TE Vwgh Beschluss 2021/2/4 Ra 2020/04/0169

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Veröffentlicht am 04.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
GewO 1994 §26 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des H C in N, vertreten durch DDr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, Am Kirchenplatz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 29. September 2020, Zl. LVwG-AV-751/001-2020, betreffend ein Verfahren gemäß § 26 GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juni 2020 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 15. Jänner 2020 um Erteilung der Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Gewerbes „Gastgewerbe“ wegen gerichtlicher Verurteilungen abgewiesen.

2        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        In seiner Begründung traf das Verwaltungsgericht zusammengefasst die Feststellungen, der Revisionswerber sei im Jahr 1991 wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 164 Abs. 1 zweiter Fall und Abs. 3 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, im Jahr 1996 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung sowie der leichten vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4 sowie § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, in den Jahren 2006 und 2007 sowie im Jahr 2011 wegen des Vergehens der Verletzung seiner im Familienrecht begründeten Unterhaltspflichten jeweils gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren sowie von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von fünf Jahren, im Jahr 2007 wegen des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren und im Jahr 2018 wegen versuchter Nötigung durch gefährliche Drohung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden. Alle Urteile seien rechtskräftig, der Tilgungszeitraum sei derzeit nicht errechenbar. Der Revisionswerber sei in den Jahren 2009 bis 2015 einer Beschäftigung als Angestellter eines Reifenhauses nachgegangen, nunmehr seit ca. vier Jahren beim AMS arbeitslos gemeldet und beziehe Notstandshilfe. Er lebe in einer aufrechten Partnerschaft und habe vier Kinder. Zu zwei seiner Töchter pflege er trotz mehrmaliger Verurteilungen wegen Verletzung seiner Unterhaltspflichten wöchentlichen Kontakt. Eine Wiedergutmachung betreffend seine Straftaten habe nicht festgestellt werden können. Mit Bescheid vom 21. März 2006 sei dem Revisionswerber erstmals die Nachsicht vom Ausschluss für die Ausübung des Gastgewerbes, befristet mit 31. Dezember 2007, wegen nicht getilgter Vorstrafen gewährt worden.

4        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Beurteilung der Nachsicht nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 stelle auf den Umfang der erfolgten gerichtlichen Verurteilung ab. Aus der Straftat, die der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liege, ergebe sich das Persönlichkeitsbild des Nachsichtswerbers. Die Ursachen für die zur Verurteilung führenden Straftaten seien für die Gewerbebehörde nicht maßgeblich. Im Rahmen der Prognoseentscheidung nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 sei das Risiko der Begehung weiterer strafbarer Handlungen bei Ausübung des Gewerbes auf Grundlage der Eigenart der in der Vergangenheit begangenen strafbaren Handlungen und der Persönlichkeit des Verurteilten einzuschätzen. Die genannten Kriterien seien in einem beweglichen System anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

Immanenter Faktor der Gewerbeausübung sei sowohl die Fähigkeit als auch die Bereitschaft, den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Der Revisionswerber sei bereits seinen sich aus dem Familienrecht ergebenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen, was zu den festgestellten Verurteilungen wegen Verletzung der Unterhaltsverpflichtungen geführt habe. Zudem berge das Gastgewerbe durch dauerhaften Kundenkontakt erhöhtes Konfliktpotential, insbesondere durch Ausschank alkoholischer Getränke, welche die Zurechnungsfähigkeit der Gäste offenkundig beeinträchtige und sich die Gewaltbereitschaft nach der allgemeinen Lebenserfahrung deutlich erhöhe. Da der Revisionswerber im gegenständlichen Fall einschlägige Verurteilungen wegen Delikten gegen Leib und Leben aufweise, könne das Verwaltungsgericht nicht ausschließen, dass es zu gleichen oder ähnlichen Straftaten kommen könnte.

Sein Persönlichkeitsbild betreffend habe sich der Revisionswerber in seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung durchgeführten Einvernahme weder reflektiert noch reumütig gezeigt, vielmehr ausdrücklich angegeben, sich nicht weiter mit den begangenen Straftaten auseinandergesetzt, diese stattdessen verdrängt zu haben. Dass es nie zu einer Aufarbeitung der Geschehnisse gekommen sei, komme nicht zuletzt durch die sich zuletzt in der Verurteilung im Jahr 2018 manifestierende Rückfälligkeit des Revisionswerbers zum Ausdruck. Darüber hinaus sei dem Revisionswerber bereits im Jahr 2006 Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gewährt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass dem Revisionswerber bewusst gewesen sei, dass rechtsuntreues Verhalten zum Ausschluss von der Gewerbeausübung führe. Das Verwaltungsgericht komme daher nach Abwägung sämtlicher Umstände zu dem Schluss, dass keine Wandlung der Persönlichkeit festzustellen sei und diesbezüglich keine positive Prognose abgegeben werden könne.

5        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

6        4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        4.2 Soweit ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, ist konkret darzulegen, in welchen tragenden Erwägungen das Verwaltungsgericht sich von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/16/0107, mwN). Eine Zulässigkeitsbegründung, die bloß pauschale Behauptungen, jedoch keine konkrete Rechtsfrage und auch keine Bezugnahme auf Judikatur enthält, entspricht diesen Anforderungen nicht (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/17/0681-0684, mwN; vgl. zum Ganzen auch VwGH 16.9.2020, Ra 2020/04/0090).

10       Der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG erstatteten Zulässigkeitsbegründung ist nicht zu entnehmen, welche grundsätzliche Rechtsfrage die Revision an den Verwaltungsgerichtshof heranzutragen wünscht. Die bloß allgemein gehaltenen Ausführungen, wonach das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung nicht den rechtserheblichen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, weil zur Beurteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 nicht das Datum der vom Revisionswerber „erlittenen“ Verurteilungen, sondern der jeweilige Tatzeitpunkt festzustellen gewesen wäre, enthalten keinen Hinweis auf das Abweichen von einer konkreten Rechtsprechung oder einen Hinweis auf das Vorliegen einer in ihrer Bedeutung über den vorliegenden Revisionsfall hinausgehenden Rechtsfrage und vermögen damit die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Das Verwaltungsgericht selbst geht bei seiner Beurteilung von einer Gesamtbetrachtung der festgestellten Umstände, insbesondere der wiederholten Straffälligkeit des Revisionswerbers, aus, sodass nicht nachvollziehbar ist, inwiefern die Revision, die diesen Standpunkt teilt, in der fehlenden expliziten Differenzierung zwischen Tat- und Verurteilungszeitpunkt eine die Prognoseentscheidung betreffende Rechtswidrigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erkennen möchte.

11       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020040169.L00

Im RIS seit

07.04.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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