TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/29 I409 1421089-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.12.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.12.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
AVG §13 Abs8
AVG §6
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I409 1421089-2/85E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Weihburggasse 4/40, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31. Mai 2016, Zl. 810881205,

A)

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird behoben.

II. den Beschluss gefasst:

Der am 28. Dezember 2020 geänderte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 56 Asylgesetz 2005 wird gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weitergeleitet.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste am 12. August 2011 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 23. August 2011 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers als unbegründet ab und wies ihn nach Algerien aus.

Gegen den angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. August 2011 fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 9. Oktober 2012 wies der Asylgerichtshof die Beschwerde als unbegründet ab.

Am 1. Dezember 2015 brachte der Beschwerdeführer einen auf § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 gestützten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „aus Gründen des Artikel 8 EMRK“ ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „aus Gründen des Artikel 8 EMRK“ gemäß „§ 55 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ als unbegründet ab und erließ gemäß „§ 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ (Spruchpunkt I). Gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt II). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß „§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG“ mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III).

Gegen den angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. Juni 2016 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28. Dezember 2020 wurde der am 1. Dezember 2015 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Asylgesetz 2005 dahingehend modifiziert, dass nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 56 Asylgesetz 2005 beantragt wird.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird – um Wiederholungen zu vermeiden –als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

A) 2. Beweiswürdigung

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie in den Beschwerdeschriftsatz Beweis erhoben.

A) 3. Rechtliche Beurteilung

Der verfahrenseinleitende, auf die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Asylgesetz 2005 gerichtete Antrag vom 1. Dezember 2015 wurde im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dahingehend geändert, dass nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 56 Asylgesetz 2005 begehrt wird.

Der Umstieg von einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 55 bis 57 Asylgesetz 2005 auf einen Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels nach den genannten Bestimmungen bewirkt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine „Wesensänderung“ iSd § 13 Abs. 8 AVG und ist daher als zulässig anzusehen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 2019, Ra 2018/22/0086).

Die Zulässigkeit einer Antragsänderung nach Maßgabe des § 13 Abs. 8 AVG ist jedoch von der Frage der Überschreitung der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens zu unterscheiden:

„Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des (bescheidmäßigen) Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist die „Sache“ des bekämpften Bescheides. Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes (vgl. zB die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032, vom 27. Jänner 2016, Ra 2014/10/0038, vom 31. Mai 2017, Ra 2016/22/0107, jeweils mwN)

Das bedeutet für den vorliegenden Beschwerdefall: Auch wenn die Antragsänderung vom 28. Dezember 2020 zulässig war und daher rechtswirksam erfolgte, ist es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 Asylgesetz 2005 inhaltlich zu entscheiden, weil es damit über „etwas anderes“ als die belangte Behörde absprechen und folglich die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.

Daher war der Spruchpunkt I und auch die übrigen darauf aufbauenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides zu beheben und der am 28. Dezember 2020 modifizierte Antrag gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an die belangte Behörde weiterzuleiten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsänderung Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Bundesasylamt Kassation Sache des Verfahrens Unzuständigkeit BVwG Weiterleitung wesentliche Änderung Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I409.1421089.2.00

Im RIS seit

04.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten