TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/6 96/18/0100

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Veröffentlicht am 06.05.1997
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Index

E2A Assoziierung Türkei;
E2A E02401013;
E2A E11401020;
E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art7;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des O, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Mai 1995, Zl. SD 631/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Mai 1995 wurde das gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, durch Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. März 1995, Zl. IV-573.137-FrB/95, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot mit der Abänderung bestätigt, daß die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren festgesetzt wurde.

Der Beschwerdeführer sei bereits sechsmal vom Jugendgerichtshof Wien rechtskräftig verurteilt worden, und zwar wegen Einbruchsdiebstahls (Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig am 12. Februar 1993), wegen Diebstahls, Urkundenunterdrückung und dauernder Sachentziehung (Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, rechtskräftig am 24. Februar 1993), wegen Einbruchsdiebstahls (Freiheitsstrafe von dreieinhalb Monaten unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig am 25. Juni 1993), wegen schweren Raubes (§ 143 StGB), gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls und Hehlerei (Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig seit 8. Februar 1994), wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Einbruchsdiebstahls und Verstoßes gegen § 16 Suchtgiftgesetz (Freiheitsstrafe von acht Monaten unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig seit 16. Juni 1994) und schließlich wegen Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Nach zuvor erfolgter Verlängerung der Probezeit hinsichtlich der bedingten Verurteilungen sei nach dieser letzten Verurteilung die bedingte Strafnachsicht in allen bisherigen Fällen widerrufen worden.

Es könne demnach nicht der geringste Zweifel am Vorliegen bestimmter Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG - dessen Tatbestand in mehrfacher Hinsicht verwirklicht worden sei - bestehen; es sei daher nicht nur die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit gefährde und damit den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen (hier: Schutz der Rechte anderer, Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) zuwiderlaufe, sondern auch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung dieser Ziele im Grunde des § 19 FrG dringend geboten.

Der Beschwerdeführer lebe seit dem Jahre 1989 im Bundesgebiet. Seine Eltern, deren Ehe aus dem Verschulden des Vaters wegen Trunksucht, Glücksspiel und Vernachlässigung des Unterhaltes schon in der Türkei geschieden worden sei, hielten sich auch in Österreich auf, wobei der Beschwerdeführer zuerst bei seinem Vater und seit 1992 bei seiner Mutter gelebt habe. Der Beschwerdeführer werde voraussichtlich im Jahre 1996 oder 1997 aus der Strafhaft entlassen und sei zuvor keiner Beschäftigung nachgegangen.

Im Hinblick auf die rasche Abfolge zum Teil schwerer Straftaten und auf die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer durch mehrfache Verurteilungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten, sondern sich vielmehr auch zu schwereren Straftaten habe hinreißen lassen (brutaler Raubüberfall in zwei Angriffen), seien die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes so schwerwiegend, daß demgegenüber die aufgrund der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seiner familiären Bindungen gegebenen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation und die seiner Familie nicht überwögen.

Der Auffassung der Berufung, es hätte die aus Anlaß der zu erwartenden bedingten Entlassung aus der Strafhaft zu erstellende Zukunftsprognose abgewartet werden müssen, könne nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß bei der Beurteilung fremdenpolizeilicher Aspekte keine Bindung an eine bedingte Strafnachsicht und die dabei für das Gericht bei der Strafbemessung maßgebenden Erwägungen - ebensowenig wie an die für eine bedingte Entlassung - und an die Meinung der Bewährungshilfe bestehe, gehe selbst aus der Äußerung der Bewährungshilfe hervor, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch für das Gericht keine günstige Zukunftsprognose gegeben gewesen sei. Es bestehe demnach keine Veranlassung, auf eine aus guter Führung in der Haft abzuleitende Verbesserung der Zukunftsprognose zu hoffen; im übrigen böte auch die für eine bedingte Entlassung maßgebende Zukunftsprognose keine für das in fremdenpolizeilicher Hinsicht geforderte Wohlverhalten ausreichende Gewähr. Dies könnte erst aus einer ausreichend langen Zeit des Wohlverhaltens nach Beendigung der Haft erkannt werden. Im Hinblick auf das jugendliche Alter des Beschwerdeführers bedürfe es aber keines unbefristeten Aufenthaltsverbotes (das mit dem erstinstanzlichen Bescheid erlassen wurde), da mit einer Änderung der Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber der Rechtsordnung nach einem Zeitraum von zehn Jahren gerechnet werden könne.

