TE Vfgh Beschluss 2020/9/21 V525/2020 ua

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
StVO 1960 §43, §45 Abs2
V der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 09.06.2020
V der Tiroler Landesregierung vom 08.06.2020
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Unzulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der StVO 1960 betreffend ein Fahrverbot für zu laute Motorräder auf Grund der Möglichkeit, eine Ausnahmebewilligung zu beantragen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 9. Juni 2020, Z RE-VK-STVO-141/37-2020, sowie die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 8. Juni 2020, Z VSR-VO-Lrg/Außerfern/260-2020, als gesetzwidrig aufheben.

1.1. Der Antragsteller wohne in ****** in **** ******** und besitze zwei zugelassene Motorräder, die laut Zulassung ein Standgeräusch von 97 bzw 98 dB(A) aufweisen würden. Die angefochtenen Verordnungen würden für näher bestimmte Straßenabschnitte der B 198, B 199, L 21, L 72, L 246 und L 266 im Zeitraum von 10. Juni bis 30. Oktober 2020 für einspurige Kraftfahrzeuge, deren nach der Genehmigung oder der Type bestimmtes Standgeräusch (Nahfeldpegel) den Wert von 95 dB(A) überschreitet, ein Fahrverbot bestimmen.

1.2. Der Wohnsitz des Antragstellers befinde sich im Bereich dieses Fahrverbotes. Er könne seine Motorräder seit dem Aufstellen der Schilder daher nicht mehr benützen. Eine Ausnahme für Anrainer bestehe nicht. Für den Antragsteller bestehe auch keine Ausweichmöglichkeit, weil er die vom Fahrverbot betroffenen Straßenabschnitte befahren müsse, um seinen Wohnort verlassen zu können.

1.3. Die angefochtenen Verordnungen würden den Antragsteller in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG bzw Art2 StGG und auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG bzw Art1 1. ZPEMRK verletzen. Darüber hinaus würden die Verordnungen gegen §43 StVO 1960 verstoßen, weil die Verordnungen nicht erforderlich seien und die Ermittlungsverfahren zur Erlassung der Verordnungen nicht dem Gesetz entsprochen hätten.

2. Der Antrag ist unzulässig.

2.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).

2.2. Bei verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nach §43 StVO 1960 kann – wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat – ein zumutbarer Weg darin bestehen, die Erteilung einer Ausnahmebewilligung iSd §45 Abs2 StVO 1960 zu beantragen (vgl VfSlg 8553/1979, 9277/1981, 10.302/1984, 12.358/1990).

2.3. Auch im vorliegenden Fall stellt die Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung (§45 Abs2 StVO 1960) von den mit den angefochtenen Verordnungen bestimmten Fahrverboten einen zumutbaren Weg dar. Damit steht dem Antragsteller ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnungen von sich abzuwenden oder aber – wenn dieser Weg erfolglos bleiben sollte – in einer Beschwerde gegen die die Ausnahme versagende letztinstanzliche Entscheidung die Frage der Gesetzmäßigkeit der verkehrsbeschränkenden Maßnahmen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl VfSlg 8553/1979, 12.358/1990).

3. Der Antrag ist daher mangels Legitimation des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass zu prüfen ist, ob seiner meritorischen Erledigung noch weitere Prozesshindernisse entgegenstehen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Fahrverbot, VfGH / Weg zumutbarer, Verkehrsbeschränkungen, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V525.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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