TE Vwgh Erkenntnis 2021/2/10 Ra 2019/22/0225

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2021
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §56
NAG 2005 §19 Abs2 idF 2018/I/056
VwGG §42 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 21. August 2019, VGW-151/036/8431/2019-1, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: B B in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Der Landeshauptmann von Wien (Revisionswerber) wies mit Bescheid vom 13. August 2018 den ersten Antrag des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen der Mongolei, vom 16. Oktober 2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familiengemeinschaft“ gemäß § 69 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab. Das Verwaltungsgericht Wien (VwG) wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 21. November 2018 wegen Versäumung der Beschwerdefrist als verspätet zurück.

2        Verfahrensgegenständlich ist nunmehr der zweite Antrag des Mitbeteiligten vom 14. November 2018 (eingelangt am 19. November 2018) auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Schüler“. Diesen Antrag wies der Revisionswerber mit Bescheid vom 23. Mai 2019 gemäß § 19 Abs. 2 NAG zurück, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung das Verfahren in Bezug auf den ersten Antrag noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Bescheid betreffend den ersten Antrag sei nämlich erst mit 27. November 2018 - und somit neun Tage nach Einbringung des zweiten Antrages - rechtskräftig geworden.

3        Das VwG gab der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Folge und behob den angefochtenen Bescheid. Weiters erklärte es eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte es aus, der Bescheid des Revisionswerbers vom 13. August 2018 (betreffend den ersten Antrag) sei dem Mitbeteiligten am 21. August 2018 (durch Hinterlegung) zugestellt worden. Dieser habe innerhalb der gemäß § 7 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) vierwöchigen Rechtsmittelfrist keine Beschwerde erhoben, weshalb dieser Bescheid mit dem ungenützten Ablauf dieser Beschwerdefrist formell rechtskräftig und unanfechtbar geworden sei. Dass die am 20. September 2018 - und somit verspätet - eingebrachte Beschwerde erst mit Beschluss des VwG vom 21. November 2018 zurückgewiesen worden sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Aufgrund der eingetretenen Rechtskraft des Bescheides vom 13. August 2018 sei zum Zeitpunkt der Stellung des zweiten Antrages kein Verfahren anhängig gewesen, sodass die Zurückweisung gemäß § 19 Abs. 2 NAG zu Unrecht erfolgt sei.

4        Dagegen erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

5        Der Mitbeteiligte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        In ihrer Zulässigkeitsbegründung führt die Amtsrevision aus, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, wann ein Verfahren gemäß § 19 Abs. 2 NAG als anhängig anzusehen sei, sodass das Stellen weiterer Anträge unzulässig sei.

7        Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet.

8        § 19 Abs. 2 Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, lautet (auszugsweise):

Allgemeine Verfahrensbestimmungen

§ 19. (1) ...

(2) Im Antrag ist der Grund des Aufenthalts bekannt zu geben; dieser ist genau zu bezeichnen. Nicht zulässig ist ein Antrag, aus dem sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergeben, das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz einschließlich jener bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts. ...“

9        Die Erläuterungen (RV 952 BlgNR XXII. GP 128) führen zu § 19 Abs. 2 NAG unter anderem aus, „dass immer nur ein eindeutiger, laufender Antrag gestellt werden soll; hier gilt § 13 Abs. 3 AVG uneingeschränkt. Dies soll verhindern, dass Fremde versuchen, auf irgendeinem Weg nach Österreich zu kommen und hiezu mehrere Anträge oder Eventualanträge stellen. [...]“.

10       Daraus lässt sich ableiten, dass der Umstand einer Antragstellung während eines anhängigen Verfahrens verbesserungsfähig ist und der Antrag im Fall einer fristgerechten Verbesserung als ursprünglich ordnungsgemäß eingebracht gilt.

11       Der zweite Antrag des Revisionswerbers langte am 19. November 2018 bei der Behörde ein. Mit Beschluss vom 21. November 2018 wies das VwG die Beschwerde des Revisionswerbers gegen seinen ersten Antrag wegen verspäteter Einbringung zurück. Auch wenn kein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilt wurde, lag damit das Prozesshindernis einer Antragstellung während eines anhängigen Verfahrens jedenfalls nicht mehr vor. Die Behörde durfte ihre Entscheidung vom 23. Mai 2019 über den zweiten Antrag des Revisionswerbers daher nicht mehr auf das Prozesshindernis des § 19 Abs. 2 zweiter Satz dritter Fall NAG stützen.

12       Im Ergebnis erfolgte die Aufhebung des Bescheides vom 23. Mai 2019 durch das VwG somit zu Recht. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 10. Februar 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019220225.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten