiözese Wien, sie in asyl-, fremden- und niederlassungsrechtlichen Verfahren, sohin in sämtlichen verwaltungs- und verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren insbesondere nach dem AsylG, FPG, VwGVG, BFA-VG, NAG sowie der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III) rechtlich zu vertreten und sämtliche in diesen Angelegenheiten ergangenen Entscheidungen, Ladungen und Verfügungen für sie entgegenzunehmen.

Eine mit 08.05.2020 datierte Vollmacht erweitert diese neben Mag. Marie Luise M. auf drei weitere, namentlich genannten Mitarbeiter der Caritas der Diözese Wien (Maryam A, MA BA, Christina-Agnes H. LL.M, sowie Mag. Karin H.).

Mit Schreiben vom 04.09.2020 wurde der belangten Behörde schließlich von Frau Mag. Marie Luise M. mitgeteilt, dass „die rechtliche Vollmacht zur Vertretung im Asylverfahren vom 26.05.2016 aufgrund personeller Änderungen (…) zurückgezogen wird.“.

Die nunmehr bekämpfte Erledigung der belangten Behörde vom 24.09.2020 bezeichnet in der Zustellverfügung Mag. Marie Luise M., Caritas, als Bescheidempfängerin.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang bzw. zu den erteilten Vollmachten und Zurücklegungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt (Beschwerdevorbringen) bzw. dem ha. Akt GZ I412 2196120-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

Anzuwenden war weiters das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982:

Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.


Zustellungsbevollmächtigter

§ 9 (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

(2) Einer natürlichen Person, die keinen Hauptwohnsitz im Inland hat, kann eine Zustellungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden. Gleiches gilt für eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, wenn diese keinen zur Empfangnahme von Dokumenten befugten Vertreter mit Hauptwohnsitz im Inland hat. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

(4) Haben mehrere Parteien oder Beteiligte einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung des Dokumentes an ihn die Zustellung an alle Parteien oder Beteiligte als bewirkt. Hat eine Partei oder hat ein Beteiligter mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so gilt die Zustellung als bewirkt, sobald sie an einen von ihnen vorgenommen worden ist.

(5) Wird ein Anbringen von mehreren Parteien oder Beteiligten gemeinsam eingebracht und kein Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht, so gilt die an erster Stelle genannte Person als gemeinsamer Zustellungsbevollmächtigter.

(6) § 8 ist auf den Zustellungsbevollmächtigten sinngemäß anzuwenden.


3.2. Rechtlich folgt daraus:

Gegenstand des Verfahrens ist die mit 24.09.2020 datierte Erledigung der belangten Behörde.

Ab der Wirksamkeit der Vollmacht hat sich die Behörde in deren Rahmen an den Vertreter zu wenden, also alle Verfahrensakte - mit Wirkung für die Partei - diesem gegenüber zu setzen. [...] Ferner sind dem Bevollmächtigten alle Schriftstücke [...] bei sonstiger Unwirksamkeit zuzustellen, und dieser ist als Empfänger zu bezeichnen (VwGH 03.07.2001, 1000/05/0115; VwGH 17.06.2003, 2003/05/0010; VwGH 28.08.2008, 2008/22/0607). (siehe AVG, Manz Kommentar, Hengstschläger/Leeb, 2. Ausgabe Wien 2014, 1. Teilband, Seite 127, Rz 23).

Zwar ist das Schriftstück im vorliegenden Fall offenbar schließlich doch einer der gewillkürten Vertreterinnen, deren Vollmacht aufrecht geblieben ist, zugekommen, doch ist eine Heilung des gegenständlichen Zustellmangels (Bezeichnung von Mag. Marie Luise M., deren Vollmacht zuvor beendet worden ist, als Empfänger in der Zustellverfügung) nicht möglich:

Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann nicht heilen (vgl. Ra 2017/19/0361, 25.02.2019, und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) 1900 ff angeführten Nachweise zur Rechtsprechung; ferner Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltunsrecht5 (2009) 356 f; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht9 (2011) Rz 203/1, alle mwN).

Zum „Verfahren der Zustellung“ gehören sowohl die Zustellverfügung als auch der Zustellvorgang (die Durchführung der Zustellung). Mängel im Verfahren der Zustellung sind solche, welche die Zustellverfügung oder den Zustellvorgang betreffen. Als Mangel ist jede Abweichung von den Bestimmungen des Zustellgesetzes sowie von sonstigen Vorschriften, die zustellrechtliche Regelungen enthalten, anzusehen (ebenda, K2 zu § 7).

Ist eine Zustellverfügung unrichtig, so wird diese Unrichtigkeit auch dadurch nicht behoben, dass das Schriftstück jener Person, an die richtigerweise zuzustellen gewesen wäre, tatsächlich zugekommen ist (VwGH 07.09.1990, 89/18/0180).

Der „Bescheid“ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2020 ist daher nicht rechtswirksam erlassen worden.

Die Beschwerde richtet sich, da der genannte Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden ist, gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde ist, und ist sohin als unzulässig zurückzuweisen. Für eine meritorische Entscheidung - etwa auf Grundlage des in der Beschwerde behaupteten Vorbringens - fehlt dem Bundesverwaltungsgericht die Zuständigkeit (vgl. VwGH 22. 1. 2003, 2000/08/0048).

Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Bescheiderlassung Empfänger Fehlbezeichnung Heilung Nichtbescheid Rückkehrentscheidung tatsächliches Zukommen Unzulässigkeit der Beschwerde Unzuständigkeit BVwG Vollmacht Zurückweisung Zustellbevollmächtigter Zustellmangel Zustellung Zustellverfügung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2196120.2.00

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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