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und der EWG (EG) sei schon deshalb nicht begründet, weil ein Aufenthaltsverbot aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auch gegen Staatsangehörige eines EWR-Mitgliedsstaates und Drittstaatsangehörige erlassen werden könne; dies insbesondere im Hinblick darauf, daß der maßgebliche Grund für das Aufenthaltsverbot nicht nur in den Verurteilungen allein, sondern auch in deren rascher Abfolge und der Beharrlichkeit gelegen sei, mit der der Beschwerdeführer immer wieder die gleichen - zum Teil sehr schweren - Delikte begangen habe.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde - nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschluß vom 25. September 1995, B 2361/95-6) - mit Beschluß vom 19. Februar 1996, B 2361/95-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit die Beschwerde (mit näherer Begründung) ausdrücklich eine "Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte auf Respektierung des Privat- und Familienlebens, auf Unterlassung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung sowie dem aus dem in Durchführung der Rassendiskriminierungskonvention (BGBl. 1972/377) ergangenen BVG BGBl. 1973/390 erfließenden Recht auf Gleichbehandlung von Ausländern untereinander" geltend macht, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß zur Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gegeben ist (vgl. Art. 133 Z. 1 und Art. 144 Abs. 1 B-VG).

2. Die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, begegnet auf dem Boden der unbestritten gebliebenen maßgeblichen Sachverhaltsfestellungen keinen Bedenken. Die Beschwerde enthält zu dieser rechtlichen Beurteilung auch keine Ausführungen.

3.1. Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe nicht die "gemäß § 19 FrG zwingend vorgesehene Abwägung der für bzw. gegen die Ergreifung fremdenpolizeilicher Maßnahmen sprechenden Interessen" vorgenommen, so übersieht sie, daß die Behörde in diesem Zusammenhang keineswegs bloß festgestellt hat, "daß der Beschwerdeführer in Österreich zuerst bei seinem Vater und dann, seit 1992, bei seiner Mutter gelebt habe"; vielmehr hat die belangte Behörde wegen des seit dem Jahr 1989 gegebenen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner beiden Elternteile in Österreich, bei denen er vor seiner Strafhaft abwechselnd lebte, einen Eingriff in das Privat- und Familienleben im Grunde des § 19 FrG angenommen. Die Bejahung des Dringend-geboten-seins der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (näherhin: Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer, Schutz der Gesundheit) begegnet vor dem Hintergrund der - von der belangten Behörde zu Recht hervorgehobenen - raschen Abfolge teilweise schwerer Straftaten, die sich gegen fremdes Vermögen und die körperliche Unversehrtheit anderer richteten und auch einen Verstoß gegen das Suchtgiftgesetz umfaßten, keinen Bedenken; zutreffend legte die belangte Behörde dieser Beurteilung auch die Tatsache zugrunde, daß der Beschwerdeführer durch mehrfache Verurteilungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten war, sondern sich vielmehr zu noch schwereren Straftaten hat hinreißen lassen. Das Vorbringen, die belangte Behörde habe die Frage des Dringend-geboten-seins der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG "nur durch eine bloße Behauptung" releviert, übersieht daher ebenfalls die dazu getroffenen, wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen und die auf sie gestützten Erwägungen der belangten Behörde.

3.2. Da demnach im angefochtenen Bescheid die Annahme des Dringend-geboten-seins der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes i. S. des § 19 FrG ausreichend und nachvollziehbar begründet wurde, erweist sich die Verfahrensrüge, es sei "durch eine derart kursorische Begründung das Recht auf Erlassung eines begründeten Bescheides im Sinne des § 58 Abs. 2 AVG verletzt", als unzutreffend.

