RS Vfgh 2020/10/7 E1294/2020

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 07.10.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; keine Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten sowie Außerachtlassung der aktuellen UNHCR-Richtlinien

Rechtssatz

Das angefochtene Erkenntnis enthält keine hinreichend aktuellen Länderberichte. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) kommt zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offen steht (eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder in Herat wurde nicht geprüft). Es begründet das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative unter anderem damit, "dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten und jüngst gehäuften Anschläge hauptsächlich im Bereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder von Nichtregierungsorganisationen ereignen. Eine derartige Gefährdungsquelle sei jedoch für reine Wohngebiete nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als ausreichend sicher zu bewerten" sei.

Dabei lässt das BVwG jedoch die aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 gänzlich außer Acht; dieser Bericht führt wörtlich aus, dass "Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen".

Das BVwG hat sich sohin nicht damit auseinandergesetzt, dass nach den UNHCR-Richtlinien auch für junge und gesunde Männer "angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist".

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E1294.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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