3.3. Nicht gefolgt werden kann auch der Argumentation der Beschwerde, es sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht dringend geboten, weil der Beschwerdeführer in der Strafhaft seine Ausbildung als Bäcker fortsetze, daher mit guten Aussichten auf einen Arbeitsplatz rechnen könne und außerdem für ihn "von seiten der Eltern für eine ortsübliche Unterkunft gesorgt" sei, was eine "gelungene Resozialisierung nach der sicher schockhaften Freiheitsstrafe möglich und eine positive Zukunftsprognose angemessen" erscheinen lasse. Angesichts der oben unter 3.1. dargelegten massiven Eingriffe des Beschwerdeführers in mehrere der im Art. 8 Abs. 2 MRK angeführten Werte pflichtet der Gerichtshof der belangten Behörde bei, wenn sie die Erstellung einer - dem in fremdenpolizeilicher Hinsicht geforderten Wohlverhalten des Beschwerdeführers ausreichend Gewähr bietenden - Zukunftsprognose erst nach einer ausreichend langen Zeit nach Beendigung der Haft für möglich erachtete. Dies gilt auch unter Bedachtnahme auf den von der Beschwerde im gegebenen Zusammenhang ins Treffen geführten Gesichtspunkt des "jugendlichen Straftäters".

3.4. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Entscheidungen des EGMR vom 18. Februar 1991, Nr. 31/1989/191/291, im Fall Moustaquim gegen Belgien (ÖJZ 1991, 452 ff), und vom 26. März 1992, Nr. 55/1990/246/317, im Fall Beldjoudi gegen Frankreich (ÖJZ 1992, 773 ff), ist in diesem Zusammenhang verfehlt. Der vorliegende Beschwerdefall ist mit dem Fall Moustaquim vom Sachverhalt her aufgrund der Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlungen, insbesondere des Verbrechens des schweren Raubes, vor allem aber auch deshalb nicht vergleichbar, weil Moustaquim bereits als Zweijähriger nach Belgien gekommen war und dort ungefähr 20 Jahre (mit seiner Familie oder nicht weit von dieser entfernt) gelebt hat. Der Fall Beldjoudi indes ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß der Fremde (im Jahr 1950) in Frankreich geboren wurde, bis 1963 (ebenso wie seine Eltern) die französische Staatsangehörigkeit hatte, stets in diesem Land gelebt hatte und seit über 20 Jahren mit einer französischen Staatsbürgerin verheiratet war; dazu kommt, daß in diesem Fall die Ehegattin des Fremden Mitbeschwerdeführerin war und der EGMR ganz wesentlich auf ihre persönlichen Verhältnisse Bedacht nahm (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1994, Zl. 93/18/0260, und vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1028).

3.5. Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde die Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG in unbedenklicher Weise bejaht.

4.1. An diesem Ergebnis vermag auch der Beschwerdehinweis auf das Assoziationsabkommen EWG-Türkei

(vom 12. September 1963) und den auf dieser Grundlage gefaßten Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei nichts zu ändern. Abgesehen davon, daß das unter Bezugnahme auf Art. 7 des angeführten Beschlusses erstattete Beschwerdevorbringen davon ausgeht, daß "der Beschwerdeführer nunmehr eine Bäckerlehre beendet", er also zum - hier einzig interessierenden - Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Aufnahmeland nicht - wie dies Art. 7 des genannten Assoziationsratsbeschlusses als Voraussetzung für das Recht, sich in dem betreffenden Mitgliedstaat auf jedes Stellenangebot zu bewerben, fordert - "eine Berufsausbildung abgeschlossen" hat, sohin diese Regelung und ein damit verknüpftes Aufenthaltsrecht schon deshalb für den Beschwerdeführer nicht zum Tragen kommt, stünden das zitierte Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und der auf dieser Grundlage gefaßte Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, wenn dies, wie im vorliegenden Fall, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0362, mwN).

4.2. Auf das unter Berufung auf die Richtlinie des Rates der EWG 64/221/EWG vom (25. Februar 1964) gemachte Beschwerdevorbringen ist schon deshalb nicht näher einzugehen, weil diese Richtlinie gemäß ihrem Art. I Abs. 1 ausdrücklich nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates gilt, was auf den Beschwerdeführer, der unbestrittenerweise Staatsbürger der Türkei ist, nicht zutrifft (vgl. das schon zitierte Erkenntnis Zl. 96/18/0362).

4.3. Da aus den dargelegten Gründen das in der Beschwerde angeführte Gemeinschaftsrecht auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, besteht für den Gerichtshof auch keine Veranlassung, der Beschwerdeanregung auf Einleitung eines "verwaltungsgerichtlichen Normprüfungsverfahrens" hinsichtlich der §§ 18 bis 20 FrG und auf Vorlage der Beschwerdesache im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH zu folgen.

5.1. Zu § 20 Abs. 1 FrG macht die Beschwerde zunächst geltend, die belangte Behörde habe den insoweit entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht festgestellt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde aber sowohl die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers, der sich dem angefochtenen Bescheid zufolge seit 1989 - somit "seit seinem 12. Lebensjahr" - in Österreich aufhält, als auch das Ausmaß seiner Integration und seine familiären oder sonstigen Bindungen berücksichtigt. Aus der diesbezüglichen Begründungspassage des angefochtenen Bescheides ergibt sich auch, daß sich die belangte Behörde nicht mit "der kursorischen Feststellung, das Aufenthaltsverbot begründe zweifelsfrei einen schweren Eingriff in die Rechtsposition des Beschwerdeführers", begnügt hat; vielmehr hat sie festgestellt, daß der Beschwerdeführer abwechselnd bei seinen im Bundesgebiet aufhältigen Eltern, deren Ehe schon vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet geschieden worden sei, gelebt habe und vor Antritt seiner Strafhaft keiner Beschäftigung nachgegangen sei. Angesichts der Begehung zahlreicher schwerwiegender Straftaten durch den Beschwerdeführer begegnet das Ergebnis der Abwägung der belangten Behörde, daß die mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme nicht überwögen, keinen Bedenken. Dies auch im Hinblick darauf, daß aufgrund der Zahl und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten und seiner Beschäftigungslosigkeit vor der Haft eine beachtliche Minderung der für seine Integration wesentlichen sozialen Komponente anzunehmen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1126, mwN). An diesem Abwägungsergebnis könnte auch die - wie einzuräumen ist, dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmende - Einbeziehung des Ausmaßes der Integration der Familienangehörigen des Beschwerdeführers nichts ändern.

5.2. Ins Leere geht das Vorbringen, der Beschwerdeführer hätte zu seinem Heimatland (der Türkei) "keine wie immer gearteten Beziehungen mehr", es erstrecke sich "sein gesamtes Sozial- und Familienleben ausschließlich auf Österreich", weshalb er "als in Österreich voll integriert anzusehen" sei, "gleich welche strafrechtlichen Verurteilungen ihm zur Last liegen mögen". Selbst wenn nämlich der Beschwerdeführer über keinerlei Beziehungen mehr zu seinem Herkunftsland verfügen sollte, ließen sich daraus keine Schlußfolgerungen auf das Ausmaß seiner - im Sinne des § 20 FrG maßgeblichen - Integration im Bundesgebiet ableiten.

5.3. Verfehlt ist schließlich auch das Argument, es sei im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers geringer "als sein berechtigtes privates Interesse, sich im Schutz familiärer und sozialer Bindungen von seinen jugendlichen Straftaten abwenden zu können", weil dies zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis führen würde, daß das Gewicht der zugunsten des Fremden zu berücksichtigenden familiären und sonstigen Bindungen umso größer wäre, je schwerer die maßgeblichen öffentlichen Interessen durch das Fehlverhalten des Fremden beeinträchtigt worden sind.

6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996180100.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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